Die Meistersinger von Nürnberg
Leopold Hager | ||||||
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Hans Sachs | Wolfgang Brendel |
Veit Pogner | Peter Wimberger |
Kunz Vogelgesang | Benedikt Kobel |
Konrad Nachtigall | Boaz Daniel |
Sixtus Beckmesser | Eike Wilm Schulte |
Fritz Kothner | Wolfgang Bankl |
Balthasar Zorn | Cosmin Ifrim |
Ulrich Eißlinger | Michael Roider |
Augustin Moser | Peter Jelosits |
Hermann Ortel | Marcus Pelz |
Hans Schwartz | Goran Simić |
Hans Foltz | Janusz Monarcha |
Walther von Stolzing | Johan Botha |
David | Michael Schade |
Eva | Soile Isokoski |
Magdalene | Michelle Breedt |
Ein Nachtwächter | Walter Fink |
Meisterhaft gesungen
Ausgezeichnete Sänger, ein sehr repertoire-mäßiges Orchester und eine unbeantwortete Frage kennzeichneten diese drei Meistersingeraufführungen vom 26. April, 30. April und 5. Mai 2002: denn es war der deutlich lesbare Zusatz “Wiederaufnahme”, der sich im Spielplan fand, und der einen die Stirn runzeln ließ.
Gewiss, der ursprünglich vorgesehene Dirigent, Michael Boder, sagte ab, und Leopold Hager sprang ein. Und damit reichte es offenbar nicht mehr für einen, dem Anlass entsprechenden Feinschliff. Im Orchestergraben regierte ein zwar flüssig musizierter, aber zugleich auch sehr plakativer Opernalltag, der sich da und dort in einem knalligem Wagner’schen Fortissimo entlud. Aber zum Glück verhalf das Ensemble dem im Spielplan angebrachten “Etikett” doch noch zu allen Ehren – nein, noch besser: diese Besetzung hatte Premierenqualitäten.
Die jetzt “wiederaufgenommene” Inszenierung stammt aus der Mitte der 70er Jahre (Premiere: 21.10.1975). Es ist eine von jenen Otto Schenk-Inszenierungen, die man heute viel mehr zu schätzen weiß, als anno dazumal – heute, wo man für all diese Inszenierungen, die ganz unverschnörkelt dem Textbuch folgen, doppelt und dreifach dankbar ist. Diese Geschichte, die da erzählt wird, garniert mit viel Spielwitz, die versteht man, die spielt auf jener emotionalen Klaviatur, auf der auch Wagner spielt. Hier ist der Regisseur nicht gescheiter als der Komponist und Textdichter gewesen, und Jürgen Rose hat einfach ein realistisches, spätmittelalterliches Nürnberg auf die Bühne gestellt. Was mir immer schon weniger gefallen hat, ist die Farbgebung der Kostüme, vor allem im Festwiesenbild: Eva’s dottergelbes Kleid, das intensive Malkastengrün des Festwiesenrasens und die blitzblauen Übermäntel der Meister fallen in diese Kategorie. Aber das stört den positiven Gesamteindruck auch nur am Rande. Man kann diese Meistersinger noch in hundert Jahren so spielen.
Der Sachs von Alfred Brendel hatte eine etwas zurückhaltende, introvertiertere Natur. Er war mehr ein Getriebener der Umstände, und Entschlüsse fielen ihm nicht so leicht. Da blieb er am Schluss, nach Stolzings stolzer Absage an die “Meisterwürde”, trotz aller Gebärden und auffordernden Blicke seiner Zunftgenossen, solange sitzen, dass man schon meinte, er würde seinen Einsatz verpassen. Aber dann sprang er doch plötzlich auf, in pflichtbewusster Aufwallung, eilte quer über die Bühne zum spröden Stolzing und maßregelte mit seinem “Verachtet mir die Meister nicht” den Frankenritter. Brendel’s Sachs wirkte ein wenig wie vom “Welt-Wahn” umzingelt, und es schien ihm schwer zu fallen, sich dagegen aufzuraffen. Weil auch seine Stimme so eine leichte melancholische Einfärbung hat, passte das natürlich ideal. Einen derb-polternden Sachs hätte man ihm schon deshalb nicht abgenommen. Denn das Wichtigste dabei ist natürlich die Glaubwürdigkeit. Man kaufte ihm seinen etwas intellektuell eingefärbten, dichtenden Schuhmacher ganz einfach ab, und somit passte es. So wie man Theo Adam seinen würdevolleren, noblen Sachs und so wie man Karl Ridderbusch seinen sehr volksnahen, grobklotzigen Sachs abgekauft hat – bei dem man als Zuschauer allerdings am meisten zu lachen hatte (vor allem wenn Gottfried Hornik den Beckmesser machte, und alle darstellerischen Register zog). Damit soll aber kein Einwand gegen den Beckmesser von Eike Wilm Schulte vorbereitet werden: denn der brachte den Beckmesser mit gesanglicher Charakterisierungskunst auf den Punkt – und gespielt war es auch vorzüglich. Ja, so durfte man sich auch hier – wie beim Sachs – froh an der Gegenwart erfreuen.
Doch damit war der Freude nicht genug: der kultiviert-spitzbübische, meister-gesangliche David von Michael Schade war ein Ohrenschmaus für sich – und Johan Botha gewann sich seine Eva mit “morgentraumdeutender Strahlkraft”. Man ist immer wieder überrascht, wie sich bei ihm eine noch fast lyrisch zu nennende Geschmeidigkeit der Stimme mit kraftvoller Attacke synthetisiert, und eine mühelose, immer der musikalischen Linie verbunden bleibende Raumdurchdringung erzeugt. Da war denn auch das Preislied wirklich der Höhepunkt des Abends (auch wenn Sachs dann noch sein moralisierendes Schäuferl nachlegt), dem man sich getrost und überwältigt anvertrauen durfte.
Soile Isokoski war mit immer wieder durchschimmernder “Evchen”-Stimme ein begehrenswerter Preis, mehr oder weniger gut behütet von der Magdalene, der Michelle Breedt anmutige Jugendlichkeit verlieh. Bleiben die Meister, an denen ebenfalls kaum etwas auszusetzen war. Ein bisserl mitgenommen wirkte der Veit Pogner von Peter Wimberger, aber das ist kein Wunder, wenn man seine Tochter einem solchen Wagnis mit ungewissem Ausgang aussetzt. Und endlich hatte man auch mal die Gelegenheit, den einleitenden Singschul-Vortrag von Bäcker Kotner (Wolfgang Bankl) musikalisch genießen zu können. Schade nur, und da sind wir wieder bei den einleitenden Worten, dass Wagner’s Detailverliebtheit und Witz, die im Ensemble willige Gefolgsleute fanden, in der Orchesterbegleitung weitestgehend ausgespart blieben.
Das Publikum feierte das Ensemble von David bis Sachs mit sehr starkem – bei Botha und Brendel sogar mit sehr heftigem Applaus. Das war dann wirklich schon sehr hart an jener undefinierbaren massenverschmelzenden Enthusiasmus-Grenze oder sogar schon leicht darüber.
Dominik Troger | Wiener Staatsoper 5.5.2002