Parsifal
Pierre Boulez | ||||||
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Amfortas | Thomas Stewart |
Titurel | Kurt Böhme |
Gurnemanz | Josef Greindl |
Parsifal | Sándor Kónya |
Klingsor | Gustav Neidlinger |
Kundry | Astrid Varnay |
Gralsritter | Hermann Winkler |
Gerd Nienstedt |
Wieland Wagner’s stripped-down, minimalist Bayreuth Festival staging of his grandfather’s Parsifal finally met its aural equivalent when Pierre Boulez first conducted the opera in 1966, and again in 1970. The 1970 Bayreuth performances were taped and released by Deutsche Grammophon. As an admirer of Boulez’s Wagner, I’ve long been curious about this 1966 Parsifal, tapes of which circulated in the live opera underground. Podium-wise, there’s not all that much difference between this and Boulez’s commercial version. You’ll find the same fleet tempos, horizontal continuity of texture (Boulez always has been a line guy, as opposed to chord guys like Karajan, Krauss, Knappertsbusch, and Solti), and tensile, unsentimental drama. By 1970, however, Boulez allows the set pieces and key transitional passages more breathing room. He enjoys a superior and more consistent if not ideal cast.
In 1966, the best singing comes from Gustav Neidlinger’s dark, menacing Klingsor, and the various squires in Act 1. Thomas Stewart’s not-too-tortured Amfortas, though, is heard to better advantage in the DG Boulez recording. By contrast, Josef Greindl’s authoritative Gurnemanz doesn’t match his younger self (the 1949 Richard Krauss Köln Radio broadcast), nor Hans Hotter’s or Ludwig Weber’s multi-dimensional portrayals. Kurt Böhme’s Titurel is hardly the ailing one, but who’s to refuse such vocal presence when you can get it?
Sandor Konya is not as vocally striking as 1970’s James King in the title role, but he’s every inch as committed and hooked into the text. As Kundry, however, Astrid Varnay’s big voice is alarmingly off form. She fares best while singing in her softer, mid-to-lower range, but her out-of-control high notes are pretty painful to endure, with one exception. As Kundry describes how she mocked Christ on the Cross, Varnay more-or-less nails that famous, cruelly exposed high B. Anja Silja also was working through a rough vocal patch at the time, and you can hear it in the way she sticks out among the Flowermaidens.
The inconsistent sonics present another drawback. Murky sound plagues the first two-thirds of Act 1 and all of Act 3, and seem to stem from multi-generational tape copies of a broadcast captured on home equipment. A professional-sounding source boasting superior orchestra/singer balances is spliced in after the transformation scene, beginning with Titurel’s first words, and continues from here to the end of the act, along with all of Act 2. No texts and translations are included.
Artistic Quality: 7
Sound Quality: 4
Jed Distler
Boulez: Reiner Gral
Vierzehn Jahre lang hütete Dirigent Hans Knappertsbusch den Gral des Bayreuther “Parsifal” nach guter alter Wagner-Weise.
Doch der “Großsiegelbewahrer der Tradition” (“Süddeutsche Zeitung”) starb im vergangenen Jahr. Mit ihm verschied auch der Knappertsbusch-Stil. Beiden rief Wagner-Enkel Wieland nach: “Was hilft es, auf der Bühne neue Wege zu gehen, wenn im Geist des vorigen Jahrhunderts musiziert wird?”
Nun weht der Geist des 20. Jahrhunderts aus dem Orchestergraben ins Festspielhaus. Denn in diesem Sommer läßt der Bayreuther Festival-Chef und Regisseur Wieland Wagner den großväterlichen “Parsifal” von einem ganz modernen Musik-Neuerer leiten – vom seriellen Komponisten Pierre Boulez, 41. Der Franzose hat das ehrwürdige Bühnenweihfestspiel bisher noch nie dirigiert und auch selten gehört.
Dennoch war Wagners Wahl nicht allzu gewagt: Der Industriellensohn Boulez aus Montbrison (Departement Loire), der seine Dirigenten-Laufbahn einst “für ein Butterbrot” in Jean -Louis Barraults Pariser “Théâtre Marigny” begann, gilt heute als ein Orchesterchef, dessen “Klang- und Formsinn” (“Süddeutsche Zeitung”), Sachlichkeit und “unerhörte Präzision” (“Times”) auf den Festivals beider Welten, in Edinburgh und Brüssel, Los Angeles und Amsterdam gerühmt werden.
Die Amerikaner ernannten ihn zum “Napoleon” zeitgenössischer Musik, das Publikum der Donaueschinger Musiktage und der von Boulez geleiteten Pariser “Concerts du Domaine Musical” verehrt ihn gar als “le Dieu” – den Gott.
Gehuldigt wird damit vor allem dem genauen Dirigenten eigener Präzisionswerke – etwa der 1960 in Köln uraufgeführten Komposition “Pli selon Pli” (Schleier nach Schleier), laut Untertitel ein musikalisches “Porträt Mallarmés” für Orchester und Gesangstimme, an dem er fünf Jahre lang arbeitete.
An seinem bisher letzten Orchesterwerk, “Figures, Doubles, Prismes”, laborierte Boulez noch länger. Bei der für 1964 angekündigten Baseler Premiere brachte er lediglich ein Viertel (acht Minuten) der “Figures” zu Gehör. Der Rest der Doubles und Prismes war nicht fertig geworden und ist auch jetzt, acht Jahre nach Beginn, noch unvollendet.
Inzwischen hat sich der Schüler der französischen Zwölftöner Olivier Messiaen und Rene Leibowitz in drei verschiedenen Kompositionstechniken erprobt und bewährt: Nach ersten dodekaphonischen Arbeiten (etwa der “Sonne der Wasser” nach Gedichten von Rene Char und einer “Symphonie concertante”) entwickelte Boulez zwischen 1950 und 1957 die sogenannte serielle Technik, in der sämtliche “Parameter” der Musik – Tonhöhe, Tondauer, Klangfarbe, Artikulation – nahezu automatisch auf vorherbestimmte “Reihen” festgelegt sind.
Ende der fünfziger Jahre schließlich entdeckte Boulez seine “aleatorischen” (zu deutsch etwa: Würfelspiel-) Strukturen, die dem Interpreten einen gewissen Einfluß auf die Architektur eines Stücks erlauben: Er darf an bestimmten Knotenpunkten des Werks zwischen verschiedenen Möglichkeiten des Fortschreitens wählen und wird so, laut Boulez, “zum Weichensteller, der einen Knopf drückt oder einen Hebel umlegt, damit der Zug statt am Bahnsteig 3 auf Gleis 5 einfährt”.
Doch ob serielle Rechenschieber -Strenge oder Würfel-Freiheit – genügend stilistische Konstanten und charakteristische Färbungen bleiben der Boulezschen Musik allemal. Spürbar ist beispielsweise eine einzigartig ordnende Logik, hörbar der Einfluß nah- und fernöstlicher Klänge, mit denen sich die französische Musik schon seit Ende des 19. Jahrhunderts gegen deutsche Räusche zur Wehr setzt.
Dennoch ist der französische Komponist Boulez auch deutschen Einflüssen nicht abgeneigt: 1959 verließ er seine Dachkammerwohnung an der Place de la Bastille in Paris – der Stadt, in der “die Organisation des Musiklebens stupider ist als irgendwo sonst in der Welt”, und etablierte sich, von der Musikabteilung des Südwestfunks gefördert, in Baden-Baden. Etliche generöse Angebote der Franzosen, so den Dirigenten-Posten des renommierten “Conservatoire”-Orchesters, schlug Boulez seither aus.
Inzwischen hat sich Boulez mit seinen Landsleuten noch gründlicher zerstritten. Als Kultusminister Andre Malraux im Mai dieses Jahres Marcel Landowsky (Boulez: “Ein drittklassiger Komponist”) zum Musikdirektor im französischen Kultusministerium ernannte, beschuldigte Boulez in einem offenen Brief an den “Nouvel Observateur” den Minister, er gefährde die Zukunft der französischen Musik.
Landowsky wurde als “armer Kerl” abgetan, der “endlich einmal etwas zu tun, gefunden habe”. Boulez, so reagierte daraufhin der “Combat”, möge getrost in Deutschland bleiben und deutscher Staatsbürger werden.
Anfang letzter Woche, im Bayreuther Festspielhaus, ist der “Parsifal”-Dirigent nun gar zu einem Urquell des Deutschtums vorgestoßen – allerdings noch immer in der Haltung eines Franzosen: Boulez lieferte, von den Festivalisten mächtig applaudiert, einen märchenhaft-impressionistischen “Parsifal” ohne Pomp und Pathos. Die weihevollen Tempi seines Vorläufers Knappertsbusch erklangen gestrafft (der “Parsifal” von Boulez war 21 Minuten kürzer), auch von sämtlichen Spätromantizismen – nichtwagnerianischen Zutaten – war der Gral gereinigt.
32/1966