Lohengrin
Donald Runnicles | ||||||
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Heinrich der Vogler | Günther Groissböck |
Lohengrin | Michael Weinius |
Elsa von Brabant | Rachel Willis-Sorensen |
Friedrich von Telramund | Thomas J. Mayer |
Ortrud | Anna Smirnova |
Der Heerrufer des Königs | Bastiaan Everink |
Vier brabantische Edle | Paul Kaufmann |
James Kryshak | |
Noel Bouley | |
Alexei Botnarciuk |
Günther Groissböck in Bestform rettet als Einspringer die Wiederaufnahme
Am Vorabend hat er noch an der Deutschen Oper den Zaccaria in Nabucco gesungen. Die Frage der Direktion um 10 Uhr am nächsten Vormittag, ob er nicht für den unter einer starken Erkältung leidenden Albert Pesendorfer als Heinrich der Vogler in Lohengrin spontan einspringen könne, habe er sofort mit ja beantwortet. Und dann singt tatsächlich Günther Groissböck mit dem aktuell wahrscheinlich schönsten Bass im deutschen Fach weltweit einen großartigen König an diesem Abend, viril-markant und menschlich zugleich. Sein Bass hält für die nicht lange, aber schwierige Partie alle nötigen Trümpfe bereit: einen mächtigen runden Klang und eine Stimme, die den satten Tiefen, aber der auch gerade im 1. Akt hohen Tessitura der Partie mehr als gerecht wird. Groissböck verfügt über eine bruchlos geführte wahre Riesenstimme und ein Traumtimbre. Das Publikum feiert ihn dafür verständlicherweise ausgiebig.
Neben Groissböck sind es vor allem die Sängerinnen der Elsa und der Ortrud, die einer nicht ganz geglückten Aufführung ihre unverwechselbaren Profile verleihen. Rachel Willis-Sorenson verfügt über einen eher dunklen, interessant timbrierten mit einer gewissen „Flagstad Note“. Sie singt die Elsa ausdrucksstark, in der Mittellage reich an Farben und mit silberner Höhe. Einzige Einschränkung: Die obertonreiche Stimme könnte in den oberen Registern noch an Sicherheit und Souveränität zulegen. Allzu vorsichtig werden einige exponierte Töne angesteuert, allerdings mit dem positiven Ergebnis, dass der Sopran nie scharf klingt, sondern oben eben schmäler wird. Insgesamt darf der Musikfreund eine beeindruckende Begegnung mit einer Sängerin erleben, die noch oft für Furore sorgen wird. Als weiblicher Counterpart orgelt Anna Smirnova, wie nicht anders zu erwarten, die Ortrud. Diese vielseitige Künstlerin, die auch die Abigaille im Repertoire hat, hat echtes Theaterblut. Ihre Darstellung und der energiegeladene Gesang eignen sich ideal für das wilde Friesenkind. Die „Entweihten Götter“ und der Schluss im dritten Akt sind die absoluten Höhepunkte der Aufführung. Ihr Telramund, Thomas Johannes Mayer, musste sich als erkältet ansagen lassen. Im ersten Akt ging er seine SAache vorsichtig an, im zweiten Akt war von einer Beeinträchtigung kaum noch etwas zu spüren. Jedenfalls gebührt dem Sänger der volle Respekt, diese Wurzen-Partie trotz Krankheit gesungen und auch durchgestanden zu haben. Eine großartige und sehr erfreuliche Leistung hat auch Bastiaan Everink als Heerrufer des Königs geliefert.
Kommen wir zum problematischeren und weniger erfreulichen Teil des Abends. Michael Weinius war die Titelpartie des Lohengrin anvertraut. Unbeschadet bestimmter heldischer Tugenden und klangschönen Piani klingen manche Töne, vor allem in der Höhe, nur mit Kraft bewältigt. Eine eigentümlich „kurze“ Phrasierung und wenig Legatokultur sind Defizite, die gerade im dritten Akt ohrenfällig werden. Einige Lacher konnte sich das Publikum auch wegen des Kostüms (breiter Ledergürtel um den Bauch und große wippende Engelflügel auf den Schultern) und der recht bizarren Darstellung im Duett im dritten Akt nicht verkneifen. Die Gralserzählung ist Michael Weinius am besten gelungen. Das ist beim Schlussvorhang auch zu Recht akklamiert worden.
Ein richtiges Ärgernis war der Chor. Ich habe in meiner gesamten Opernzeit, das heißt in über 40 Jahren, noch nie erlebt, dass ein Opernchor oder Teile davon dem Dirigenten so arg und permanent voraus waren. Solch rhythmisches Durcheinander und Asymmetrien mit dem Orchester sonder Zahl, scharf klingende Tenöre und intonationsunsichere Damen führten dazu, dass Chordirektor William Spaulding beim Schlussvorhang wütende Buhs einstecken musste. Aber auch das Orchester der Deutschen Oper hatte nicht seinen großen Tag. Donald Runnicles wollte einen eher breiten Wagner-Sound zelebrieren, war aber die meiste Zeit damit beschäftigt, die Fäden irgendwie zusammenzuhalten. Das unter solchen Umständen die Interpretation zu kurz kommt, ist nicht verwunderlich.
Die Inszenierung des dänischen Regisseurs Kasper Holten stammt aus dem Jahr 2012. Seine Idee, den Aspekten des Krieges im Stück nachzuspüren, ist schlüssig und gut. Die Ouverture inszeniert er als optisches Requiem für Gefallene aller Kriege. Leider ist die Optik (Bühne und Kostüme Steffen Aarfing) nicht dazu angetan, diese Ideen in adäquate Bilder zu gießen. Der erste Akt ersäuft in einem Einheitsgrau, im zweiten kommen grüne Leuchtstäbe und ein roter Laufsteg samt Vorhang vor dem Münster dazu. Auch die Personenregie bleibt schließlich vollkommen in einer gesichtslosen Opernkonvention stecken. Schade, denn das Konzept hätte weit mehr hergegeben, wie man dem klugen Interview des Gesprächs mit dem Produktionsteam im Programmheft entnehmen kann.
Von der Aufführung bleiben vier erstklassige Sängerleistungen in Erinnerung. Chor und Orchester werden im Lauf der Serie wohl Gelegenheit finden, ihre Leistung zu verbessern.
Dr. Ingobert Waltenberger | Deutsche Oper, LOHENGRIN 31.1.2016