Lohengrin
Christoph Gedschold | ||||||
Badischer Staatsopernchor Badische Staatskapelle | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Heinrich der Vogler | Renatus Mészár |
Lohengrin | John Treleaven |
Elsa von Brabant | Christina Niessen |
Friedrich von Telramund | Jaco Venter |
Ortrud | Susan Anthony |
Der Heerrufer des Königs | Armin Kolarczyck |
Vier brabantische Edle | ? |
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Hochseilakt
nach seiner Herkunft noch nach seinem Namen fragen darf. Wie bekannt geht das Unternehmen schief. Gefährlich also, ausgerechnet einen Hochseilartisten als Symbol für den Schwanenritter zu wählen, wie jetzt in der Karlsruher Inszenierung von Reinhild Hoffmann geschehen. Und wie zu befürchten war: Auch das ging schief.
Zur Überraschung also nicht nur des Brabanter Volkes, sondern auch des Karlsruher Publikums schiebt sich, wenn der Chor „welch seltsam Wunder“ singt, die Pappfigur eines Hochseilakrobaten über ein hoch über der Bühne gespanntes Seil und aus dem Hintergrund erscheint flugs Lohengrin im weißen Anzug mit einem kleinen Assistenten auf der Bühne, welcher sich am Schluss – kein Wunder – als Elsas Bruder Gottfried entpuppt.
Dass Lohengrin eine Gestalt ist, die den „Blick der Menschen in die Höhe zieht: zum Erhabenen“, das behauptet zwar das Programmheft, aber die Inszenierung löst dies nicht ein. Wenn einer Regie schon ein solches Konzept zugrunde liegt, dann müsste es schlüssig entwickelt werden. Davon ist jedoch nicht viel zu sehen, weil ihr größtes Manko die Personenführung ist. Reinhild Hoffmann gibt ihren Figuren keine lebendigen Gesten, sondern ihre Regie erschöpft sich in Klischees – Singen an der Rampe, anstatt Interaktion der Personen. Am schlimmsten trifft es den Chor, der nur als anonyme Masse, mal auf der Tribüne Fähnchen schwingend (Finale 2. Akt), mal ergriffen lauschend (Gralserzählung) auf dem Boden ruht. Demonstriert wird eine Botschaft auch zu sehr durch Emily Laumanns Kostümierung, die die Frauen in Kleider der 30iger Jahre (samt blonder Lockenperücke) und die Männer in moderne Abendanzüge gesteckt hat. Das Volk von Brabant ist hier als eine durch die Zeiten immer gleich opportunistische Menge gezeigt. Man merkt die Absicht und ist verstimmt: Ein Konzept selbst ist eben noch nicht die Aktion auf der Bühne.
Hartmut Meyers Bühnenbild versetzt die Opernhandlung in eine Sporthalle mit Tribüne, Siegertreppchen, Tor und einen goldnen Ball. König Heinrich erscheint als jovialer Sportfunktionär („ein kräftig reicher Heerverband“), die Damen des Chors als muntere Cheerleader und einmal dribbelt Telramund den Ball ums Tor. Nur ist dieser sportive Ansatz zu banal geraten, um Wagners romantischer Oper irgendeine tiefere Bedeutung zu geben. Die Einfälle bleiben disparat, nichts zündet richtig, man fragt sich immer nur „Was soll’s?“.
Auch für Lance Ryan selbst bedeutete dieser Abend einen Hochseilakt, es war sein Debut als Lohengrin. Er hat einen Ruf zu verteidigen, denn als Siegfried ist er im Augenblick gefragt wie keiner. Der Heldentenor nun als sanfter Friedensbringer: Wie viel Siegfried steckt im Lohengrin? Nun, Ryan schlug sich achtbar an lyrischen Stellen, forcierte aber auch mitunter und bekam den Kraftmeier nicht gänzlich kontrolliert. Aber die Gralserzählung gestaltete er subtil und einfühlsam. Nicht gänzlich konnte er damit sein Publikum überzeugen, ein paar Buhs mischten sich beim Schlussbeifall für ihn unter.
Überwältigend der Erfolg für Heidi Melton. Die amerikanische Sängerin, seit dieser Spielzeit in Karlsruhe engagiert, hat sich hier schon als Didon (Troyens) bestens präsentiert. Nun singt sie nicht nur perfekt artikuliert, sondern auch ausdrucksstark die Partie der Elsa und nimmt komplett für sich ein. Ihre wandelbare Stimme verleiht der Gestalt jenes Maß an Menschlichkeit, welches die Regie ihr nicht zu geben versteht. Exzellent auch Jaco Venter als Telramund, der mit kernigem Bariton und in markanter Diktion dieser Rolle dramatisch Gestalt gibt. In der Stimme von Susan Anthony dagegen liegt zu wenig Charakter, um der dämonischen Ortrud Glaubwürdigkeit zu verleihen. Ebenfalls zu wenig Statur gewinnt Renatus Meszar als König Heinrich, der stimmlich flach und bieder bleibt. Seung-Gi Jung als Heerrufer singt markig, aber etwas unsauber in der Intonation.
Als großes Plus dieser Produktion ist das Orchester zu vermelden. Ganz intensiv hatte Justin Brown offensichtlich mit der Badischen Staatskapelle geprobt und das Ergebnis war ein fein geschliffenes, glänzendes Klangbild. Schon das erste Vorspiel geriet zu einem filigranen, silbrig glitzernden Meisterstück, fein abgestimmt, federleicht geschichtet und außerordentlich schön im Klang. Im Vorspiel zum 3. Akt ließ Brown die Staatskapelle mitreißendes Temperament entfalten, ohne dass es an rhythmischer Präzision mangelte oder irgendetwas verwischte. Als Begleiter führte der Karlsruher GMD das Orchester einfühlsam und ließ den Sängern ihren Raum, so dass zumeist sehr textverständlich gesungen werden konnte.
FAZIT
In der Regie missglückt. Musikalisch vor allem im Orchester souverän.
Chrisopht Wurzel | Premiere im Badischen Staatstheater am 1. April 2012
Das Wunder oder ein Drahtseilakt
Reinhild Hoffmann, die die Regie für den ursprünglich vorgesehenen, aber inzwischen zum Direktor des Theaters Bremen berufenen Benedikt von Peter übernommen hat, wollte weg von den überstrapazierten Politfabeln, die um den Schwanenritter in den letzten Jahren herum konstruiert wurden, und ein modernes Märchen zeigen. Die Basis dafür bildet eine Party-Gesellschaft, die in einem Stadion (Bühne: Hartmut Meyer )- angedeutet durch verschiebbare Segmente einer Stufen-Tribüne, Begrenzungslinien, Absperr-Stangen, Tore und eine Beleuchterbrücke – zusammentrifft, um über die Zukunft ihrer Führung zu verhandeln. Eine Art Königsfigur symbolisiert die gegensätzlichen politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen. Gestützt auf Wagners These, dass nur ein revolutionärer Künstler Neuerungen zu schaffen vermag, stellt sich Lohengrin als die ersehnte Hoffnung dar. Die Regisseurin vergleicht ihn mit einem Seiltänzer, dessen Kunst sich in einem für die Masse unerreichbaren Raum über dem Abgrund konzentrisch zu behaupten, ihn zu einem Erhabenen macht, zu dem die Menschen aufblicken.
In dieser Konsequenz lässt die renommierte Tanztheater-Leiterin Parzivals Sohn auch symbolisch als Strichmännchen auf dem über die Bühne gespannten Seil erscheinen, während der Leibhaftige in weißem Ornat, von hinten erleuchtet, und hier bereits begleitet von dem verschleierten Gottfried, herein schreitet. Statt eines Schwertes ficht er den Kampf gegen Telramund mit seinem mitgeführten Stab aus und zeigt im weiteren Verlauf aber auch zusehends seine Überforderung im Konflikt der ehelichen Verbindung mit Elsa. Beider Frustration wird in der Brautgemachszene durch eine stringent aufgebaute Personenführung deutlich. Sie spielt vor einer fahrbaren Wand in Weiß und Rot, denselben Farben wie die beim Hochzeitszug im 2.Akt vom Volk geschwungenen Papierfähnchen und gedrehten Blumen-Windräder. Das Brautbett ist das mit einem großen weißen Tuch bedeckte Siegertreppchen aus den beiden ersten Akten, auf das dann der von Lohengrin erschlagene Telramund fällt und in diesem vor die Versammlung der letzten Szene getragen wird. Und da erreicht die Regie endgültig jene Spannungsgeladenheit, die zuvor nur selten auszumachen war (wobei die Gerichtsverhandlung im ersten Akt gegebenermassen eine konzertantere Angelegenheit für ausdrucksstarke Persönlichkeiten ist). Im allgemeinen ist der Regisseurin jedoch zuzugestehen, dass sie die Gruppen großteils sinnvoll arrangiert hat, dass solistische Einsätze zu ihrem vollen Recht kommen.
Am Schluß erklimmt die im schwarzen Kleid mit pelzbesetzten Schulter-Partien und Handschuhen mehr schlangenartig als hexenhaft wirkende Ortrud triumphal das Siegertreppchen, stürzt aber nach der Erlösung Gottfrieds zu Boden. Dieser entpuppt sich als Spiegelbild Lohengrins. Wenn er den Elsa überlassenen Stab mit dem seinen zusammensteckt, versuchen Elsa und Ortrud an den beiden Enden Halt und Fassung zu bekommen. Der neue Führer wird es nicht leicht haben zwischen der Macht kalkulierenden friesischen Fürstentochter und der aus vollem Herzen vertrauenden Elsa. Der Kampf wird weitergehen.
Was das Premierenpublikum an dieser Regie so erzürnt hat, dass es mit einem gnadenlosen Buhkonzert antwortet, bleibt nicht nachvollziehbar. Sicher ist die optische Seite eher ernüchternd und stimmungslos ausgefallen, doch unter Abstreifung und Ausblendung des im Text erwähnten historischen Umfelds erzählt Hoffmann eine konsequente und großteils schlüssige Geschichte in einer modernen Gesellschaft, wobei die Kostüme von Emily Laumanns trotz fehlender Farben und vor allem bei den Herren einheitlicher Formen weder entstellend noch einfallslos sind, zumal die Lichtregie von Stefan Woinke immer wieder reflexive Momente wie das Gebet im ersten oder das Ensemble im zweiten Akt herausleuchtet.
Wo die Regie eher zaghaft in der Ausformulierung blieb, steuerten die tempomäßig flüssigen, aber nie verhetzten Akzente von GMD Justin Brown mit einer unüberhörbar martialisch pompösen Auffassung der Partitur, in der das Blech aus festlichem Stolz strotzen und das Schlagwerk zum militärisch anmutenden Tschingdarassabum ausholen durfte, dagegen. Gegenüber diesen straffen Vorgaben standen zum Glück auch sanft und mit viel Gefühl inspirierte Streicher-Teppiche und nachdenklich ausgehörte Holzbläser-Floskeln. Die Badische Staatskapelle stellte nach noch etwas unruhigem Beginn im Vorspiel ihre hinreichende Wagner-Erfahrung in den Raum und ließ gemäß den Vorgaben mehr den lärmenden Romantiker als den distanzierenderen Modernen zu seinem Recht kommen. Ob dieser Grundtenor Lance Ryan bei seinem mit Spannung erwarteten Titelrollen-Debut zu teilweise penetrant lautem Stimmeinsatz verleitete, oder ob der mittlerweile durch viele heldische Kraftakte gestählte Tenor Leichtigkeit und Flexibilität verloren hat, ist nach diesem Abend schwer zu beantworten. Viele zurückgenommene, fast liedhaft empfundene und klangvoll gelungene Phasen im dritten Akt versöhnten ein Stück weit mit eher steifer Forte- Verausgabung und selbst das lauteste Ensemble trompetenhaft gerade durchdringenden Spitzentönen. Es wäre sehr bedauerlich, wenn der nicht mit sonderlicher Ausstrahlung, aber über eine doch angenehme Bühnenerscheinung verfügende Kanadier angesichts der vielen geplanten Siegfried-Einsätze (2013 auch im neuen Bayreuther „Ring“) nach hoffnungsvollen Jahren nicht mehr die entsprechend erwartete Qualität mitbringt. Hoffen wir, dass dieses sehr schwankende, teilweise schmerzhafte und auch mit einigen Buhs bedachte Rollendebut zumindest zum Teil den Premieren-Umständen zuzuschreiben ist. Verschleißerscheinungen sind jedoch nicht zu überhören.
Statt seiner wurde die Elsa zum umjubelten Mittelpunkt der Aufführung. Die noch blutjunge Amerikanerin Heidi Melton war bereits im Herbst als Pracht-Dido in „Les Troyens“ eine Entdeckung und mit ihrem dunklen Wohllaut eher im Mezzofach einzustufen. Was die Sopranistin mit helleren und dennoch getönteren Stimmfarben als diejenigen Ortruds (dazu später) mit einer Mühelosigkeit und Tragkraft in allen Lagen entfaltete, dazu ein Höchstmaß an Gefühl und Intuition in ihren Gesang legte und gleichzeitig eine ganz in ihren Visionen befangene Liebende und Leidende spielte, der die aufkommenden Zweifel, das immer drängendere Verlangen nach der Identität ihres Gatten und ihre letztendliche Verzweiflung ergreifend im Gesicht standen, liess Elsa über ihr sonstiges naiv einfältiges Wesen hinauswachsen.
Einem solchen (auch körperlichen) Kaliber gegenüber stand die mit ihrem Rollendebut als Ortrud überraschende Susan Anthony auf verlorenem Posten. Die Stimme der einstigen international gefragten Elsa ist nur geringfügig stärker und breiter geworden, um das breite Fundament der Gegenspielerin einigermaßen sicher auszufüllen. Immerhin versucht sie nicht, ihrem im zweiten Akt achtbar differenzierenden Einsatz mit Gewalt mehr Volumen und Attacke abzuringen, sondern das Bestmögliche mit ihrem Sopran zu erreichen. Bis dahin noch ein akzeptables und durch ausgesprochen glaubhaft raffiniertes Spiel unterfüttertes Experiment, bedeutet dann der finale Auftritt mit den unerbittlichen Forte-Höhen doch den unüberhörbar grenzüberschreitenden Kraftakt. Schade um diese mäßige Ortrud, die doch besser eine erstklassige Elsa geblieben wäre.
Stückgemäß unterlegen, war Telramund hier eindeutig der Überlegene – soviel höhenexpansiven unermüdlichen baritonalen Zunder und berstende Ausdruckskraft investierte Jaco Venter in den geächteten Grafen, dass er zum zweiten Publikumsgewinner wurde.
Dasselbe gilt in etwas gemässigterer Form für die plastisch in den Raum gesendeten Kommentare von Seung-Gi Jung als Heerrufer. Etwas gedrosselter und spröder und mit wenig ergiebiger Tiefe agierte Renatus Meszar als hier zum etwas lässig agierenden Sport-Manager mutierter König Heinrich.
Staatsopern- und Extrachor (Einstudierung: Ulrich Wagner ) füllten ihre reichhaltig schattierten Parts in weitgehender Stimmgruppenübereinstimmung (abgesehen von ein paar übertönenden Tenören) nicht nur mit Macht, mehr noch in mitfühlend schwingender Beteiligung am jeweiligen Geschehen aus und stellten auch die kurzen Einsätze der Edlen und Knaben. Nicht besonders anhaltende, abgestufte Ovationen für einen wechselhaften und dennoch großen, weil auch nicht kalt lassenden Opernabend.
Udo Klebes | 1.4.2012
Pappkameraden unter sich
Woher und wohin? Diese Fragen kann auch Reinhild Hoffmann mit ihrer Lohengrin-Inszenierung am Staatstheater Karlsruhe nicht schlüssig beantworten, weil sie schlicht nicht beantwortbar sind. Denn das Mit- oder Gegeneinander von Märchenwelt und realer Handlung entzieht sich einer stringenten Zusammenschau. Womit die Tür geöffnet wird für allerlei Versatzstücke, die einer Szene aufhelfen, die in sich den Keim der Unentschlossenheit birgt.
Das aber wird optisch gut serviert und weckt Neugierde. Reinhild Hoffmann zeigt, dass wir von Pappkameraden umgeben sind, wenn Lohengrin als Seiltänzer-Figur von oben schräg über den Bühnenhimmel gezogen wird. Mut und Gefährdung werden suggeriert, derweil König Heinrich Gerichtstag abhält und auch dort ein überdimensionaler Pappkamerad mit Schild und Schwert als Symbol für Recht und Ordnung zur Tribüne gezerrt wird, wo das erwartungsvolle Volk ein Event-Schauspiel erhofft. Das ist hübsch gemacht, wie überhaupt die Bühne von Hartmut Meyer für sich einnimmt, auf der die von Emily Laumanns kostümierten Figuren in Straßenanzügen oder signifikanten optischen Anreizen daherkommen. Lohengrin tritt im Fechtanzug an, und sein Knappe, der verwunschene Bruder Elsas, Gottfried, hat ebenfalls die Fechtmaske übers Gesicht gezogen.
Das wirkt ebenso griffig wie letztlich ratlos nach dem Motto, was mit dieser großen „romantischen Oper“ nun anzustellen ist. Die Geschichte sauber nacherzählen und dabei einige Lockerungsübungen einstreuen, scheint die Devise. Ein olympischer Fackelträger umkreist zwischendurch die Bühne, das Siegerpodest lädt zum Posieren ein, und einige Typen, die mit Absperrgittern hantieren, schlagen Purzelbäume. Lockerungsübungen, um zum Kern vorzudringen, jener finalen Situation der Gralserzählung.
Musikalisch ist der Abend überragend, denn GMD Justin Brown entwickelt aus analytischem Blick heraus einen wunderbar pulsierenden Atem, dessen Konzentration gemeinsam mit der souverän agierenden Badischen Staatskapelle nie nachlässt, treibt und trägt. Prächtig auch der von Ulrich Wagner vorbereitete, riesige Chor mit Extrachor. Sängerisch hingegen gibt es Abstriche. Nicht in Bestform tritt Lance Ryan als Lohengrin an, denn sein jugendlicher Heldentenor wirkt in eingeengter Helle, unruhig in den Registern, und Geschmeidigkeit wird durch Kraft ersetzt. Das Karlsruher Publikum, das er oft verwöhnt hat, ist dann auch leicht unzufrieden mit ihm.
Heidi Melton verkörpert, auch im Wortsinne, die „klassische“ Elsa und setzt einen Sopran ein, der Durchschlagskraft mit sehr schönen Passagen paart, allerdings in einigen herausgeschmetterten Spitzen zu viel des Guten tut. Eine Idealbesetzung wäre Susan Anthony als abgründige Ortrud, denn ihr Spiel zeigt die Dämonie, die eine attraktive Frau durch Sexappeal ausüben kann, und ihren dramatischen Sopran führt sie außerordentlich attraktiv, wären da nicht Ermüdungserscheinungen im letzten Aufzug. Ökonomie müssen alle Wagner-Sänger lernen. Einen großartigen Telramund bietet Jaco Venter darstellerisch und sängerisch, weil sein Bariton alle Facetten dieser Figur ausleuchtet. Und Heinrich der Vogler: In der besuchten Zweitpremiere hat Renatus Meszar wegen Erkältung nur spielen können, dafür leiht ihm der an der Oper Stuttgart wirkende Attila Jun eine große Bass-Stimme, die keine Wünsche offen lässt; sauber die Heerrufer-Gestaltung durch Seung-Gi Jung.
Das Publikum, in der Premiere noch voller Buh-Zorn für die Inszenierung, ist damit am Karfreitagsabend durchaus zufrieden, denn viel auszusetzen ist an Reinhild Hoffmanns Sicht nichts, es sei denn, dass man sie für oberflächlich hält. Aber irgendwie hat sie Recht, denn die Welt besteht nun mal aus Pappkameraden.
Eckhard Britsch | 6. April 2012