Götterdämmerung

Justin Brown
Badischer Staatsopernchor und Extrachor
Badische Staatskapelle
Date/Location
3 February 2019
Staatstheater Karlsruhe
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
SiegfriedDaniel Brenna
BrünnhildeHeidi Melton
GuntherArmin Kolarczyk
GutruneChristina Niessen
AlberichJaco Venter
HagenKonstantin Gorny
WaltrauteKatharine Tier
WoglindeAgnieszka Tomaszewska
WellgundeDilara Bastar
FloßhildeKatharine Tier
1. NornKatharine Tier
2. NornDilara Bastar
3. NornAn de Ridder
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Reviews
wdr.de

Eine so quirlige, assoziationsreiche und detailversessene Inszenierung von Wagner „Götterdämmerung“ wie die von Tobias Kratzer am Staatstheater Karlsruhe hat man selten und vergisst darüber leicht die musikalischen Leistungen des Karlsruher GMD Justin Brown. Das darf nicht sein: Brown treibt die Badische Staatskapelle zu einem energischen, aber kontrollierten Musizieren, das immer ausdrucksverdeutlichend, nie plakativ wirkt.

Zu Beginn des zweiten Aufzugs, bevor er finstere Dialog zwischen Alberich und Hagen beginnt, hört man im Orchester ein Grummeln, ein Drohen, ein nervöses Pulsen, so dass man längst weiß, was los ist, bevor Alberich in blutverschmierter Unterwäsche heranrobbt und von seinem Sohn Hagen – in einer freier Deutung des Regisseurs – verlangt, dass dieser sich wie er selbst kastriert.

Oder die Stelle, wo der in Gunthers Gestalt verwandelte Siegfried sich über Brünnhilde hermacht und ruft „Was könntest Du wehren, elendes Weib“. Justin Brown lässt das Orchester ganz fahl klingen. So gibt es den ganzen Abend lang dieses verdeutlichende, sinnfällige Musizieren, als eine Art von musikalischer Regie.

Diese Stelle übrigens haben Brown und Kratzer intelligent gelöst. Es singt nicht nur Daniel Brenna als Siegfried mit verstellter Stimme, sondern auch Armin Kolarczyk als Gunther in den tieferen Passagen. Die beiden bemächtigen und vergewaltigen zusammen Brünnhilde. Wobei Gunther den Vergewaltigungsakt nicht vollziehen kann oder will, denn er wird in Kratzers Inszenierung als ein durchaus menschlicher, empfindsamer Mann gezeigt, der seine homosexuellen Neigungen nur mühsam unterdrückt.

Die Inszenierung von Kratzer, die vorläufig zum letzten Mal zu sehen war, präsentiert viele solcher klugen theatralischen Detailantworten auf die Fragen und Ungereimtheiten des Librettos. Da geht es im ersten Aufzugauch um Komik. Wie Kratzerim Vorspiel die äußerst korpulente, aber wunderbar fokussierend, phrasierend und deklamierend singende Heide Melton im hellgrauen Nachthemd als grell geschminkte Puppe mit Dekolleté-Tattoos auftreten lässt und den pummeligen Daniel Brenna im Feinripphemd als Siegfried dazu stellt, das ist nicht nur komisch, sondern auf einen zweiten Blick auch berührend. Wie überhaupt die Menschen hier die meiste Zeit in Unterwäsche auftreten. Von einer königlichen Gibichungen-Halle ist in Rainer Sellmaiers Bühnenbild nichts zu sehen, nur eine etwas derangierte Familie, die einem dunkeln Spiegelsaal haust. Nur Hagen ist ordentlich mit Anzug gekleidet, dessen Mordgeständnis (“Ich –Hagen – schlug ihn zu tot”) Konstantin Gorny mit einer Art innerer Emphase und einer durchdringenden Suggestivkraft darbietet.

“Götterdämmerung” von Richard Wagner am Badischen Staatstheater Karlsruhe Die drei Nornen (Katharine Thier, Dilara Baştar, An de Ridder) verkleidet als “Regisseure” Der Clou dieser Inszenierung sind aber die Nornen und die Rheintöchter. Die sind hier verkleidet als die Regisseure der anderen Teile des Karlsruher „Ring des Nibelungen“, David Hermann, Thorleifur Örn Arnarsson und Yuval Sharon. Sharon war übrigens der Bayreuther Regisseur von „Lohengrin“ letztes Jahr, Kratzer wird ihm nach Bayreuth dieses Jahr mit „Tannhäuser“ folgen.

Am Anfang in der Nornenszene sitzen sie auf Regiestühlen vor einem Vorhang auf dem „The Ende“ zu lesen ist. Den Klavierauszug, den einer von dreien immer dabei hat, ist das Leitmotiv über fast fünf Stunden “Götterdämmerung”. Immer wenn die drei auftauchen, und das passiert ständig, wird darin geblättert und ungläubig geschaut, so als bezweifelten die Regisseure Wagners Kunstwerk. Ganz am Schluss zerreißt und verbrennt Brünnhilde die Noten wie in einem mittelalterlichen Ketzerritual. Nicht die Welt geht in Flammen auf, sondern das Geschehene wird revidiert. Brünnhilde dreht alles zurück, und tatsächlich läuft die ganze Inszenierung im Rückwärtsgang im Zeitraffer bis zur Schlafgemachsszene im Vorspiel zurück, nicht im Film, sondern real auf der Bühne. Ein frappierender Effekt!

04.02.2019

Rating
(5/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
320 kbit/s CBR, 48.0 kHz, 589 MByte (MP3)
Remarks
In-house recording
A production by Tobias Kratzer (2017)