Lohengrin

James Conlon
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Date/Location
25 November 2023
Deutsche Oper Berlin
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
Heinrich der VoglerRyan Speedo Green
LohengrinDavid Butt Philip
Elsa von BrabantJennifer Davis
Friedrich von TelramundJordan Shanahan
OrtrudYulia Matochkina
Der Heerrufer des KönigsDean Murphy
Vier brabantische EdlePatrick Cook
Chance Jonas-O’Toole
Christian Simmons
Artur Garbas
Gallery
Reviews
van-magazin.de

Zu den klaren Pluspunkten des samstäglichen Lohengrin gehört die Tatsache, dass es da einen Dirigenten im vollen Sinn des Wortes gibt; ähnlich wie bei dem jüngsten Tannhäuser mit Pietari Inkinen. Hier steht mit dem Amerikaner James Conlon ein nicht mehr taufrisches Semester am Pult. Was er liefert, ist echte Maßarbeit. Das Vorspiel ist himmlisch gestaffelt, später ist auch kräftige Bühnenwirkung genau kalkuliert und dosiert, es hat mal Prunk und mal Wucht, immer ein ausgesprochen schönes Klangbild, ist stets sängerfreundlich, kurzum: Da ist ein absolut kompetenter Theaterpraktiker am Werk.

David Butt Philip in der Titelrolle ist nicht unbedingt mein Traum-Lohengrin, in den Höhen wird es eng; aber auch wenn seine Stimme nicht eigentlich schön oder gar »groß« sein mag, ist er ein solider Gestalter und wirklicher sängerischer Erzähler. Und seine stahlkalte Härte gegen die arme Elsa im dritten Aufzug jagt einem wahre Frostschauer über den Rücken. Denn in Kasper Holtens herausfordernder Inszenierung von 2012 steht außer Frage, was für ein Blender dieser angebliche Gralsritter ist, der seine Gegner mit betrügerischem Nebelzauber einlullt, die falschen Schwanenflügel stets im rechten Moment aufsetzend. Das alles geschieht in einer betont kriegsversehrten Welt, deren militärisches Personal schon die tödlichen Wunden von morgen zur Schau trägt, vielleicht gar aus Zombies besteht. Wankelmütig ist das Volk, wankelmütig die Frau Elsa, die am Ende dem Mob zur Verachtung fallen wird, auch wenn sie sich – ein herzerbarmendes Bild – hinter einem Sarg zu verkriechen sucht. Ihre fast letzten Worte wird Jennifer Davis, die Sängerin der Elsa, nah an der Rampe fast im Sprechgesang herausstoßen. Da ist sie am verzweifelten Ende einer packend dargebotenen Achterbahnfahrt angekommen; in unseren Ohren aber hallen noch die paradiesisch sicheren Höhen nach, mit denen Davis’ Elsa uns im ersten Aufzug verzückte.

Jeder Mensch sollte jede Opernrolle gestalten dürfen – dennoch ist es sehr willkommen, dass mit Ryan Speedo Green (toller Name auch!) eine Person of Color die Rolle des König Heinrich singt, mitsamt deren chauvinistischen Deutsches-Land-deutsches-Schwert-Tiraden. Ebenso willkommen ist Greens wahrhaft majestätischer, warmer Bass. Bei der Sprachdeutlichkeit muss man allerdings einige Einschränkungen machen. Dass Text- und Sinnklarheit nicht unbedingt von letzter Exaktheit abhängt, zeigt demgegenüber eindrucksvoll die Darbietung eines weiteren Amerikaners, nämlich Jordan Shanahan als Friedrich von Telramund: Er ist verblüffend perfekt zu verstehen trotz wiederholter magischer Vokalverwandlungen (Kloge erhebt er wegen Brodermord). Bei Yulia Matochkina als Friedrichs Eheherrin Ortrud muss hingegen ganz der imposante klangliche Ausdruck – und eben die Übertitel – für den Wortsinn stehen. Aber wie Matochkina im Zungeumdrehen zwischen Schreckschraube und Schmeichlerin changiert, lässt keinen Zweifel aufkommen, wer in dieser Female Led Relationship die Stiefel anhat; und wie die gut aufgelegten Holzbläser des Orchesters Friesen-Ortruds Dämonie auf Hexenfittichen tragen, erhöht das Vergnügen. Vollendet wird es schließlich vom bestens präparierten Chor, der seine effektvollen Stimmgebilde bald schwerelos aufzufächern, bald aggressiv zu verdichten versteht. Insgesamt ein wirklich starker Lohengrin.

Albrecht Selge | 28. November 2023

Rating
(5/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
668 kbit/s VBR, 48.0 kHz, 1.1 GByte (flac)
Remarks
In-house recording
A production by Kasper Holten (2012)