Verpufft
Was hat im Jahr 2007 die Debüt-Inszenierung der „Meistersinger“ von Katharina Wagner auf dem Grünen Hügel für heftige Aufregung und jede Menge Diskussionsstoff gesorgt. Was sich allerdings schon im letzten Jahr andeutete, nahm dieses Jahr dann deutliche Konturen an. Der erste provozierte Schock ist verdaut und die geradezu „übermächtige“ und geniale Züge tragende Neuinszenierung des „Parsifal“ von Stefan Herheim demonstrierte nun bereits im zweiten Jahr, was wirklich exzeptionelles und überragend er- und gearbeitetes Musiktheater ist. Diese „Meistersinger“ Produktion – die musikalisch auch dieses Jahr wenig überzeugt – gehört als längst überfälliges Stück Rezeptionsgeschichte ganz schnell in die „Historienkiste“ der Festspiele. Ausgiebig auf DVD dokumentiert ist sie schließlich schon.
Dabei gelingt Katharina Wagner bisweilen eine brillante Personenregie, zumindest bei einigen Solisten, wenn auch sehr subjektiv gefärbt. Die großen Chorszenen sind dagegen – ganz der Inszenierungskonzeption geschuldet – fast ausschließlich statuarisch gehalten. So interessant und „neu“ die sich im Stück vollziehende Entwicklung der Personen Sachs/Beckmesser und Stolzing/Eva dargestellt wird, so bleibt die Gegenbewegung von Sachs und dessen Widersacher Beckmesser reine Fiktion. So wenig sich der zwar für Neues aufgeschlossene, aber immer wieder um Schlichtung von Divergenzen bemühte Sachs stringent vom Revolutionär zum mahnenden Sängerpapst wandelt, so wenig lässt sich die rasante Entwicklung des Beckmesser vom biederen Kunstfunktionär zum unverstandenen Avantgarde-Künstler weder aus dem Stück und schon gar nicht aus der Musik heraus lesen. Eine phantasievolle Idee ist es aber allemal und passt zum kreativen Inszenierungsstil von Katharina Wagner. Immerhin gelang es ihr, in „einer“ Inszenierung einige Jahrzehnte Rezeptionsgeschichte zu überspringen und hat dadurch die „Meistersinger“ regelrecht „befreit“, um sich hoffentlich nun wieder mehr der Musik zu widmen – und das hat Bayreuth dringender nötig denn je!
Den Hans Sachs mit Alan Titus neu zu besetzen, war zwar ein ehrenwerter Versuch, der Produktion mehr musikalische Klasse zu geben, doch eine deutliche Verbesserung trat dadurch leider nicht ein. Gerade den Sixtus Beckmesser auszutauschen, den Michael Volle sängerisch und darstellerisch überzeugend gestaltete, war dagegen etwas verwunderlich, obwohl die Neubesetzung Adrian Eröd einen sehr guten Eindruck hinterließ. Allerdings wirkte er – trotz der Eigenwilligkeit der Inszenierung – im Vergleich zu Sachs viel zu jung, um die eigentlich tragische Existenz dieses Menschen auszufüllen.
Während Klaus Florian Vogt ein zumindest in den höheren Regionen strahlender Walther von Stolzing ist und Norbert Ernst ein durch das Regiekonzept etwas eingeschränkt agierender David mit durchaus potenter Stimme, erreichen Michaela Kaune als Eva und Carola Guber als Magdalene nur bedingt Festspielniveau. Gleiches gilt auch für Artur Korn in der Partie des Veit Pogner.
Die gesetzten Erwartungen erfüllten zumindest das übrige Ensemble, der wie immer exzellent von Eberhard Friedrich einstudiere Festspielchor und das herrlich aufspielende Festspielorchester. Sebastian Weigle hat sich weiter an die speziellen akustischen Gegebenheiten in Bayreuth gewöhnt, konnte diverse Wackler und klangliche Unebenheiten aber nicht verhindern.
FAZIT
Musikalisch etwas konsolidiert, verpuffte die ehemals ordentlich aufmischende und neuerungssüchtige Inszenierung. Regelrecht aufgesetzt, unausgegoren und streckenweise plump verblasst sie hinter dem Geniestreich von Stefan Herheim, dessen Parsifal -Inszenierung zum Eindrucksvollsten gehört, was je auf der Bühne des Festspielhauses zu sehen war.
Gerhard Menzel | Rezensierte Aufführung: 14. August 2009