Diese Aufnahme dokumentiert akustisch Wieland Wagners allererste Neuinszenierung der Meistersinger nach dem Zweiten Weltkrieg, eine radikale, gleichwohl keine Regieanweisung zerstörende Vision. Leider bleibt hier von Wielands revolutionärer Abstraktion und suggestiver Symbolik nur die Klang-Kulisse des damaligen Rundfunkmitschnitts.
Immerhin hört man die Superstars aus Bayreuths Goldener Zeit. Die Vehemenz und Kraft ihrer Interpretation ist ein Beweis dafür, wie sorgfältig man damals auswählte und gestaltete.
Gré Brouwenstein (Eva) fasziniert mit grandioser, dunkel verhangener Stimme, geheimnisvoll, an die Königstochter Isolde erinnernd.
Hans Hotter (Sachs), der in anderen Mitschnitten mit nasaler, nuschelnder und konsonantenschleifender Undeutlichkeit ärgert, entfaltet hier ein prachtvolles, dunkles Stimmaterial, außerdem ist er sehr textverständlich.
Wolfgang Windgassen (Stolzing) ist kein nobler, edler Mozartsänger, sondern schleudert vehement seine brüchigen, leidenschaftlichen Tannhäuser-Ekstasen heraus. Hier vielleicht nicht am rechten Ort. Denn die ekstatische Dramatik muss man in dieser Komödie nicht unbedingt übertreiben. Das gilt auch für Gerhard Stolze, der als David eine vehemente, wilde, sehr persönliche Rollenauslegung bietet.
Der berühmte Liedersänger Dietrich Fischer-Dieskau (Kothner), mit mächtigem Bariton, ist kaum zu erkennen, weil er seine später gefürchteten Manierismen und Konsonatenbellerei damals noch nicht übertrieben hat.
Karl Schmitt-Walter war Wieland Wagners Lieblings-Beckmesser, weil er die ätzende Karikatur des kleinkarierten Pedanten machtvoll übersteigerte zu einer suggestiven, tief bewegenden, abgründigen, meditativen Melancholie, ohne dabei den beschränkten Spießer zu verleugnen.
Josef Greindl (Pogner) dröhnt mit einer schwarzen Bass-Stimme, die allerdings recht kühl und nüchtern klingt.
Genauso fremd und irritierend wirkt das Dirigat von André Cluytens, der den Meistersingern konsequent die feurige, innige, romantische Herzenswärme und Emotionalität mit aller Macht austreibt, wie man sie sonst überreichlich hören und überwältigend nachempfinden kann, bei den Giganten Furtwängler, Knappertsbusch und Keilberth.
Es klingt ein wenig wie die rationale Kühle von Münchens aktuellem Chefdirigent Kent Nagano, perfekt, aber uninteressant.
Aber was auch immer man über die Einschränkungen und Mängel dieser Aufnahme sagen mag, gemessen am heutigen Standard der Bayreuther Festspiele ist das ein außergewöhnliches, leuchtendes Wunderwerk, das Dokument einer versunkenen Zeit.
Überlebt von der berühmten Inszenierung haben glücklicherweise die zahlreichen Bilder des Meisterfotografen Siegfried Lauterwasser, die alle filigranen Details dieser atemverschlagenden Wagnerdeutung auch heute noch dokumentieren.
Da sieht man in aller Pracht die gotischen Kirchensymbole und andere starke. mittelalterliche Bild-Zitate zu Beginn. Die riesige, blühende Fliederdolde unter einem schwarzblauen, lapislazulifarbenen Nachthimmel im zweiten Akt, mit der unendlichen, im Kosmos verschwindenden Kopfsteingasse. Die gleißende, helle Festwiese als steil aufragendes Amphitheater – ein Zitat der Antike. Dazu die herrlichen Renaissance-Gewänder. Die magische Lichtregie, die suggestiven Gesten der dramatischen Personenführung. Und der Verzicht auf überflüssiges naturalistisches Gerümpel.
Sternenweit ist das alles entfernt von den hässlichen, willkürlichen Entgleisungen des heutigen Regietheaters.