Willkommenes Qualitätserzeugnis
Die gepriesene editorische Sorgfalt gilt uneingeschränkt auch für die im Juni veröffentlichte Götterdämmerung-Aufnahme, die ein gelungenes tönendes Zeugnis dafür ist, was ein Opernhaus mittlerer Größe und begrenzter finanzieller Möglichkeiten zu leisten vermag (hoffentlich müssen wir nun nicht wieder zwei Jahre warten, bis die beiden verbleibenden Teile des Bühnenfestspiels auf den Markt kommen!). Und wieder ist es Susan Owen, die den stärksten musikalischen Eindruck hinterlässt und mit ihrer Leistung viele vermeintlich hochdramatische Kolleginnen deklassiert: Die Mittellage und Tiefe ihres kraftvollen, aber stets diszipliniert geführten, auch für schnellere Notenwerte und geschmackvoll eingesetzte, gehaltvolle Piani noch ausreichend flexiblen Soprans sind hörbar, aber nicht auf Kosten der nach wie vor strahlenden, unerhört sicheren Höhe nachgedunkelt, sie bewältigt die kräftezehrende Partie mit nie nachlassender musikalischer Präzision und interpretatorischer Reife (und das beim Rollendebüt!), die Brünnhildes ungeheure Liebeskraft ebenso nahe gehen lassen wie ihre Verletztheit, ihre Wut- und Rachegefühle und ihr Abgeklärtsein am Ende.
Christian Franz’ diesmal hörbar überstrapazierter, besonders bei länger zu haltenden Tönen unschön ausgeleierter Tenor ist dagegen streckenweise eine Pein. Er klingt am besten, wenn er sich gegen Ende des ersten Aufzugs den Gunther mimend in der wenig anstrengenden Gunthertessitur bewegt und wenigstens für einen Moment sein forciertes Dauerforte aufgibt. Bodo Brinkmann war 1999 über den Zustand “sommerlich reifer Stärke” weit hinaus und kann die erheblichen stimmlischen Verschleißerscheinungen nur streckenweise durch seine immense Erfahrung in diesem Fach und pseudoexpressiven Sprechgesang kompensieren, während Gertrud Ottenthal sich durchaus Mühe gibt, mit ihrem vollen, nicht immer ausgeglichenen und in der Tiefe deutlich schwächeren jugendlich-dramatischen Sopran der Gutrune Format zu verleihen. Manfred Volz’ hintergründigem, aber sehr diskreten Hagen fehlt es für meinen Geschmack an der nötigen Schwärze, der diabolischen Ausstrahlung und der Kraft in den Extremlagen. Renée Morloc war eine temperamentvoll-berührende Waltraute mit dem nötigen Schuss Metall in der Stimme, die keine schlechte ist, wenn die Tessitura stimmt. Solides Niveau bieten auch die Interpretinnen der Nornen – besonders Joke Kramer mit ihrer ausladend-gebieterischen Tiefe -, der Rheintöchter und auch die Chöre, während das Orchester des Staatstheaters erneut eine Spitzenleistung zustande bringt, souverän gelenkt von Roberto Paternostro, der es glänzend versteht, schöne Einzelleistungen zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen und ohne spektakuläre Tempi einen nicht enden wollenden Spannungsbogen zu konstruieren, was umso mehr erstaunt, als Wagners Tetralogie Neuland für ihr war. Eine interessante Aufnahme also, die Geneigte in einer vom Kunstschmied Michael Schrader entworfenen Metallskulptur unterzubringen die Chance haben. Die Skulptur wird im Booklet zur Bestellung angeboten.
Thomas Tillmann