Brillanter Loriot auf Opernbühne
Der rote Teppich ist vorm Musentempel in der Bismarckstraße ausgelegt und von einem Baldachin überspannt. Wer ihn am Freitag über- und unterschreitet, hat zuvor 500 beziehungsweise 150 Mark hingeblättert, um an der 2. Festlichen Opergala zugunsten der Aids-Hilfe teilzunehmen. In der Eingangshalle liegen Mauersteine mit eingravierten Namen von Verstorbenen. Nur wenige beachten sie. Nach und nach füllt ein illustres Publikum aus Politik, Wirtschaft und Kultur hochgestimmt die Foyers der Deutschen Oper Berlin. Das glanzvolle gesellschaftliche und künstlerische Ereignis steht unter dem Motto “Tun wir Gutes und haben Freude daran”, wie Hausherr Götz Friedrich in seinen Begrüßungsworten betont. Das Orchester der Deutschen Oper ist in Großbesetzung angetreten. Unter der Leitung von Jiri Kout begleitet es “Wagners Ring an einem Abend”, eine weise und witzige konzertante Kurzversion der Tetralogie von und mit Vicco von Bülow alias Loriot. Zwei Zeittunnel-Segmente und diverse Tülltücher aus Friedrichs “Ring”-Inszenierung schaffen die passende Optik.Seinen Wagner muß kennen, wer Loriots Drei-Stunden-Konzentrat über liebende und leidende Götter und Germanenhelden so recht genießen will. Mit trockenem Humor brilliert der Spötter beim Vortrag seiner überraschenden Einsichten, anzüglichen Kommentare und zwerchfellerschütternden Pointen. Die fordern immer wieder zu Zwischenbeifall heraus. Und auch die bereitstehenden Sänger, unter ihnen Carol Yahr (Brünnhilde), Ute Walther (Fricka/Waltraute), Robert Hale (Wotan/Wanderer), James O’Neal (Siegmund) und Rene Kollo (Siegfried), können sich oftmals das Lachen nicht verkneifen, ehe sie zum vokalen und spielintensiven Höhenflug in klug ausgewählten Szenen anheben. Dazu webt und wogt das Orchester einen betörenden Klangrausch, badet genüßlich im Meer der Leitmotive. Ovationen feiern eine Loriotsche Sternstunde.”Wagnerfan werde ich trotzdem nicht”, beteuert ein Ehepaar. Wie auch immer: Es hat mit zum vorläufigen Gala-Erlös von 450 000 Mark beigetragen.
Peter Buske | 23.10.1995