Alles nur eine Sache der richtigen Vermarktungsstrategie
Richard Wagner hat den fliegenden Holländer eine „romantische Oper“ genannt. Betrachtet man Jan Philipp Glogers Inszenierung, die nun in ihr fünftes Jahr geht, möchte man lieber „opera buffa“ sagen: So lustig war der Holländer nie. Ein Manager mit Burnout-Symptomen auf Sinnsuche, der in die Fänge eines biederen Fabrikanten von Ventilatoren gerät, das gibt einen komischen Stoff ab. Gemessen am Premierenjahr – in unserer Kritik sind die in dieser gegenüber dem Libretto ein wenig abgewandelten Vorgänge detailliert beschrieben – hat die Aufführung an Präzision gewonnen; insbesondere die Chorszenen sind in ihrer revuehaften Choreographie inzwischen von beeindruckenden Genauigkeit, und trotz einiger Neubesetzungen ist die Personenregie ausgesprochen genau.
Was nichts daran ändert, dass Gloger im Grunde eine durchaus witzige Parodie auf den Holländer erzählt, aber die dämonische Seite, und die ist ja die eigentlich reizvolle und neuartige, dem Werk schuldig bleibt. Bei Christian Thielemanns düster-dramatischen Interpretation fiel die Diskrepanz zwischen Szene und Musik besonders groß aus; seit dem Vorjahr dirigiert Axel Kober, und der bleibt näher an der Spieloper. Gerade die Chorszenen haben Esprit und Leichtigkeit und sind nie zu wuchtig, was der Inszenierung entgegen kommt – der von Eberhard Friedrich einstudierte Festspielchor leistet wieder einmal Großartiges. Wagners Sturm und Drang wird von Kober nicht unterschlagen, erscheint aber reflektiert. Kober neigt allerdings in den langen Monologen zu sehr behäbigen Tempi, in denen die Musik zu sehr auf der Stelle tritt – und das genau dann, wenn auch die Regie nichts zu sagen hat, denn gerade in diesen Passagen entfernt sie sich weit vom Text und lässt das Geschehen gerne im Quasi-Standbild laufen. Die eher mittelprächtigen Sänger können das auch nicht retten.
Thomas J. Mayer, der neue Holländer, besitzt einen Bariton ohne Schwärze, der überraschend matt klingt (er singt ja auch an großen Bühnen den Wotan) und manchmal Mühe hat, sich gegen das Orchester zu behaupten. Sicher kämpft er sich achtbar durch die Partie, die ihm nicht besonders zu liegen scheint und dem Charakter der Stimme kaum entgegen kommt, aber die Figur bleibt musikalisch recht blass. Ricarda Merbeth (die seit 2013 die Partie singt) hat einen zwar klangvollen, aber recht ungenau fokussierten Sopran, dem dadurch einiges an dramatischer Kraft (und an Genauigkeit in der Intonation) verloren geht (zudem fällt die Sängerin schauspielerisch gegen die anderen Ensemblemitglieder ab). Neu ist Peter Rose als brilliant komischer Daland, stimmlich etwas dünn in der Substanz. Ebenfalls zum ersten Mal in dieser Inszenierung ist Andreas Schager als Erik zu hören, und der singt mit eher leichtem, aber absolut höhensicherem Heldentenor den frustrierten und um seine Freundin betrogenen Hausmeister mit großartiger Emphase. Benjamin Bruns ist wie in den vergangenen Jahren ein bubenhafter Steuermann, Nadine Weissmann, für die erkrankte Christa Mayer eingesprungen, bleibt als Mary ziemlich blass.
FAZIT
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Über zweieinhalb Stunden tragen die parodistischen Momente nicht durch Glogers Regie. Musikalisch gibt’s nur gelegentlich Festspielglanz und viel Mittelmaß.
Stefan Schmöe | Festspielhaus Bayreuth am 3.8.2016