Der fliegende Holländer
Sebastian Weigle | ||||||
Chor und Extrachor der Oper Frankfurt Frankfurter Opern-und Museumsorchester | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Daland | Ain Anger |
Senta | Erika Sunnegårdh |
Erik | Vincent Wolfsteiner |
Mary | Maria Pantiukhova |
Der Steuermann Dalands | Michael Porter |
Der Holländer | Iain Paterson |
Iain Paterson’s Dutchman drops anchor in Frankfurt
Iain Paterson’s house debut as the Holländer, a role he sang earlier this season for the first time with Opera Vlaanderen, was sufficient reason to drop anchor in the Main for this revival of David Bösch’s 2015 production. Bösch’s Royal Opera production of Il trovatore will reach Frankfurt next season and those familiar with its aesthetic would easily recognise it in this production of Wagner’s Der fliegende Holländer right down to the pyrotechnic ending.
The use of the 1843 Dresden one act version without the Tristanesque redemptive finale to both the opera and its overture set the tone for the evening with the curtain opening on a black raked stage with a shiny floor, bare except for dangling noose-like ropes, scattered beer crates and torn plastic sheeting blowing in the wind. Flashes of blinding, in my case at least, strobe lighting lit the scene while the Steersman, in a state of inebriation, tottered on a chair. A rubber dinghy, borrowed from Bieito’s Stuttgart production, served as Daland’s ship. A giant turning propeller was lowered as the Holländer entered with a crew of leather-clad Hell’s Angel bikers, their headlights beaming across the stage, planting crosses and skulls like piratical rockers.
Paterson, commandingly tall and clad in a black cloak, displayed his warm-toned bass-baritone in the opening monologue, “Die Frist ist um”, and its soft-edged burr was initially better suited to the reflective cantilena passages longing for redemeptive “Erlösung”, than the driven nihilistic declamatory passages, where more edge and focus in the lower range would have cut through the orchestra. In this determinedly bleak vision the release from his damned wanderings was most likely by means of the revolver which he held to his head.
The transition to Daland’s home brought little relief to the pervasive gloom, being set in a sweatshop turning out wedding dresses. The obsessed Senta, Erika Sunnegårdh, self-harming with scissors, was more cautious than driven in her Ballad, carefully negotiating the vocal leaps and top notes. In the concluding duet of Act 2, “Wie aus der Ferne”, her voice settled and gained steadiness in her pledge of faithfulness unto death and Paterson sustained a line of Lieder-like intensity.
As the third part of the triangle, Vincent Wolfsteiner’s hefty heldentenor gave profile to Erik, though at the expense of lyric flexiblity in this role, whose writing looks back to Italian models.
By the end of the last act there was clearly no expectation of a grand Romantic finale, but in his own terms Bösch failed to deliver a psychologically convincing narrative resolution. After Senta’s apparent betrayal the Holländer’s crew splattered petrol across the stage from jerry cans as he exited inconspicuously down stage. The propeller burst alight and Senta sat distractedly as the flames spluttered and fizzled fitfully during the abrupt final bars.
The augmented male chorus sang vigorously but were given little dynamic engagement by the director, being clumped centre-stage for the last act’s drunken revelry. The other cast members were well taken by ensemble members, Andreas Bauer as a firm-voiced, venal Daland, Michael Porter as a Mozartean Steuerman, and Maria Pantiukhova in her role debut as Mary.
Music Director Sebastian Weigle conducted a swift, alert performance in this transitional early work, though lacking in the sense of cosmic ebb and flow of souls cast adrift.
John Johnston | 22 Mai 2017
Ein Holländer ohne Holländer
Es gibt Regiearbeiten, wenn der Zuschauer davon eine Produktion gesehen hat, dann kann er sich auf wiederkehrende Stilelemente verlassen. Bei David Bösch spielen die Inszenierungen in einer gegenwärtigen Zeit, es wird geraucht und Feuer sieht er auch gerne auf der Bühne.
In der diesjährigen Wiederaufnahme seiner Inszenierung von Wagners „Fliegendem Holländer“ ist demzufolge natürlich keinerlei romantische Sichtweise zu erwarten. Der Holländer und seine Mannschaft ist eine Rockergang! Und die heißt? Na? Richtig: The Flyying Dutchmen! Huih, wie gruselig……….für wen?
Der Holländer, ursprünglich gedacht als ein gequälter Getriebener mit dämonischer Ausstrahlung, mutiert hier zu einer herunter gekommenen Clochard-Gestalt. Klar, dass er da nach seinem Monolog erst mal eine rauchen muss! Erik kommt auf einem Moped daher. Ach ja…., den Rest spare ich mir. Diese Inszenierung ist nicht der Rede wert. Sie tut nicht weh und wirkt oft um kluge Einfälle verlegen. Wer heutige Bilder sehen möchte, kommt auf seine Kosten. Wer in Wagners mystische Welt eintauchen möchte……, der bleibt besser daheim.
Erika Sunnegardh war wieder als Senta zu erleben. Sie traf sehr gut den Charakter der Figur und sang diese fordernde Partie weitgehend sicher, wenngleich manche arg aufgerissene Höhe und die mäßige Textverständlichkeit, den Eindruck trübten. Andreas Bauer als Daland klang zuweilen etwas knödelig. Aber er setzte sehr gekonnt seine Pointen, agierte darstellerisch ungemein präsent und spielte seinen Holländer-Kollegen völlig an die Wand. Vincent Wolfsteiner war ein überaus engagierter Erik mit teilweise kehliger Tongebung. Diese verleiht seiner Stimme oft einen charaktertenoralen Klang. Davon abgesehen zeigte er einen Erik in großer Verzweiflung und kniete sich mit großer Spielfreude in seinen Text. Warum gerade er aus dem Publikum ein „Buh“ erhielt, ist Ausdruck einer mehr als geistigen Fehlleistung des Unmut-Senders!
Maria Panthiukova war eine sehr gegenwärtige und ungewöhnlich junge Mary, ohne jegliche Hintergründigkeit. Michael Porter erfreute als stimmschöner Steuermann.
In dieser Wiederaufnahme stellte sich erstmals Iain Paterson als Holländer vor. Ein Sänger, der an großen intenationalen Häusern die großen Wagner Partien singt. Warum? Um es vorweg zu nehmen. Welche Enttäuschung! Was für eine Fehlbesetzung! Eine zwar manchmal kernige Stimme, die aber in den geforderten Höhen, vor allem im Duett mit Senta und viel zu oft im 3. Aufzug überfordert klang. Leider blieb er die enorme Farbskala dieser so faszinierenden Partie sprachlich alles schuldig. Sicher, er nutzte im großen Duett mit Senta so manchen Piano-Effekt. Aber vor allem im Monolog blieb er unfassbar ausdruckslos und blass. Keine Spur von Schmerz, Verzweiflung oder Bitterkeit. Wenn der Interpret des Holländers schon einen Satz, wie „Dann werde ich in Nichts vergehn“ vier Mal singt, ohne auch nur einen Akzent zu setzen oder diesen zu verändern, dann agiert er im gestalterischen Nichts. Zu keinem Zeitpunkt entstand der Eindruck, dass der Text verstanden wird. So reihten sich Töne an Töne beziehungslos aneinander. Darstellerisch auch ein Ausfall. Kaum eine gefühlte Geste, der Gesichtsausdruck meist leblos. Vielmehr erinnerte sein gesamter Auftritt an einen abgehalfterten Chief-Inspektor Flying Dutchman! Selten wurde ein Interpret vom Publikum derart „kalt“ in Empfang genommen, d.h. reduzierter „Höflichkeitsapplaus“, mehr nicht. Gerade in Frankfurt schmerzte eine solche Leistung, wo grandiose Stimmen wie Rudolf Constantin gerade in dieser Partie unerreichbare Maßstäbe setzten!
Herausragend Chor und Extrachor der Oper Frankfurt. Fulminant im Zusammenklag, dazu präzise artikulierend. Eine große Leistung!
GMD Sebastian Weigle leitete erstmals den „Holländer“ in Frankfurt und entschied sich in seiner Interpretation für keine romantische Lesart. Er betonte die Schroffheiten, musizierte sehr energisch, immer vorwärts drängend. Das war eine echte „Sturm und Drang“ Musik. Herrlich und hingebungsvoll ausgeführt. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester folgte seinem musikalischen Leiter vorbildlich. Die Instrumentengruppen intonierten sauber und überaus engagiert. Völlig zu Recht erhielt das Orchester und sein Dirigent mit Abstand den meisten Beifall.
Das Publikum im ausverkauften Haus reagierte mit anerkennender Begeisterung, die bei Paterson merklich verebbte.
Dirk Schauß | 25. Mai 2017, Nachmittagsvorstellung
Rocker rasen durch den Nebel
Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ wurde am Frankfurter Opernhaus wieder aufgenommen. Die Aufführung unter der Regie von David Bösch knüpfte dabei an den Premierenerfolg vom November 2015 an.
Diese Inszenierung ist nichts für schwache Nerven: „Wir weisen Sie darauf hin, dass verschiedene Knall- und pyrotechnische Effekte sowie Stroboskopeffekte (Lichtblitze) Teil der Inszenierung sind“, heißt es im Programmheft. Am Ende steht tatsächlich die gewaltige Schraube von Dalands Schiff in hellen Flammen. Der „Holländer“ gehört sicher zu Wagners dichtesten Stücken, erst recht in dieser 2015 zum ersten Mal gezeigten Inszenierung von David Bösch.
Die sechs Solisten teilen sich die Szene mit großer Mannschaft, Seeleuten, aber auch Lederjacken-Rockern mit entsprechender Motorisierung. „Hells Angels“ werden zu bedrohlich wirkenden „Flying Dutchmen“. Aber es geht auch hier um die Liebe und damit also um Erlösung. Generalmusikdirektor Sebastian Weigle übernahm bei dieser gewichtigen (und hervorragend besuchten) Wiederaufnahme die Leitung des Opern- und Museumsorchesters und sorgte für einen intensiven und kraftvollen Orchesterklang, der ja für den „Fliegenden Holländer“ charakteristisch ist.
Erika Sunnegardh aus Schweden hatte bereits bei der Premiere überzeugt und war auch diesmal wieder optimal in Form, besonders im zweiten Akt in der Spinnstube. Füllig und kraftvoll präsentierte sich der neue Holländer, Iain Paterson, dessen Bayreuth-Erfahrung sich auch vorteilhaft für das Frankfurt-Engagement auszahlte.
Vincent Wolfsteiner als Erik, Andreas Bauer in der wichtigen Rolle des Daland sowie Michael Porter als Steuermann hoben die Qualitäten des Opernhausensembles hervor. Aufgenommen in den riesigen Schlussapplaus aber wurde auch der kernig und geradlinig agierende Opernchor mit seinem Leiter Tilman Michael.
Ge | 23.05.2017
In attraktiver Alternativbesetzung
Die Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ von David Bösch aus dem Jahr 2015 bleibt Geschmackssache. Wer Aktualisierungen generell kritisch gegenübersteht, wird daran wenig Gefallen finden. Dem Kollegen Schauß ist es so ergangen. Seine kritischen Anmerkungen zur aktuellen Wiederaufnahme sind weiter unten zu lesen. Wir dagegen haben der Produktion schon im vergangenen Wiederaufnahmezyklus Repertoiretauglichkeit bescheinigt. Den seinerzeitigen Eindruck haben wir nun bestätigt gefunden: Von der Verlagerung des Sujets abgesehen, wird das alles sehr konventionell und textbuchgetreu durchbuchstabiert. Zu sehen sind keine Matrosen des Holländerschiffs, sondern Mitglieder der Rocker-Gang „Flying Dutchman“. Auf der Bühne verteilte Bierkästen tragen den Schriftzug „Lost“. Wir haben darin eine Anspielung auf Joel Schumachers Horrorfilm „The Lost Boys“ aus dem Jahr 1987 gesehen, in dem Vampire als Motorrad-Rocker eine Kleinstadt terrorisieren. Aus dieser Grundidee zieht der Regisseur aber keine berichtenswerten Konsequenzen. Im Kern ist das lebhaftes, aber konventionell ausgearbeitetes Regiehandwerk mit überwiegend plausibler Personenführung. Hübsch gerät die schüchterne Annäherung des Holländers an Senta im zweiten Aufzug. Wenn die beiden zum ersten zaghaften Kuß finden, funkeln im Hintergrund die Sterne. Soviel Kitsch darf sein. Ansonsten werden die Protagonisten erstaunlich oft demonstrativ an der Rampe aufgestellt und dürfen dort ihre Auftritte quasi-konzertant präsentieren. Das ist akustisch von Vorteil, geht szenisch aber allenfalls als ironisches Stilmittel durch. Überhaupt hat Böschs Regie in heiter-burlesken Einsprengseln (vor allem bei Einsätzen von Steuermann und Daland) ihre sichtbaren Stärken. Wie schon im Premierenzyklus wirkt das Hantieren der Holländer-Mannschaft mit leeren Benzinkanistern unglaubwürdig. Die mickrige Pyrotechnik, mit der am Ende ein paar Stichflammen über die das Holländer-Schiff repräsentierende überdimensionale Schiffsschraube tanzen, wirkt unverändert hilflos. Insgesamt aber erweist sich die Inszenierung als unspektakulär und flüssig. Man kann sich das durchaus wiederholt anschauen.
Von besonderem Interesse war bei der besuchten Aufführung eine attraktive Alternativbesetzung. Als Senta gab die Norwegerin Elisabeth Teige ihr Hausdebüt. Das war eine beglückende Begegnung mit einer Sängerin, die man gerne wieder in Frankfurt erleben möchte. Zu hören war eine beinahe idealtypische dramatische Stimme, die jugendliche Frische mit Durchschlagskraft vereint. Welch ein Unterschied zur inzwischen hörbar angestrengt und in den Höhen regelrecht schrillen Erstbesetzung Erika Sunnegard! Dazu kam der hauseigene Tenor AJ Glueckert als überzeugender Erik. Sein kraftvoller lyrischer Tenor, der in Partien wie dem Bacchus in Strauss‘ „Ariadne auf Naxos“ mit dem dramatischen Fach flirtet, unterscheidet sich mit gutem Sitz und Körperverankerung wohltuend von den halsigen Kopfstimmen, die einem allerorten – leider auch in Frankfurt – immer wieder als „Heldentenöre“ verkauft werden. Auch in den weiteren Nebenrollen bewähren sich wie schon in der Premiere die Frankfurter Stammkräfte Andreas Bauer mit wuchtigem, etwas gaumigem Baß als Daland und Michael Porter mit jugendlich-frischem Tenor. Die beiden sind für die von Bösch durchaus werkadäquat herausgearbeiteten komödiantischen Einschläge zuständig, und sie haben daran sichtlich großes Vergnügen, das sich auch dem Publikum mitteilt. Dadurch wird die Schaueroper angenehm belebt und immer wieder aufgelockert.
Ein schwieriger Fall ist Iain Paterson in der Titelrolle. Wir halten ihn im Gegensatz zum geschätzten Kollegen keineswegs für eine Fehlbesetzung. Er zeigt mit seiner Stimme durchaus heldenbaritonale Qualitäten. Das klingt im Forte kernig und mit einem passenden Schuß Abgeklärtheit. In solchen Momenten meint man, daß der Sänger auch einen ordentlichen Wotan abgäbe. Problematisch aber sind die Bemühungen um Zurücknahme der Stimme und Abstufungen im unteren Dynamikspektrum. Da klingt es dann, als markiere Paterson lediglich. Regelrecht farblos und fahl klingt das, beinahe emotionslos und beiläufig. Anfangs meint man, es könne sich um eine leichte Indisposition handeln, dann aber verfestigt sich der Eindruck, der Sänger setze das als Stilmittel ein. Uns hat es nicht überzeugt.
Uneingeschränkte Freude bereitet dagegen das unter Sebastian Weigle farbig-frisch aufspielende Orchester. Die Musik wird nicht aus der Perspektive des Spätwerks gedeutet, sondern in ihrer Herkunft etwa von Weber und Marschner präsentiert. Es stürmt und drängt. Der Partitur bekommt die Fähigkeit Weigles ausgezeichnet, einen Orchestersatz zugleich transparent und doch vollmundig klingen zu lassen. Da auch die von Tilman Michael präparierten Chöre mit Prägnanz und Wucht überzeugen, zeigt das Publikum im Schlußapplaus zu Recht große Zustimmung zur musikalischen Leistung des Abends.
Michael Demel | Vorstellung am 28. Mai 2017