Simon Rattle dirigiert Wagners “Rheingold” im Herkulessaal
“Wenn ihr nicht alle so langweilige Kerle wärt, müsste das ,Rheingold’ in zwei Stunden fertig sein“, schimpfte Richard Wagner bei den Bayreuther „Ring“-Proben anno 1876. Simon Rattle brauchte am Samstag für den Vorabend des Bühnenfestspiels zwei Stunden und 25 Minuten. Wie Karajan 1951 in Bayreuth.
Damit gehört er zu den schnellen Wagner-Dirigenten. Das Tempo allein ist natürlich nur ein Indiz. Aber keines, das wirklich trügen würde: Rattle schlägt einen eher leichten Ton an. Für ihn ist das „Rheingold“ ein böses Konversationsstück, fast eine schwarze Komödie. Wenn er den Sängern rechts und links die Einsätze gibt, sieht man, wie sehr der britische Lockenkopf mit dem Gesicht dirigiert und anfeuert.
Nicht vordergründig
Natürlich hört man im Herkulessaal mehr Farben und Details als in Bayreuth oder im Nationaltheater. Aber das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks drängte sich trotz starker Präsenz nicht vor. Und so wirkte diese konzertante Aufführung erheblich runder als Rattles frühere Einstudierungen mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment oder mit den Berliner Philharmonikern, bei denen eher zirzensisch Orchestereffekte vorgeführt wurden.
Gewiss: Kirill Petrenko dirigiert manches ausgefeilter. Nicht nur in Loges Erzählung wurde über manche Piano-Vorschrift Wagners handfest hinweggespielt. Für richtig böse Stellen wie das Nachspiel zu Alberichs Fluch oder die Verwandlung nach Nibelheim hat Sir Simon leider ein zu sonniges Gemüt.
Schlüssiger als anderen Dirigenten gelang ihm dafür das dritte Bild in Nibelheim: Rattle verstand es als Scherzo innerhalb dieses viersätzigen Musikdramas. Den „Einzug der Götter in Walhall“ nahm Rattle fast tänzerisch. Mitten im gut durchhörbaren Klangrausch feuerte er die Streicher zu einer alles überstrahlenden Schluss-Steigerung an.
Wotan mit Indisposition
Die Besetzung war überragend. Mirella Hagen und Stefanie Irányi waren kurzfristig eingesprungen. Dennoch formten sie mit Eva Vogel ein selten geschlossenes Rheintöchter-Terzett. Burkhard Ulrich betonte Loges Komödiantik. Tomasz Konieczny singt den Alberich kraftvoll, aber mit wenig Farben und einem Gramm zu viel Schurkenklischee. Leider war die Erda (Janina Baechle) wieder nur ein Mezzo und kein profunder Alt.
Elisabeth Kulman machte als Fricka ihrem Göttergatten mächtig Ärger. Und den hatte Michael Volle leider auch ohne sie. An sich wäre sein bassiger Heldenbariton und die bei aller Kraft immer lyrisch grundierte Gesangskultur für den Wotan ideal. Aber leider kämpfte Volle mit einer Indisposition, die gegen Ende nicht besser wurde. Dennoch: Der komplette „Ring“ konzertant mit Rattle und dem Symphonieorchester des BR – das wär’ schon was.
Robert Braunmüller | 27.04.2015