Götterdämmerung
Siegfried | Andreas Schager |
Brünnhilde | Manuela Uhl |
Gunther | Joachim Goltz |
Gutrune | Betsy Horne |
Alberich | Thomas de Vries |
Hagen | Albert Pesendorfer |
Waltraute | Katrin Wundsam |
Woglinde | Anastasiya Taratorkina |
Wellgunde | Fleuranne Brockway |
Floßhilde | Sandra Janke |
1. Norn | Katrin Wundsam |
2. Norn | Sandra Janke |
3. Norn | Betsy Horne |
Güttlers fulminante „Götterdämmerung“ bei den Maifestspielen endet mit finaler Störaktion
Die internationalen Maifestspiele 2024 boten mit der Aufführung von Richard Wagners „Götterdämmerung“ einen eindrucksvollen Abschluss des epischen „Ring“-Zyklus. Erwartungsvoll strömten die Zuschauer am 30. Mai in das Hessische Staatstheater Wiesbaden, um Zeuge eines der monumentalsten Werke der Operngeschichte zu werden. Die „Götterdämmerung“ verspricht stets eine emotionale und musikalische Achterbahnfahrt – von den tiefen Abgründen der menschlichen Natur bis hin zu den höchsten Gipfeln der heldenhaften Tragik.
In diesem Spannungsfeld aus überwältigender Musik und dramatischer Erzählkunst war die Erwartungshaltung an Inszenierung und musikalische Darbietung hoch. Doch während die Regie unter Uwe Eric Laufenberg vielfach enttäuschte und die Inszenierung an ihrer konzeptionellen und szenischen Umsetzung scheiterte, war es die musikalische Exzellenz unter der Leitung von Michael Güttler, die dem Abend Glanz verlieh. Der Dirigent und das konditionsstarke Staatsorchester Wiesbaden schufen eine klangliche Intensität und Tiefgründigkeit, die über viele Schwächen der szenischen Darstellung hinweg halfen.
Die Besetzung des Abends versprach einige herausragende Leistungen, insbesondere Andreas Schager als Siegfried und Albert Pesendorfer als Hagen. Doch auch die anderen Solisten trugen maßgeblich zum musikalischen Erfolg des Abends bei, während die Regieentscheidungen und die Umsetzung auf der Bühne überwiegend kritisch betrachtet werden müssen. Diese Aufführung der „Götterdämmerung“ bot somit eine ambivalente Mischung aus musikalischer Meisterschaft und inszenatorischen Schwächen, die das Publikum mit gemischten Gefühlen entließ.
Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung der „Götterdämmerung“ bei den internationalen Maifestspielen enttäuschte. Der Versuch, den „Ring“ durch verschiedene Zeitebenen zu inszenieren, scheiterte an der Umsetzung. Die Mischung aus Antike, Beduinen und futuristischen Elementen in den vier Werken verwirrte mehr, als dass sie eine klare Dramaturgie bot. Die Verlegung der Handlung in eine undefinierte Zukunft und das hässliche Loft, in dem Siegfried und Brünnhilde wohnen, minderten das heroische Element erheblich. Karge Bühnenbilder, wie ein leerer Saal mit Konferenztisch, erfüllten sich nicht mit Leben und unterstützten die dramatische Intensität der Oper nicht. Ein bühnenhohes Pferd wirkte platt dekorativ und die Verwandlung von Siegfried in Gunther war unpassend maskiert. Der Sänger des Gunthers trug keine Glatze….Laufenbergs Inszenierung vermochte weder neue Blickwinkel zu eröffnen noch den Mythos der „Götterdämmerung“ angemessen darzustellen. Die Personenführung war oft beziehungslos, und starke Charakterisierungen entstanden kaum bzw. waren dem darstellerischen Talent der Sänger überlassen. Packende Bildeindrücke blieben aus, und die Regie schien auf fantasielose Videos zurückzugreifen, wann immer es an Ideen mangelte. Besonders enttäuschend war der fast konzertante Schluss, bei dem Brünnhilde ihren Gesang ohne Aktion absolvierte und der Rest in einer Abfolge beliebiger Videofilme endete, bis dann Gutrune mit ihrem Fernroh in das Publikum schaut. Auch keine neue Idee, die bereits vor Jahrzehnten in Frankfurt zu erleben war.
Nach der schwankenden Leistung von Manuela Uhl im „Siegfried“ war die Spannung groß, wie sie sich in der „Götterdämmerung“ schlagen würde. Uhl zeigte zwar großes Engagement und eine spürbare Nähe zur Rolle der Brünnhilde, doch ihre allzu lyrische Stimme erwies sich als zu wenig sonor für die dramatischen Anforderungen der Partie. Am besten gelangen noch die hohen Töne, die aber zu aufgerissen und wenig gestützt wirkten. Problematisch blieb die zu schwache Mittellage, und die kaum hörbare Tiefe. Auch darstellerisch gingen von ihr keine Impulse aus. Ihre Mimik war zu eindimensional, ihre Körpersprache zu introvertiert, um ihrem Rollencharakter Expressivität zu verleihen. Trotz ihres beherzten Einsatzes konnte sie die Erwartungen nicht voll erfüllen. Das Publikum war diesmal gnädiger mit ihr. Doch sollte der Anklang nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Repertoire die Möglichkeiten der Sängerin zu deutlich überschreitet.
Andreas Schager hingegen erwies sich als hervorragender Siegfried. Seine Souveränität und die Vielschichtigkeit seiner Darstellung, kombiniert mit variablen Stimmfarben und kraftvollem Gesang bis zum Schluss, begeisterten das Publikum, das ihn mit heftigen Ovationen feierte. Schager hat sich diese Rolle derart intensiv und natürlich einverleibt, so dass die begeisterten Zuschauer wirklich Siegfried erleben konnten und nicht einen Sänger, der diese Rolle lediglich spielt. Auf diesem Niveau bleibt Schager für diese Rolle unangefochten erste Wahl.
Albert Pesendorfer dominierte als Hagen sowohl szenisch als auch stimmlich. Mit seinem raumgreifenden Gesang und seiner bedrohlichen Präsenz war er das unbestrittene Zentrum der Aufführung. Seine Textbehandlung war vorbildlich und seine Interpretation voller Nuancen, die die boshafte Energie der Figur eindrucksvoll zur Geltung brachten. Vom geheimnisvollen Flüsterton bis zum groben „Meineid recht’ich!“ zeigte er eine vorzügliche Rollenbewältigung.Joachim Goltz überzeugte als kraftvoller Gunther. Mit seinem voluminösen Bariton und perfekter Textverständlichkeit verlieh er seiner Rolle eine vielschichtige Gestalt, die alles andere als schwächlich wirkte. Auch er setzte kluge Akzente, so ging etwa sein tief getroffenes „Hagen, was tatest du!“ durch Mark und Bein. Betsy Horne sang eine zurückhaltende Gutrune, während Kammersänger Thomas de Vries als Alberich seine letzte Vorstellung am Staatstheater Wiesbaden mit charakterstarkem Gesang bestritt. Der Abschied von de Vries war ein melancholischer Höhepunkt der Vorstellung, und seine Verdienste wurden vom Publikum mit großem Dank gewürdigt. Es gehört leider zu den unvermeidbaren, törichten Verhaltensweisen neuer Intendanzen, dass nahezu alle Künstler der Vorgängerdirektion gekündigt werden. Dies ist auch bei Thomas de Vries der Fall. Die Entscheidung, diesen verdienten Sänger zu entlassen, erscheint besonders bedauerlich und kurzsichtig, da de Vries international auf höchstem Niveau singt und mit schwersten Rollen, wie Telramund, mühelos bekanntere Sänger deklassieren kann. An dieser Stelle sei ein großes Dankeschön an Thomas de Vries für viele spannende Abende am Hessischen Staatstheater ausgesprochen.
Katrin Wundsam gefiel als Waltraute. Ihre Darstellung war von intensiver Verzweiflung geprägt, und ihre lange Erzählung wurde zu einem spannenden Vortrag. Das Nornen-Terzett, bestehend aus Katrin Wundsam, Sandra Janke und Betsy Horne, harmonierte gut und brachte eine feine Abstimmung in ihre Rollen. Auch das Rheintöchter-Terzett, mit Anastasiya Taratorkina, Fleuranne Brockway und Sandra Janke, überzeugte durch homogenes Zusammenspiel und klangliche Harmonie.
Der Chor und Extrachor des Staatstheaters Wiesbaden unter der Einstudierung von Albert Horne war bestens präpariert und sang vortrefflich.
Die musikalische Leitung von Michael Güttler und das konditionsstarke Staatsorchester Wiesbaden verliehen dem „Ring“-Durchlauf eine besondere Qualität. Bereits zu Beginn wurde Güttler mit herzlichem Applaus begrüßt und nach jeder Pause mit intensiven Bravorufen gewürdigt. Sein feinfühliges Dirigat, gepaart mit dem energiegeladenen Spiel des Orchesters, schuf eine packende und lebendige Interpretation, die das Publikum in ihren Bann zog. Die musikalische Darbietung atmete und pulsierte förmlich, und das Orchester zeigte eine herausragende Leistung in allen Spielgruppen. Besonders hervorzuheben ist Güttlers Fähigkeit, eine vorzügliche Balance innerhalb des Orchesters zu wahren. Diese Gabe ermöglichte es ihm, den Sängern ein vorbildlicher Begleiter zu sein. Mit treffsicherem Instinkt variierte er die Tempi bedarfsgerecht und sorgte so dafür, dass dieses lange Werk kurzweilig und farbenreich erlebbar war. Seine Interpretation war im Vergleich zu seinem Vorgänger weitaus überzeugender und brachte eine neue Tiefe und Dynamik in die Aufführungen ein. Das Hessische Staatsorchester Wiesbaden wuchs an diesem Abend über sich selbst hinaus und krönte diesen vierten Abend mit einer fabelhaften Leistung. Kleinere Ungenauigkeiten störten den Ablauf nicht im Geringsten. Besonders die wunderbaren Holzbläser, allen voran die Klarinetten, sorgten für besondere Ruhemomente, die den musikalischen Fluss bereicherten. Die Blechbläser ertönten spektakulär in ihrer Treffsicherheit und Ausdauer, was den dramatischen Höhepunkten des Abends zusätzliche Wucht verlieh. Fein abgestimmt agierten dazu die Streicher und das farbenreiche Schlagzeug, was die klangliche Vielfalt des Orchesters eindrucksvoll zur Geltung brachte. Eine schöne Idee war es, das Hessische Staatsorchester Wiesbaden am Ende auf die Bühne zu bringen, um ihnen den verdienten Applaus zu ermöglichen. Doch dann passierte eine böse Überraschung: Von verschiedenen Seiten des Hauses ertönten massive Buhrufe für das Orchester. Als Güttler sich danach alleine verbeugte, verstummten diese Buhrufe fast vollständig, was den Verdacht nahelegt, dass es sich um eine inszenierte Aktion gegen das Orchester handelte. Warum sonst gab es zuvor jubelnden Applaus zu Beginn jedes Aufzuges? Dass die Buhrufe sofort nach der Verbeugung des Orchesters einsetzten, lässt vermuten, dass die Störer genau wussten, wann das Orchester sich verbeugen würde – eine Seltenheit in Wiesbaden und daher eine echte Überraschung für das Publikum, aber offensichtlich nicht für die Buhrufer.
Es ist bekannt, dass es während der Intendanz Laufenberg zahlreiche Konflikte gab, von denen einige besonders hartnäckig das Orchester betrafen. Daher spricht vieles dafür, dass diese unverschämte Störung als „Abschiedsgeschenk“ organisiert wurde. Die absichtliche Sabotage einer so bedeutenden Aufführung ist nicht nur respektlos gegenüber den Musikern, sondern auch eine Beleidigung des Publikums. Solche böswilligen Aktionen untergraben das Vertrauen in die Integrität des Kulturbetriebs und zeugen von tief sitzender Bitterkeit.
Ungeachtet dieser schändlichen Aktion prägte Michael Güttler mit seinem unermüdlichen Engagement und seiner musikalischen Vision maßgeblich den Zyklus und bewies einmal mehr seine herausragende Führungsqualität. Es ist vor allem ihm und dem Orchester zu verdanken, dass diese vier Abende trotz der deutlichen inszenatorischen Schwächen zu einem musikalisch beeindruckenden Erlebnis wurden. Güttlers Engagement ging weit über das Übliche hinaus. Sein Dirigat war nicht nur technisch brillant, sondern auch emotional tief berührend. Er schaffte es, das Orchester zu inspirieren und zu Höchstleistungen zu motivieren. Die Dynamik und der emotionale Ausdruck, den er in die Aufführungen einbrachte, verliehen dem „Ring“-Zyklus eine unvergleichliche Intensität. Die musikalische Qualität dieser Aufführung wird sicherlich noch lange in den Erinnerungen der Zuhörer nachhallen.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Michael Güttler und das Hessische Staatsorchester Wiesbaden eine bemerkenswerte Leistung erbracht haben. Der „Ring“ bleibt ein monumentales Werk, das in seiner Gesamtheit immer wieder neu interpretiert werden muss, doch hier zeigte sich, dass die musikalische Kraft und das Engagement der Interpreten über viele szenische Schwächen hinweghelfen konnten. Ausdauernder Jubel.
Dirk Schauß | 31. Mai 2024
A production by Uwe Eric Laufenberg (2017, Linz 2015)
This recording is part of a complete Ring cycle.