Die Meistersinger von Nürnberg hatten es dagegen nicht leicht, sich als glanzvolle Produktion zu präsentieren. Robert Holl, der wiederum als Sachs zu erleben war, ist zwar ein ganz hervorragender Sänger und Liedinterpret, was er auch diesesmal wieder unter Beweis stellte, aber für diese Riesenpartie fehlen ihm (anscheinend) doch die gewissen stimmlichen Kraftreserven, um ohne “Kniezittern” auch noch die Festwiesenszene souverän zu meistern.
Da machte sein unmittelbarer Gegenspieler, Andreas Schmidt als Beckmesser, eine ungleich bessere Figur. Andreas Schmidt präsentierte eine vorzügliche Charakterstudie, die der Figur des Beckmesser sowohl stimmlich, als auch darstellerisch, alle Facetten abgewinnt und ihm – trotz der oft unglücklichen Verhaltensweisen – alle Würde und Ehre, die seinem Stand und seiner Stellung unter den Meistern entspricht, belässt Leider gleitet die Personenführung – die z.B. über weite Strecken viel Wert auf die unterschiedliche Charakterisierung der Meister legt – ab und zu in unpassenden Klamauk ab, was nun wirklich nicht notwendig ist und manchen – durchaus verständlich – verärgert.
Sorgte eine Indisposition von Peter Seiffert bei der Eröffnungspremiere schon im dritten Aufzug für den vorzeitigen Einsatz von Robert Dean Smith als Stolzing, so konnte dieser sich in der zweiten Aufführung – wie geplant – gleich von Anfang an profilieren. Sein schlanker, gleichmässig geführter Tenor ist für diese Partie geradezu wie geschaffen, wobei es – zumindest im Moment noch – zugleich eine Grenzpartie darzustellen scheint.
Pluspunkte konnten aus dem zahlreichen Ensemble vor allem noch die beiden jungen Meistersinger Bernhard Schneider und Torsten Kerl (s. Der fliegende Holländer) sammeln.
Der Chor, der in der Prügelfuge am Ende des zweiten Aktes zwar leicht ins schleudern kam, präsentierte sich aber ansonsten – vor allem auf der Festwiese – in Hochform und bestätigte seinen Ruf als einzigartiger Klangkörper.
Daniel Barenboim startete zwar mit einem fulminanten Vorspiel, wobei – wie auch oft im weiteren Verlauf des Abends – viele Einzelstimmen hörbar wurden, doch zwischendurch klang das Orchester über weite Strecken doch recht einförmig und spannungsarm. Prinzipiell war bei diesen Meistersingern ausserdem auffallend, dass die Textverständlichkeit oft zu wünschen übrig liess.
Gerhard Menzel | Bayreuther Festspiele (II) 4. August 1998