Der Ring des Nibelungen
Im Frühjahr kam es nun zu mehreren zyklischen Aufführungen der neuen „Ring“-Produktion an der Met, nachdem jahrelang erfolglos versucht worden war, die den New Yorkern so lieb gewordene und immer mehr zum Kultstatus avancierte Otto Schenk-Inszenierung aus den 1980er Jahren zu ersetzen. MET General Manager Peter Gelb hatte den völlig „Ring“-unerfahrenen kanadischen Theaterregisseur Robert Lepage und den minsbesondere in dieser Neuproduktion so wichtigen Bühnenbildner Carl Fillion mit seinem Licht-Designer Etienne Boucher (Cirque du Soleil) und drei Video-Künstlern engagiert. Die Neuinszenierung war freilich vielen europäischen Opernfreunden schon bekannt, denn die Premieren liefen im immer populärer werdenden „Live in HD“ Kino.
Allerdings musste der Rezensent feststellen, dass sowohl der optische, mehr aber noch der akustische Eindruck der Cinema-Übertragungen täuschen kann und Musiktheater wohl eben am besten so zu erleben ist, wie es von seinen Schöpfern konzipiert wurde: live, aber in einem Opernhaus!
Dabei schien sich über die vier Abende immer mehr der Eindruck zu erhärten, dass die mittlerweile schon berühmte „machine“ (Lepage ist Leiter der 1993 von ihm gegründeten Theaterkompanie Ex Machina…) von Carl Fillion mit ihren 24 riesigen rotierenden Planken nicht zuletzt (auch) für ein Kino-Publikum entworfen wurde.
Sie wiegt 45 Tonnen und soll etwa $16 Millionen gekostet haben, wobei der neue MET-„Ring“ freilich weit hinter den Kosten der Achim Freyer Produktion in Los Angeles 2010 bleibt. Lepage legte offenbar besonderes Augenmerk auf klare Linien mit wenigen szenischen Details auf hohem Abstraktionsgrad. Die sich bisweilen wirkungsmächtig um eine Achse wie eine Kurbelwelle drehenden, aufsplittenden und dabei ebenso stimmungsvoll wie szenengerecht von den Video-Künstlern Boris Firquet („Das Rheingold“, „Die Walküre“), Pedro Pires („Siegfried“), und Lionel Arnould („Götterdämmerung“) bespielten Planken bilden den großen beweglichen Rahmen für und um das Geschehen. Diese Optik ist oft imposant und lässt dem Publikum ein gewisses Maß an freier Assoziation, wenngleich das Regieteam offensichtlich versuchte, die Regieanweisungen Richard Wagners so weit wie möglich szenisch und optisch umzusetzen.
Am eindrucksvollsten gelang der Einsatz der machine im „Rheingold“. Naturalistisch elegant in anmutigen Kostümen (Francois St-Aubin, der aber auch einige Kostüm-Flops hinlegte) schweben die Rheintöchter im bläulichen Schein des Rheins über den Planken, die sich langsam zum Flussgrund absenken und die Spielfläche bilden. Traumhaft wirken die Bilder, wenn Wotan und Loge bei offener Bühne nach Nibelheim absteigen und später wieder in die Oberwelt gelangen. Die Planken scheinen dabei wie eine bewegliche Treppe im dunklen Raum zu schweben. Der Birkenwald, der zu Beginn der „Walküre“ aus den Planken entsteht, und in dem Siegmund vor seinen Verfolgern im Schneegestöber flieht, bis er sich langsam zu Hundings Hütte verdichtet, ist ein optischer Weitwurf, auch an technischer Präzision. Der Feuerzauber gewinnt durch die sich sanft bewegenden und feurig bebilderten Planken mit einer schließlich vertikal auf dem Felsen hängenden Stunt-Brünnhilde eine zusätzliche optische Dimension. Die urmythische Darstellung des Waldes mit allerhand kriechendem (Un)-Getier auf dem Waldboden führt stimmungsgerecht in den „Siegfried“ ein und erinnert an die Ästhetik von Christoph Schlingensief, der allerdings eher als Antipode zu diesem gefälligen Regiekonzept zu sehen wäre.
Die Nornenszene gelingt spannend mit der langsam sich zu einer Art Weltesche entwickelnden Verbindung der Planken mit dem Nornenseil, welches schließlich mit ihrer brachialen Rotationsgewalt von der Bühne gefegt wird. Einen bleibenden Eindruck hinterlassen auch der sich nach Siegfrieds Tod rot verfärbende Rheinfall und der schließlich wieder langsam wogende Strom im tiefen Naturblau des Finales der „Götterdämmerung“. Einige interessante neue Ideen sind erwähnenswert, standen dramaturgisch aber etwas zusammenhanglos neben den ansonsten allzu wörtlich und bisweilen gar peinlich akribisch umgesetzten Regieanweisungen Wagners. Dazu zählt, dass Mime während des Vorspiels zu „Siegfried“ die sterbende Sieglinde von ihrem Baby entbindet und triumphierend davon läuft, das heranwachsende Kind kurz darauf mit ihm durch den Wald läuft, und dass der Wanderer im Dialog mit Erda aus seinem Speer eine Art Papyrus-Rolle entfaltet. In der Tat ein sehr schöner Einfall, der symbolisch die ganze Geschichte des Gottes offen sichtbar darlegt, damit seine völlige emotionale Entblößung vor der Urmutter unterstreicht und gleichzeitig das Ende seiner Macht dokumentiert – denn er ist nun am Ende der Rolle angekommen. Es bleibt ihm nur noch ein dünner Schaft als Speer, den Siegfried umso leichter durchschlägt.
Diese bühnentechnische Konstruktion lässt sich aber offenbar, und zumal wenn man die Regieanweisungen Wagners allzu ernst nimmt, nicht immer wirkungsgerecht umsetzen. Da kommt es zu skurrilen Details, wo sich der stets megaloman wirkende Planken-Rahmen mit dem Mikrokosmos des „Ring“ stößt und die Gesamtoptik signifikant an Wirkung verliert. Hierzu zählen unter anderem die Abläufe in der Hundinghütte mit einem banalen Tischensemble halb hinter der Vorderbühne verdeckt, sodass man die Protagonisten nur ab den Knien sieht – und ein wie wild fressender Hausherr. Wenig überzeugend ist weiterhin, wenn die Walküren bei ihrem Ritt auf die Planken, die nun offenbar Pferde darstellen sollen, einpeitschen. Nun wissen wir aber wenigstens, wo Andreas Kriegenburg bei seiner „Walküre“ in München diese dort ebenso entbehrliche Idee her hat. Die total traditionelle Schmiede im „Siegfried“ mit einem Blasebalg wie zu Zeiten der UA 1876 wirkt im Planken-Ambiente ebenso deplaziert wie die Kräuter, die unkrautartig in den Spalten wachsen und Mimes Kochmaterial bereichern. Es bleibt auch unerklärlich, warum Siegfried mit einem Holzschwert zurecht kommen muss, zumal er kurz zuvor noch Mime vorwarf: Mit Bappe back´ ich kein Schwert… Der „Drache“, der tatsächlich eine (Luft-Schlange ist, aber eher wie ein Stofftier aus dem Kinderzimmer wirkt und zudem – ungewollt- klappernde Zähne offenbart, mutet wie eine Parodie an. Was hätten die so begabten Videokünstler sich da mit ihren Lichtphantasien alles auf und mit den Planken einfallen lassen können! In den Gibichungen-Szenen der „Götterdämmerung“ geht das im Prinzip phantasiereiche Wirkungspotenzial der Planken weitgehend verloren, weil sie sich zu einer Holzfläche verdichten, die nicht nur den Charme eines Öko-Fertighauses ausstrahlt, sondern auch noch die Spielfläche auf ein paar Meter Bühnentiefe einengt… Bedenklich ist auch das optisch misslungene Ende der Götter im Finale, deren Gipsfiguren nach und nach die Köpfe verlieren – die Reißleinen sind schon im 2. Aufzug sichtbar.
Was aber am stärksten wiegt bei der letztlich nicht überzeugenden Wirkung dieses Bühnenbildkonzepts – denn um ein Regiekonzept handelt es sich dabei nicht – ist die Tatsache, dass die ständigen Aktivitäten der Planken von der Musik ablenken bzw. durch ihre optische Verselbstständigung den Kontakt zu ihr verlieren. Außerdem knackt es immer noch zu oft im Gebälk, wenngleich wohl viel weniger als noch in den Premieren. Die finale TÜV-Prüfung durch Loge (Kein Stein wankt im Gestemm!) steht wohl noch aus… Das alles wäre noch zu verkraften, wenn Lepage nicht die gerade bei einem so sehr auf Technik setzenden Bühnenbildkonzept zwingend erforderliche Personenregie vergessen hätte. Im Prinzip machte jeder Sänger und jede Sängerin, was er oder sie wollte. Die Qualität des zu Sehenden hing dann von der individuellen Erfahrung und – nicht zuletzt auch intellektuellen – Durchdringung der jeweiligen Rolle ab. Damit war es nicht bei allen weit her. Personenregie zählt ganz offenbar also nicht zu den Stärken des Regisseurs. Manchmal fragte man sich gar, ob Lepage und sein Dramaturg Neilson Vignola den „Ring“ wirklich gut genug kennen, um ihn an einem so exponierten Ort in einer so exponierenden Weise überzeugend zeigen zu können.
Sängerisch stand leider auch nicht alles zum Besten. Natürlich war die große Frage, wie Bryn Terfel alle drei Wotane, und das gleich in drei Zyklen hintereinander in nur einem Monat, meistern würde. Er machte es gut, meist äußerst souverän, und brachte mit seinem doch eher dem italienischen Fach verpflichteten Timbre schöne Piani und ein bemerkenswertes Legato in die Partien ein, was man so selten hört. Er hat natürlich auch die Höhen. Folgerichtig bekam er auch den weitaus größten Applaus. Es fehlt der Stimme jedoch etwas an Tiefe, und in der „Walküre“ merkte man seiner Technik
einen gewissen Kraftaufwand an, der darauf schließen lässt, dass zumindest der „Walküre“-Wotan für Terfel weiterhin eine Grenzpartie ist. Bewundernswert seine erstklassige Diktion und das akzentfreie Deutsch. Zu bedauern war Terfel wegen seines bewegungseinengenden und unansehnlichen Kostüms. Er wirkte wie ein Kleiderständer behängt mit alten Lederlappen und verfing sich folgerichtig immer wieder mit dem Speer in den Verwerfungen – ein optisches Desaster!
„Ring“-Kenner wissen, dass so etwas unter allen Umständen zu verhindern ist, denn der Wotan/Wanderer verliert sofort jede Autorität, wenn er aussieht wie ein Pfau, der ein Rad schlägt.
Ein Problem hatte nun auch die Met mit ihren Brünnhilden. Mit großer Erwartung wurde angekündigt, dass Deborah Voigt in diesem Zyklus zum ersten Mal alle drei Brünnhilden singen würde. Allein, ihre Leistung in der „Walküre“ ließ nicht allzu Gutes erwarten. Im Mezzovoce fast soubrettenhaft mit schlechtem Deutsch deklamierend, verfestigte sich die Stimme schnell in der Höhe und verlor an Flexibilität und Resonanz. Nicht ganz überraschend kam dann ihre Absage zum „Siegfried“ und Katharina Dalayman sprang ein. Einmal mehr war zu erleben, dass sie mit der Brünnhilde über ihre Verhältnisse singt. Es waren die üblichen Höhenprobleme zu hören, das hohe C am Schluss sang sie erst gar nicht. Einige kräftige Buhrufe beim stets sehr sängerfreundlichen MET-Publikum waren die Folge. Voigt übernahm dann wieder die Brünnhilde in der „Götterdämmerung“. Es fand gegenüber der „Walküre“ keine stimmliche Steigerung statt. Bis auf das gelungene hohe C im Vorspiel waren die stimmlichen Grenzen in den Höhen unverkennbar, manches klang forciert und kam bisweilen gar in die Nähe des Schmerzpegels – von Wortdeutlichkeit ganz zu schweigen. Voigt agiert allerdings mit viel Charisma und guter Mimik, eine Figur, mit der man sich schnell anfreunden kann.
Stimmlich gut war Stephanie Blythe als nachdrückliche, aber immer noch liebende Fricka, wenngleich ihr gesanglicher Vortrag nicht ganz flüssig war und sie in der „Walküre“ zu stark deklamierte. Optisch und darstellerisch beeindruckte Blythe weniger – durch ihre Korpulenz sind ihre darstellerischen Mittel doch begrenzt. So sang sie in der „Walküre“ gleich sitzend von ihrem Wider-Wagen aus. Stuart Skelton, der nach dem offenbar beim Publikum auf wenig Anklang stoßenden Einspringer Frank van Aken für den absagenden Jonas Kaufmann als Siegmund eingesprungen war, „glänzte“ ebenso wie Klaus-Peter König als Hunding durch darstellerische Tatenlosigkeit und Charisma-Freiheit. Beide zeigten aber stimmlich große Wirkung. Skelton sang den Siegmund mit einem kräftigen und sicher geführten, klangvollen Tenor mit schöner baritonaler Tönung und sehr guter Höhe – seine Wälse-Rufe waren enorm. Gleichwohl strahlte er durch eine fast reglose Körperhaltung, die an einen in den Seilen hängenden Fallschirmspringer erinnert, eine gerade dieser Rolle so abträgliche Langeweile aus. Von ihm ging kaum ein emotionaler Funke aus. Im Zeitalter der Sängerdarsteller erscheint das einfach zu wenig. Allein die gute Eva-Maria Westbroek brachte mit ihrer Weltklasse-Sieglinde etwas Leben in den ansonsten relativ spannungslosen 1. Aufzug der „Walküre“, und das will was heißen! Ein langweiligerer Hagen, trotz seiner wahrlich imposanten Stimme, als König ist wohl zur Zeit nicht zu erleben. Seine Passivität auf der Bühne kommt fast schon einer schauspielerischen Arbeitsverweigerung gleich. Wenn man da nur an John Tomlinson, oder die derzeit (noch) agierenden Eric Halvarsson und Matti Salminen denkt… Als Fafner in seinem fülligen vorsintflutlichen Kostüm war es noch zu ertragen. Franz-Josef Selig sang einen betont guten auf die lyrische Note achtenden Fasolt. Richard Paul Fink hat viel von seiner stimmlichen Alberich-Qualität eingebüsst. Sein immer noch kräftiger Bassbariton klingt verhärtet, fast klanglos und gar abgesungen. Noch in Los Angeles 2010 hatte er als Alberich sehr beeindruckt. Dwayne Croft als Donner und Adam Riegel als Froh wussten zu überzeugen. Eine positive Überraschung waren der Loge von Adam Klein mit einem klangvollen, kräftigen Tenor, sowie der Mime von Robert Brubaker mit einem fast heldischen und höhensicheren Timbre, das aber noch zu wenig Tiefe hat und nicht immer ganz intonationssicher klingt.
Wirklich total begeistern konnte wieder einmal Stephen Gould als „Siegfried“. Mit welcher stimmlichen und darstellerischen Intensität er diese größte Tenor-Partie im Wagner-Fach meistert, ist nahezu vorbildlich und derzeit einzigartig. Nicht einen Moment wird da ans Sparen gedacht, immer alles gegeben und das noch tenoral glänzend bei bestem Klangvolumen und totaler Wortdeutlichkeit. Sein Legato im 3. Aufzug „Siegfried“ nach zwei mörderischen Aufzügen zuvor, klang immer noch wie an einem Liederabend. Er spielte die Rolle emphatisch mit seiner ganzen Energie – und die ist groß. Dieser Sänger ist ein Glücksfall für die Wagner-Bühne! Man muss sich fragen, warum Gould nicht wieder den Siegfried in Bayreuth singt und sollte an dem Grund arbeiten, wie immer er auch sei. In den 1960/70er Jahren sangen in Bayreuth doch auch immer jahrelang die Besten ihres Fachs…
Ian Paterson und Wendy Bryn-Harmer gaben ein darstellerisch gutes Gibichungen-Paar. Patersen empfahl sich mit seinem hoch liegenden Bassbariton zumindest schon als „Rheingold“-Wotan. Bryn-Harmer sang auch die Freia, ebenso wie die Gutrune, mit einer etwa zu unruhigen Stimme. Karen Cargill war mit ihrer zu gutturalen Tonfärbung eine nicht ganz überzeugende Waltraute. Äußerst erfreuliche Leistungen brachten die drei Nornen, Maria Radner (1. Norn), Elizabeth Bishop (mit kleinen Abstrichen als 2. Norn) und Heidi Melton (3. Norn), die nur zwei Wochen später als Sieglinde an der Deutschen Oper Berlin ihre jugendlich dramatischen Qualitäten bewies. Das exzellente, äußerst homogen singende und agierende Rheintöchter-Terzett mit Erin Morley (Woglinde), die auch den gut intonierenden Waldvogel zwitscherte, Jennifer Johnson Cano (Wellgunde) und Tamara Mumford (Flosshilde) steckte auch in der „Götterdämmerung“ in ebenso fantasie- wie geschmackvollen Kostümen.
Patricia Bardon war eine junge und ebenso attraktive wie anziehend wirkende Erda mit einem melodischen Mezzo, der aber auf Meineid… Höhenprobleme offenbarte. Das Walküren-Oktett war in seiner stimmlichen Qualität recht durchwachsen mit Kelly Cae Hogan (Gerhilde), Molly Fillmore (Helmwige), Marjorie Elino Dix (Waltraute), Mary Philips (Schwertleite), Wendy Bryn-Harmer (Ortlinde), Eve Gigliotti (Siegrune), Mary Ann McCormick (Grimgerde) und Lindsay Ammann (Rossweiße). Hervorzuheben ist, dass die MET offenbar eine sehr gute Nachwuchspolitik betreibt. Viele der Nebenrollen waren mit Graduierten des Lindemann Young Artists Development Program besetzt, und nahezu alle konnten überzeugen. Der Chor unter der Leitung von Donald Palumbo sang stimmstark und engagiert, war aber schwach bis gar nicht choreografiert. Eine so chaotische Mannenchor-Szene hat der Rezensent noch nie erlebt.
Principal Conductor Fabio Luisi dirigierte „Das Rheingold“ und „Die Walküre“ und konnte mit einer spannungslosen und wenig Akzente setzenden Interpretation nicht an die großen „Ring“-Abende unter MET-Musikdirektor James Levine anschließen, der hier weiterhin sehr beliebt ist. Es war bisweilen kaum etwas zu hören, und das im mittleren Parkett. Ganz sicher dirigierte Luisi sehr sängerfreundlich. Schon das tiefgründige „Rheingold“-Vorspiel klang etwas flach, das Vorspiel zur „Walküre“ dramatisch kaum zwingend. Die so bedeutsamen Orchesterzwischenspiele und das mit hohlem Pathos auftrumpfende Finale des „Rheingold“ ließen es an Dramatik und Ausdruckskraft fehlen. Der von Fronarbeit und Nibelungenangst getriebene Abstieg nach Nibelheim erklang zu unengagiert. Luisi konnte auch die Spannungslosigkeit auf der Bühne im 1. Aufzug der „Walküre“ musikalisch nicht auflockern, gerade hier wäre es erforderlich gewesen. Ferner gab es im „Rheingold“ Schmisse im Blech, wo man sie sonst selten hört. Das änderte sich alles schlagartig mit dem „Siegfried“, den planmäßig Derrick Inouye dirigierte. Er holte endlich das Wagnersche Klangvolumen und musikalische Flair aus dem Metropolitan Opera Orchestra heraus, die dem Ensemble mit seiner langen Wagner-Erfahrung eigen sind. Es klang alles wie verwandelt, und Inouye bekam auch starken Auftrittsapplaus. Es wirkte wie eine Befreiung… John Keenan dirigierte dann planmäßig die „Götterdämmerung“ und konnte nicht ganz an die hohe musikalische Qualität anschließen, die Derrick Inouye im „Siegfried“ erreicht hatte. Wenngleich der große Bogen stimmte und auch einige Szenen sowie die Orchesterzwischenspiele eindrucksvoll musiziert wurden, entstanden Längen, insbesondere in der Szene Siegfrieds bei den Gibichungen im 1. Aufzug. Sie wurden durch die mangelhafte Personenregie Robert Lepages weiter verschärft.
„Revolutionär“, wie Peter Gelb ihn zunächst bezeichnete, ist dieser neue New Yorker „Ring“ sicher nicht, aber das musste er ja auch gar nicht sein. Er ist allenfalls spektakulär unkonventionell in seiner optischen Aufmachung und Technik. Er leidet wie andere Inszenierungen, die in ähnlichem Ausmaß auf den Primat der Technik setzten (so auch der Londoner Peter Hall-„Ring“ an Covent Garden) an deren Inkompatibilität mit dem Wagnerschen Mikrokosmos. Was fehlt und diesen „Ring“ doch noch zu einem Erfolg für die MET machen könnte, wäre eine ausgefeilte und dramaturgisch intensive Personenregie sowie eine völlige szenische Umarbeitung einiger Stellen und eine Aktualisierung der Kostüme. Work in progress ist keine Schande und war einmal das Markenzeichnung des Erfolgs von Neu-Bayreuth, wo man es „Werkstätte“ nannte – leider heute kaum noch gepflegt. Vielleicht sollten sich Lepage und Vignola bei Patrice Chéreau, Harry Kupfer, Anthony Pilavachi oder Viesturs Kairiss beraten oder einen von ihnen gleich mit einer entsprechenden Überarbeitung beauftragen.
Dann könnte der neue MET-„Ring“ doch noch ein großer Wurf werden. Dieser Vorschlag hat freilich etwas Utopisches an sich. Aber wie sagte es der Kulturminister von Kap Verde im vergangenen April in der nationalen Wochenzeitung A Nação (Die Nation) so schön: „A megalomania é um sonho … e a utopia é a realidade dos ousados“ – „Die Megalomanie ist ein Traum … und die Utopie ist die Realität der Wagemutigen“…
Klaus Billand | DER RING DES NIBELUNGEN – 5.-12.5.2012
Lepage `Ring’ comes full cycle at Met
In the end, it’s all about The Machine.
And that’s the fundamental flaw in Robert Lepage’s staging of Wagner’s “Ring” cycle, which is closing out the Metropolitan Opera’s season with three complete performances.
By now even many people who don’t follow opera have heard about the $16 million high-tech set Lepage devised for the production: a 45-ton contraption consisting of 24 movable metal planks which, aided by computerized projections, can look like a forest one moment and a mountaintop the next.
Watching the four operas piecemeal as they were assembled over the past 19 months, this reviewer was enchanted by some of the effects Lepage has conjured up: the Rhinemaidens dangling forlornly high atop the set after Alberich steals their gold; the planks twisting themselves into a giant staircase on which Wotan and Loge descend to Nibelheim; the 3-D forest bird flying through the trees and even perching on Siegfried’s lap.
Those and other dazzling moments are still there. But seen over the span of just eight days in a cycle that ended Thursday night, the production comes across as less than the sum of its parts. That’s because Lepage has failed to dig beneath the surface of Wagner’s epic tale of greed, betrayal, love and redemption. With no coherent vision of what the “Ring” might have to say to a modern audience, the production becomes an arid exercise in mechanics.
It’s heavy lifting with no heart; spectacle with no soul.
The redeeming aspect of this “Ring” is the musical performance, which meets the highest standards. All the leading roles were in strong hands: Bryn Terfel was a tower of vocal strength and dramatic presence as Wotan; his fellow bass-baritone Eric Owens brought Wotan’s nemesis Alberich to life with searing vocalism; mezzo-soprano Stephanie Blythe sang with her usual sumptuous power as Wotan’s wife, Fricka; the stentorian bass Hans-Peter Koenig stood out in three different roles, most notably as the villainous Hagen; Katarina Dalayman (sharing the role with Deborah Voigt) was a compelling Bruennhilde, though high notes at times forced her into a piercing shriek.
Fabio Luisi led the orchestra in an account of the score that, if not the last word in sweep and majesty, maintained elegance, transparency and brisk pacing.
Because this is the Met’s first new “Ring” in more than 20 years and the highest-profile undertaking since Peter Gelb became general manager in 2006, the production has been closely scrutinized by critics, and many have been harsh. None more so than Alex Ross, who wrote in The New Yorker magazine: “Pounds for pound, ton for ton, it is the most witless and wasteful production in modern operatic history.”
Earlier this week, The News York Times disclosed that publicly funded classical radio station WQXR had pulled a blog posting that criticized the production following a complaint from Gelb. Laura Walker, president and chief executive of WQXR’s parent, New York Public Radio, told the Times that the post “wasn’t up to our high standards” and was already under review when she heard from Gelb.
In another unusual move, the Met took out a full-page ad in last Sunday’s Times filled not with the customary blurbs from critics but with quotes from ordinary music lovers who had written their views about the production – pro and con – on Facebook, Twitter and other social media sites.
All the fuss seems certain to help keep controversy brewing over this “Ring,” which runs for one more cycle this season and will be back in the spring of 2013 for three more. Also, an HD presentation of all four operas will encore in movie theaters beginning May 9.
Meanwhile, here’s a brief night-by-night rundown of the second cycle:
DAS RHEINGOLD:
-Substituting on short notice for the wonderful character tenor Stefan Margita in the role of Loge, Adam Klein made a strong impression, once past a tentative start possibly caused by the staging, which requires him to repeatedly walk backward uphill.
-The malfunctions that plagued the production previously were mostly gone, but not entirely. In the final scene, the hammock in which the giants place Freia while gold is piled on top of her didn’t descend smoothly, and soprano Wendy Bryn Harmer was visibly uncomfortable until it settled down. This is one of Lepage’s lamer ideas, anyway, since the audience can plainly see Freia even when she is supposed to be completely covered by the gold.
DIE WALKUERE:
-In another last-minute casting switch, the Met brought in Dutch tenor Frank van Aken for the unenviable task of subbing for the ailing Jonas Kaufmann as Siegmund. Van Aken, who is married to soprano Eva-Maria Westbroek, was in town to watch her perform the role of Sieglinde. It had the makings of a great story, but sadly van Aken’s singing was underpowered and he came close to cracking several times. By contrast, Westbroek, whose own debut a year ago was marred by illness, sounded wonderful, her warm, vibrant soprano flooding the auditorium, especially on the long-held phrases of “O herhstes Wunder!”
-Early in Act 2, Wotan’s spear rolled off the mountainside and fell to the apron, coming to rest just a few feet from the orchestra pit. Terfel discreetly reclaimed it without missing a beat.
SIEGFRIED:
-In the marathon title role, tenor Jay Hunter Morris paced himself so well that he actually sounded stronger as the night progressed. His disarming portrayal made this young superhero seem less oafish than usual, too. As Mime, the conniving dwarf who has raised Siegfried, tenor Gerhard Siegel sang and twitched his way through the role in high style.
GOETTERDAEMMERUNG:
-Another late substitution, this time for Owens, who canceled because of a sore throat. Richard Paul Fink took over in fine form as Alberich, who appears in a dream to his sleeping son, Hagen.
-In the final moments of the cycle, the drama is undercut in part by the silly mechanical horse Bruennhilde must ride into Siegfried’s funeral pyre. The destruction of Valhalla is depicted through plaster statues of five gods. Their heads no longer explode – an effect that drew laughter earlier in the season; now they just crumble to pieces.
It’s an underwhelming conclusion for a project that was launched amid such great hope and excitement. Bruennhilde’s selfless sacrifice may save the world, but this production now seems beyond redemption.
MIKE SILVERMAN | May 4, 2012