Das Rheingold
Michael Güttler | ||||||
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Wotan | Michael Volle |
Donner | Joachim Goltz |
Froh | Jussi Myllys |
Loge | Thomas Blondelle |
Fasolt | Timo Riihonen |
Fafner | Young Doo Park |
Alberich | Thomas de Vries |
Mime | Paul Kaufmann |
Fricka | Katrin Wundsam |
Freia | Betsy Horne |
Erda | Helena Köhne |
Woglinde | Anastasiya Taratorkina |
Wellgunde | Fleuranne Brockway |
Floßhilde | Louise Fenbury |
Die Rheingold-Verhandlungen finden am Lagerfeuer in der Wüste statt
Zu Ostern gibt Wiesbaden das zweite Mal in dieser Saison den „Ring des Nibelungen“ in Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg aus 2016/17.
Am Pult steht Michael Güttler, der insgesamt sein Orchester sicher durch den Abend führt und den Sängern recht subtil ihre Einsätze anzeigt, die das meist gar nicht nötig haben, so souverän beherrscht jede/r seine Rolle.
Das ist sehr angenehm, es gibt keine Unsicherheiten und die Sänger und Sängerinnen sind gut besetzt. Zwei stechen hervor, und zwar zunächst der Kammersänger Thomas de Vries als Alberich, der stimmlich besonders in der ersten Szene überzeugt, auch sein Spiel passt wunderbar zu der Figur, und irgendwie schafft er es, dass man in dieser Szene Mitleid mit ihm hat. Er wirkt sehr naiv und lässt die Rheintöchter eher schuldig erscheinen. Ach, hätten sie ihn doch gleich an sich herangelassen!
Zurecht erhielt de Vries viel Applaus, nur übertroffen von Thomas Blondelle, der als Loge förmlich bejubelt wurde. Herrlich, wie er seine Rolle gestaltete! Seine Stimme setzte er variierend ein, je nach Loges Laune. Blondelle kann sich auch sehr leise Töne leisten und sogar zum Sprechgesang übergehen, er kann bewusst unschöne Töne produzieren, aber auch zum großen gesanglichen Bogen und Schöngesang ausholen. Es war eine Freude, Blondelle zu erleben, vor allem auch sein Spiel, wenn er nicht gerade im Einsatz war.
Die Regie hat den Loge gut passend zu Wagners Vorlage in Szene gesetzt, hat er doch im „Rheingold“ als einziger den Durchblick, was wirklich geschieht, nur kann er es nicht ändern, weil nicht er, sondern Wotan die Macht hat.
Wotan, gesungen von Simon Bailey, war nicht ganz so stark wie seine Kollegen Blondelle und de Vries, ebenso wie die anderen Sänger. Als Freia sprang Astrid Kessler ein, die ihre Rolle gut gestaltete und überzeugend sang. Beim Riesen-Brüderpaar überzeugte insbesondere Timo Riihonen als Fasolt in Szene 2; sehr gut, wie er seine Stellen mit Inbrunst füllte, ist es doch Fasolt, der verliebt ist. Young Doo Park kam dagegen als Fafner passenderweise kalt herüber. Paul Kaufmann spielte und sang den Mime gut, Aaran Cawley (Froh) und Birger Radde (Donner) waren stimmlich nicht ganz so durchschlagend.
Helena Köhne sang die Erda sehr gut, ebenso Katrin Wundsam die Fricka. Bei den Rheintöchtern gab es ein leichtes Gefälle: Am besten gefiel mir Anastasiya Taratorkina als Woglinde, gefolgt von Fleuranne Brockway als Wellgunde und Louise Fenbury als Flosshilde, die etwas zu wenig Substanz hatte.
Laufenbergs „Rheingold“ überzeugt, er lässt die Handlung im Großen und Ganzen wie bei Wagner stehen, nur ändert er das Setting.
In Szene 2 befinden wir uns im Nomadenzelt. Der Wunsch nach einer festen Wohnung, nach Sesshaftigkeit, einem gesicherten Leben wird verständlich. Wenn der Vorhang hinten in Szene 4 aufreißt und das Riesenportal zu Walhall passend zu Donners Hammerschlägen freigibt, ist das ein recht überwältigender Augenblick. Loges Feuer hatte zuvor die Götter veranlasst, sich um jenes zusammenzusetzen und zu beraten, so wie man es von Abenden in der Wüste kennt.
Doch auffällig ist, dass die Frauen nicht dabei sind, was ebenfalls zu einer Verortung in arabischen Wüstenwelten passt. Sie werden von den wichtigen Verhandlungen ausgeschlossen und Fricka singt in dem Zusammenhang auch: „Doch mutig entferntet ihr Männer die Frauen“ – wie passend.
Da nimmt das Unheil seinen Lauf. Die Göttin der Liebe wird verschachert. Sie wird zum Auslösen später in das verhängnisvolle Gold eingekleidet, quasi als Bauchtanzkostüm. Schön, dass gezeigt wird, wie Freia sich zu Fasolt hingezogen fühlt und seinen Tod betrauert. Erda tritt als Schamanin auf, die Runen wirft. Die Inszenierung überzeugt, sie verfremdet nicht, sondern erklärt. Auch die Kostüme waren dem Thema entsprechend angepasst und unterstrichen das Machtgehabe der Männer. Interessant, dass die Rheintöchter dieselben sind wie die Nornen, die hier zusammen mit Erda auftreten.
Insgesamt war es eine Aufführung mit einer sehr schlüssigen und anregenden Inszenierung auf einem guten musikalischen Niveau, wozu auch das Orchester beitrug, das nur selten zu laut spielte, ansonsten aber einen schönen „Rheingold“-Klang hervorzauberte.
Bianca Maria Gerlich | 29 März 2024
Start zum letztmaligen Durchlauf des „Rings“ – mit Michael Volle
Das Hessische Staatstheater Wiesbaden eröffnete am 25. Mai mit Richard Wagners „Das Rheingold“ einen letztmaligen Durchlauf seines „Ring des Nibelungen“. Unter der Regie des scheidenden Intendanten Uwe–Eric Laufenberg präsentierte sich die Inszenierung als solides Erzähltheater, das auch Neulingen im „Ring“-Kosmos einen einfachen Zugang ermöglichte. Laufenberg bot dem Publikum eine reichlich konventionelle, dennoch gefällige Darstellung. Die Bühnenbildgestaltung von Gisbert Jäkel fügte sich harmonisch in diese Erzählweise ein und schuf eine Atmosphäre, die die epische Natur von Wagners Werk unterstrich. Die Kostüme verliehen den Charakteren eine eigenwillige Note, indem Wotan und sein Gefolge als Edel-Beduinen mit Turbanen dargestellt wurden, während die Riesen elegante Kleidung im muselmanischen Stil trugen. Visuell ansprechend zeigte sich die Inszenierung, wenn auch nicht immer gelungen in der Personenführung. Mancher Auftritt, wie z.B. jener von Erda, geriet so beiläufig, dass dieser eine unbeabsichtigt komische Note bekam. So betritt die Urmutter in Ulrica-Gestalt flotten Schrittes die Bühne von der Seite, als habe sie ihre Einkaufstasche vergessen. Wotans Einzug in Walhall wird durch ein fortwährend arbeitendes Möbelräum-Kommando gestört, was in den Schlussmomenten alle Umzugskisten von der Bühne schafft. Unnötig und überflüssig. Eine besondere Note erhielt die Inszenierung durch die Verwendung von Videotechnik, die jedoch nicht immer eindeutig in ihrer Umsetzung war und zuweilen banal wirkte, z.B. wenn bei Alberichs Verwandlung in einen Riesenwurm Donald Trump zu sehen ist.
Bemerkenswert war die Qualität der musikalischen Einstudierung. Das gesamte Sänger-Ensemble bestach durch eine vorbildliche Textverständlichkeit und eine weit überdurchschnittliche Expressivität in der Gestaltung der vorzutragenden Worte. Dies ist selten und schon lange nicht mehr in Bayreuth anzutreffen. Somit erhielt diese Vorstellung eine besonders intensive Wirkung.
Im Mittelpunkt des Interesses stand Michael Volle als Wotan, der diesen impulsiv, mit stimmlicher Präsenz und einer Vielfalt an Nuancen gestaltete. Seine Interpretation zeugte von einer eindrucksvollen physischen Präsenz auf der Bühne. Von leisen, nachdenklichen Momenten bis hin zu kraftvollen Ausbrüchen beherrschte Volle das gesamte Spektrum der Emotionen. Seine Stimme, von einem warmen, hellen Bariton geprägt, füllte mühelos den gesamten Raum. Kritisch anzumerken bleibt, dass Volle in seinem Spiel doch sehr an seinen unvergleichlichen Hans Sachs erinnerte. Seine Körpersprache wirkte oft privat und beiläufig, wie sie für Hans Sachs adäquat erscheinen mag. Das Göttliche konnte Volle in seiner Charakterisierung nicht beglaubigen. Dies zeigte sich auch in der gesanglichen Anlage seiner Wotan-Gestaltung, die auf üppige und ausladende Legatobögen verzichtete und sich sehr auf die Klarheit der Sprache konzentrierte, was gut gelang. Allerdings sei auch hier angemerkt, dass Volles Wotan noch in der Entwicklung ist und noch nicht die gestalterische Qualität seines Hans Sachs besitzt. Deutlich in den Schatten wurde Volle von dem hervorragenden Sänger des Loge gestellt. Thomas Blondelle verkörperte einen perfekten Feuergott mit einer faszinierenden Mischung aus Schärfe und Geschmeidigkeit. Seine Stimme glänzte durch ihre Flexibilität und ihre Fähigkeit, subtilste Emotionen punktgenau auszudrücken. Blondelle brachte Loges hinterlistige Natur auf überzeugendste Weise zum Ausdruck und schuf damit eine facettenreiche und fesselnde Darstellung, die beispielhaft war. Fabelhaft war seine dynamische Bandbreite, sein Wortwitz. Eine großartige Leistung eines Wort-Ton-Akrobaten! Kammersänger Thomas de Vries begeisterte als Alberich mit einer beeindruckenden Intensität und Präsenz. Sein Gesang war von einer dunklen, bedrohlichen Qualität geprägt, die Alberichs düsteres Wesen perfekt einfing. de Vries‘ Interpretation vermittelte gut die inneren Konflikte seiner Figur. Seit der Premiere hat de Vries seinen Alberich weiterentwickelt und zeigte an diesem Abend einen deutlichen Zugewinn an textbezogener Expressivität.
Die übrigen Mitglieder des Ensembles boten ebenfalls starke Leistungen, darunter Joachim Goltz als stimmstarker Donner, Jussi Myllys als Froh und Paul Kaufmann als Mime. Besonders erwähnenswert waren die ausgezeichneten Riesen. Timo Riihonen zeigte als passionierter Fasolt eine breite Gefühlsskala und vermochte mit besonders innigen Tönen als Verliebter zu berühren. Bedrohlich und verschlagen war der Fafner von Young Doo Park. Katrin Wundsam war als Fricka szenisch sehr präsent und präsentierte dazu viel Sopranfarbe, was eher ungewöhnlich ist. Betsy Horne war eine engagierte Freia und Helena Köhne eine resolute Erda mit ihrer eindrucksvollen Alt-Stimme. Die Rheintöchter wurden sehr gut von Anastasiya Taratorkina (Woglinde), Fleuranne Brockway (Wellgunde) gesungen. Stark fiel dagegen leider Louise Fenbury (Flosshilde) ab, deren Stimme recht säuerlich und kehlig zu vernehmen war.
Michael Güttler am Pult des Hessischen Staatsorchesters führte das Ensemble zu einer ausgewogenen Interpretation von Wagners Werk. Seine klugen Akzente und schlüssigen Tempi trugen maßgeblich zur stimmigen Atmosphäre bei. Das Orchester präsentierte sich in guter Verfassung und realisierte einen transparenten Orchesterklang, der das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Güttlers Leitung war geprägt von einer feinen Abstimmung zwischen den verschiedenen Orchestergruppen und einer klaren Linie in der musikalischen Gestaltung.
Die knapp besetzten Streicher des Hessischen Staatsorchesters entfalteten eine warme und ausdrucksstarke Klangfülle, die den lyrischen Passagen des Werks eine besondere Intensität verlieh. Besonders hervorzuheben waren der Nuancenreichtum und die feine Dynamik, mit der die Streicher die emotionale Tiefe der Musik zum Ausdruck brachten. Die Blechbläser beeindruckten mit ihrem kraftvollen Spiel, das besonders in den heroischen Momenten des Stücks zur Geltung kam. Die Hörner, oft gefordert, lieferten eine gute Leistung mit ihrem kräftigen und dennoch nuancierten Klang, von kleineren Patzern abgesehen. Fein ausgewogen gefielen die Holzbläser. Gut abgestimmt mit vielerlei Farben agierte das Schlagzeug, wobei lediglich die Pauke zu zurückhaltend war. Insgesamt zeigte das Orchester unter der Leitung von Michael Güttler eine gute Beherrschung des komplexen musikalischen Materials und trug maßgeblich zur emotionalen Wirkung der Aufführung bei.
Die Inszenierung von „Das Rheingold“ bot eine solide, wenn auch nicht besonders innovative Darstellung des Wagner’schen Meisterwerks. Trotz einiger Schwächen in der Inszenierung gelang es dem Ensemble, das Publikum zu begeistern und den Auftakt zu einem vielversprechenden „Ring des Nibelungen“ zu setzen. Die visuelle Umsetzung mag nicht immer überzeugend gewesen sein, doch die herausragenden Gesangsleistungen und die mitreißende Orchesterbegleitung machten dies mehr als wett. Mit Spannung darf man nun den weiteren Verlauf des „Rings“ in Wiesbaden erwarten, in der Hoffnung auf weitere Höhepunkte. Viel Jubel.
Dirk Schauß | 26. Mai 2024
A production by Uwe Eric Laufenberg (2016, Linz 2013)
This recording is part of a complete Ring cycle.