Rienzi
![]() | Christian Thielemann | |||||
Chor der Oper Leipzig Gewandhauorchester Leipzig | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Cola Rienzi | Robert Dean Smith |
Irene | Jennifer Wilson |
Steffano Colonna | Milcho Borovinov |
Adriano | Daniela Sindram |
Paolo Orsini | Jürgen Kurth |
Raimondo | Tuomas Pursio |
Baroncelli | Timothy Fallon |
Cecco del Vecchio | Carsten Wittmoser |
Friedensbote | Jean Broekhuizen |
Der Untergang eines Tribunen
Die Uraufführung des Rienzi am 20. Oktober 1842 am Königlichen Hoftheater in Dresden brachte für den Komponisten Richard Wagner den Durchbruch und blieb lebenslang eine der für ihn auch finanziell einträglichsten Werke. Gleich im Jahr drauf folgte mit dem Fliegenden Holländer schon sein entscheidender Schritt zu sich selbst und in die Zukunft. Den königlichen Hofkapellmeister auf Lebenszeit gab es obendrauf, was sich freilich mit seinem Ausflug auf die revolutionären Barrikaden fünf Jahre später erledigt hatte. Trotzdem wollte Wagner den Rienzi später nicht im Kanon der Werke haben, die er für sein Festspielhaus vorsah. Irgendwie war ihm das Tschingderassabum dann wohl doch peinlich.
Dass alle Festspielleitungen nach Wagner daran festhielten, liegt wohl nicht nur daran, dass seine Wünsche auf dem Grünen Hügel als sakrosankt gelten. Der Fünfteiler passt mit seinen exzessiven Grand-Opéra-Ausmaßen einfach nicht dort oben hin. Und wenn Nike Wagner jetzt (in einem Interview für die „Westfälischen Nachrichten“) dafür plädiert, die Frühwerke des Meisters, nicht wie ihre Cousinen es jetzt gemeinsam mit der Oper Leipzig gemacht haben, in der Oberfrankenhalle zu präsentieren, sondern dort oben, so ist das sicher mehr dem familieneigene Widerspruchsgeist geschuldet als wohlmeinender kluger Rat.
Sei’s drum – Rienzi hat natürlich noch ein anderes Problem. Es war Hitlers Lieblingsoper, das Schlüsselerlebnis, das ihn zum Wagnerianer machte und der Ouvertüre zu Reichsparteitags(un)ehren verhalf. Wobei man sich schon fragt, wie der Diktator sich den Untergang des Tribunen hingebogen hat (ein interessanter Essay von Hans Rudolf Vaget zu diesem Komplex findet sich im Programmheft.) Jede Aufführung des Rienzi heute ist auch ein Anspielen und ein Aninszenieren gegen diese historische Belastung, für die der Komponist nichts kann.
Christian Thielemann, der in Bayreuth diesmal nicht mit dem Festspielorchester im verdeckten Graben unsichtbar zauberte, sondern mit dem Leipziger Gewandhausorchester vor der eingebauten Bühne in Augenhöhe mit dem Publikum am Werke war, tat das seine, um gegen jeden demagogischen Pomp anzudirigieren. Was nicht heißt, dass er nicht auch mal kräftig, sinnlich zulangte oder sich vom Marschrhythmus inspirieren ließ. Jedenfalls bewies er, dass er auch mit dem zweiten sächsischen Spitzenorchester neben der Sächsischen Staatskapelle Dresden gut kann und in Sachen Wagner auch für die Frühwerke erste Wahl ist. Die Leipziger waren freilich durch ihre eigene, noch frische Rienzi-Inszenierung bestens präpariert. In Bayreuth wurde die Strichfassung verwendet, die man auch daheim (in einer anderen Inszenierung) spielt.
Das Beste, was man von Matthias von Stegemanns Inszenierung sagen kann, ist, dass sie sich nicht auf ein Historienspektakel einlässt, das uns in die Zeit des historischen Cola di Rienzo und in das Rom der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückführt. Und, dass sie auch nicht so tut, als hätte sie eine kluge Interpretation parat (wie die von Philipp Stölzl an der Deutschen Oper in Berlin). Mit ein paar Arkadenversatzstücken aus dem alten Rom, vor allem durch ein Videospiel mit architektonischen Versatzstücken der Oberfrankenhalle, die mit Ausschnitten aus Sergej Eisensteins Filmklassiker Panzerkreuzer Potemkin überblendet werden, liefert Matthias Lippert Bühnenbild- und Videobeiträge, die mehr wie illustrierende Ausreden wirken und die eher dem besonderen Aufführungsort geschuldet sind. Zusammen mit den Kostümen für den Chor, die schlicht auf die Gegenwart verweisen, bleibt das alles mehr Behauptung. Zumal der Rest, also die eigentliche Erzählung der Geschichte über die Führung der Personen, allzu sehr in der Beliebigkeit von konventionellen Operngesten stecken bleibt.
Zum besonderen Handicap wird dabei Robert Dean Smith, der als Rienzi zwar vokal durchhält, dabei aber auch erhebliche Durststrecken zu überwinden hat, vor allem aber kaum gestalterisches Charisma aufbietet. Sein Händeringen ist schon arg. Das berühmte und gefürchtete Gebet „Allmächt’ger Vater, blick herab!“ zu Beginn des fünften Aktes bewältigt Smith immerhin ohne Einbruch mit einer Mischung aus Technik, Erfahrung und Kreativität.
Jenifer Wilson als seine Schwester Irene ist zwar mit ihrer Körperfülle nicht zu übersehen (was ja per se noch kein Nachteil sein muss) und mit ihrer allzu scharfen Höhe auch nicht zu überhören, doch wenn ihr Von-der-Bühne-huschen mitunter unfreiwillig komisch wirkt, dann muss man das vor allem schon dem Regisseur anlasten. Der Lichtblick im Ensemble war einzig der in Irene Verliebte Adriano von Daniela Sindram. Für ihre warm timbrierte Stimme, ihre Eloquenz, aber auch für ihr höchst überzeugendes Hosenrollenspiel kassierte sie ganz zu Recht den größten Beifall neben Thielemann und dem Orchester. Das übrige Ensemble war solide, wobei man die extremen Temperaturen in der fremd genutzten Sporthalle mildernd in Rechnung stellen muss.
FAZIT
Unter den besonderen Bedingungen des Aufführungsortes war diese Rienzi- Produktion eine Herausforderung. Dabei bewies Christian Thielemann auch am Pult des Gewandhausorchesters sein Format als Wagnerdirigent.
Roberto Becker | Oberfrankenhalle Bayreuth 7. Juli 2013
Wagner, draußen vor der Tür
Das Hochsommer-Wetter jedenfalls passt zu Bayreuth. Jede angenehme Sommerkühle scheint im Oberfränkischen von selbst zu weichen, wenn Richard Wagner auf dem Programm steht. Diesmal, im dauerjubelnden Jahr des zweihundertsten Geburtstages des kleinen Sachsen mit der großen Wirkung, hat der alljährliche Festspielzirkus sogar noch ein Vorspiel. Allerdings nicht oben im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel, sondern unten im Ort, in der Oberfrankenhalle. Katharina Wagners „BF Medien GmbH“ und die Oper Leipzig sind nämlich auf die marketingclevere Idee gekommen, das Gebot Wagners, nur die Werke zwischen „Fliegendem Holländer“ und „Parsifal“ zu zelebrieren, nicht zu brechen, aber doch zu ergänzen. Im Festspielhaus bleibt alles beim Alten. Da wird sowieso fleißig am Castorf-Ring geschmiedet (bislang sogar ohne einen Gerüchtefunkenflug und diversen Störfeuerchen).
Doch unten im Ort, in der dafür nun wahrlich nicht besonders geeigneten Oberfrankenhalle, gibt es, sozusagen als Geburtstagsschmankerl für die hitzefeste Gemeinde, auch noch die drei sogenannten Frühwerke, also „Die Feen“, „Das Liebesverbot“ und „Rienzi“. Das in Leipzig ja auch für die Oper zuständige Gewandhausorchester hat sich auf diese Art von Sommerfrische eingelassen. Und beim „Rienzi“ den Hitzetest, zu dem diese Aufführung wurde, glänzend bestanden. Wagners amtierender Statthalter auf Erden Christian Thielemann saß am Pult und hatte, im Unterschied zum verdeckten Graben oben auf dem Hügel, dabei durchaus seine Show. Er machte aus dem chorstarken, auch mal ins melodiös Staatstragende abschwirrenden, dick aufgetragenen Pathos ein präzise präsentiertes, in den orchestralen Passagen auch mal auftrumpfendes, aber doch auf die Sänger Rücksicht nehmendes Klangereignis. Eben genau den Wagner ‚Draußen vor der Tür‘, den der Komponist selbst dann doch lieber nicht drinnen in seinem Festspielhaus und dem Kanon seiner gültigen Werke haben wollte.
Den Leipzigern nutzte hier ihr eigener Vorlauf, denn diese vernünftig gekürzte Fassung, die es mit zwei überlebensnotwendigen Durchhaltepausen auf unter vier Stunden brachte, hatte man schon am eigenen Hause in einer eigenen Inszenierung so einstudiert. Das Orchester und Thielemann konnten jedenfalls, dank der akustischen Nachrüstungen dieser Sporthalle, aber vor allem, weil sie offenbar einen Draht zueinander gefunden haben, überzeugen. Vokal freilich blieb die Sache zwiespältig – Robert Dean Smith ist in Bayreuth kein Unbekannter und schon in diversen Partien im Einsatz gewesen. In der Rolle des Volkstribunen wirkte er ständig so, als würde er an seinem Limit singen und blieb doch unter dem Optimum der Partie. Oft eng, jedenfalls nicht frei strahlend, das berühmte Gebet gegen Ende vor allem eine technische Anstrengung. Auch Jennifer Wilsons Irene war allzu angeschärft. Die beste Performance lieferte Daniela Sindram als Adriano. Die restliche Besetzung, wie etwa Jürgen Kurth als Orsini oder Toumas Pursio als Kardinal Orvieto, bewegte sich auf dem in Leipzig üblichen vokalen Niveau. Das wird man auch begutachten können, wenn Ulf Schirmer die Leipziger Feen-Produktion in der Oberfrankenhalle vorstellen wird. Allerdings nur konzertant, da sich die bilderreich üppige Inszenierung wirklich nicht auf einer provisorischen Bühne unterbringen lässt.
Für „Rienzi“ hatten Regisseur Matthias von Stegmann und Bühnenbildner Matthias Lippert hinter antikisierenden Arkadenbruchstücken bewegliche Tribünenelemente des Veranstaltungsortes nachgebaut und Videoeinspielungen integriert. Zitate aus Eisensteins Filmklassiker sind dabei mit atmosphärischem Effekt mit Variationen der Hallenarchitektur überblendet. Bei Bedarf gibt es einen Baum und eine Treppe. Thomas Kaisers Kostümierung der (Chor-)Massen verweist auf die Gegenwart. Ein Repertoire von konventionellen Operngesten ersetzt, wohl auch raumbedingt, eine echte durchgängige Personenregie. Hier jedenfalls kommt es nicht über die Qualitäten eines Openair- Spektakels hinaus. Immerhin bleibt am Ende wieder einmal das Staunen darüber, wie dicht die Entstehung des „Rienzi“ und des „Fliegenden Holländer“ zeitlich beieinander liegen. Und wie unterschiedlich die Resultate sind. Und mit seinem Kanon für Bayreuth hatte der Meister wohl Recht.
Joachim Lange | 8. Juli 2013
Warum Wagners Jugendsünden in Bayreuth keiner braucht
Auch Christian Thielemann kann da nichts retten: Zum 200. Geburtstag des Komponisten bringt Bayreuth Richard Wagner außer Konkurrenz: Über die Inszenierungen von „Rienzi“ und „Das Liebesverbot“.
Erstaunlich: Wagner klingt in Bayreuth selbst in der Sportstätte gut! Da kitzelt Christian Thielemann ganz ohne jede Festspielhaus-Aura, gut sichtbar, weil in keinem mythischen Abgrund, in der sonst Basketballspielen und Popkonzerten vorbehaltenen Oberfrankenhalle, mit dem rund und satt spielenden Leipziger Gewandhausorchester aus der „Rienzi“-Ouvertüre schmackige Marschrhythmen, martialisch schlanke Kriegshymnen und das noble Melos des Gebets-Motivs aus dem fünften Akt hervor.
Ein souveränes Meisterstück schon das, knackig, doch verhalten. Die Akustik ist so ausgeglichen, dass man natürlich auch das Weinglas gut hört, das in der ersten Reihe umfällt, als Thielemanns Mutter ihr klingelndes Handy sucht.
Man muss sich freilich erst umgewöhnen, ein neues lokales Wagner-Hören entwickeln. Denn die Halle, Teil eines ehrlichen Seventies-Konstrukts aus Festplatz, nahem Wirtschaftsgymnasium von Katharina Wagner, Eishockey-Arena und Schwimmstätte in Holzbraun, Azur und Magenta, klingt dank diskreter akustischer Optimierungen direkt und klar.
Wagners Jugendwerk – normalerweise nicht in Bayreuth
Hier bleibt nichts verschwommen und vernebelt. Wohliger Wagnerwahn wie auf dem Hügel geht anders, hier ist jeder Ton ortbar. Seltsamerweise also genau der richtige Ort für die nüchterne, auf die Kunst konzentrierte Werkstatt-Atmosphäre dieser drei, aus dem Kanon der zehn, vom Meister auf dem Hügel sanktionierten Repertoirewerke ausgeschlossenen Jugendopern, die die BF Medien als Tochter-GmbH der Festspiele (die dürften das laut Satzung gar nicht) anlässlich des 200. Wagner-Geburtstages ausrichtet.
Was freilich nur mit massiver Hilfe der Leipziger Oper gelang. So kooperierten Richard Wagners Geburtsstadt und sein Bestimmungsort auf kluge Weise. „Rienzi“, Wagners dritte Oper von 1842, wurde auf der musikalischen Grundlage einer Leipziger Spielfassung mit teilweise anderen Sängern und einer neuen Inszenierung exklusiv für Bayreuth erarbeitet.
Nach einer kleinen Zusammenfaltaktion samt drohender Klangkörperabreise dieses zweiten sächsischen Eliteorchesters, das der nunmehrige Dresdner Chef Thielemann zuletzt in grauer Kapellmeistervorzeit geleitet hatte, raufte man sich im wahrsten Wortsinn zusammen, um den musikalisch qualitätsvollen Untergang eines römischen Spätmittelalter-Demagogen zu begleiten; wobei oftmals die Ausführung über die Substanz triumphierte.
Jenseits des Grünen Hügels
Das jetzt in Bayreuth szenisch neu herausgekommene „Liebesverbot“, Wagners zweite Oper von 1836, geht in der nächsten Saison nach Leipzig, und von dort kam lediglich konzertant deren neue Produktion des Erstlings „Die Feen“, die er selbst zu Lebzeiten nie hörte. Ohne Leipzigs massive Menschen- und Materialhilfe hätten die sieben Aufführungen ein Produktionsbudget von gut zwölf Millionen Euro erfordert.
Doch auch jetzt war die Anstrengung allenthalben spürbar, parallel zu Frank Castorfs „Ring“-Endproben oben im eingerüsteten Festspielgebäude, unten in der Stadt (neben dem dafür gar nicht geeigneten Markgräflichen Barockopernhaus) ein drittes Musiktheater auf Zeit zu bespielen. Dabei hielt sich das Besucherinteresse in Grenzen. Keine der Aufführungen ist ausverkauft. Wagnerianer lieben eben doch nur, was sie kennen, außerdem rücken sie in Massen erst ab dem Traditionstermin 25. Juli in Oberfranken an.
Außerhalb des geschützten Wagner-Hügelhains – als Gralsgebiet eines Weltkulturerbes der nach wie vor sehr besonderen Art – wurde wieder klar: Bayreuth ist keine Kunstmetropole, sondern Provinz. Hier interessieren sich die Leute fürs Bürgerfest, Bayernbarden wie Willi Astor oder Hans Söllner und „Abba Fever“; selbst die Oberbürgermeisterin weilte lieber beim „Tag der Franken“ statt beim von ihr mit finanzierten Hochkulturtermin.
Vorbei an Stützstrümpfen und Weißwürsten
Also glaube jetzt noch einer der ewig hier neues, das kanonisierte Repertoire Erweiterndes, Bereicherndes Einfordernden, man könnte an diesem Ort vor nennenswertem Publikumszuspruch Meyerbeer, Peter Cornelius oder gar Stockhausen aufführen! Mit „Rienzi“ und „Liebesverbot“ war man jetzt freilich unerwartet gut bedient – vorausgesetzt, man hatte sich an den folkloreüblichen Würste- und Weißbier-Ständen draußen und den Verkaufsboxen der sponsernden Trikotage- und Stützstrumpffirmen drinnen vorbeigeschlängelt und neben der Tür „Erstickungsgefahr – Eintritt verboten“ endlich auch den Hallenzugang gefunden.
Niemand mühte sich, unausgegorene, nur für Sekunden die spätere Komponistenpranke aufscheinen lassende juvenile Opernversuchsanordnungen auf Basis der damaligen Mustertradition als Meistertücke schönzufärben. Auch setzte man sich vom hier kaum erreichbaren Perfektionsanspruch oben am Hügel mit ausgestellt armem Theater so bewusst wie geschickt ab. Doch vor allem musikalisch war das eine runde Sache.
Thielemann ließ den „Rienzi“ krachen
Christian Thielemann ließ es durchaus krachen und akustisch brennen, doch wurde gesungen, fuhr er alle Instrumentalkraft zurück. Es klang weich, sogar zart, Strukturen waren gut hörbar, die innovativen Chor- und Ensemblestellen wurden geschickt gegenüber den meist steifen, wenig eigentlichen Solonummern dieses unökonomisch die Grand Opéra noch übertreffen wollenden Musikkolosses herausgestellt.
Tönende Demagogie blieb in Hitlers Lieblingsoper diesmal ausgeblendet, genauso wie in der praktikabel dienenden Inszenierung des ehemaligen Festspielleiters Michael von Stegmann fast jede Art von Ideologie. Er und sein Bühnenbildner Matthias Lippert gruppierten die oft bewusst statischen Bilder um fahrbare zwei Reihen Kolosseum-Bögen und eine Pinie; hier erscheint erstmals der später von seinem Schöpfer nur noch als „Schreihals“ abqualifizierte Cola Rienzi zum Rom-Retten, das Hemd heraushängend, das Samtjackett über der Schulter, als Abgesandter der Toskana-Fraktion.
Und unter dem Baum singt der feinsinnig disziplinierte, zwischendurch schwächelnde Robert Dean Smith auch sein berühmtes Gebet – die zu Recht neben der in allen Diktaturen gern gespielten Potpourri-Ouvertüre einzig bekannte „Rienzi“-Nummer. Bevor es als stroboskopzuckendes Discoinferno vor zum letzten Mal das nüchterne Hallenambiente verfremdenden „Panzerkreuzer Potemkin“-Videoclips mit ihm und den Seinen unter Kapitolstrümmern zu Ende geht, und die Adeligen die Macht zurückholen.
Mit Smith sterben auch Jennifer Wilson als seine sirenenstrahlende, von der Strichfassung sträflich behandelte Schwester Irene sowie Daniela Sindram als deren intensiver Liebhaber Adriano von der falschen Familienfraktion der Colonna erstmals den Bayreuther Bühnentod.
„Das Liebesverbot“ als Karnevals-Travestie
Neben dem steifen Römerdrama setzte anderntags die Premiere der bei italienischen Buffa-Vorbildern abgeschaute, natürlich wieder zu lang und zu pompös geratene komische Oper „Das Liebesverbot“ ganz auf Wendigkeit, Jux und Travestie-Dollerei. Komödienexperte Aron Stiehl ließ sich zunächst Regiezeit, nachdem auch hier der straff markant agierende Constantin Trinks mit dem nun sehr wendigen, sämigen Gewandhausorchester in der als Karnevalsknaller jedem Kurkonzert Ehre einlegende Ouvertüre bereits sein besten Musikstück gustiös verschossen hatte.
Jürgen Kieners vergnügt klappbares Bühnenbild zeigt auf der nun vorgezogenen und verkleinerten Szenenfläche als Triptychon links Palermo als Dschungelcamp. In der Mitte steht das ihn vor lauter Aktenkisten körperlich bedrängenden Kabinett des deutschen (!) Statthalters Friedrich (nobel: Tuomas Pursio), der den Humor und die Liebe in der Stadt verbieten lässt. Rechts ist das auf ein Neonkreuz reduzierte Kloster der gegen ihn intrigierenden Isabella (großformatig, doch flexibel: Christiane Libor) lokalisiert. Und fast alle tragen sie Reptilienprint-Teile, die sicherlich einer Altkleidersammlung unter Wagnerverbandsmitgliedern entstammen.
Von Shakespeares-“Maß für Maß“-Vorlage bleibt noch weniger übrig als sonst, aber das macht nichts. Der späte Wagner ist einfach zu gut für den frühen. Also kann man die Juniorwerke künftig getrost wieder als Jugendsünden vor dem Bayreuther Burgfrieden belassen.
Manuel Brug | 10. 7. 2013