Parsifal
Amfortas | Boris Statsenko |
Titurel | Tobias Schabel |
Gurnemanz | Hans-Peter König |
Parsifal | Frank Van Aken |
Klingsor | Bodo Brinkmann |
Kundry | Jeanne Piland |
Gralsritter | ? |
? |
Erlösung in der half-pipe
Mitunter fühlt man sich in einen drittklassigen Science-Fiction- oder Fantasy-Film versetzt, wenn strahlend weiße Ritter mit glänzenden Brustpanzern durch die Gegend laufen oder Parsifal solche mit blutroter Kleidung gleich im halben Dutzend mit dem Schwert niederstreckt. Kurt Horres hat Wagners letzte Oper zumindest streckenweise als knallbuntes Kinomärchen erzählt, mit pathetischen Aufmärschen hart an (oder auch jenseits) der Grenze zum Kitsch. Dabei ziehen sich die Gralsritter in das Innere einer recht kleinen, bunkerartigen Halbkugel zurück, und außen herum ist der Bühnenboden zu den Seiten hochgezogen – Snow- und Skate-Boarder würden wohl von einer „half-pipe“ sprechen. Ein großer Wurf ist die Inszenierung aus dem Jahr 1994 sicher nicht, auch wenn die konventionelle Winterlandschaft des dritten Aufzugs mit manchen ästhetischen Zumutungen zuvor versöhnt. Andererseits: Am Parsifal hat sich noch fast jeder Regisseur die Zähne ausgebissen, und letztendlich kommt es in den langen Monologen, die das Stück durchziehen, auf die Bühnenpräsenz der Sänger an. Und aus dieser Sicht lohnt die Wiederaufnahme mit hörenswerter Besetzung allemal.
Das eigentliche Drama ist vielleicht auch gar nicht szenisch zu zeigen, sondern spielt sich in der Musik ab. Dirigent John Fiore hat den langen Atem und viel Gespür für die „unendliche Melodie“, die er wunderbar fließen lässt. Dabei bietet das Duisburger Stadttheater mit seiner direkten, knalligen Akustik so ziemlich das Gegenteil zum Bayreuther Festspielhaus mit seinen geheimnisvollen Mischklängen, die Wagner bei der Komposition im Sinn hatte. Fiore hat den Klang aber genau austariert, kann die Sänger nicht nur begleiten, sondern „tragen“, und am Ende einer Gesangsphrase ganz homogen in ein dramatisches Forte wechseln, wie es in Bayreuth eben nicht möglich ist. Und mit den fabelhaften Chören, die irgendwie im Haus verteilt sein müssen (nur die Gralsritter singen von der Bühne aus), aber nicht genau zu orten sind, entsteht ein Raumklangeffekt, als käme die Musik direkt vom Himmel. Von den Duisburger Philharmonikern, die insgesamt überzeugend spielen und dem Dirigat sehr aufmerksam folgen, hätte man sich allerdings mitunter größere Genauigkeit in den Einsätzen (und im ersten Aufzug auch in der Intonation) gewünscht.
Parsifal-Darsteller Frank van Aken stemmt die Partie vor allem mit unbändiger Kraft – bei so mancher Phrase stellt sich unwillkürlich die Frage, ob er anschließend noch jemals einen Ton wird singen können. Er besitzt aber die erforderlichen Kraftreserven, und die leicht baritonale, virile Stimme nimmt durchaus ein, ebenso wie die Unbedingtheit, mit der er vor allem den zweiten Akt bestreitet. Der Preis dafür ist ein brüchiger Klang bei allen Lautstärkepegeln unterhalb des Forte. Weniger Sorgen muss man sich um die Stimme von Jeanne Piland machen, die technisch versiert eine Kundry von hoher Intensität singt. Mit apart eingedunkeltem Mezzo besticht sie mit berückender Pianissimo-Kultur, wobei die Stimme immer warm und tragfähig bleibt. Die dramatischen Spitzen sind bestens vorbereitet, und dadurch gewinnt die Figur ein zupackend dramatisches Profil, auch wenn das Volumen der Stimme nicht übermäßig groß ist.
Über eine Riesenstimme verfügt Tomasz Konieczny, der zu einem ganz großen Amfortas (und nicht nur das) werden könnte. Kraft und Schärfe kann er ebenso sicher einsetzen wie einen weichen lyrischen Klang. Ganz rund ist die Interpretation noch nicht, aber es entsteht ein sehr intensiv gezeichnetes Rollenbild. Matthias Hölle ist ein edler Gurnemanz von hünenhafter Gestalt und hoher Bühnenpräsenz. Sein warmer und sonorer, schlank geführter Bass wirkt an den (wenigen) exponiert dramatischen Stellen blass, macht dies aber mit genauer Linienführung wett. Etwas ungenau ist der Klingsor von Oleg Bryjak, dem es auch an Durchschlagskraft fehlt. Sami Luttinen als zuverlässiger, präzise artikulierender Titurel rundet ein insgesamt sehr gutes Ensemble ab.
FAZIT
Bei so hohem musikalischem Niveau hat die mittelprächtige Inszenierung ihren Platz im Repertoire verdient.
Stefan Schmöe | Repertoireaufführung im Stadttheater Duisburg am 16.03.2008