Siegfried
Franz Welser-Möst | ||||||
Orchester der Wiener Staatsoper | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Siegfried | Stephen Gould |
Mime | Herwig Pecoraro |
Wotan | Juha Uusitalo |
Alberich | Tomasz Konieczny | Fafner | Ain Anger |
Erda | Anna Larsson |
Brünnhilde | Nina Stemme |
Waldvogel | Ileana Tonca |
Doch kein Easy-Rider
Zwischen Stadt-Marathon und Rapid-Meisterfeier hatte die Siegfried-Premiere an der Staatsoper einen guten Stand: der kraftlackelnde Naturbursche wäre möglicherweise bei beiden Veranstaltungen nicht Fehl am Platz gewesen…
Eine zufällige Überschneidung zwischen sogenannter Populär- und Hoch-Kultur gab es auch in der ersten Pause von Wagners Tenor-Marathon, als hundert rapidgrüngeschmückte Bikes vor der Oper die Lungen des illustren, auf der Opernterrasse flanierenden Publikums mit blauen Auspuffwolken benebelten: ein vielversprechendes Warmup für Fafners sehrendem Odem mit einem furchterregenden Motorengebrumm untermalt, das der schmatzenden Genussfreudigkeit eines hungrigen Riesenwurms um nichts nachstand. Doch zu solch symbolträchtigen Verlinkungen gab sich Sven-Eric Bechtolf auch bei seinem zweiten „Ring-Abend“ nicht her: der Drache – der riesengroß projizierte Ausschnitt eines Echsenauges – war im Vergleich zur donnernden, titelfeiernden Easy Rider-Prozession vor dem „Haus am Ring“ ziemlich steril geraten und Siegfrieds Bühnenkampf mutierte zum harmlosen weißen Comic-Männchen im schwarzen Pupillenrund …
Nun ist der „Ring“ als Gesamtkomplex betrachtet äußerst heterogen und zwingt viel zusammen, was meist nebeneinander steht: Sozialkritik, anarchistische Schwärmerei, Geschichtsphilosphie, moralische Implikationen, eine mit Fortschreiten der Handlung zunehmende psychologische Ausdifferenzierung der Personen und eine starke Naturmystik, die die Handlung durchwebt und beharrlichen Kontrast zu den wechselnden göttlichen und menschlichen Schicksalen bietet. Insofern ist es kein Fehler, wenn Bechtolf im Programmheft zur Aufführung auf die Inkohärenz dieses Riesenwerks verweist. Doch fragwürdig wird es, wenn er meint – Zitat: „Allem und jedem versuchen wir, hermeneutisch plappernd, eine Antwort abzupressen.“
Dass Bechtolf einer politischen Deutung aus dem Wege gehen möchte, ist ihm nicht vorzuwerfen – aber was setzt er an deren Stelle? Meidet er nicht genauso den Blick auf die visionäre Weitläufigkeit von Wagners Konzeption, die Zeiten und Landschaften durchmisst, die die Schauplätze zu einer psychologisch-symbolischen Topographie des Geschehens macht? Lässt er sich wirklich auf die psychologischen Konflikte der handelnden Figuren ein? Scheint er sich nicht viel mehr von Szene zu Szene vorwärtszubewegen und einen Bilderbogen zu präsentieren, bei dem die einzelnen Blätter nur sehr lose aneinanderhängen? „Es bedarf“, so Bechtolf „bei dieser äußersten Komplexität der Vorlage, einer vorsätzlichen Naivität in der Ausführung.“
Aber wie vermöchte man auf das, was Bechtolf hier vorgestellt hat, kritisch zu antworten, ohne in „hermeneutisches Plappern“ zu verfallen? Insofern muss man das, was an diesem Abend auf der Staatsopernbühne zu sehen war, selbst für die Erklärung nehmen – und da fand ich mich rasch in eine freundliche Plauderei verstrickt, in der am Großbügerkamin quasi Bechtolf Junior seine nicht immer ganz provokationsfreie, aber doch launige Fassung der „Siegfried“-Geschichte zum Besten gab. Ob das, was da erzählt wurde, immer Sinn machte, darf bezweifelt werden. Aber das scheint auch nicht so sehr die Absicht gewesen zu sein.
Aus diesem verneinenden Blick auf den Gesamtzusammenhang resultieren jedenfalls eine Reihe von Irritationen, die für sich allein betrachtet nicht weiter tragisch, gebündelt aber doch einen eher fragwürdigen Eindruck hinterlassen. Mime eine wohlaufgeräumte Schmiedemanufaktur als Wohnung hinzustellen, erscheint schon ein wenig hochstaplerisch – aber vielleicht wird hier Mimes Hochstapelei in Sachen Weltherrschaft persifliert, das wäre eine Antwort. Ebenso merkwürdig erscheint Wotans Bemühen, Erda aus einem Grab zu schaufeln und dann wieder mit ein paar Erdwürfen „einzubuddeln“. Dass Siegfried später Wanderer in dieser Grube ziemlich derb behandelt, schafft immerhin eine interessante Optik. Das Grab als Familiengruft und Symbol von Wotans Untergang? Das wäre sogar eine Überlegung wert…
Dass im Wald des zweiten Bildes Wild die Wände hochläuft, zeugt schon von einer sehr verqueren Phantasie und ist vielleicht als letzter Reflex auf die vom Junior ungeliebte Jagdleidenschaft eines Bechtolf‘schen Ahnen zu deuten. Manche Szenen gingen auch daneben: etwa der schwerfällige Schluss des zweiten Aufzugs, wenn Siegfried in naiver Fröhlichkeit drei oder vier Mal zurückläuft, um sein Reisegepäck aufzunehmen. Sehr seltsam auch der Brünnhilden-Kokon, aus diesem Harnisch vortäuschendem Stoffgebilde, dass Siegfried wie eine Puppenhaut Schicht um Schicht abtragen muss – dabei peinlichst bemüht, Metallschwere vorzutäuschen.
Musikalisch betonte Franz Welser-Möst die strukturelle Spannung der Partitur, nicht unbedingt die emotionale. Der erste Aufzug geriet bis zu Wanderers Erscheinen äußerst flau. Dann wurde es belebter, phasenweise wurden die SängerInnen etwas überdeckt. Schönes transparentes Musizieren wurde jedenfalls gesucht, aber nicht immer erreicht.
Eine wirklich positive Überraschung gelang Stephen Gould, der bis zum Schluss ansprechend durchhielt. Die Mittellage ging zwar in den Orchesterfluten zeitweise etwas unter, aber die Höhen waren prägnant. Vor allem hatte man bis zum Schluss nicht den Eindruck, dass er über Gebühr forcieren musste. Ein Heldentenor „klassischen“ Zuschnitts ist er nicht, als besonders charismatisch würde ich die Stimme nicht einstufen. Die Rolle schien zu seinem Naturell zu passen; ein wenig unbedarft von der europäischen Gedankenschwere. Dass Bechtolf die Zeichnung des Siegfried manchmal fast ins Klamaukhafte abdriften lässt, scheint ihn nicht gestört zu haben.
Nina Stemme hatte alle Sympathien auf ihrer Seite – trotzdem ist sie keine Hochdramatische. Das offenbarten ein paar Spitzentöne deutlich. Die Intensität ihres Wagner Gesangs reißt natürlich mit, und in der Mittellage ist sie ganz Leidenschaft. Ob sie auch wirklich „Brünnhilde“ darstellt, da muss man wieder Bechtolf fragen und Marianne Glittenberg, die ihr ein silbernes, schulterfreies Abendkleid verpasst hat. (Zumal sich die Szenerie seit der „Walküre“ ganz verändert hat, auch so eine Seltsamkeit …) Es ist zu hoffen, dass sich Stemme nicht als neues „Brünnhilden-Wunder“ opernauf, opernab verheizen lässt.
Der Mime von Herwig Pecoraro war als bewährt bekannt – und er gibt der Partie eine grelle Facette, die Mime als bösartigen Charakter herausstreicht – und weniger das mitleidheischende Zwergenhafte forciert. Verspielt ist dieser Mime überhaupt nicht – oder tolpatschig. Er ist ein verkappter Machtmensch, der seine Chance sucht. Wotan tut ganz recht, ihm die „Daumenschrauben“ anzulegen. Doch ein wenig leidet die Vielfalt des Charakters darunter – und Mimes Psychogramm verflacht dadurch.
Für den Wanderer fand Juha Uusitalo etwas angerauhte, bewusst mächtig gesetzte Töne. Die Wissenswette im ersten Aufzug zählte insgesamt zu den spannendsten Bühnenmomenten der ganzen Aufführung. Thomas Konieczny feierte ein erfolgreiches Staatsoperndebüt, nur seine Diktion wurde in den Pausengesprächen durchgehend bemängelt. Auch über die Zeichnung des Alberichs durch Bechtolf könnte man lange diskutieren. Der abgefeimte Zwerg hat einfach zu viel Angst vor Fafner. Da versagt ihm gänzlich sein „Mutterwitz“… Die Kurzauftritte von Ain Anger (Fafner), Anna Larsson (Erda) verliefen ansprechend. Ileana Tonca steuerte das Waldvögelein bei. (Die Projektion des Waldvogels war dem Flugbild nach bestenfalls eine Möwe. Ein zarter Singvogel war das nicht. Ja, wenn man schon unbedingt Videoeinspielungen machen muss, die den Charme der Multimediaindustrie vor zehn Jahren versprühen …)
Das Publikum jubelte. Für die Regie gab es neben deutlicher Zustimmung auch deutlich hörbare Buhrufe.
Dominik Troger | Wiener Staatsoper 27.4.2008
Wo Wotan dem Waldvöglein wehrt
Zukunft passiert. Und weil sie das meist technologisch tut, darf man diesen Werbespruch wohl auch auf den neuen “Siegfried” an der Staatsoper münzen: Passé Adolf Dresens Inszenierung, die noch eine Vogel-Attrappe und einen Drachen besaß, der wie eine Riesen-Roulade aussah.
In Sven-Eric Bechtolfs Update sind Wagners Waldbewohner prachtvolles Multimedia: Der Piepmatz, der Siegfried zur schlummernden Walküre tiriliert, wird ins Bühnenbild projiziert, ja, auch der Drache ist Schimäre: Fafner lugt als gallgrünes Reptil-Auge auf den Helden. Und dass der gleich in medias res geht, zeigt erneut ein Video: Man sieht eine Siegfried-Silhouette im Drachenauge kämpfen. Und zuletzt steht der Held wieder selbst da: Ein schwarzer Schatten in heroischer Haltung – vermutlich unfreiwillig wie James Bond.
Das ist einer dieser Momente, in denen der neue “Siegfried” ins Auge geht – kitschbedingt und ganz buchstäblich. Wobei man nach Genuss der letzten Szene, die im innovationsfreien Stillstand zweisamen Rampensingens gipfelt, überhaupt postulieren mag: Bechtolfs Inszenierung ist die Fortsetzung der Tradition unter Beimischung anderer Mittel – Mittel, die großteils auf Technologien beruhen, die Dresen vor Jahrzehnten noch nicht hatte.
Und diese unverbindliche Ästhetik (Bühnenbild: Rolf Glittenberg), diese zeitlosen Kostüme (Marianne Glittenberg) erinnern nicht nur an den ersten Teil von Bechtolfs “Ring des Nibelungen” aus dem Vorjahr. Diesem “Siegfried” ist ein Stilgepräge eigen, das sich in den Vorjahren an der Staatsoper gehäuft hat: Email-Inszenierungen sind es, deren Oberflächen hübsch glänzen. Und an denen sich schlecht kratzen lässt: Progressive werden mit moderner Ausstattung bedient; Konservative halten (meist) still, weil keine Neuinterpretation stattfindet. Heißt in diesen Fällen also: Oper passiert.
Der “Witz” lässt lachen
So passiert sie auch Sven-Eric Bechtolf. Aber immerhin besser als “Die Walküre”, mit der sein “Ring” anhob: Hier wie da verweigert Bechtolf einen interpretatorischen Fokus, so war die Vieldeutigkeit des Stoffs damals zu enigmatischem Stückwerk zerfallen, die Protagonistenschar in peniblen Gesten erstarrt.
Im “Siegfried” tritt letzteres erst zeitverzögert ein: Da zanken Zwerg Mime und Zögling Siegfried anfangs noch in einer Fabrikshalle – womöglich eine Anspielung auf Patrice Chéreaus Jahrhundert-Ring, jedenfalls eine gute Pointenschmiede: Herwig Pecoraro mimt den Mime hinterfotzig und kindsköpfisch, und Bechtolf lässt Wagners “Witz” ganz wörtlich Lacher folgen. Auch für Wotan, der fast seinen Speer bei Mime vergisst. Glück, dass der Göttervater ihn noch holt, denn damit verscheucht er später Siegfrieds Vogel.
Pointen also – teils aus dem Libretto, teils aus der Bruhaha-Abteilung, die den Abend würzen. Dennoch ist er nur anfangs kurzweilig, dort nämlich, wo Wagner noch mehr Konfrontation als Deklamation bietet. Der Grund der Misere ist bekannt: Weil Bechtolf einfach nacherzählt. Mag zwischendurch auch ein Riesen-Kostüm oder ein Lichtspiel (Video: fettFilm) beglücken.
Die große Stärke liegt erneut in der Musik: Wie bei der “Walküre” arbeitet Franz Welser-Möst mit analytischer Tiefenschärfe und chirurgischer Präzision. Ein Dirigat, das mitunter nur zu Lasten der klanglichen Durchschlagskraft geht – auch dadurch, dass Welser-Möst kleinere Schallaufwallungen zugunsten großer Kulminationspunkte klein hält, wie etwa bei Wotans Antworten im Ratespiel des ersten Aufzugs.
Nichtsdestotrotz: Mit was für einer feinen Nadel das Waldweben entsteht, wie grell und hager die Angst-Tremoli tönen, ja überhaupt all die leitmotivische Pointierung, die auch dann noch im Klangfluss aufzuckt, wenn sie nur Fußnoten-Charakter besitzt, das ist einfach eine Freude.
Höchst erfreulich auch die Sänger, allen voran der Wotan von Juha Uusitalo: Nach der unglücklichen “Walküren”-Premiere, bei der ihm im zweiten Aufzug die Stimme versiegte, beweist der Finne nun einen strömenden, reichen Ton, den er zu prägnantem Ausdruck verdichtet.
Und: Selbst durch eine Kutte gestraft, wie sie sich allenfalls für den üblen Imperator der Weltraum-Saga “Star Wars” schickte, kann Uusitalo noch eine beklemmende Janusköpfigkeit zwischen menschlicher Angst und göttlicher Macht aufbieten.
Kraft, fast ohne Ende
Titelheld Stephen Gould zeigt – neben einem juvenilen Heißsporn – vor allem Kraft. Und man möchte fast sagen: Kraft ohne Ende, hätte er nicht im Finale des zweiten Aufzuges merklich gewankt. Dass der Amerikaner zu innigen Lyrismen ebenso fähig ist wie zu heldischer Fülle – und zwar über mehr als fünf Stunden -, lässt manche Unsauberkeit verzeihen.
Nina Stemme, erst in der letzten Szene befasst, hat es da deutlich leichter – sie steuert eine Brünnhilde von erhabenem Timbre bei, das selbst in Dezibel-starken Momenten selten scharf tönt.
Fundiert und artikuliert arbeitet Ain Anger im Bassbereich als Fafner, Ileana Tonca zwitschert nach kleinen Misstönen doch noch ein anmutiges Waldvögelchen, Tomasz Konieczny (Alberich) und Anna Larsson (Erda) liefern bei ihren Hausdebüts souveräne Töne. Wenig Misstöne zuletzt auch aus dem Publikum – für einen “Siegfried”, der trotz seiner Zweischneidigkeit wohl konsenstauglich ist.
Christoph Irrgeher | 28.04.2008
Der Albtraum eines größenwahnsinnigen Präparators
Sven-Eric Bechtolf, der große Schauspieler, der sich hartnäckig für einen ebensolchen Regisseur hält, verachtet Werk umspannende Deutungen. Die sozialrevolutionäre “Ring”-Interpretation eines Patrice Chéreau etwa sei ihm einfach “zu schlicht”. Fürwahr, ein kühner Knabe ohne Konzept! Bechtolf will offenkundig anspruchsvoller, glaubhaft jeden Teil der Tetralogie für sich erzählen. Schade bloß, wenn die absehbaren Folgen auch wirklich eintreten. Sein “Siegfried” an der Wiener Staatsoper ist kein Lust-, eher ein szenisches Trauerspiel. Denn Bechtolf macht Wagner, was er sicher nicht beabsichtigte, bieder und klein, zuweilen spießig an der Grenze zur unfreiwilligen Komik. Eifrig unterstützt ihn dabei Bühnenbildner Rolf Glittenberg. Der erste Aufzug, Mimes Felsenhöhle, erinnert anfangs an eine bestreikte Schmiedemanufaktur, so viele unbenützte Arbeitstische stehen da herum. Doch alsbald scheint sich das Ganze in eine Fernsehküche zu verwandeln. Jung Siegfried kocht sein Schwert, bis es gar ist, nachdem er die Nothung-Splitter sorgsam durch den Fleischwolf gedreht hat, dieweilen Mime – immer wieder im Lehrbuch der letalen Cuisine nachschlagend – seinen Gifttrank braut. Derlei Firlefanz möge lieber Jamie Oliver & Co. vorbehalten bleiben. Kein Zweifel, das ist das Hauptproblem dieser Inszenierung: Dauernd muss auf der Bühne allerlei Geschäftiges los sein – tatsächlich geschieht gar nichts, weder werden Menschen noch Personenbeziehungen geformt.
Im zweiten Akt befinden wir uns im “tiefen Wald”, unschwer daran zu erkennen, dass eine Unmenge ausgestopfter Rehe, Füchse und Steinböcke an den Wänden picken: der Traum eines größenwahnsinnigen Präparators. Fafner zeigt sich in der Projektionsgestalt eines riesigen Reptilienauges. Läppisch die Kampfszene: Ein winziger Comic-Siegfried fuchtelt im Glaskörper des Drachenauges herum. Nicht allein Ärzte wissen, wie lästig “mouches volantes” sein können, tödlich sind sie indes keinesfalls. Dafür darf der leibhaftige Siegfried mit dem Waldvogel seine Tierliebe beweisen: Vergeblich versucht er den – wie heute fast stets — kaum verständlich zwitschernden Koloratursopran mit Brotkrümeln anzulocken, legt einen sogar auf seine Schulter, als stünde das obligate Taubenfoto auf dem Markusplatz bevor. Der auffälligste Regieeinfall im dritten Aufzug: Wanderer Wotan buddelt Erda aus dem Erdreich, um sie danach wieder ordnungsgerecht zu verscharren. Augenscheinlich hat Bechtolf einen Hang zur Leichenkonservierung: Auch die aus dem Schlaf geweckte Brünnhilde, in glitzernde weiße Tücher verpackt, wirkt hier wie eine Mumie. So weit zur fatalen Optik der Aufführung.
Was die Musik betrifft, zuerst die gute Nachricht. Alle Langstreckensolisten kommen mit Anstand ins Ziel. Wie mühelos produziert Stephen Gould, ein kräftiger Belcanto-Siegfried, bis zuletzt schöne Töne, die Gefühle, Gedanken, die inneren Konflikte der Figur hören wir freilich – noch – nicht. Tadellos, obwohl ein wenig forciert: die hochdramatische Brünnhilde der in dieser Rolle debütierenden Nina Stemme und der Wanderer von Juha Uusitalo, dem Pechvogel der jüngsten Wiener “Walküre”-Premiere, der dort die Stimme verlor. Herwig Pecoraros Mime, mehr Buffo- als Charaktertenor, ist ein Opfer der Regie, die ihn zum Hampelmann degradiert. Und der vom Publikum gefeierte Franz Welser-Möst? Der künftige Generalmusikdirektor des Hauses dirigiert äußerst korrekt und sängerfreundlich. Er erzeugt eine Fülle betörender, klanglich transparenter Momente im Orchestergraben, leider aber keine bewegenden, mitreißenden Spannungsbögen.
Darum sehen wir der “Götterdämmerung” und dem “Rheingold” der Staatsoper leicht skeptisch entgegen. Auf Wagner-Deutsch gesagt: mit sehrender Sorge.
Ulrich Weinzierl | 02.05.2008
A production by Sven-Eric Bechtolf (premiere)
This recording is part of a complete Ring cycle.