Lohengrin
Christian Thielemann | ||||||
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Heinrich der Vogler | Georg Zeppenfeld |
Lohengrin | David Butt Philip |
Elsa von Brabant | Malin Byström |
Friedrich von Telramund | Martin Gantner |
Ortrud | Anja Kampe |
Der Heerrufer des Königs | Attila Mokus |
Vier brabantische Edle | Juraj Kuchar |
Oleg Zalytskiy | |
Johannes Gisser | |
Ferdinand Pfeiffer |
Schizophrenes Tatortdrama
Auf der Bühne türmt sich ein graues Ungetüm aus Stahl und Beton. Es ist eine Wehranlage irgendwo im Nirgendwo zwischen Inn und Donau, an der sich, unbemerkt vom Rest der Gesellschaft, seit Jahrzehnten der Kampf zwischen Stadtreinigung und Graffitikünstlern abspielt. Noch während des Vorspiels sieht man Elsa am Kanalrand. Von sphärischen Klängen begleitet, lässt sich leise erahnen, dass sie dort gerade einen menschlichen Körper in die Fluten gleiten lässt. Hat sie gerade ihren Bruder umgebracht? Für die heimlich beobachtende Ortrud ist alles klar und so entfaltet sich an der Wiener Staatsoper das altbekannte Drama von Richard Wagner um den Brudermord.
Oder doch nicht? Nur wenige Takte später wechselt Elsa ihre Kleidung, schlüpft in ein weiß-blaues Kleid aus den 1920ern und stopft die moderne Alltagskleidung in eine Plastiktüte; als wolle sie Beweismittel vernichten. Das nicht ganz librettotreue Rätsel wird sich erst zum Schluss lösen. Dann nämlich zieht Elsa ihren totgeglaubten Bruder wieder aus der Kloake. Dieser sieht nun aus, wie man eben aussieht, wenn man drei Stunden im Kanal unter den Schwänen hertreibt: Die Jeans zerrissen, die Lockenpracht zerstört.
Erst dann wird klar, was Jossi Wieler und Sergio Morabito mit dieser Inszenierung von Lohengrin eigentlich vorhatten: Elsa flüchtet sich, den Bruder für Tod gehalten, in eine historische Traumwelt. Dort taucht genau dieser Bruder – märchengleich – als tugendhafter Retter auf. Das unter der ebengleichen zerrissenen Jeans die mittelalterliche Plattenrüstung hervorblitzt, lässt zunächst lediglich beim irritierten Publikum Fragen aufkommen. Erst als sie Lohengrins Nam’ und Art erfragt, zerplatz die schizophrene Blase.
Eine bewusste Entscheidung von Dramaturgie und Regie, so ist dem Libretto zu entnehmen, dem ideenschwangeren Stück den Mythos zu rauben. Nicht bei jedem im Publikum sorgt dieser langatmige Spannungsbogen für Anklang. Während der Pause erinnert sich die Damen neben mir nostalgisch an die Inszenierungen von Werner Herzog in Bayreuth.
Zu Recht? Muss nicht gerade in der aktuellen Zeit auch daran erinnert werden, dass nicht nur Richard Wagners Musik, sondern auch seine politische Einstellung als durchaus revolutionär einzustufen war? Zur Uraufführung des Lohengrins befand sich dieser bereits im Schweizer Exil, nachdem er in Sachsen wegen „wesentlicher Teilnahme“ am Dresdner Maiaufstand per Steckbrief gesucht wurde. Ist es wirklich im Geist des Werkes, neue Inszenierungen seiner Stücke zum verstaubten Versatzstück aus dem teutonischen Wald samt romantischer mittelalterlicher Burgruinen verkommen zu lassen?
Christian Thielemann, jedenfalls, fühlt sich zu neuen Höhen verpflichtet und führt das Orchester der Wiener Staatsoper an wie wohl aktuell kein zweiter. Selten hat man den Lohengrin so schlüssig, ausbalanciert und nahtlos kompakt gehört. Niemals lässt er das Orchester über die Sänger fahren, noch scheut er sich in den orchestralen Passagen (etwa im Vorspiel zum dritten Aufzug) vor dem überbordenden und alles für sich einnehmenden Fortissimo. Sein Dirigat wird selbst eingefleischten Wagnerianern das eine andere Oh! und Ah! entlocken. Verdient war der donnernde Schlussapplaus für seine Leistung. Zahlreiche besonders Begeisterte im Parket standen für ihn sogar auf.
Beim Rest des Ensembles muss man leider genauer hinschauen. Malin Byström als Elsa wirkt oft zu schrill, zu scharf und allzu kantig. Dass passt freilich zur Inszenierung und der Auslegung ihrer Rolle, aber wirkt vor den epischen musikalischen Tableaus, die Thielemann aus dem Graben zaubert, dennoch oft fehl am Platz.
Ähnlich verhält es sich mit David Butt Philip als Lohengrin. Was er da von der Rampe skandiert hat durchaus seinen jugendlichen Charm. Gerade im letzten Aufzug kann er, wenn man von der bisweilen etwa zu englischen Diktion absieht, durchaus mit heldischem Schmelz und stimmlicher Erhabenheit aufwarten. Doch auch hier irritiert das geckenhafte Element. Angewiesen von den Regisseuren, zupft er ständig an seiner Hose, die opulente Perücke wird konstant zurecht gerückt, und alles dies wird von allzu übertriebenen Mimik und Gestik untermalt. Lohengrin verkommt so zur Karikatur.
Anja Kampes Auslegung der Ortrud ist hingegen jeglicher Kritik erhaben. Sowohl ihre Bühnenpräsenz, als auch ihre ausdrucksstarke Stimme überzeugen auf ganzer Linie. Sie ist in den Höhen kraftstrotzend, doch fehlt es ihr gleichsam nicht am kantablen Feingefühl. An ihrer Seite steht Martin Gantner als Friedrich von Telramund mit einem durchweg angenehm runden Bariton. Vielleicht war es von der Regie so gewollt, aber der despotische Herrschaftsanspruch blitz stimmlich leider nur selten durch.
Besonders aufgefallen ist dies an diesem Abend auch bei Georg Zeppelfeld. Ungewohnt wortdeutlich gibt er sich als Heinrich der Vogler – fast als wäre dies ein intimer Schubertabend. Das ist für sich gesehen durchweg schön anzuhören, doch sägt er mit jeder seiner feingeistigen Phrasen an dem von ihm verkörperte Autokraten.
Und so kann der Abend als musikalisch außergewöhnlich und sängerisch solide eingestuft werden. Insgesamt bietet diese Koproduktion mit den Festspielen in Salzburg eine konkludente und abwechslungsreiche Lesart von Wagners Stück. Nicht unbedingt eine bahnbrechende Neuinterpretation aber auch keine altbackene Klamotte von Vorvorgestern.
Norman Schwarze | 04 Mai 2024
“Lohengrin” als wirrer Krimi und Ritterwitz
Zählt man Richard Wagners Opernschinken Lohengrin zum wiederkehrenden Kernrepertoire der Staatsoper, darf das Publikum in den nächsten Jahren bei Begegnungen mit dem Rittermärchen gleich zu Beginn mit Trockeneisnebel rechnen. Zugleich wird es mit einem Mord konfrontiert werden, den eine bubenhaft verkleidete Frau offenbar begeht. Ein düsterer Krimi also.
Wer 2022 bei den Salzburger Osterfestspielen dabei war, als die Regieversion von Jossi Wieler und Staatsopern-Chefdramaturg Sergio Morabito erstmals gezeigt wurde, weiß: Elsa, bei Wagner die reine Unschuld, hat hier ihren Bruder Gottfried im Wasser umkommen lassen – und Ortrud hat es gesehen. Sie informiert Telramund, der Elsa später völlig zu Recht des Mordes beschuldigen wird.
Seltsame Geschwisterbeziehung
Am Ende dieser etwas platten, mitunter wirren Inszenierung steigt der Ermordete aus den Fluten: Wie ein Mix aus Wassermann und Lohengrin-Double taucht Gottfried wieder auf und erdolcht seine Schwester. Insofern ist diese Geschwisterbeziehung der surreale Aspekt des langen Abends. Im Grunde allerdings dominiert ein Ambiente, das milieumäßig realistisch an den Ersten Weltkrieg erinnert.
König Heinrich (kultiviert, fast liedhaft, aber ungewohnt dezent Georg Zeppenfeld) besucht das Herzogtum Brabant, um Soldaten zu rekrutieren. Die Bühne ist übervoll: Es herrscht Gedränge, Frauen verabschieden gleich ihre Männer. Es sieht zwar aus wie einst in Salzburg auf der breiten Bühne des großen Festspielhauses, es wirkt nun jedoch etwas beengter. Das mehrstufige Bühnengebilde von Anna Viebrock, das an eine Schiffswerft erinnert, in der Schleusen den Wasserspiegel begrenzen, gewährt dem guten Wiener Staatsopernchor wenig Platz, sich aktiv zu zeigen.
Wäre dies nur öfters passiert!
Es bleibt Ritter Lohengrin vorbehalten, die Gruppen durch seine Ankunft in Bewegung zu versetzen. Lohengrin kriecht aus einer Art Katakombe heraus, während der Boden unter den Menschenmassen wankt. Wäre dies nur öfters passiert!
So dominiert eine oratoriale Stimmung, die sich bleischwer um eine Geschichte von Vertrauen und Ehre legt, die dann und wann durch Banalitäten irritiert wird. Dass der Ritter in seiner herrlichen Heldenhaftigkeit hier dekonstruiert wird, ist okay und verständlich. Dass Lohengrin aber wirkt, als wäre er dem Filmklassiker Ritter der Kokosnuss entsprungen, in dem die Heiterkeitstruppe Monty Python das Rittertum der Lächerlichkeit preisgibt, fügt sich gar nicht gewinnbringend in das hiesige Konzept.
Entzücken und überleben
Schließlich muss der strahlend singende und nur bisweilen in der Höhe an Grenzen geratende David Butt Philip dieser Elsa gegenüber so etwas wie wahre Gefühle offenbaren. Das nimmt man der Ritterkarikatur nicht ab. Die Mörderin ist da schon eher glaubhaft. Elsa wird bei Malin Byström zur manipulierenden Geheimnisträgerin, die sich schrullig-entrückt gibt, um zu entzücken und zu überleben. Byström präsentiert Elsa mit robuster Dramatik, die aber statt Facettenreichtum um eine Nuance zu viel Vibratowürze offeriert. Schließlich überzeugt Byström final jedoch mit dramatischem Furor, mit dem auch die differenziert gestaltende Anja Kampe als Ortrud jederzeit (mitunter etwas schrill) mithalten kann.
Von der vokalen Qualität her könnte die Oper allerdings Telramund heißen. Martin Gantner verbindet, wie einst bei den Osterfestspielen, klare Diktion, Intensität und kultivierte Linienführung, ohne die Schwere der Partie fühlbar zu machen. Szenisch hat man ihm – wie in Salzburg – keinen Gefallen getan, ihn als Terroristen mit einem Maschinengewehr herumfuchteln zu lassen, nachdem ihn im Duell mit Lohengrin bereits ein Herzinfarkt zu Boden gestreckt hatte.
Bisschen grobkörnig da und dort
Für die Regie gab es – nebst Applaus – wie in Salzburg reichlich Buhs. Ohnedies wurde vor allem Dirigent Christian Thielemann gefeiert, als wäre er für die Staatsoper eine Art erlösender Lohengrin. Er ist tatsächlich bei Wagner eine Klasse für sich. 2022 in Salzburg, wo er sich mit dieser Produktion nach zehnjähriger Residenz mit der Staatskapelle Dresden verabschiedet hat (Nikolas Bacher übernahm), klang das allerdings noch ausgewogener.
Besonders im ersten Akt kam an der Staatsoper manches an den exponierten Stellen etwas grobkörnig daher. Ist wohl der Preis der überreichen Intensität, die etwa im Vorspiel zum dritten Akt frappiert. Schließlich gelingen Thielemann abseits der expressiven Exzesse aber auch lichtartige, klangliche Schichtungen und Akzentuierungen von Details, die das Potenzial des Staatsopernorchesters voll ausschöpfen. Es tröstete
Ljubiša Tošić | 30.4.2024
Zum Glück gibt’s Christian Thielemann, das Orchester und den fabelhaften Chor
Zehn Jahre lang schon fragten sich immer mehr Opernbesucher der Ärgernis erregenden, alpenländlerischen Musikantenstadel-Inszenierung von Andreas Homoki am Ende der Vorstellung: Wann kommt der nächste Schwan? – Jetzt ist es endlich soweit. Da dieser Schwan aber nicht neu ist, sondern als Koproduktion schon 2022 bei den Salzburger Pfingstfestspielen zu erleben war und dort, was die Inszenierung betrifft, gar nicht gut aufgenommen wurde, waren die Erwartungen für die Wiener Premiere mehr als gedämpft. Das eine Zeitlang hoch gehandelte Team Jossi Wieler/Sergio Morabito ist, seit es sich mit der Ausstatterin Anna Viebrock in ein Trio gewandelt hat, kaum mehr mit stimmig durchdachten exemplarischen Produktionen aufgefallen. An der Wiener Staatsoper hat sich zuletzt ihre Inszenierung von Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria rettungslos in Viebrocks Bühne verlaufen. Bekanntlich hat der heldenhafte Ulisses auf seiner jahrlangen Heimreise viele Hemmnisse zu überwinden, aber dass er aus dem an einen Dschungel erinnernden Caritas-Möbeldepot im letzten Akt schließlich doch noch herausfinden kann, grenzte tatsachlich an ein Wunder.
Von der Staatsoper, an der Morabito als Chefdramaturg wirkt, wird dieser Lohengrin als spannungsgeladener Krimi angepriesen. Man sieht Elsa, noch während des wunderbar zarten, von Sphärenklängen durchfluteten Vorspiels, wie sie ihren Bruder Gottfried zurück ins Wasser stößt. Ein klassischer Fall von Brudermord. Beobachtet wird sie dabei von Ortrud, die den Vorfall dazu nützen wird, um ihre Rivalin zu entlarven und ihren Mann Telramund zum Herrscher von Brabant zu machen, stammt sie doch selbst von den früheren Machthabern ab. So weit, so gut und auch nicht mehr ganz neu. In weiterer Folge aber gibt es – außer dem als Gottesurteil geltenden Duell Lohengrins mit Telramund, bei dem sein Gegner allerdings nicht von ihm getroffen zu Boden sinkt, sondern wohl so etwas wie einen Herzinfarkt erleidet – kein Beweisverfahren. Am Schluss ersticht der wieder leibhaftig aus dem Wasser aufgetauchte Gottfried seine Schwester. Das muss also genügen, um Elsas Schuldhaftigkeit zu bestätigen. Warum die erlauchte Gralsritterschaft ausgerechnet zur Rettung einer Mörderin ihren Repräsentanten Lohengrin auf einem Schwan, der noch dazu auf wundersame Weise der Bruder sein soll, nach Brabant schicken sollte, und wer dann das Wunder bewirkt, dass Gottfried von einem Schwan, den man in dieser Inszenierung allerdings nicht zu sehen bekommt, wieder zu einem Menschen wird, bleibt unbeantwortet. Dass dahinter die von Ortrud angerufenen alten Götter, Wodan und Freia, stehen sollten und dass es ihnen dabei gelingen müsste, auch die Gralsritterschaft für ihre Pläne zu instrumentalisieren, wäre eine mehr als absurde Annahme.
Neben dieser vertrackten religiösen Ebene und dem psychologischen Krieg rund um das Streben nach Macht wird in dieser Inszenierung noch ein weiteres Problemfeld thematisiert. Es geht auch um einen gewaltbereiten Polizeistaat, der das Volk einschüchtert und mittels Schauprozessen manipuliert. Die Kostüme, ebenfalls von Viebrock, vor allem die Uniformen der bis an die Zähne bewaffneten Soldaten, changieren zwischen dem 1. und de 2. Weltkrieg. Am Schluss stehen die Bataillone bereit für den nächsten Einsatz, bei dem sie aber nicht mehr von Lohengrin, sondern von Gottfried angeführt werden. Auch dieser Interpretation konnte man schon oft auf der Bühne sehen. Diesmal hat es eher den Anschein, dass das leading team sich nicht sicher war, ob das Krimi-Konzept tragfähig genug sein könnte, oder sich einfach nicht für nur eine Variante entschieden konnte. So wirkt die Handlung auf der ästhetisch völlig reizlosen Bühne, die eine nüchterne Hafengegend darstellt, jedenfalls ziemlich überfrachtet. Grotesk auch, dass die Hauptakteure bei der Zusammenkunft mit dem König über Absperrungen klettern müssen, Elsa inbegriffen. Sportlich, gewiss. Aber sinnvoll?
Wenn hier aber etwas spannend ist, dann ist das allein dem Schöpfer Richard Wagner, seinem Libretto und seiner Musik zuzuschreiben und nicht dem leading team. Ganz in Gegenteil, das Original erweist sich als so stark, dass es diese lästigen Eingriffe spielend vergessen macht. Und mit Christian Thielemann hat die Staatsoper gewiss den derzeit besten Wagner-Dirigenten bestellt. Er und das vorzügliche Staatsopernorchester, in weiterer Folge auch der um den Extrachor und die Chorakademie erweiterte Staatsopernchor sind die grandiosen Säulen dieses Opernabends, der aus der Premiere ein musikalisches Ereignis der Extraklasse macht. Die romantische Fülle der Partitur wird so zu blühendem Leben erweckt und erklingt in all den Schattierungen und Farben, von denen einst schon Friedrich Nietzsche geschwärmt hat: „Im Lohengrin giebt es viele blaue Musik. Wagner kennt die opiatischen und narkotischen Wirkungen und braucht sie gegen die ihm gut bewußte nervöse Zerfahrenheit seiner musikalischen Erfindungskraft.“
Thielmann hat ein feines Gespür für die Leistungsfähigkeit der Stimmen auf der Bühne und deckt sie nie zu, was diesmal besonders wichtig ist. Denn die Besetzung ist leider alles andere als überragend. Georg Zeppenfeld, als Gurnemanz ein geschätzter, verlässlicher Wagner-Sänger, fehlt es für die Rolle des Heinrich der Vogler an der erforderlichen Autorität ausstrahlenden Bühnenpräsenz. Zu unauffällig seine Auftritte auf der meist stark bevölkerten Bühne. Zu unauffällig leider auch stimmlich, so dass er sich von seinem ihm untergebenem Heerrufer rangmäßig zu wenig abhebt, der von Attila Mokus (zum Glück) nur solide und unspektakulär dargeboten wird. Mit dem zuletzt mit dieser Rolle besetzten Christian Unterreiner hätte es Zeppenfeld jedenfalls bedeutend schwerer gehabt, sich durchzusetzen.
Der britische Sänger David Butt Philip, an der Staatsoper u.a. schon als Don José und Apollo in Daphne zu erleben, kann in der Titelrolle mit jugendlicher Frische und einem silberhellen Tenor aufwarten, wirkt darstellerisch diesmal aber etwas linkisch, was aber vermutlich der Regie zuzuschreiben ist, die dieser Figur nichts Heldisches zugestehen will. Der Gralserzählung mangelt es an Spannung. Am besten ist er in der Liebesszene mit Elsa am Beginn des 3. Aufzugs, die auch Malin Byström die Gelegenheit gibt, ihren Sopran mit emotionaler Farbigkeit erklingen zu lassen. Für eine überzeugende Elsa langt es aber auch darstellerisch noch nicht ganz. Wer diese Elsa ist und was sie will, wird nicht klar. Denn wenn sie tatsächlich ihren Bruder wegen Machtstrebens umgebracht hätte, dann müsste man von diesem politischen Ehrgeiz mehr zu sehen bekommen. Davon ist aber kein Fünkchen auszumachen.
Anja Kampes Ortrud hingegen ist – dank ihrer großen Erfahrung, eminenter Bühnenpräsenz und einer ausdrucksstarken Stimme – die weitaus stärkste Erscheinung in dieser Premierenvorstellung. Wie sie, als gesellschaftlich an den Rand gedrängte und dennoch stolze und ungebrochene Frau um ihre Rehabilitierung und Anerkennung kämpft und dabei ihre Psychotricks erfolgreich einsetzt, ist großartig und lässt einige Schärfen in ihrer Stimme rasch vergessen. Friedrich von Telramund, der Mann an ihrer Seite, in einer toxischen Beziehung, die an die von Macbeth und Lady Macbeth erinnert, wird von Martin Gantner darstellerisch ausgezeichnet dargestellt. Seinem angenehm timbrierten Bariton würde aber etwas mehr Durchschlagskraft nicht schaden.
Musikalisch wird die Aufführung zu Recht stürmisch gefeiert, vor allem der Dirigent Thielmann, der den größten Applaus einheimst, aber auch den Sängerinnen und Sänger werden gebührend und durchaus abgestuft Beifall gezollt. Das für die Inszenierung verantwortliche Team wird mit Buhs abgestraft. Nicht allzu heftig, und das ist gut so: Man sollte Ihnen nicht zu viel Beachtung schenken. Sie verdienen sie nicht.
Manfred A. Schmid | 30.04.2024
Thielemann’s translucent conducting makes more of Vienna’s confusing new Lohengrin than it deserves
Jossi Wieler and Sergio Morabito’s Lohengrin – new to Vienna but seen at the Salzburg Easter Festival in 2022 – seemed an interesting Konzept at first: what if Ortrud has right on her side and Elsa did murder her little brother in order to become the leader of the fractious people of Brabant. Here King Henry – with his armed troops in uniforms bridging the two world wars – is attempting to keep the peace, though there were disturbing allusions in the first act to the rounding up of Jews by the Nazis.
During an ethereal Act I prelude – and indeed it is the music performed by the Vienna State Opera Orchestra which saves this Lohengrin – we see Elsa on the side of what looks like the lock on a canal. Anna Viebrock’s set has three levels and lots of barriers with those at the front often being put together, taken apart or clambered over. Basically, it is only at the front of the stage where most of the action (such as it is) takes place, almost as if it is a semi-staging which was reflected in the black rehearsal clothes Ortrud seems to wear in Act II (costumes also by Viebrock).
So before the singing begins Elsa appears to be sleepwalking or at least having a mental episode and observed by Ortrud she pulls at the hand of someone in the water, recovers a beanie hat which she puts on and then lets the hand drop again. We can assume this is Gottfried, her younger brother. Elsa changes from a white top and shiny trousers into a pale blue and white dress she will wear mostly throughout – apart from a white nightdress and long wedding veil later in the opera – before changing back into the top and trousers at the end of the last act.
Ortrud hopes to expose Elsa’s crime and make her easily led husband Telramund the ruler of Brabant, as she is descended from the former rulers. Unusually during Act II Ortrud and Telramund can barely keep their hands off each other. Ortrud soon recovers Gottfried’s swan necklace from the water which she uses to manipulate Elsa, whilst invoking the help of her old gods as usual. As for Elsa, she continues to protest her innocence but never appears entirely sane.
It begs the question who is Lohengrin? Surely the Knights of the Grail have something better to do than send their emissary to save a murderer? He emerges in chain mail from a culvert looking like Albrecht Dürer’s self-portrait or something on the walls of Neuschwanstein Castle and soon dons a tabard with – what looks like – the cross of the Order of the Holy Sepulchre; a motif which fills the stage at Elsa and Lohengrin’s wedding. Often the Brabantian people will make the sign of the cross and with the arrival of the Lohengrin’s ‘swan’ there is much mass wobbling as if an earthquake was happening.
Lohengrin’s duel with Telramund is a non-event and although Lohengrin brandishes a huge sword divine judgement (?) causes his opponent to have a heart attack before a blow is struck. This Lohengrin clearly loves himself often flicking his luxurious long locks and witness the way he lounges on the bed which slides along in Act III over the canal, perhaps it is a waterbed? At the end, Lohengrin jumps into the water, before Elsa pulls a long-haired, ashen-faced, zombie-like Gottfried up and out of it. He puts on Lohengrin’s ring, his horn and picks up his sword and kills Elsa with it. [Spoiler alert] who else now thinks Lohengrin was an incarnation of Gottfried’s revenge-seeking spirit?
There are not enough superlatives to praise how the music of Lohengrin sounded through loudspeakers and actually – at certain times – I wished I could have just heard the sublime orchestra without all the singing because – apart from the contributions of the wonderful, expanded chorus – I have heard Lohengrin certainly better sung both in Vienna and elsewhere.
On the one hand, I think there can be no doubt that Wagnerian singers are an endangered species like never before, whilst it is good to see unfamiliar faces and hear new voices attempting these difficult roles. The current cast (respectfully) pales into insignificance with some of those in Vienna’s past. Georg Zeppenfeld remains a wonderfully reliable singer but whether Daland, Hunding, Pogner, Hans Sachs, King Marke, Gurnemanz, or as here, as a slightly enfeebled (once again!) King Henry, he always seems to be, well, Georg Zeppenfeld. Actually, Attila Mokus as a stern Herald had more gravitas and seemed to ooze more authority, though that may have been the directors’ intention. Martin Gantner – the only one of the principal cast to sing in Salzburg – was browbeaten and full of self-loathing as Telramund, I certainly heard Alberich in his performance, not a role I believe he yet sings.
Anja Kampe chewed the scenery as a convincing Ortrud; an ostracised yet proud, unyielding and conniving woman clearly in some sort of toxic relationship with Telramund. However, sometimes Kampe’s top notes sounded more like hard-edged shrieks than they could have done. Malin Byström is relatively new to the role of Elsa, and I am not sure it is proving a good fit. There was no special radiance or warmth to much of her singing and I wasn’t certain whether Byström’s frequently barefooted Elsa entirely embraced any culpability for her actions. (She seldom looked other characters in the eyes, though that may have been more due to the singer herself than the directors). David Butt Philip is equally relatively new to the role of Lohengrin and how great to have a British singer in this role in Vienna. Here he made for a rather gawky, somewhat narcissistic, wide-eyed ‘hero’ and (I repeat) we never really got the sense of who this Lohengrin was, someone ‘real’ or supernatural? Butt Philip’s singing had an easy lyricism for the most part, but he hadn’t paced himself sufficiently and the ‘Grail Narration’ tested him, to say the least.
Christian Thielemann conducts this opera – and most Wagner – these days like no one else can. The often-interminable Act II exchanges between Ortrud and Telramund had a tension few conductors realise. There were naturally flowing tempi and textures which were translucent, not overly lush, but finely detailed and with enough momentum to carry the drama forward. As ever he was supportive of his singers throughout, and I suspect every word could be heard clearly in the opera house. Passages of rapt intensity and surging excitement all combined to take a grip on me from first note till the last one: as it seemingly did for the audience at the Vienna State Opera based on the special ovation Thielemann deservedly received at his curtain call.
Jim Pritchard | 07/05/2024