Der fliegende Holländer

Tarmo Peltokoski
Polish Radio Choir Lusławice
Katowice City Singers’ Ensemble Camerata Silesia
Luxembourg Philharmonic
Date/Location
13 May 2025
Philharmonie Luxembourg
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
DalandAlbert Dohmen
SentaGabriela Scherer
ErikTuomas Katajala
MaryCatriona Morison
Der Steuermann DalandsDavid Fischer
Der HolländerBrian Mulligan
Gallery
Reviews
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Tarmo Peltokoski segelt wie ein erfahrener Kapitän durch die Wogen des “Fliegenden Holländers”

Um es gleich vorwegzusagen: Tarmo Peltokoski geht mit solcher Sicherheit an das Werk heran, als würde er, gleich der Titelfigur die Weltmeere, schon seit Jahrzehnten die Partitur Wagners durchsegeln. Vielleicht kommt es ihm dabei zu Gute, dass die Aufführung konzertant ist und auch dass die Luxembourg Philharmonic eigentlich kein Opernorchester sind.

Alljährlich treten diese in Luxemburg an einigen wenigen Opernabenden auf, sei es in Gesamtwerken, sei es in Opernkonzerten, konzentrieren sich aber größtenteils auf instrumentale Werke. Die instrumentalen Passagen der Oper gehören demnach auch zu den orchestralen Höhepunkten dieses Abends.

Peltokoski entlockt dem Orchester einen großen, wuchtigen, doch nie übersättigten Klang. Die Sänger werden dabei nie überdeckt. Mit energischen Gesten bändigt Peltokoski manchmal den aufkommenden Übermut des Orchesters, um es dann gleich wieder mit großen Armbewegungen zu langen melodiösen Bögen zu animieren. Man sieht, dass trotz seines jungen Alters der Dirigent genug Autorität und Anerkennung vom Orchester erhält. Mit viel Ruhe gelingt es ihm im Duett Senta-Holländer einen vokalen Aussetzer des Letzteren aufzufangen und diesen fast unbemerkt wieder ins Lot zu bringen.

Gabriela Scherer zeigt an diesem Abend, dass sie momentan eine der führenden Interpretinnen dieser Rolle ist, die sie auf vielen internationalen Opernbühnen singt. Mit leuchtendem jugendlich-lyrischem Sopran singt sie diese schwierige Partie, die sowohl durch ihre Höhen als auch durch ihre Ausflüge in die tiefe Lage für jede Interpretin anstrengend ist. Dabei achtet Gabriela Scherer darauf, ihre Stimme nicht zu forcieren. Die Forte-Attacken bei der Ballade der Senta sind kraftvoll, doch kontrolliert, nie geschrien. Auch vermittelt sie perfekt den kindlich-jugendlichen Charakter der Senta: Auf ekstatischen Jubelton folgt romantische Verträumtheit, alles gesungen mit frischem unverbrauchtem Sopran.

Albert Dohmen, einst selbst ein regelmäßiger und erstklassiger Darsteller des Holländers, springt an diesem Abend als Daland kurzfristig für einen erkrankten Kollegen ein und erscheint dabei unverwüstlich. Mit fester und sicherer Stimme gibt er den geldgierigen Vater. Als alter Fuchs weiß er dabei genau, wie und wo er die musikalischen und interpretativen Akzente bei dieser Wagneroper setzen muss.

Die undankbare Rolle des Erik wird von dem finnischen Tenor Tuomas Katajala gesungen. Seine schneidende, manchmal ein wenig larmoyant klingende Tenorstimme passt perfekt zu dem zurückgewiesenen Liebhaber, den er mit viel Engagement singt.

David Fischer lässt seinen erfrischenden Tenor für die Rolle des Steuermannes erklingen. Auch wenn er hinter dem Orchester beim Chor positioniert ist, so strahlt seine Stimme fest und klar durch den Konzertsaal. Catriona Morison ist szenisch, aber vor allem auch stimmlich eine junge Mary und keine alte Matrone, wie man sie öfters serviert bekommt.

Und der Holländer bei dieser Aufführung? Wenn Senta in ihrer Ballade vom “bleichen Manne” singt, so treffen diese Wörter total auf die Darstellung und Darbietung des Holländers von Brian Mulligan an diesem Abend zu. Er steht meistens unsicher herum, quält sich durch seine Gesangsphrasen, sodass man sich fragt, ob er etwa indisponiert sei? Auf Nachfrage meinerseits nach der Aufführung bei der Philharmonie Luxembourg wurde mir dies bestätigt. Es ist Mulligan hoch anzurechnen, dass er die Vorstellung nicht im letzten Moment hat platzen lassen und sein Bestes gegeben hat.

Allerdings hätten die Verantwortlichen der Philharmonie Luxembourg vor der Aufführung unbedingt, so wie es üblich ist, den Sänger als erkrankt ansagen und entschuldigen müssen. Unter diesen Umständen verbietet sich allerdings eine weitere Kritik betreffend der Leistung des Sängers.

Die Chorpartie wird gesungen vom “Polish Radio Choir – Lusławice” und dem “Katowice City Singers’ Ensemble Camerata Silesia”, einstudiert von Stanislaw Rzepiela und Anna Szostak-Myrczek. Im Vordergrund steht dabei natürlich die Hafenszene im dritten Akt, die beide Chöre mit viel Präzision bei vollem stimmlichen Einsatz singen.

Ein wenig “Regie-Stress” in dieser konzertanten Aufführung gibt es in dieser Szene für den Männerchor, der abwechselnd die Matrosen Dalands und die geisterhafte Besatzung des Holländer-Schiffes singen muss. Für Letztere müssen die Sänger sich ein schwarzes Jackett überstreifen, um sich wieder dessen zu entledigen für die Einsätze der lebendigen Seeleute.

Schlussendlich erlebt man eine packende Aufführung von Wagners “Fliegendem Holländer”, auch wenn der Sänger der Titelpartie leider wie vorher beschrieben mit seinem Gesang geisterhafter daherkommt, als es Wagner vorgeschrieben hat.

Die gesanglichen Leistungen vor allem von Gabriela Scherer und Albert Dohmen sowie die Direktion von Tarmo Peltokoski entschädigen hierfür.

Jean-Nico Schambourg | 15. Mai 2025

pizzicato.lu

Hervorragende konzertante Aufführung von Wagners “Fliegendem Holländer”

Mit Der Fliegende Holländer hat Richard Wagner eine typische romantische Oper geschrieben. Leidenschaft und Musik, Übersinnliches und Grusel, der tragische Wanderer und die unerfüllte Liebe; viele der typischen Merkmale der Romantik sind hier verarbeitet. Auch die Musik löst sich bereits von klassischen Formen, arbeitet mit Leitmotiven und starken dramatischen Eigenschaften. Dies alles konnte unser Mitarbeiter Alain Steffen sehr gut und hautnah in der Philharmonie miterleben, wo Wagners erstes Meisterswerk in konzertanter Form gegeben wurde.

Großes Lob an allererster Stelle für den jungen Dirigenten Tarmo Peltokoski, dessen exzellente Leistung man hervorheben muss. Peltokoski gelang es während den 140 Minuten, eine in allen Punkten ideale Balance zwischen Sängern, Orchester und Chor zu erreichen. Sein spannendes und enorm sängerfreundliches Dirigat bestach durch höchste Konzentration und Aufmerksamkeit. Auch wuste der junge Finne, wo er das Orchester von der Leine lassen konnte und wo er die Musiker zurücknehmen musste, um begleiten zu können. Das Luxembourg Philharmonic begeisterte durch einen vollen und runden Klang, herrliche dynamische Abstufungen, sowie ein sehr transparentes und feines Spiel. Obwohl Peltokoski die Ouvertüre mit Fug und Tempo vorwärtsdrängte, so waren es doch die wunderbaren kammermusikalischen Feinheiten, die sein Dirigat auszeichneten. Und das kam besonders den Sängern zugute.

Die unattraktive Rolle der Mary, oft für altgediente, matronenhafte Sägerinnen reserviert, wurde makellos mit frischer und gesunder Stimme von Catriona Morison gesungen. Großartig auch David Fischer als Steuermann, dessen heller, lyrischer Tenor eine Idealbesetzung darstellte. Für den erkrankten Christoph Fischer sprang Altmeister Albert Dohmen als Daland ein, der immer schon ein sehr kluger Säger gewesen war und heute mit 68 Jahren noch immer über ein beeindruckendes Stimmmaterial verfügt.

Viele renommierte Tenöre hatten und haben oft besondere Mühe mit der Partie des Erik, die nicht zu unterschätzen ist. Und ich muss zugeben, ich habe bisher noch keinen Tenor gehört, der diesen Part so schön und fehlerfrei gesungen hat, wie der finnische Tenor Tuomas Katajala. Dazu besitzt Katajala eine makellose Stimmführung, eine sichere Höhe und ein sehr angenehmes Timbre.

Die wohl ungewöhnlichste Besetzung war Brian Mulligan als Holländer. Man mag ihn vielleicht als Fehlbesetzung erlebt haben, denn von der Schwärze und der teuflischen Präsenz der großen Holländer-Interpreten von Hans Hotter und George London über Thomas Stewart und Bernd Weikl bis hin zu Bryn Terfel, Albert Dohmen und Michael Volle besitzt Mulligan recht wenig. Sein Heldenbariton ist eher hell, biegsam und lyrisch angelegt und so interpretierte er auch die tragische Figur des Holländers. Hier trat das Menschliche an die Oberfläche, die Figur war verzweifelt, angsterfüllt und unsicher und sein Vortrag ließ in jedem Moment erahnen, wie sehr sich dieser Holländer nach Liebe und Erlösung sehnt. Und so gesehen warf Mulligan eine interessante Perspektive auf diese Figur. Dass er leider im Duett mit Senta plötzlich einen Frosch in den Hals bekam oder sich verschluckte, war unglücklich, denn er erholte sich nur schwer von diesem Missgeschick und sang ab dann mit zurückgenommener Stimme. Seine Partnerin Gabriela Scherer als Senta war hervorragend. Sie ist eine Sängerin, die diese Partie ohne Geschreie durchsang und dabei immer wieder feinste Nuancen erkennen liess. Die Stimme war sehr gut fokussiert und floss unangestrengt von Höhepunkt zu Höhepunkt. Dabei nahm sie ab der Mitte des Duetts im zweiten Akt hörbar Rücksicht auf Brian Mulligan, so dass beide Stimmen trotzdem weiterhin sehr gut harmonisierten. Auch psychologisch interpretierte Gabriela Scherer eine in allen Momenten glaubhafte Senta. Eine hervorragende Leistung kam auch vom Polish Radio Choir-Luslawice und von den Katowice City Singers‘ Ensemble Camerata Silesia, die Tarmo Peltokoski zu einer Höchstleistung anspornte. Fazit: Eine in allen Hinsichten überragende und fast perfekte Aufführung von Wagner Fliegendem Holländer.

14/05/2025

Rating
(5/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
320 kbit/s CBR, 48.0 kHz, 327 MiB (MP3)
Remarks
Broadcast (Opus 100.7) of a concert performance
Albert Dohmen replaces Christof Fischesser as Daland.