Lohengrin
Markus Stenz | ||||||
Chor und Extrachor der Oper Köln Gürzenich-Orchester Köln | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Heinrich der Vogler | Reinhard Hagen |
Lohengrin | Klaus Florian Vogt |
Elsa von Brabant | Kirsten Blanck |
Friedrich von Telramund | Krister St Hill |
Ortrud | Dalia Schaechter |
Der Heerrufer des Königs | Samuel Youn |
Vier brabantische Edle | Andrès F. Orozco |
Keven Shen | |
David Pichlmaier | |
Julian Schulzki |
Um es gleich vorweg zu sagen: Zu kontroversen Diskussionen lädt Klaus Maria Brandauers erste Operninszenierung an der Kölner Oper nicht ein.
Während der Ouvertüre gibt es einige szenische Effekte, die auf die Musik gesetzt sind: Im Orchester donnert es und oben auf der Bühne blitzt es. Das lässt einen zunächst Schlimmes befürchten, aber diese Befürchtungen werden nicht bestätigt. Die Inszenierung beschränkt sich weitestgehend darauf, die Menschenmassen auf der Bühne zu arrangieren. Das gelingt im ersten Akt an manchen Stellen wenig überzeugend, ab dem 2. Akt aber wird die Handlung handwerklich solide auf die Bühne gebracht – sieht man einmal davon ab, dass Elsa im 2. Akt unmotiviert von der Bühne gehen muss, damit Ortrud ihren Racheschwur loswird.
Der Schwan – eher ein normalgroßer Vogel als ein mythisches Übertier – gleitet über die Menschenmenge hinweg und Lohengrin tritt mit Helm und Schwert in einem rüstungsähnlichen Kostüm auf, das Klaus Florian Vogt unglücklicherweise dicker aussehen lässt, als er eigentlich ist. Ansonsten herrscht bei den Kostümen einen nicht misszuverstehende Farbsymbolik vor: die Guten weiß (Elsa und Lohengrin sowie die unschuldigen Mädchen), die Bösen dunkel (im Falle von Krister St. Hills Telramund sogar dunkelhäutig), der König mit Krone und kunstvoll drapiertem roten Mantel. Originell ist etwas anderes.
Gegen diese klare Farbsymbolik der historisierenden Kostüme bleibt das Bühnenbild über weite Teile des Abends unklar: Links steht den ganzen Abend über ein verdorrter Baum. Im zweiten Akt ist um ihn herum ein Gerüst angebracht, von dem zur Hochzeit bunte Bändchen herunterhängen. Im dritten und letzten Akt blüht an diesem Baum ein Zweig als Zeichen dafür, dass es jetzt wieder aufwärts geht mit Brabant. Ansonsten stehen auf der Bühne vier Türme, die wie ein Mittelding zwischen antiken Säulen, überdimensonierten U-Boot-Türmen und Wohnsilos aussehen. Oben drauf ist etwas Grün angebracht, was den Eindruck erweckt, diese Türme würden aus einer verlorenen Welt stammen. Sie scheinen auch bewohnt zu sein, zumindest leuchten einige Fenster, wenn Ortrud und Telramund als Ausgeschlossene in Decken gehüllt draußen ihr Schicksal beklagen, während innen Lohengrin und Elsa gefeiert werden. Für die Szene zu Beginn des 3. Aktes, die im Schlafzimmer spielt, wird lediglich ein Bett auf die Bühne geschoben. Die Mitte der Bühne ist turmfrei, schließlich muss sich da mehrmals der Chor versammeln. Für den 3. Akt wurde der Turm, der zuvor links stand, umgekippt. Es ist aber auch relativ egal, was das bedeuten soll, denn die Vielzahl von Menschen, im vorderen Teil der Bühne vor dem Baum und im Schiefergelände versammelt, und die Beleuchtung verbannen die Türme weitestgehend aus der Sicht.
Zwei nette Regieideen finden sich dann aber doch in der ansonsten konventionell die Handlung bebildernden Inszenierung. Zu Beginn des 3. Aktes sitzen Lohengrin und Elsa auf zwei Stühlen ziemlich verlegen vor dem gemeinsamen Bett. Das bringt zwar einige Lacher im Publikum, nimmt der ganzen Geschichte aber für einen Moment die hehre mythische Dimension und zeigt, dass sich da gleich zwei Menschen zum ersten Mal vereinigen werden, die unschuldig ineinander verliebt sind.
Ein anderer guter Einfall, der sich durch alle Akte hindurchzieht, ohne allzu aufdringlich zu sein: Links auf der Bühne stehen von der ersten Szene an ein Schaukelpferd und einige Bauklötzchen. In Akt 1 spielt ein junges Kind in Weiß damit, unberührt von allen weltpolitischen Problem, die neben ihm verhandelt werden. Kurz darauf begrüßt dieses Kind Lohengrin, nimmt ihm den Helm ab und er streicht ihm über das Haar. Im 2. Akt setzt sich Ortrud auf das Pferd und stößt in einem Anfall von Rachsucht die Bauklötzchen um. Im letzten Akt wird dieser Kreis Spielzeug, Kindheit, Unschuld geschlossen, wenngleich nicht ganz geglückt. Elsas Bruder Gottfried, ein junger Knabe, wirft das Schwert, mit dem er über Brabant herrschen soll, vor dem König auf den Boden und geht zum Schaukelpferd. Dort verweilt er dann aber nicht, sondern wendet sich seiner Schwester zu. Man erahnt mehr, als dass man es sieht, dass sich Gottfried hier gegen das kindlich-unschuldige Spiel und für die Verantwortung, in Brabant zu herrschen, entscheidet.
Überragend war am besuchten Abend die sängerische Leistung, lediglich Hans Christoph Begemann als Heerrufer fiel etwas ab, allerdings nur in Bezug auf die Lautstärke. Klaus Florian Vogt gab einen stimmlich ebenso wie optisch ansprechenden Siegfried, Kirstin Blanck hatte keine Probleme mit ihren Spitzentönen. Krister St. Hill als Friedrich von Telramund und Reinhard Hagen als Heinrich der Vogler – Letzterer trotz Beeinträchtigung durch eine Erkältung – komplettierten den Hochgenuss für die Ohren. Extraklasse neben all diesen Höchstleistungen, wie Dalia Schaechter als Ortrud ihre Stimme einsetzte, um ihre Figur zu charakterisieren. Markus Stenz hatte sein Orchester jederzeit im Griff und dirigierte das Werk – ähnlich wie schon bei seinem Ringdirigat an selber Stelle im Frühjahr zu hören – sehr differenziert und mit viel Engagement.
Das Publikum war zu Recht euphorisch. Inszenatorisch ist dieser Lohengrin sicherlich kein Muss, musikalisch aber auf jeden Fall.
Karoline Bendig | 9. Oktober 2006