Das Rheingold
![]() | Erik Nielsen | |||||
Orchester der Tiroler Festspiele Erl | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Wotan | Simon Bailey |
Donner | Manuel Walser |
Froh | Brian Michael Moore |
Loge | Ian Koziara |
Fasolt | Robert Pomakov |
Fafner | Anthony Robin Schneider |
Alberich | Thomas de Vries |
Mime | Peter Marsh |
Fricka | Bianca Andrew |
Freia | Elizabeth Reiter |
Erda | Zanda Švēde |
Woglinde | Ilia Staple |
Wellgunde | Karolina Makula |
Floßhilde | Katharina Magiera |
„Wandel und Wechsel liebt, wer lebt“
Kann man, muss man Wagners „Ring“ immer wieder neu deuten? Nun, jeder, der sich mit Wagners opus magnum beschäftigt, weiß, dass die Tetralogie stets zu neuen Gedanken, Assoziationen und Vergleichen (ent)führt und es eher krampfig und sichtbar bemüht endet, wenn man sich als Regisseur bemüßigt fühlt, einen völlig neuen Ansatz zu präsentieren.
Das universale Psycho-Endzeit-Drama bleibt lebendig durch die Wahrnehmung und Beleuchtung all der Feinheiten, Charakterbilder, Dialoge und seiner Tiefsinnigkeit – das ist Kammersängerin Brigitte Fassbaender mit ihrem 2021 im Nordtiroler Festspielort Erl begonnenen „Ring“ bravourös gelungen.
„Werkstatt“ steht inszenatorisch-programmatisch tatsächlich nicht nur auf den Regietüren des Bayreuther Hügels, sondern auch die Mitwirkenden in Erl haben beständig an der Produktion gearbeitet, und am 5. Juli 2024 legten Solistinnen und Solisten sowie das Orchester der Tiroler Festspiele Erl mit dem „Rheingold“ eine absolut reife Leistung ab, an der es nichts zu mäkeln gibt. Die durch das Haus bedingten Einschränkungen in den technischen Möglichkeiten werden überhaupt nicht als solche wahrgenommen.
„Für mich ist jede Oper ein Schauspiel mit Musik“, sagte Brigitte Fassbaender im Interview mit Klassik begeistert und wer einmal mit ihr gearbeitet hat, weiß, dass sie mit dem Wort beginnt, um, davon ausgehend, die musikalische Umsetzung anzugehen.
Bei solch einem Weltentwurf faustischer Dimension wie dem „Ring des Nibelungen“ mit all seinen Bedeutungsebenen und Querverweisen ist es maßgeblich, genau hinzusehen, was gesagt wird und wie es gesagt wird bzw. wie die Musik die Worte tönt und deutet.
Gerade das „Rheingold“ ist voller Humor und Wortwitz, und selbsternannte Ruhmeshüter des „Meisters“ sind in der ganzen Rezeptionsgeschichte mit beachtlicher Ignoranz am eigentlichen augenzwinkernden Tiefsinn von Wagners Schöpfung vorbeigerauscht, wenn sie das vermeintlich deutsch-hehre Monument mit einer neuen Granit-Verblendung versahen – letzteres sei doppelbödig verstanden.
Die große Qualität der Erler Produktion liegt – unter anderem – in der aufmerksamen Behandlung des Librettos und einer hingebungsvollen Personen- und Bewegungsregie. Im ausgesprochen gut gemachten Programmheft mit zahlreichen, klug ausgewählten Texten sagt Brigitte Fassbaender, Wagner habe seinen Sängern erstmal beibringen müssen, sich natürlich zu bewegen, aber eine Musik geschrieben, „in der man eigentlich nur rumstehen oder dauerschreiten kann“. Das tut in Erl niemand und bei vielen Szenen muss man achtgeben, nichts von den Interaktionen der Personen, ihrer Mimik und scheinbar beiläufigen, aber stets inhaltsträchtigen Handlungen zu übersehen.
Eine „Männeroper“ sei das „Rheingold“, so Fassbaender, und in der Tat haben die Damen entweder wenig zu melden oder nur kurze Auftritte, wobei alle Sängerinnen und Sänger durchweg auch stimmlich restlos überzeugen. Freia (Elizabeth Reiter), bekanntermaßen Opfer eines unbedachten Männer-Handels unter Anführung eines letztlich unfähigen Wotan (Simon Bailey), wird hier sogar von den eigenen Brüdern angegrabbelt, bis Fricka (Bianca Andrew) dem albernen Schwächling Froh (Brian Michael Moore) einen Klaps auf den Hinterkopf gibt. Dieser Froh mit seinen zu bunten Dandy-Klamotten erinnert ein bisschen an Lars Eidinger in „Babylon Berlin“, was ihn noch unseriöser macht.
Unseriös – das ist in der Tat fast die ganze Götter-Gesellschaft; auch Donner (Manuel Walser) ist mehr Macker als Macher und protzt gleich mit zwei Hämmern. Das entspricht Wotans Speersammlung – für jede ach, so wichtige Angelegenheit hat er einen eigenen. Seine Yoga-Meditation zu Beginn wirkt auch eher aufgesetzt – Tiefenentspannung wird ihm nur das eigene Ende bringen. „Wandel und Wechsel liebt, wer lebt“, weiß er und so wird der Wechsel von der Kontrolle zur Machtabgabe ihn schließlich erlösen.
Die Riesen Fasolt (Robert Pomakow) und Fafner (Anthony Robin Schneider) sind eher Scheinriesen, wie man sie aus Michael Endes „Jim Knopf“ kennt, denn Plateausohlen und große Hüte machen eben noch keine Titanen. Riesig sind nur ihre Schatten.
Auch bei den Rheintöchtern (Ilia Staple, Karolina Makuła und Katharina Magiera) weiß man nicht so genau, ob sie Fisch sind oder Fleisch, denn nach dem Ablegen ihrer schwarzen Perücken wirken sie unverführerisch und – für Alberich (Thomas de Vries) ohnehin unverführbar. Man hat schon fast Mitleid mit dem üblen Zwerg, auch wenn er seinen Bruder Mime (Peter Marsh) aufs Blut quält. Fauler Zauber macht aus dem Schatten einer Theater-Kobramaske einen Riesenwurm, die Götter können nur darüber lachen. Lachend – so erlebt man die Hauptfigur dieses „Rheingolds“, den stets dominanten, schwefelgelb gewandeten, am Hals flammend-zackig tätowierten Loge (Ian Koziara) – die Oper hätte in Erl auch „Loges großer Tag“ heißen können. Seine Mimik, Gestik und all die Späße, die sich der unangreifbare Außenseiter erlaubt, sind großartig durchkomponiert und umgesetzt.
Wirkliche Respektsperson ist eigentlich nur Erda (Zanda Švēde), die als Grande Dame auf die minimalistische, auf das Wesentliche fokussierende Bühne von Kaspar Glarner einherschreitet. Die Video-Projektionen dienen stets nur der Handlung und der Stimmung – eine geniale Idee vom Gesamtkunstwerk ist das Alpenpanorama in den Walhall-Szenen. So entsteht eine Brücke zum grandiosen Außen, das die Festspielbesucher auf dem Vorplatz überwältigt, und es macht klar: das alles passiert hier und jetzt, allein Menschen sind es, die sich korrumpieren lassen und die Menschheitsdämmerung ist in Sichtweite, wenn wir einfach so weitermachen.
Es sind diese mannigfaltigen kleinen Einfälle, die diese Produktion so sehenswert machen, etwa wenn Alberich das Gold – es ist das Tafelgeschirr der neckischen Nicker – als das zu begreifen beginnt, was es ist, in einen der Teller beißt und zwei Servierglocken exakt dann zusammenschlägt, wenn das Becken aus dem hinter der Bühne, von einer Gazewand stets ahnbar verborgenen Orchester, schallt.
Dieser Klangkörper pflegt einen eher leichten Wagnerklang ohne pathetische Wucht, Erik Nielsen berücksichtigt in seinem Dirigat auch die eher verhaltenen Töne, was die Vielschichtigkeit des Librettos hervorhebt.
Damit geht man in dieser Produktion in gewissem Maße lässig um; zwar wird der gesamte Text in durchweg großartiger und verständlicher Diktion von allen Sängerinnen und Sängern wiedergegeben, aber es gibt Einsprengsel, etwa, wenn die Rheintöchter bei der Verhöhnung Alberichs ihr „Wagalaweia“ zum Spottgesang machen und ihm das scheinbar noch nicht verlockende Gold vorhalten, bevor er sich mal die Gießermarken besieht, um den Wert zu begreifen.
Loge beantwortet Donners Klage um seine schwindende Kraft mit einem gespielt bedauerndem „Ooooooh“ und Frohs Bemerkung, ihm stocke das Herz, mit spöttischem “bumbumbumbum“. Mehr davon wäre zuviel gewesen, so aber begreift man das Wesen Loges als „Trickster“, eines Wesens zwischen den Welten, das in den Mythologien der Welt die scheinbar festgefügte Ordnung der Götter stört oder, wie hier, auch Lösungen bringt, wo der starre Geist sie nicht zu suchen vermag.
Ein letzter Spaß dessen, der auch mal einen Klumpen des Nibelungenhorts in der eigenen Sakkotasche verschwinden lässt, ist, dass er den klagenden Reintöchtern am Ende den kargen Rest des einstigen Reichtums in die trauliche Tiefe wirft – es ist ein goldener Löffel.
Für Monty Python-Kenner ist das ein geistreiches Zitat, denn im „Leben des Brian“ ist das einzige, was eine ganze römische Kohorte des mächtigen Imperiums in der geheimen Zentrale der revolutionären „Volksfront von Judäa“ anstatt des gesuchten Aufrührers findet, ein Löffel. Den geben sowohl die Römer als Weltmacht am Ende ab, wie die Götter des so stolzen Walhall. „Ihrem Ende eilen sie zu, die so stark im Bestehen sich wähnen“ – das gilt für alle Machthaber der Welt, die falsch und feig ihre Diktaturen stärken. So ist der Ring hier auch kein Reif, sondern der Schlagring eines schurkenhaften Bandenbosses.
Die Parabel geht auf in Erl und ein entflammtes Publikum feiert den Vorabend der Tetralogie mit begeistertem Applaus. „Weißt du, wie das wird?“ – mit Spannung wird der Fortgang erwartet.
Dr. Andreas Ströbl | 6. Juli 2024
Mit der fantastischen, fein durchdachten Inszenierung des fulminanten „Ring des Nibelungen“, getragen von der exzeptionellen Personenführung, krönt Kammersängerin Brigitte Fassbaender ihre Riesenkarriere, die sie von der Sängerin von Weltrang zur herausragenden Intendantin und schließlich zur grandiosen Regisseurin eindrucksvoll geführt hat! Zum Abschluss der Intendanz von Bernd Loebe, der weiterhin als Intendant der Oper Frankfurt, die er nunmehr seit 22 Jahren äußerst erfolgreich leitet, in der Musikwelt präsent bleiben wird, werden zwei „Ring“- Zyklen im Passionsspielhaus Erl gegeben. Natürlich werden während der Sommerfestspiele in Erl auch wunderbare Konzerte und die Oper „Mazeppa“ von Peter I. Tschaikowski aufgeführt, um neben dem genialen Werk von Richard Wagner auch ein weites Spektrum für jeden Musikgeschmack – auf qualitativ hohem Niveau – anzubieten.
Bis in die kleinsten Details durchdacht fesselte „Das Rheingold“. Die verführerischen Rheintöchter, die sich ihrer Haare entledigen und plötzlich mit Glatzen ihr Spiel mit Alberich treiben. Der listige Loge, auffallend und herausstechend im kakigelben Anzug, der die bereits etwas maroden Götter mit seinem raffinierten Intrigenspiel gehörig aus der Fassung zu bringen vermag. Herrlich, dieses bunt gemischte Götterhäuflein mit dem rothaarigen Froh, dem „wichtigen“ Donner, der am Ende seiner Arie mit seinen Waffen sogar einen bestens inszenierten „Kurzschluss“ mit Feuer zu erzeugen vermag, die zickige Fricka, die ängstliche Freia und Wotan, der beharrlich versucht, sich seine Macht zu erhalten. Brigitte Fassbaender hat an alles gedacht, um die Geschichte und den Kampf um das Rheingold plastisch darzustellen und mit ihrem regielichen Ideenreichtum auch eine humorvolle Komponente in ihre Inszenierung einzubringen.
Gemeinsam mit ihrem Team, Kaspar Glarner (Bühnenbild & Kostüme), Uta Baatz (Kostümmitarbeit), Jan Hartmann (Licht), Bibi Abel (Video) erzeugt sie eine faszinierende, packende Geschichte des genialen Werks, in dem musikalisch bereits jedes Detail vorgegeben ist. Die Regie muss es nur werkgetreu nacherzählen, sowie es Brigitte Fassbaender in ihrer herausragenden Inszenierung bewerkstelligt hat.
Besonders hervorzuheben sind noch die beeindruckenden Videoprojektionen, die, konform mit der Musik, eine ungemein mystische Wirkung erzeugen und die Naturgewalten, wie das Wasser, den Himmel, den Wald und das Feuer überaus wirkungsvoll in Szene setzen.
Musikalisch lässt dieses überragende „Rheingold“ in Erl keine Wünsche offen. Das hervorragende und sehr gut zu hörende Orchester der Tiroler Festspiele Erl, das im Passionsspielhaus hinter der Bühne postiert ist und durch einen Vorhang nur schemenhaft zu sehen ist, begleitet, mit warmem, fein differenziertem Klang, das Wagner‘sche Oeuvre bestens umsetzend, die ausgezeichneten Sänger:innen, die über vor der Bühne angebrachte Monitore mit dem Dirigenten und dem Orchester in Kontakt stehen. Gut wahrnehmbar erfüllt jedes einzelne Instrument im Orchester, die ihm von Wagner zugedachte Aufgabe, die dem „Rheingold“ eine besondere Lebendigkeit, Raffinesse und beachtlichen Humor verleiht.
Erik Nielsen führt sicher, feinfühlig und stupend den umfangreichen Orchesterapparat und stellt für die Sänger:innen einen wunderbaren Begleiter dar. Nie aufdringlich oder zu laut, sondern mit der genau richtigen Klangdosierung und Präsenz, steht das Orchester in Erl stets, im besten Sinne, im Mittelpunkt des Geschehens.
Profiliert und persönlichkeitsstark fesselt Simon Bailey als Göttervater Wotan. Mit exemplarischer Wortdeutlichkeit, wie übrigens alle Sänger:innen in Erl, mächtiger Stimme und enormer Überzeugungskraft lebt er intensiv, sowohl stimmlich als auch schauspielerisch, „seinen“ Wotan. – Listig, stets seine Intrigen spinnend und die etwas „hilflose“ Götterriege manipulierend der Loge von Ian Koziara. Überaus bühnenpräsent, stimmgewaltig und beweglich der herausragende Alberich von Thomas de Vries. Hervorragend Peter Marsh in der Rolle des Mime. Mit enorm fokussierter, präzise geführter Stimme und hinreißender Rollenauthentizität zieht er das Auditorium überaus gekonnt in seinen Bann. Bianca Andrew überzeugt, mit nobler Zurückhaltung und leichter Mezzostimme, als „Hüterin der Ehe“ die Göttin Fricka. Eindrucksvoll die pastose Erda „Weiche, Wotan, weiche!“, im eleganten Kostüm und in Stöckelschuhen, von Zanda Švêde. Imposant und furchterregend die beiden stimmgewaltigen Riesen, Robert Pomakov (Fasolt) und Anthony Robin Schneider (Fafner). Präsent und stimmlich einwandfrei Manuel Walser als Donner. Urkomisch im bunten Kostüm, mit roten Haaren und hellem Tenor, Brain Michael Moore in der Rolle des Froh. Stimmlich ausgezeichnet und durchschlagskräftig, sowie absolut rollendeckend, Elizabeth Reiter als Freia, Göttin der Jugend. Verführerisch, präzise und homogen die drei Rheintöchter: Illa Staple (Woglinde), Karolina Makula (Wellgunde) und Katharina Magiera (Floßhilde).
Ein grandioser Beginn der diesjährigen „Ring“- Tetralogie in Erl, der im restlos ausverkauften Passionsspielhaus wohlverdient stürmisch bejubelt wurde!
Marisa Altmann-Althausen | 07.07.2024
Behäbiger Ring-Auftakt in Erl
Die Oper “Das Rheingold” von Richard Wagner hat Freitagabend im Passionsspielhaus bei den Tiroler Festspielen Erl in der Regie von Brigitte Fassbaender und unter der musikalischen Leitung von Erik Nielsen seine Wiederaufnahme gefeiert. Der Auftakt der Ring-Tetralogie blieb sehr nahe am Wagner Libretto, Bühne und Regie setzten nur vereinzelt auf inszenatorische Zugriffe auf den Stoff. Damit einher ging aber eine zum Teil dezent comichafte Überzeichnung einzelner Figuren.
Dieses ein wenig ungewöhnliche In-Szene-Setzen – vor allem des Feuerhalbgottes Loge, der in knallig-gelbem Anzug und zum Teil mit Sonnenbrille agierte, oder von Donner als fast schon an Marvel erinnernder Charakter – konnte jedoch den eigentlichen “Stars” des Abends nicht die Show stehlen. Im Mittelpunkt der Erl-Oper standen nämlich das Orchester und dessen musikalischer Leiter Nielsen sowie die minimalistische, aber höchst effektive Bühnengestaltung von Kaspar Glarner.
Letztere setzte abermals – wie in den anderen bereits in Erl aufgeführten Ring-Opern – auf atmosphärisch dichte, aber nie effektheischende Lichteffekte und Bühnenbauten, die die eigentlich recht karge Bühne im Passionsspielhaus regelrecht verwandelten und in die jeweils zum Stoff passende Stimmung tauchten. Sie boten damit die absolut perfekte Grundlage um den “Vorabend” des Bühnenfestspiels “Der Ring des Nibelungen” zu erzählen.
Da wären etwa gewesen: Der Nibelung Alberich, der verspottet von den Rheintöchtern wutentbrannt den namensgebenden Ring aus Rheingold schmiedete, der mächtige Wotan und seine eher wortkarge Frau Fricka, die eindrucksvollen Riesen sowie eben Loge und Donner. Vornehmlich um diese Akteure entspann sich naturgemäß auch in Erl eine recht geradlinige, aber doch verzwickte Geschichte: Der mächtige und zugleich unglücksbringende Ring wechselte mehrfach den Besitzer und es gab in diesem Zusammenhang am Ende auch Todesopfer zu beklagen. Den Schlussakkord bildete der durchaus pointiert dargestellte Umzug bzw. Einzug in Walhall.
Die im Gegensatz zu den darauf folgenden Ringteilen damit nicht sonderlich komplexe Geschichte – in rund zweieinhalb pausenlosen Stunden war sie zudem beendet – ließ die Zuschauer Aspekte abseits der eigentlichen Erzählung genießen und deutlicher wahrnehmen. Vor allem das extrem geschmeidig, differenziert und zugleich zupackende und emotionale Abgründe auslotende Festspielorchester unter Nielsen fesselten unweigerlich. Auch einzelne Gesangsleistungen begeisterten, allen voran von Simon Bailey als Göttervater Wotan oder – fast ebenbürtig – Thomas de Vries als Alberich.
Insgesamt geriet der Opernabend aber doch eher behäbig, in seiner szenischen Abfolge fast schon schleppend. Die vier Szenen gerieten teilweise etwas langatmig, mehr Regieeinfälle und noch mehr Mut hinsichtlich der Ausgestaltung und Aktualisierung der Figuren hätten womöglich Abhilfe geschaffen. So gab es nach Abschluss des “Vorabends” zwar einzelne Bravo-Rufe für die Sängerinnen und Sänger, der Applaus blieb aber größtenteils ein wenig verhalten. Richtig euphorisch reagierte das Publikum im restlos ausverkauften Passionsspielhaus nur in einem Fall: Als Nielsen die Bühne betrat und sich und sein Orchester beklatschen ließ.
Markus Stegmayr/APA | 06. Juli 2024

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A production by Brigitte Fassbaender (2021)
This recording is part of a complete Ring cycle.