Götterdämmerung

Philippe Jordan
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Date/Location
28 June 2025
Staatsoper Wien
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
SiegfriedAndreas Schager
BrünnhildeAnja Kampe
GuntherClemens Unterreiner
GutruneRegine Hangler
AlberichJochen Schmeckenbecher
HagenSamuel Youn
WaltrauteSzilvia Vörös
WoglindeIleana Tonca
WellgundeIsabel Signoret
FloßhildeStephanie Maitland
1. NornMonika Bohinec
2. NornSzilvia Vörös
3. NornRegine Hangler
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Reviews
Der Standard

Ende der Allmächtigen an der Staatsoper bei der “Götterdämmerung”

Bei Richard Wagner müssen die Helden und Heldinnen achtgeben, was sie so in flüssiger Form zu sich nehmen. Tristan und Isolde erleben wegen eines Liebestrunks ein Drama, das nicht gut ausgeht. Jedenfalls nicht in dieser unserer Welt.

Auch im finalen Teil der Ring-Tetralogie, die nun an der Wiener Staatsoper anstand, ist es ein unvorsichtiger Schluck, der zur Beziehungskatastrophe führt. Siegfried wird ein Drink serviert, der ihn seine angebetete Brünnhilde vergessen lässt und sein Begehren Richtung Gutrune (solide Regine Hangler) lenkt. Als ihm der intrigante Hagen dann den Erinnerungstrunk verabreicht, ist es zu spät. Siegfried wird beseitigt.

Ist alles bekannt, ja. Aber Wagner hat dermaßen Anstrengendes komponiert, dass im Tempel der großen Gefühle immer auch die bange Frage mitschwebt, ob die Protagonisten und Protagonistinnen die Aufführung auch singend und nicht nur noch Text sprechend zu Ende bringen werden. Kein Zweifel bei Andreas Schager: Als Siegfried ist er der Advokat der vital strahlenden Töne, der nach und nach auch darstellerisch in die Rolle findet. Alles klingt klar und edel, vor allem im Dramatischen.

Brünnhilde? Anja Kampe schafft es bis zum Schluss, die entscheidenden hohen Töne mit beeindruckender Intensität herauszuschleudern. Dass sie in Grenzbereichen des Möglichen agierte, war zu hören; vor allem bei den nicht oft wahrzunehmenden tiefen Tönen.

Das fulminante Staatsopernorchester unter der Leitung von Philippe Jordan ist mit dem opulenten, reizvoll ausufernden, jedoch ausgewogenen Klangdrama naturgemäß eine Herausforderung für die Stimmen. Clemens Unterreiner ist ihr (als Gunther) gewachsen, auch Samuel Youn. Ihm gelingt eine echte Verschmelzung zwischen Gesang und Darstellung, auch bei der Begegnung mit Alberich (Jochen Schmeckenberger). Profund der Staatsopernchor, jener der Rheintöchter und auch jener der Nornen. Applaus.

Ljubiša Tošić | 16. Juni 2025

onlinemerker.com

Ein Abend für Andreas Schager!

Ja, die „Götterdämmerung“ des ersten Zyklus der beiden „Ring“-Aufführungen an der Wiener Staatsoper im Juni war der Abend des Andreas Schager, wie schon jener der „Walküre“ ein paar Tage zuvor, in der er den Siegmund gesungen hatte und anschließend zum Kammersänger der Wiener Staatsoper ernannt worden war. Er singt den Siegfried, mit dem er an diesem Abend im Haus am Ring debutierte, nun mit einer weitaus dezidierteren und feineren Tongebung als noch im Carsen-„Ring“ in Madrid 2022. Schager hat in der Rolle, und nicht nur in dieser, außerordentlich großes Charisma und verfügt über eine entsprechende darstellerische Intensität und Intelligenz. So wird nun seine Rolleninterpretation zu einem Erlebnis. Mit Klaus Florian Vogt, der zuletzt wieder in der Titelrolle des „Siegfried“ an der Mailänder Scala bestach, hat die Wagner-Welt nun zwei erstklassige Tenöre in diesem Fach!

Anja Kampe, ebenfalls mit Hausdebut in ihrer Rolle, war an diesem Abend eine kraft- und charaktervolle Brünnhilde, die die Höhen und Tiefen der so komplexen Rolle auch mit großer darstellerischer Kompetenz und Emotion auslotete. Stimmlich gefiel sie mir besser als in der „Walküre“, wo sie in den hochdramatischen Passagen doch klar ihre vokalen Grenzen sah. Es war diesmal viel besser, aber es ist doch hörbar, dass manche Spitzentöne bisweilen etwas gestresst klingen und auch im tiefen Register ein leichter Bruch zu vernehmen ist. Möglicherweise singt sie auch einfach zu viel diese fordernden Rollen. Mit Andreas Schager bildete Anja Kampe jedenfalls ein einnehmendes und emotional beeindruckendes Paar.

Weniger Erfreuliches lässt sich hingegen von der Besetzung des Hagen sagen, des dritten im Bunde der drei Haupt-Protagonisten. Samuel Youn, der 2012 in Bayreuth für Evgeny Nikitin als Holländer eingesprungen war und die Rolle damals gut, aber auch nicht mehr, meisterte, fiel mir schon in der „Götterdämmerung“ von Peter Konwitschny in Dortmund am 25. Mai als mit der Rolle des Hagen völlig überfordert auf (Rezension weiter unten). Nun bekam er sogar unüberhörbare Buhrufe. Der Sänger firmiert im Internet als Bass-Bariton und gar Bariton, singt Rollen wie Holländer, Kurwenal, Pizarro, Dulcamara et al. Aber der Hagen ist ein Bass und auch kein hoher. Nach einem noch akzeptablen Beginn ging Youn über die Länge des Abends immer mehr die Luft aus, kaum noch Tiefe und Resonanz. So versuchte er, die Mängel durch starkes Deklamieren zu kompensieren, um bei einigen Momenten nicht gar vom Brüllen zu reden. Wie kann an einem Haus wie der Wiener Staatsoper eine solche Fehlbesetzung passieren?! Seit Jahrzehnten habe ich bei einer „Götterdämmerung“ hier noch nie erlebt, dass einer der Haupt-Protagonisten gebuht wurde…

Clemens Unterreiner sang den Gunther mit Betonung auf der gesanglichen Linie und stellte ihn als Hagen hoffnungslos Unterlegenen dar. Jochen Schmeckenbecher war wieder der bewährte Alberich in seiner kurzen nächtlichen Szene. Regine Hangler konnte als Gutrune überzeugen und sang auch die Dritte Norn. Szilvia Vörös gab eine erstklassige Waltraute mit großer Emphase in der Walhall-Erzählung und machte damit die Szene mit Brünnhilde zu einem Höhepunkt des Abends. Sie sang ebenfalls hervorragend die Zweite Norn. Monika Bohinec war eine gute Erste Norn. Ileana Tonca als Woglinde, Isabel Signoret mit Rollendebut am Haus als Wellgunde und Stephanie Maitland als Flosshilde waren ebenfalls sehr gut.

Philippe Jordan dirigierte zumindest in seiner Funktion als Musikdirektor der Wiener Staatsoper seinen vorletzten „Ring“ und damit auch die vorletzte „Götterdämmerung“. Er konnte das Orchester der Wiener Staatsoper mit Konzertmeister Rainer Honeck zur (nicht nur) bei Wagner gewohnt großartigen Leistung motivieren. Warmer Steicherklang, auch klangvoll intonierende Bläsergruppen (ein paar Hornkiekser fallen nie ins Gewicht) ließen die Orchesterzwischenspiele wie Siegfrieds Rheinfahrt, den Trauermarsch und das Finale zu symphonischen Erlebnissen werden. Erstklassig sang wie immer der von Thomas Lang einstudierte Chor und Extrachor der Wiener Staatsoper, der auch imposant in Szene gesetzt wurde.

Zur Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf ist hier ja schon (fast) alles gesagt worden. Sie eignet sich durch ihre szenische Stromlinienförmigkeit ideal für kurzfristig einspringende Künstler und überzeugt durch die Ausspielung der ganzen Bühnentiefe durch Rolf Glittenberg, was man heutzutage nicht immer erlebt, und geschmackvolle Kostüme von Marianne Glittenberg, wenn man auch die blöden und ihre Träger störenden Rucksäcke einmal ablegen könnte. Das hat David McVicar in Mailand nun viel besser gemacht. Dort wie in der Wiener Inszenierung, die wohl bald ihr Ende erleben wird und sollte, wird aber der Wagnersche „Ring“-Mythos thematisiert, und das ist gut. In diesem Sinne ist das Finale immer noch einer der Höhepunkte von Bechtolfs Inszenierung. Dass Wotan mit den beiden Speerstücken noch einmal hochkommt und dann in einem Feuerwirbel untergeht, hat schon etwas für sich! Das Tannenwäldern im Prolog, im Vorspiel und im 1. Aufzug erinnert aber weiterhin an eine noch junge Christbaumschonung im Burgenland oder gar einen vorweihnachtlichen Verkaufsstand des urgermanischen Weihnachts-Symbols in Wien. Es passt erst recht nicht in den Wiener Sommer! Das spinnstubenartige Fummeln der Nornen am weißen Schicksalsseil macht die Sache auch nicht besser. Aber wie sagen die Regisseurstheater-gebeutelten Wiener Wagner-Kenner, zumal nach den neueren Inszenierungen von „Parsifal“, „Tristan und Isolde“ sowie dem „Lohengrin“ aus Salzburg: „Man kann damit leben!“ Aber ist das wirklich alles, für das man in der Oper leben können sollte?!

Klaus Billand | 18. Juni 2025

operinwien.at

Siegfrieds Ring

Der erste Durchgang des „Rings“ ist absolviert. Die „Götterdämmerung“ wurde seitens des Publikums mit rund elf Minuten langem Schlussapplaus bedacht. So viel lässt sich aber jetzt schon resümierend sagen: Es war der „Ring“ des Andreas Schager.

Bereits sein Abschied von Brünnhilde im Vorspiel geriet zu einem Höhepunkt der ganzen Aufführung. Die von Richard Wagner eingeforderte Ergriffenheit loderte in ihm und in Brünnhilde und verband sich zu einer flammenden Liebeserklärung: „Heil dir Brünnhilde, prangender Stern / Heil dir Siegfried, siegendes Licht“ – und das Orchester spielte rauschend dazu und so taumelte der Held liebstrunken und weltbegierig hinab zum Rhein und setzte mit seinem Schifflein an zu munterer Fahrt.

Bei den Gibichungen hat Siegfried dann noch ein bisschen pubertär rangelnd mit Gunther jugendliche Männlichkeitsrituale probiert, aber Gunther war dazu nicht aufgelegt. Beeindruckend war, wie „hautnah“ Andreas Schager bei seiner Rückkehr zum Brünnhildenfelsen die Wirkung des Tarnhelms simulierte, stimmlich mit leicht angedunkeltem baritonalem Ton – in den Bewegungen stockend, seinen jugendlichen Überschwang einbremsend. Das Schwert, dass Siegfried dann als moralische Wacht zwischen sich und der seelisch gebrochenen Brünnhilde auf der Lagerstätte aufpflanzt, wollte zuerst nicht stecken bleiben und kippte zur Seite – ein bezogen auf die Handlung aussagekräftiger Lapsus.

Zwar hat Schagers Siegfried im zweiten und dritten Aufzug nicht mehr ganz diese Intensität erreicht, die er der Figur im Zustand adoleszenter Naivität verliehen hat, aber Siegfried ist nach dem Genuss von Hagens Trank auch ein „anderer“ geworden. Doch bei der Begegnung mit den Rheintöchtern blitzte dieser jugendliche Anarchismus der hehrsten Helden der Welt noch einmal erfrischend auf – und danach geht es für Siegfried ohnehin ans Abschiednehmen. Schagers Tenor zeigte bis zum Schluss keine Ermüdungserscheinungen: insgesamt betrachtet eine imposante Darbietung.

Dergleichen hätte man sich auch von Anja Kampe als Brünnhilde gewünscht. Kampe lieh der Wotanstochter ihren hellen, warm timbrierten Sopran und viel darstellerische und emotionale Überzeugungskraft. Die Sängerin gewann das Publikum über ihre Emotionalität und gute Rollengestaltung und punktete gesanglich vor allem mit ihrem Durchhaltevermögen. Clemens Unterreiner war nach 2022 und 2023 wieder in die Rolle von Gibichs Sohn geschlüpft. Seine Rollengestaltung hat viel für sich: Gunther als etwas weichkerniger Schönling, der sich beim Gedanken gefällt, mit Brünnhilde auch sein „Heldenimage“ aufpolieren zu können. Stimmlich blieb er an diesem Abend allerdings etwas blass. Seine Bühnenschwester sang wieder Regine Hangler, bei ihr war die Gutrune gut aufgehoben und entwickelte im Rahmen ihrer wenigen Möglichkeiten auch Charakter.

Ohne Hagen würde sich das Leben der beiden wahrscheinlich anders gestaltet haben. Samuel Youn war aber nicht wirklich ein schwarzbassiger Hagen, auch wenn sich die Stimme für diesen düsteren Kerl ausreichend grimmig getönt zeigte. Youn ist für Falk Struckmann eingesprungen, gab an diesem Abend sein Hausdebüt, hat aber bereits vor einigen Jahren im Theater an der Wien den Holländer gesungen. Auch als Hagen war er hierzulande schon zu hören gewesen: in diesem seltsamen „Ring“-Projekt des Theaters an der Wien im Dezember 2017.

Nach einem noch eingermaßen ansprechenden ersten Aufzug fehlte ihm im zweiten die archaische Durchschlagskraft, und ich dachte mir bald, er hätte vielleicht besser den Alberich gesungen – aber der hatte ja nicht abgesagt: Jochen Schmeckenbecher absolvierte seinen Kurzauftritt bewährt. Das Regiekonzept von Sven-Eric Bechtolf, das Hagen im wahrsten Sinne des Wortes als „Dirigenten“ der Gibichungschen „Heiratspolitik“ auf die Bühne stellt, hatte sich Youn gut verinnerlicht, vielleicht wäre ein bisschen mehr Sarkasmus angebracht gewesen. Solide das übrige gesangliche Umfeld, mächtig die Mannen des Staatsopernchores.

Das Orchester unter Philipp Jordan hatte die besten Momente im Vorspiel, ab der Gibichungenhalle begann sich dann Wagners kompositorische Energie langsam zu verflüchtigen. Die Spieldauer für den ersten Teil lag bei rund zwei Stunden, also eigentlich noch moderat. Manches wirkte dann doch ziemlich träge wie die Waltrautenszene. Unsauberes Spiel bei den Blechbläsern hat nicht nur den dritten Aufzug punktuell „gewürzt“. Das Finale war mir ein Spur zu schnell dirigiert, aber da mögen die Geschmäcker verschieden sein. Die Aufführung der „Walküre“ und vor allem des „Siegfried“ haben mehr erwarten lassen – aber Andreas Schager hat ohnehin alles überstrahlt.

Beim Schlussvorhang mischten sich offenbar ein paar Buhrufe in den Einzelvorhang für Samuel Youn, die ich aber nur als ziemlich unfokussiert wahrgenommen habe. Für Philippe Jordan wurde ein Blumenstrauß geworfen. Sehr stark war der Applaus für Schager und Kampe.

Dominik Troger | Staatsoper 15. Juni 2025

Rating
(6/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
726 kbit/s VBR, 48.0 kHz, 1.3 GiB (flac)
Remarks
In-house recording
A production by Sven-Eric Bechtolf (2008)