Das Rheingold
Donald Runnicles | ||||||
Orchester des Deutschen Oper Berlin | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Wotan | Derek Welton |
Donner | Joel Allison |
Froh | Attilio Glaser |
Loge | Thomas Blondelle |
Fasolt | Andrew Harris |
Fafner | Tobias Kehrer |
Alberich | Markus Brück |
Mime | Ya-Chung Huang |
Fricka | Annika Schlicht |
Freia | Flurina Stucki |
Erda | Judit Kutasi |
Woglinde | Valeriia Savinskaia |
Wellgunde | Arianna Manganello |
Floßhilde | Karis Tucker |
An dieser Stelle werden nur einige Momente der Aufführung beschrieben. Die Inszenierung als Ganze wird eingehender in einer abschließenden Bewertung des gesamten neuen Berliner Rings besprochen werden. Die Bühne ist offen, als die Zuschauer ihre Plätze einnehmen, und sobald eine Gruppe mit Koffern die Bühne betritt, kehrt Ruhe ein. Das Orchester beginnt mit dem Vorspiel. Die Gruppe Statisten, die sich häufig auf der Bühne aufhalten, plazieren ihre Koffer unter einem Flügel in der Bühnenmitte und ziehen sich bis auf die Unterwäsche aus, während die Rheintöchter, die sich unter den Reisenden oder Flüchtenden befinden, zu singen beginnen. Alberich ist ebenfalls Teil der Gruppe. Er schminkt sich eine Clownsmaske bevor er seinen ersten Einsatz hat. Die Statisten haben mehrere Funktionen. Entweder sie verdoppeln den gesungenen Textinhalt pantomimisch oder sie werden zur szenischen Dekoration und deuten etwa die Wogen des Rheins an. Die Götter und Riesen sind Karikaturen. Freia hat zwei riesige goldene Äpfel vor der Brust hängen, Donner und Froh sehen wie zwei Tanzmusiker in weiß aus. Sie alle agieren übertrieben und ironisch. Mime sieht aus wie Richard Wagner und schmiedet seinem Bruder Alberich einen Helm, mit dem der, den Hitlergruß entbietend, Nibelheim kurzerhand in eine faschistische Diktatur verwandelt. Loge hat große Ähnlichkeit mit Gustaf Gründgens (Mephisto), spielt aber wesentlich holzschnittartiger. Wotan und Fricka versuchen seriös zu wirken, was bei den zahlreichen selbstironischen Scherzen – Erda ist die Souffleuse, die den Göttern die Ring-Handlung erklärt, Wotan steigt ihr anschließend in Unterwäsche nach – nicht gerade einfach ist.
Sänger und Orchester
Sir Donald Runnicles läßt es eher leise angehen. Die Klänge aus dem Orchester sind immer rund und durchgestaltet, die Akzente – also in erster Linie die Orchesterzwischenspiele – werden klar gesetzt und den Wünschen der Sänger wird entsprochen. Mitunter wird das Tempo daher schnell angezogen, wenn ein Sänger davonzueilen droht. Vielleicht könnte man an einigen Stellen etwas mehr riskieren und die Kräfte dieses großbesetzen Klangkörpers entfesseln auf die Gefahr hin, daß er etwas roher klingen dürfte. Wie auch immer, das Orchester stellt die solide musikalische Basis dieses Abends dar, während die sängerischen Leistungen ein wenig heterogen waren. Beginnen wir mit den geglückten Leistungen dieses Abends: Derek Walton (Wotan) spielt und singt seine Rolle, so ihn die Regie denn läßt, ruhig und würdevoll. Seine Stimme und Aussprache passen ausgezeichnet dazu. Thomas Blondelle (Loge) hat die vielleicht dankbarste Partie im Rheingold. Seine Aussprache und Mimik sind überaus deutlich, seine Körpersprache einheitlich diabolisch und sehr beweglich, seine Stimme trägt gut. Allerdings hat er wie alle Darsteller so viele Aktionen auszuführen, daß er vor lauter Agieren mit dem Text durcheinanderkommt. Das geschieht auch anderen Sängern an diesem Abend!
Die beiden Sänger der Riesen, Andrew Harris (Fasolt) und Tobias Kehrer (Fafner), sehen aus wie Landstreicher in skandinavischen Kinderfilmen. Aber sie verfügen beide über eine voluminöse Baßstimme. Sie haben eine wohltuend klare Diktion. Letzteres läßt sich auch über Annika Schlicht (Fricka) und auch Flurina Stucki (Freia) sagen, die die wenigen kantablen Partien im Rheingold schön und ausgewogen vortragen.
Ya-Chung Huang sang sehr gut, hatte aber durch seine steife Wagnermaske keine Möglichkeit, seine Rolle als Mime irgendwie mimisch zu gestalten. Überraschend fielen an diesem Abend mehrere Textschwächen auf, u.a. bei Markus Brück (Alberich) und Joel Allison (Donner). Brück kann durchaus laute, wohlklingende Töne produzieren, wozu diese Partie allerdings nicht angetan ist. Hier käme es auf eine sprecherische Gestaltung der Vokallinien an; vielleicht würde sich hier eher ein gellender denn ein heiserer Ton anbieten, den er mitunter anschlägt. Seinen Text hat man nicht sonderlich gut verstanden. Auch an der Aussprache der Rheintöchter wäre noch etwas zu verbessern.
Fazit
Mit der ersten vollständigen Aufführung des neuen Berliner Ring – die Produktionen der Walküre (s. OPERAPOINT 28.09.2020) und der Götterdämmerung (s. OPERAPOINT 21.10.2021) haben wir bereits besprochen – werden sich einige szenische Zusammenhänge zwischen den vier Teilen vielleicht klären – oder auch nicht. Die Rolle der Komparsen bleibt nach wie vor im Dunkeln. Handelt es sich um Emigranten, um Flüchtlinge oder um Menschen, die deportiert werden? Warum befinden sich Alberich und die Rheintöchter unter ihnen? Wie auch immer, sämtliche Akteure, einschließlich der stummen Partien, spielen ihre Rollen mit Hingabe. Die Inszenierung ist vom Bühnenbild her sehr abwechslungsreich wie es sich für den Vorabend der Tetralogie mit seinen ständigen Schauplatzwechseln auch gehört. Die szenischen Aktionen halten durchweg ein hohes Tempo. Anders gesagt: Die Angst der Regie vor szenischem Stillstand ist mit Händen zu greifen. Ständig wird zu einer Orchesterpassage getanzt, der Flügel traktiert, übertrieben gestikuliert oder die Rheingold-Partitur herumgereicht. Dieses Spiel mit zahlreichen Metaebenen und die ruhelose Personenregie ist der Verständlichkeit der Inszenierung nicht gerade zuträglich. Sie macht es auch den Sängern schwer, eine Rolle zusammenhängend zu gestalten und selbst der Orchestervortrag scheint, zumindest in der Wahrnehmung aus dem Zuschauerraum, an der hyperaktiven Regie zu leiden. Zu vieles ist wie in einem Trickfilm oder im alten Vaudevilletheater musikalisch-szenisch exakt zu koordinieren, zu viele szenische Einfälle stören die Entwicklung einer musikalischen oder erzählerischen Linie. Das Publikum hatte seine Freude an den guten sängerischen Leistungen an diesem Abend. Bei einigen Aktionen auf der Bühne war aber ein berechtigtes Stöhnen aus dem Zuschauerraum zu vernehmen.
Dr. Martin Knust | 9. November 2021
A production by Stefan Herheim (2021)
This recording is part of a complete Ring cycle.