Götterdämmerung
Ádám Fischer | ||||||
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Siegfried | Stephen Gould |
Brünnhilde | Irène Theorin |
Gunther | Tomasz Konieczny |
Gutrune | Anna Gabler |
Alberich | Martin Winkler |
Hagen | Albert Pesendorfer |
Waltraute | Nora Gubisch |
Woglinde | Ileana Tonca |
Wellgunde | Stephanie Houtzeel |
Floßhilde | Bongiwe Nakani |
1. Norn | Monika Bohinec |
2. Norn | Stephanie Houtzeel |
3. Norn | Caroline Wenborne |
Trotz fehlender Orchesterproben ist Ádám Fischer ein eindrucksvoller „Ring” zu verdanken
„Dein Brief, mein herrlicher Freund, hat mich hocherfreut. Du bist auf einem außerordentlichen Wege zu einem außerordentlich großen Ziele gelangt… mache Dich nur heran und arbeite ganz rücksichtslos an Deinem Werke“!
Mit diesen vitalisierenden Worten seines Freundes, Gönners und späteren Schwiegervaters Franz Liszt empfängt der im Schweizer Exil lebende, steckbrieflich gesuchte, von Geldnöten geplagte Richard Wagner Ende des Jahres 1851 den nötigen Zuspruch, um sich mit voller Schaffenskraft in sein epochales Meisterwerk zu stürzen: den Ring des Nibelungen.
Dem vorangegangen war ein Brief Richard Wagners am 20. November, in dem er den Plan seiner Ring-Tetralogie das erste Mal deutlich ins Auge fasst – der vierte und letzte Teil, ursprünglich „Siegfrieds Tod“ genannt, wird später als „Die Götterdämmerung“ in die Annalen der Geschichte eingehen.
Ginge es nach dem Zuspruch des hellauf begeisterten, kritischen Wiener Publikums würde die über weite Teile unspektakuläre Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf dieser Pforte folgen.
Doch alles der Reihe nach. Nach dem Vorspiel taucht das Haus am Ring in die Welt der am Walkürenfelsen lagernden Nornen ein, die über den Verfall der Welt raunen, während das Schicksalsseil reißt. Von all dem ahnt der tatendurstige Siegfried nichts, der seine geliebte Brünnhilde der Abenteuerlust wegen verlässt. In die Rolle des unerschrockenen Helden schlüpft ein wieder einmal großartiger Stephen Gould, 56, der dieser Partie über weite Strecken mühelos viel Glanz und Schmelz verleiht – nur vereinzelt merkt man dem 2015 zum österreichischen Kammersänger erkorenen Heldentenor die Strapazen der tollkühnen Reise an.
Als sein geliebtes Weib Brünnhilde, das der Herzensbrecher auf der Suche nach neuen erotischen Abenteuern aufgrund eines Zaubertrankes schnell aus dem Gedächtnis drängt, kann Iréne Theorin, 54, am „dritten Abend“ deutlich erfolgreicher reüssieren als noch am zweiten. Trotz grenzwertiger Fortissimi im hohen Register werden ihre bezaubernden leisen Töne an diesem Abend von einem zeitweise hervorragenden Orchester vornehm-zurückhaltend untermalt.
Auf der anderen Seite ertönen aus dem Orchestergraben teils brachiale Klänge. Im Gegensatz zu manch anderen Kollegen interpretiert der ungarische Maestro Ádám Fischer, seit Januar 2017 zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper geadelt, ein Forte-Fortissimo auch als solches, lässt beim Trauermarsch das Orchester gewaltig eruptieren und selbst ein so großes Haus ehrfürchtig erbeben.
Doch so herrlich harmonisch wie bei der ergreifenden Szene am Walkürenfelsen, in der Waltraute ihre Walkürenschwester Brünnhilde aufsucht und um des Friedens Willen um Siegfrieds Liebespfand (Ring) fleht – Gänsehaut pur! –, wirken das Staatsopernorchester und die Protagonisten auf der Bühne nicht immer. Fast schon obsolet zu erwähnen: das ab dem zweiten Aufzug wiederholt schräg quietschende Blech.
Als Gunther erlebt das Publikum einen seit Anbeginn des Wiener „Rings“ seine Duftspur ziehenden Tomasz Konieczny, 46, der als Gibichungen-König ein fulminantes Rollendebüt feiert – eine beeindruckende, sicher geführte und voluminöse Stimme; egal ob als Wotan, Wanderer oder Gunther. Den unabdingbaren Ritterschlag als Wagner-Interpret wird der polnische Sänger im Sommer bei seinem Debüt am Grünen Hügel in Bayreuth entgegennehmen: als Telramund im „Lohengrin“, laut dem genialen Bassbariton „die schwierigste Partie bis jetzt“.
Den glorreichen Abschluss des „Rings“ verdankt die Wiener Staatsoper auch einem kurzfristig eingesprungenen Albert Pesendorfer, 50, der dem hinterlistigen Hagen seinen kolossalen Körper und mächtigen Bass verleiht – und dem Dirigat des Ádám Fischer, 68. Trotz durchgehend fehlender Orchesterproben ist es dem erfahrenen Wagner-Dirigenten zu verdanken, dass den enthusiastischen Wagnerianern ein großteils eindrucksvoller „Ring“ geboten wurde.
Die seit dem „Rheingold“ durchgehend ins Schwimmen geratenen Wiener Hörner waren schmerzend zu erdulden, auch wenn ein Gigant und Genie wie Richard Wagner, der vom verstorbenen Kritiker-Papst Joachim Kaiser in einem Atemzug mit Christus, Napoleon, Shakespeare und Marx erwähnt wurde, Orchesterproben verdient hätte – und selbstverständlich auch das ungeheuer disziplinierte Wiener Publikum, das kongenial mit allen Charakteren mitfieberte, mit den bewundernswerten Künstlern vereint atmete und eine exorbitante Atmosphäre erschuf, die ihresgleichen sucht.
Jürgen Pathy | 17. April 2018
Volle Dynamik auf Odin komm raus : ADAM FISCHER und die Phillis
Mit immerhin sechs Rollen- und einem Hausdebüt ist der letzte Ringabend unter großem Applaus zu Ende gegangen, Ziel von Ovationen wurde einmal mehr der Spätstarter am Pult mit der ruhigen Entwicklung – man denkt an den abgewandelten Goethe-Spruch „Es bildet ein Talent sich in der Stille“, ein Dirigent sich in dem Strom des Repertoires – nämlich ADAM FISCHER, der ebenfalls aus dem großen und erfolgreichen Kreis der Hans Swarowsky-Schüler stammt, über das Grazer Opernhaus als Korrepetitor etwa zeitgleich auch an der Wiener Staatsoper zu arbeiten begann. Seine erste Ring-Erfahrung in Bayreuth hatte er ab 2001 und zum Dirigenten des Jahres 2002 wurde er von einer bekannten Deutschen Opernzeitschrift gekürt.
Und wenn da, wie diesmal, dieser Erfahrungsschatz mit einem Opernorchester vom Schlage unserer Philharmoniker zusammen kommt, da kann man schon ohne Probe in einen Ring einsteigen, den Klangkörper bei Bedarf dämpfen und zügeln zur Freude der Sänger und ihn aber auch zu einer lustvollen Klangorgie begleiten, bei Rheinfahrten, zu donnernden Männerchören oder zur finalen Feuerbestattung, die auch optisch aus der allgemeinen Bescheidenheit der Ausstattung und auch Dank der Fett-Film hervorstach.
Zunächst die Debüts: Tomasz Konieczny wertete als Gunther die Rolle des Kümmerers unter den Gibichungen optisch und gesanglich wesentlich auf, Albert Pesendorfer stieß als Hagen am Tag vor der Aufführung zum Team, sein Spiel, sein Gesang waren von seiner hinterhältigen Schläue gekennzeichnet, eine Stimme die nicht das traditionell Rabenschwarze für diese Rolle mitbrachte, aber dafür mit scharfer und heller Eindringlichkeit wirkte, und Martin Winkler der ideale Darsteller des neidzerfressenen Alberich, auch gesanglich hier am besten im Ring, wie er Hagen schleimerisch zu überreden versucht, für die Wiedergewinnung des Reifes zu kämpfen.
Das Debüt von Iréne Theorin krönte sie zwar durch sieghafte Spitzentöne in den Duetten mit Siegfried, war aber anfangs auch durch manche Anstrengung in der Mittellage gekennzeichnet. Jemand aus dem Stehplatzbereich glaubte durch vehemente Buhrufe beweisen zu müssen, dass er das nicht überhört hat. Anna Gabler als Gutrune und Nora Gubisch die Staatsoperndebütantin als Waltraute überzeugten durch gute Leistungen. Verbleibt noch Bongiwe Nakani als badeanzugtragende Flosshilde.
Der wahrlich sieghaft singende Sonnyboy Stephen Gould, bei dem vielleicht der manchmal etwas „bellend“ wirkende Tonansatz im Sprechgesang als störend empfunden werden könnte, wiederholte wieder seine Leistung als fast konkurrenzloser Heldentenor. Sein überzeugend wirken wollendes, fast schon überhebliches Verhalten hat er wohl vom zweiten Abend mitgenommen und wirkt nicht gerade sympathiefördernd. Aber bei Wagner scheint kein Platz für Demut und Einsicht zu herrschen.
Stephanie Houtzeel war zweite Norn und Wellgunde, Monika Bohinec erste Norn neben Caroline Wenborn als Dritte Norn, Ileana Tonca ergänzte als erste Norn. Für sie alle ein großes Sammellob. Die Herren des Staatsopernchors prägten den Mannenchor der Gibichungen zufriedenstellend wie immer.
Nach fünfundeinhalb Stunden gab es noch rund zwölf Minuten teils stürmischen Schlussapplaus.
Peter Skorepa | 15. April 2018