Der Ring des Nibelungen

Ádám Fischer
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele
Date/Location
27 July 2001 (R), 28 July 2001 (W)
30 July 2001 (S), 1 August 2001 (G)
Festspielhaus Bayreuth
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast

Das Rheingold

Die Walküre

Siegfried

Götterdämmerung
Gallery
Reviews
Online Musik Magazin

Der Ring im zweiten Jahr = Ein Neuanfang ?

Noch mehr als in der Geschichte der Festspiele gewohnt, brachte diese erste Wiederaufnahme einschneidende Veränderungen mit sich. Überschattet wurden die Vorbereitungen vor allem vom plötzlichen Tod von Giuseppe Sinopoli (2.11.46-20.4.2001), der seit 1985 in 15 Spielzeiten mit 93 Dirigaten am grünen Hügel Festspielgeschichte geschrieben hat (Tannhäuser, Der fliegende Holländer, Parsifal, Ring 2000). Glücklicherweise fand man in Adam Fischer (GMD des Nationaltheaters Mannheim) einen geeigneten Nachfolger, der sich dieser großen und verantwortungsvollen Aufgabe stellte. Da sich Fischer und Sinopoli schon in ihrer Studienzeit in Budapest und Wien bei Hans Swarowski kennen gelernt hatten, war es für Adam Fischer nun eine ganz besondere Verpflichtung, diesen Bayreuther Ring zu übernehmen. Seine Interpretation überzeugte vor allem durch seine Geschlossenheit und den großen Bogen, der von den ersten Klängen aus der Tiefe des Rheins bis zum finalen Schlussakkord der Götterdämmerung reichte. Er gab sowohl dem Orchester wie auch den Sängern Gelegenheit, sich möglichst frei zu entfalten, wobei es ihm vor allem darum ging, die Solisten feinfühlig zu begleiten, ohne den Orchesterklang auszudünnen. Dass es ihm in der Götterdämmerung nicht durchgängig so ideal gelang, nahmen ihm einige Zeitgenossen übel. Ansonsten konnte er mit dem Festspielorchester, das weitestgehend wieder eine überragende Leistung bot, einen großen Erfolg verbuchen. Sehr positiv fielen auch die von Eberhard Friedrich einstudierten “Mannenchöre” in der Götterdämmerung auf, die dynamisch abgestuft (ungleich feiner als sonst üblich) erklangen, ohne insgesamt an Wucht und Kraft einzubüßen.

Auch bei den Sängern dominierten hauptsächlich positive Eindrücke. In erster Linie war es Luana DeVol, die als “neue” Brünnhilde über weite Strecken diesen Ring prägte. Zwar entspricht ihr eher “mütterliches” Erscheinungsbild – man würde sie eher für Wotans große Schwester als für dessen wilde Tochter halten – nicht unbedingt der Idealvorstellung einer Brünnhilde (vor allem in der Walküre), aber ihre stimmlichen Qualitäten und die musikalisch Gestaltung an den drei Abenden (Walküre, Siegfried und Götterdämmerung) ließen die optischen Defizite schnell vergessen.

Der Idealvorstellung eines Siegfried entspricht Christian Franz nahezu vollkommen (auch von der Statur her). Sein kräftiger und tragfähiger Tenor überzeugte auf der ganzen Linie, was ihn – im Gegensatz zu Wolfgang Schmidt, der in der Götterdämmerung nicht ganz so gefiel – zum Lieblingssiegfried des Publikums machte. Damit hat er sein Debüt in Bayreuth mit Bravour bestanden. Den Erfolg, den er dieses Jahr bei den beiden zyklischen Aufführungen des Ring in Münster hatte, konnte er nun mit diesen (drei) Siegfried-Aufführungen krönen (seine Partnerin in Münster, Evelyn Herlizius, muss sich noch bis zum nächsten Jahr gedulden, wo sie dann auch die Brünnhilden in Bayreuth übernehmen soll).

Für eine Sternstunde sorgte auch das mit Violeta Urmana und Robert Dean Smith ebenfalls neubesetzte Wälsungenpaar Siegmund und Sieglinde, die beide wesentlich “leichtere” Stimmen aufweisen als Waltraud Meier und Placido Domingo im Vorjahr. Sie ließen das Wälsungenglück im ersten Aufzug der Walküre für jeden hörbar erblühen und wurden vom Publikum ebenfalls frenetisch gefeiert. Wenn sich Robert Dean Smith weiterhin so vorteilhaft entwickelt wie bisher, dürfte er mit Violeta Urmana, die schon alles besitzt, was eine herausragende Sängerin ausmacht, ein neues Wälsungentraumpaar bilden.

Ganz erstaunlich und überragend war die Wiederkehr von Graham Clark auf die Bühne des Festspielhauses. Sein Loge war herrlich verschlagen und gewitzt, was nicht nur in seinem Spiel, sondern auch stimmlich zum Ausdruck kam. Noch eine Spur derber fiel sein Mime im Siegfried aus. Wer sich allerdings alleine auf die von Wagner geschriebenen Noten versteifte, wurde schnell eines Besseren belehrt. So viele Unter- und Zwischentöne hat man wohl selten gehört. Was er aus dieser Partie machte, ist schon ein Kabinettstück besonderen Ranges. Er war damit in diesem Jahr eine große Bereicherung für das Ring-Ensemble. Ein Bayreuthneuling, der auf sich Aufmerksam machte, war Britta Stallmeister als blitzsauber und verständlich singender Waldvogel.

Während die Rheintöchter Dorothee Jansen (Woglinde), Natascha Petrinsky (Wellgunde) und Laura Nykänen (Flosshilde) ein sehr ansehnliches (abgesehen von der 1. Szene des 3. Aufzuges der Götterdämmerung) und stimmlich präsentes Terzett bildeten, ließ die Homogenität der drei Nornen (Mette Ejsing, Irmgard Vilsmaier und Judit Nemeth) und der Walküren (Irmgard Vilsmaier, Irene Theorin, Judit Nemeth, Elena Zhidkova, Ricarda Merbeth, Lioba Braun, Annette Jahns und Yumi Koyama) vor allem in der Artikulation bzw. Deklamation doch einiges zu Wünschen übrig. Da hat man selbst in “Provinz-Ringen” schon ausgewogenere Ensembles gehört.

Wie schon im letzten Jahr war John Tomlinson als Hagen wieder eine der herausragendsten Erscheinungen im Ring. Allein seine Bühnenpräsenz und sein Charisma machen ihn zu einem dominierenden Sängerdarsteller, der die Szene beherrscht. Günter von Kannen als sein “Bühnenvater” Alberich stand ihm allerdings in (fast) nichts nach. Dagegen hatte es Alan Titus als Wotan nicht leicht, sich zu profilieren. Von der Regie schon ohnehin nicht als große Persönlichkeit gezeichnet, schien er auch stimmlich nicht immer auf der Höhe. Im dritten Aufzug des Siegfried sang schließlich Hartmut Welker (der Telramund im diesjährigen Lohengrin) die Partie von der Seite aus, während Alan Titus die ohnehin schon blasse Szene mit Erda (nicht besonders eindrucksvoll von Mette Ejsing gesungen) mimte. Das gleiche Schicksal ereilte auch Lioba Brown in der Götterdämmerung, in der sie als Waltraute – in der ebenfalls ziemlich “sterilen” Szene mit Brünnhilde – stimmlich von Judith Nemeth sekundiert wurde. Von dieser war allerdings (zumindest auf der linkes Seite des Parketts) leider nicht viel zu verstehen, was vermutlich daran lag, dass sie zu weit auf der Seite postiert war.

Eine grandiose Partie lieferte dieses Jahr wieder Birgit Remmert als Fricka ab. Nicht nur stimmlich, sondern vor allem darstellerisch und als Charakter war sie Wotan stets weit überlegen, sodass ihr der Erfolg beim Intervenieren in der Sache Hunding-Siegmund schon von vornherein sicher war.

Gerade dieser Disput zwischen Wotan und Fricka ist eine Meisterleistung der Personenführung von Jürgen Flimm. Leider können nicht alle Szenen dieses hohe Niveau halten, obwohl zahlreiche Szenen in diesem Jahr überarbeitet worden sind. Dazu gehörte auch der erste Aufzug des Siegfried, der durch die Meisterleitung von Graham Clark zu einem Höhepunkt des Zyklus geriet. Aber nicht nur Jürgen Flimm hat große Teile seiner Regie geändert (vor allem im Siegfried und der Götterdämmerung), sondern auch Erich Wonder hat noch einmal Hand angelegt und nicht nur Details verändert, sondern auch ganze Bilder neu entworfen (z.B. die Halle der Gibichungen im 2. Aufzug der Götterdämmerung und den kompletten Schluss).

Aber gerade die Bühnenbilder von Erich Wonder gaben auch dieses Jahr wieder zahlreiche Ansatzpunkte zur Diskussion. Der über weiteste Strecken bis ins kleinste Detail verwirklichte “Realismus” bricht sich nicht nur merkwürdig am sich schließenden “Walkürenfelsen” und dem symbolischen Farbspiel beim “verweigerten” Feuerzauber, sondern vor allem am – zum Ende des Ring hin sich verstärkenden – ständigen Kombinieren von Dekorationsteilen und Hintergrundprospekten aus zuvor gesehenen Bildern (Hundings Hütte und Bestandteile derselben, Fafners “Baustelle” mit Rollstuhl, etc.). Letztendlich rätselt man so lange daran, was diese Kombinationen alles bedeuten sollen, dass man die Protagonisten fast völlig aus dem Auge verliert.

Während die Musiker ihre “Hausaufgaben” größtenteils vorbildlich gemacht haben, bleibt dem Regieteam noch eine Menge Arbeit, um aus ihren – wissenschaftlich begleiteten – Ideen ein geschlossenes Ganzes zu hervorzubringen. Es gibt also noch viel zu tun in der Ring-Werkstatt!

Gerhard Menzel

Rating
(6/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
PO
Technical Specifications
256 kbit/s CBR, 44.1 kHz, 1.7 GByte (MP3)
Remarks
Broadcasts from the Bayreuth festival
A production by Jürgen Flimm (2000)