Lohengrin
Christian Thielemann | ||||||
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele | ||||||
Date/Location
Recording Type
|
Heinrich der Vogler | Georg Zeppenfeld |
Lohengrin | Klaus Florian Vogt |
Elsa von Brabant | Camilla Nylund |
Friedrich von Telramund | Tomasz Konieczny |
Ortrud | Elena Zhidkova |
Der Heerrufer des Königs | Egils Siliņš |
Vier brabantische Edle | Michael Gniffke |
Tansel Akzeybek | |
Marek Reichert | |
Timo Riihonen |
Klaus Florian Vogt brilliert im Bayreuther Lohengrin
Exzellente Besetzung begeisterte vor der Kulisse von Rosa Loy und Neo Rauch. Ein Ereignis war das Dirigat von Christian Thielemann.
Bayreuth. Der Bayreuther Lohengrin dürfte die bisher einzige Wagner-Oper sein, die auf dem Grünen Hügel in einem Gemälde gespielt wird. Auch im zweiten Jahr bezaubert die blaue Kulisse des Leipziger Maler-Ehepaares Rosa Loy und Neo Rauch das Festspielpublikum. Die Probleme mit der Personenführung bleiben hingegen bestehen, dadurch entstehen im zweiten Akt durchaus Längen.
Aber dieser Lohengrin ist vor allem ein Sängerfest, ein Triumph für den Tenor Klaus Florian Vogt und den Attendorner Bass Georg Zeppenfeld. Der Jubel will kein Ende nehmen; höchstens zwei oder drei Buhrufe für das Regieteam zeigen, dass kulinarische Inszenierungen ihren Platz im Publikumsherzen finden.
Eine Trafostation inmitten einer wildromantischen Landschaft verrät: Hier prallen zwei Systeme aufeinander. Die Einwohner Brabants sind Motten, sie werden gerade zwangsweise von König Heinrich und seinen Soldaten elektrifiziert, das erklärt die aggressive Stimmung. Neuzeit trifft auf Mittelalter, eine neue Führungsschicht, der Elsa angehört, verdrängt die eingesessene Elite mit Ortrud und Telramund. In diesem explosiven Gemisch landet Lohengrin mit seinem Elektroblitz wie ein Alien von den Sternen, ein Kosmonaut aus der Zukunft, der als Retter erscheint, in Wahrheit aber selbst erlösungsbedürftig ist. Denn er braucht dringend eine Frau.
Ein Sängerfest bei den Bayreuther Festspielen
Die nun folgende bekannte Intrige rund um das „Nie sollst Du mich befragen“ wird von Regisseur Yuval Sharon am Text entlang erzählt. Rosa Loy und Neo Rauch haben ihren gemalten Horizont so eng gestaltet, dass der herausragend gute Chor lediglich herumstehen kann, obwohl seine latente Gewaltbereitschaft die ganze Geschichte zum Tanz auf dem Pulverfass macht. Auch die Protagonisten werden als Tableaux in Historiengemälden aufgestellt.
Dafür entschädigt die exzellente und gut aufeinander abgestimmte Besetzung. Tomasz Koniecznys schwarzer Bassbariton zeichnet den Telramund als düsteren Schlagetot; die Vokalisierung des polnischen Sängers beeinträchtigt allerdings seine Textverständlichkeit sehr. Elena Pankratova ist als Ortrud an diesen brutalen, nicht sehr hellen Klotz gefesselt und manipuliert ihn mit wütendem Sopran, um ihre Rolle im System zurückzuerobern.
Georg Zeppenfeld singt den König Heinrich mit kostbaren lyrischen Akzenten und beweglichen tiefen Tönen. Camilla Nylund ist auf dem Grünen Hügel eigentlich die Eva in den Meistersingern. Als Einspringerin hat sie auch die Elsa für eine erkrankte Kollegin übernommen. Diese Elsa ist kein Opferlamm, die vom Erlöser zwangsbeglückt werden will. Während die Massen Lohengrin als Heilsbringer feiern, bleibt sie skeptisch. Camilla Nylund singt die Rolle mit ausgesprochen wandlungsfähigem Sopran als Prozess einer Emanzipation.
Thielemann entdeckt die abgründige Seite Lohengrins
Der Lohengrin in Bayreuth war für Klaus Florian Vogt das Sprungbrett zur Weltkarriere. Jetzt kehrt er für einige Vorstellungen zu dieser Paradepartie zurück und begeistert mit den Entwicklungen, die seine Rolleninterpretation genommen hat. Da steht silberner Schönklang neben dunkel eingefärbten Bögen, überraschende Pianostellen berühren in ihrer Eindringlichkeit, raumgreifend große Bögen überstrahlen natürlich und unangestrengt das Orchester.
Das eigentliche Ereignis ist jedoch Christian Thielemanns Dirigat. Der Musikdirektor der Festspiele entdeckt die dunkle, die abgründige Seite der Lohengrin-Partitur und stellt sie ebenbürtig neben die Gralsmusik. Da schnarrt die Bassklarinette und die Pauke pocht den Trauermarsch, das ist so spannend und psychologisch grundiert, dass man lernt: Dieser Lohengrin kann für die Beteiligten jederzeit zum Horrormärchen werden. Aber eines, das man willig erträgt, sobald man Thielemanns mit allerzartester Raffinesse zelebriertes, berauschend trauriges Lohengrin-Vorspiel gehört hat.
Am Ende öffnet sich der gemalte Rundhorizont zu einem gigantischen Stausee mit Kraftwerk. Die Motten sind verstrahlt, dafür ist aber Gottfried wieder da, Elsas verschollenes Bruder, ein Grashüpfer, der Farbe in die Bude bringt.
Monika Willer | 27. 07. 2019
Energie und Zauberfeuer
Sage noch mal einer, Bayreuth sei nicht wandlungsfähig. Während das Medienecho auf Tobias Kratzers wildverrückte Regie beim neuen „Tannhäuser“ überwiegend positiv ausfällt („genialisch“, schreibt die „FAZ“, „intelligent und herzzerreißend“ die „New York Times“), stößt das Dirigat von Maestro Valery Gergiev unisono auf Kritik. Gewöhnlich ist es auf dem Hügel umgekehrt: Das Regietheater kommt schlecht weg, und die Musiker werden gefeiert.
Auch dass die Festspiele auf den Facebook-Post der Dragqueen Le Gateau Chocolat, die ihrem Erschrecken über das sie ausbuhende Publikum Ausdruck verlieh, mit einem offiziellen Tweet reagierte, hat Neuigkeitswert. „George, we love you, als Mensch und Künstler!“: Bayreuth twittert, cool und auch noch schnell. Willkommen in der Gegenwart.
Unsauberkeiten der Holzbläser
Wobei es irgendwie auch schade ist, wenn diese aus der Zeit gefallene Wagner-Weihestätte sich normalisiert. Wenn Yuval Sharons maue „Lohengrin“-Regie mit statuarisch-biederen Tableaus auch im zweiten Jahr nicht mit Buhs quittiert, sondern freundlich durchgewinkt wird.
Wenn Christian Thielemann die himmlischen Geigen im „Lohengrin“-Vorspiel zu erden versucht und der aphrodisisch-hypnotische Zauber ihm einmal nicht gelingen will, vor lauter kammermusikalischer Transparenz. Auch Musiker schwitzen: Vielleicht liegt es ja an den 34 Grad Außentemperatur, dass die Unsauberkeiten etwa der Holzbläser und asynchrone Einsätze sich häufen an diesem Abend.
Nichts gegen Thielemann. Klänge modellieren, den Chor mit seinen fast magischen A-cappella-Einsätzen (Einstudierung: Eberhard Friedrich) danach in Watte betten, die Elemente mit züngelnd auffahrenden Streichern und wütenden Trompeten über energischen Bässen entfesseln und überhaupt tolle Crescendi auffahren – all das macht Thielemann im akustisch vertrackten „mystischen Abgrund“ des schallbedeckelten Orchestergrabens derzeit keiner nach.
„Lohengrin“ im Jahr zwei wird jedoch vor allem ein Fest der Frauen. Die Regie propagiert das ja nur: dass die Männer ausgedient haben, Lohengrin mit seinem Pochen auf bedingungslosen Gehorsam in der Liebe genauso wie Telramund mit seiner Machtgier. Was alberne Banalitäten zur Folge hat, neben dem Luftduell der geflügelten Widersacher vor allem die wiederholte Fesselung der widerspenstigen Damen.
Neckische Blitze
Auch der Zusammenhang zwischen dem Regiekonzept nach dem Motto „Die Zukunft ist weiblich“ (Elsa und Ortrud sinken am Ende nicht tot zu Boden) und den die Inszenierung dominierenden gemalten Wolken-Prospekten von Neo Rauch und Rosa Loy erschließt sich erneut nicht. Ebenso wenig die Elektrifizierung von Trabant per Umspannwerk und sich wiederholt in neckischen Blitzen entladender Hochspannung.
2018 hatten Anja Harteros als Elsa und Waltraud Meier, die mit der Ortrud-Partie ihren Bayreuther Bühnen-Abschied gab, das Publikum nicht überzeugen können. Camilla Nylund und Elena Pankratova lösen diesmal Begeisterung aus, können sie das von der Regie so vordergründig Behauptete doch mit ihrem Gesang einlösen.
Camilla Nylund, die kurzfristig für Krassimira Stoyanova einsprang, ist eine verhaltene Elsa. Wobei die finnische Kammersängerin ihr fehlendes Volumen mit Ausdrucksintensität wettmacht. Die anderen poltern (allen voran Tomasz Konieczny als Telramund). Was für ein Kraftakt, mit leiser Stimme dagegenzuhalten. Die Frau, die zweifelt und daraus ihre Stärke gewinnt, die Tabus bricht und als Einzige zu fragen wagt: Nylunds feinsinniges Mezzoforte macht diese stille, zögerliche, letztlich unabwendbare Selbstbefreiung fast physisch nachvollziehbar.
Verführerisch giftender Gesang
Die Russin Pankratova – die Bayreuther Kundry von 2016 – verkörpert in gewisser Weise das Gegenteil. Mit souveränen Spitzentönen, bebender Wut und verführerisch vergiftetem Gesang wird sie zur veritablen Lady Macbeth. Das Duett von Elsa und Olga im 2. Akt zeigt die beiden auf Augenhöhe, mit zwei denkbar verschiedenen aber ebenbürtigen Arten weiblicher Selbstermächtigung.
Dabei gelingt es den Sängerinnen, ihre so unterschiedlichen Stimmen und Lautstärken wundersam in Einklang zu bringen. Kaum zu glauben, dass Yuval Sharon die beiden weitgehend sich selbst überlässt, noch dazu auf einer düster verschatteten Bühne.So kommt auch Klaus Florian Vogt nicht recht zum Zug. Der gefeierte Titelheld schon in Hans Neuenfels’ erst umkämpftem, dann kultigem letzten „Lohengrin“ in Bayreuth betört wieder mit glockenreinem Tenor und zeitlos jugendlicher Unschuld in der Stimme, durchsetzt sie jedoch mit dem schneidend autoritären Duktus des „Nie sollst du mich befragen“.
Und er sorgt bei seinem Outing als Parzifal-Sohn für den musikalischen Höhepunkt des Abends, mit einem atemstockenden Moment purer Schönheit, als die berühmte „Taube“ sich vom Himmel nähert. Aber warum darf dieser widersprüchliche Mann, der zwar aufrichtig liebt, aber alles falsch macht, nach seiner Landung im Schwanen-Ufo nur noch im Piloten-Blaumann auf der Bühne herumstehen, irgendwo, irgendwie?
CHRISTIANE PEITZ | 27.07.2019
Elektrisierend ist vor allem das Dirigat
Das Wunder geschieht nicht auf der Bühne, sondern im Orchestergraben. Gleich in den ersten Takten, in denen Dirigent Christian Thielemann den lichtdurchfluteten A-Dur-Akkord von einem Register an das nächste weiterreicht, schließlich in höchsten Sphären an der Grenze zur Unhörbarkeit verklingen lässt. Und doch bleibt das Geheimnis dieses Klangs im Raum. Und es geschehen noch manche orchestralen Wunder in dieser Aufführung. Thielemann und das vorzügliche Festspielorchester bewegen sich immer wieder im sehr leisen Klangbereich, spielen gesanglich und flexibel, “tragen” die Sänger ganz ausgezeichnet. Der Klang ist transparent, (fast) nie massig (allein der Schluss des ersten Akts gerät allzu lärmend). Der hervorragend disponierte Festspielchor (Einstudierung: Eberhard Friedrich) singt ungemein nuanciert und abgestuft, immer warm, auch in den martialischen Passagen im ersten Akt eine gewisse Leichtigkeit bewahrend. Bemerkenswert ist die Kunst der Übergänge: Thielemann versteht es phänomenal, von einem Abschnitt in den nächsten überzuleiten, die Musik im stetigen Fluss zu halten und gleichzeitig große Spannung aufzubauen. Man kann in dieser Musik versinken, aber Thielemann verliert nie das Ziel aus den Augen und Ohren. Klangwunder allenthalben.
Szenisch ist das schon schwieriger. Geprägt wird die Produktion durch die Ausstattung von Neo Rauch und Rosa Loy, Hauptvertreter der gegenständlich-figürlichen “neuen Leipziger Schule”. Inszenieren sollte eigentlich Alvis Hermanis, der sich jedoch vehement gegen die deutsche Flüchtlingspolitik (und deren Unterstützung durch deutsche Theater) positioniert hatte, worauf der Vertrag gelöst wurde; als Einspringer hatte der Amerikaner Yuval Sharon die weitgehend fertige Ausstattung des Künstlerpaares Rauch/Loy zu übernehmen. Das mag erklären, warum die Inszenierung keine allzu große Kohärenz der einzelnen Elemente aufweisen kann. Rauch und Loy setzen natürlich den visuellen Rahmen, tauchen die Oper weitestgehend in Blautöne, oft fast monochromatisch. Die Kostüme zeigen viele Anspielungen auf Tiere, von Insektenflügeln bis hin zu Kappen mit weit vorgezogenem Schirmen, die wie Entenschnäbel aussehen. Das ist eine Ebene; die andere manifestiert sich in historischen Anspielungen. Die Handlung der Oper ist in Antwerpen angesiedelt (“Anfang des 10. Jahrhunderts”). Von Antwerpen wandern die Assoziationen der Ausstatter offenbar zu Peter Paul Rubens (der zwischen 1587 und 1640 dort lebte) und seiner Zeit, und bei Blau denken sie an Delfter Keramik. Die Kostüme spielen wohl daher auf das “goldene Zeitalter” der Niederlande an. Man kann bei diesem Konzept am ehesten von weiten, wenig konkreten Assoziationsfeldern sprechen.
Das wichtigste Bild aber ist das der Elektrizität. Hauptelement der Bühne ist ein kleines Umspannwerk. Lohengrin erscheint wie ein Elektriker, sein Schwert hat die Form eines Blitzes. Das ersehnte Wunder schlägt wie ein Blitz ein, das ist die eine Denkrichtung; mit etwas mehr intellektueller Phantasie mag man in Lohengrin den modernen Menschen, ja: den Techniker oder Ingenieur erkennen, der in ein archaisch geprägtes Weltbild einbricht – aber es geht Rauch und Loy vielleicht gar nicht um “übersetzbare” Bilder. Das Brautgemach im knalligen Orange steht dem vorherrschenden Blau unvereinbar gegenüber, so auch Elsas Kleid in der Schlussszene – da bricht jemand auch farblich aus. Ihr verschollener Bruder Gottfried kehrt als kleines grünes Männchen wieder, hart an der Parodie. Eine detaillierte Beschreibung der szenischen Bildfolgen ist in unserer Rezension aus dem Premierenjahr nachzulesen. Der Personenregie fällt es schwer, da mehr zu tun als zu arrangieren. Das wesentliche Element Sharons besteht darin, einen Konflikt zwischen den bis zur Gewalt dominanten Männern und den vermutlich klügeren Frauen aufzubauen, und am Ende lässt er alle per Blitzschlag (Elektrizität!) sterben bis auf Ortrud und Elsa (und Gottfried, aber der zählt nicht wirklich), die im Grunde auf der gleichen Seite stehen. Es bleiben viele Rätsel.
Nun sind Opern, speziell die Richard Wagners, geprägt von langen Szenen, in denen die gut gemeinte Bildwirkung irgendwann verpufft. Die Spannung, das ist keine neue Erkenntnis, entsteht ohnehin eher aus der Musik. So viel Thielemann dazu beisteuert – ganz unproblematisch ist die Sängerbesetzung nicht. Das betrifft am wenigsten den tadellosen Heerrufer von Egils Silins und den stimmlich souveränen, sorgfältig phrasierenden König Heinrich von Georg Zeppenfeld, die beide auf Thielemanns Dirigat reagieren (vielleicht spricht man besser von interagieren, denn hier ergänzen sich Orchester und Sänger ganz ausgezeichnet). Thomas Konieczny singt den Telramund mit großer, wuchtiger Stimme, aber leider geringer Textverständlichkeit, und so sehr die schiere Kraft seiner Stimme beeindruckt, so fehlt es doch an Gestaltung. Gleiches gilt für die Ortrud von Elena Pankratova, mit heroinenhafter Größe gesungen, aber völlig unverständlich und in der Gestaltung konventionell, wenig auf den Text eingehend. Weil die Personenregie sich im ersten Teil des zweiten Akts fast völlig zurücknimmt und den Kulissenmalereien von Rauch/Loy den Vortritt lässt (bewegte Wolken, sehr apart), gerät die Sache ziemlich zäh, denn es wird viel verhandelt in diesem zweiten Aufzug – Thielemann und das Orchester wissen da weitaus mehr von Zwischentönen und Schattierungen als die Sängerdarsteller.
Und das hohe Paar? Das ist in diesem Jahr doppelt und denkbar unterschiedlich besetzt. Im August treten Piotr Beczala und Anna Netrebko an, in den ersten Vorstellungen Klaus Florian Vogt und Camilla Nylund, die allerdings in der hier besprochenen zweiten Aufführung krankheitsbedingt absagen musste. Kurzfristig sprang Annette Dasch ein, die bereits in der Vorgängerproduktion in der Regie von Hans Neuenfels die Elsa gesungen hat und über entsprechende Bayreuth-Erfahrung verfügt; gleichwohl blieb der Eindruck zwiespältig. Umwerfend ist gleich im ersten Auftritt ihr “Einsam in trüben Tagen” mit mädchenhaftem, intensiv leuchtendem Timbre. Es folgen manche schlecht vorbereitete Spitzentöne, Unsicherheiten in der hohen Lage, allzu laut herausplatzende Töne und ein immer wieder wackliges Piano. Vielleicht ist das Einspringen auch für eine erfahrene Interpretin der Partie nicht so leicht, zumal mit einem so differenzierten Dirigat, das Risiko einfordert. Auf der anderen Seite stehen berührende Passagen. Die Sängerin (der die Schwierigkeiten sicher nicht entgangen sind) schien selbst überrascht angesichts des frenetischen Jubels des (freilich generell nicht allzu kritischen) Publikums. Nichtsdestotrotz: Unter dem Strich bleibt vieles Gelungene (und zur Figur passt eben auch das Uneinheitliche, Gefährdete).
Der knabenhaft hell timbrierte Tenor von Klaus Florian Vogt ist seit je Geschmackssache. Zaubern kann er bei seinem ersten Auftritt, mit betörendem, liedhaftem, fast naiv wirkendem Piano (“wie Fritz Wunderlich”, begeistert sich mein Sitznachbar). In den “heldischen” Passagen klingt die Stimme allerdings schnell monochrom, ja, pardon, langweilig. Punkten kann er mit einer sorgfältig ausgestalteten Gralserzählung, und natürlich ist jedes Wort zu verstehen (in der Brautgemach-Szene ließe sich da sicher noch differenzierter gestalten). Der schöne, wiederum liedhaft einfach und gerade darum berührende Schluss rettet manches andere, weniger überzeugende Moment. Auch hier tosender Applaus. Dabei hätte man sich ein- um das andere Mal gewünscht, Thielemann und Orchester hätten ohne Sänger spielen dürfen.
FAZIT
Die Sänger können nicht mit dem grandiosen Orchester und einem ungemein sensibel dirigierenden Christian Thielemann mithalten. Szenisch wechselnd zwischen rätselhaft-schönen Bildern und gepflegter Langeweile.
Stefan Schmöe | Festspielhaus Bayreuth am 29.7.2019