Siegfried

Simon Rattle
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Date/Location
3/5 February 2023
Isarphilharmonie München
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
SiegfriedSimon O’Neill
MimePeter Hoare
WotanMichael Volle
AlberichGeorg Nigl
FafnerFranz Josef Selig
ErdaGerhild Romberger
BrünnhildeAnja Kampe
WaldvogelDanae Kontora
Gallery
Reviews
onlinemerker.com

Rattles kecker „Siegfried“

Die langersehnte Fortsetzung des konzertanten Ring-Zyklus des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter der charismatischen Leitung von Sir Simon Rattle, bestehend aus „Rheingold“ (2015) und „Walküre“ (2019), ist nun mit der Aufführung von „Siegfried“ auf CD festgehalten worden. Dieser Ring-Zyklus markiert nicht nur eine künstlerische Verbindung, sondern auch den Countdown zur offiziellen Übernahme des Chefpostens von Simon Rattle beim SOdBR mit Beginn der neuen Spielzeit. Die beiden vorangegangenen Teile wurden zu großen Erfolgen, und die Erwartungen waren dementsprechend hoch – eine Erwartung, die in dieser Aufnahme eindrucksvoll erfüllt wurde.

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks beweist einmal mehr, dass es nicht nur in der Sphäre der Sinfonie, sondern einmal mehr auch im Operngenre zu begeistern vermag. Schon in den vorherigen Teilen des Ring-Zyklus wurde klar, dass das Orchester unter Rattles Führung eine außergewöhnliche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit besitzt. Diese Tradition wurde weitergeführt, und die Interpretation von „Siegfried“ zeugt von einer klanglichen Perfektion, die in dieser Form selten anzutreffen ist.

Simon O’Neill stellt als Siegfried eine kraftvolle und gleichzeitig nuancierte Darbietung vor. Dies ist bereits seine dritte Einspielung und seine Rollengestaltung ist weiter gewachsen. Seine Stimme verleiht der Titelpartie eine fesselnde Charakterisierung – von jugendlicher Naivität bis zu heldenhafter Entschlossenheit. O’Neill zeigt nicht nur stimmliche Beherrschung, sondern auch eine tiefgreifende Verbindung zur emotionalen Ebene des Charakters. Ermüdungsfrei bis zum Schluss gibt er seiner Rolle ein klares Profil.

Michael Volle, weltbekannt für seine beeindruckende stimmliche Präsenz, beglückt erneut als Wanderer. Seine Darstellung ist von einer charismatischen Intensität geprägt, die von seiner kraftvollen Stimme mühelos durch alle Register getragen wird. Seine Begegnungen mit Mime, Siegfried, Alberich und vor allem Erda erreichen in dieser Aufführung eine außergewöhnliche Dichte im Ausdruck, spannend wie ein Hörkrimi. Artikulatorisch und in der Durchdringung des Textes agiert Volle auf einem einsamen Gipfel der vokalen Meisterschaft. Jede Silbe wird genussvoll gestaltet. Michael Volle zeigt einmal mehr, warum er derzeit völlig unangefochten in seinem Fach der Doyen ist. Er ist das absolute Zentrum dieser Aufnahme!

Anja Kampe, als Brünnhilde, begeistert mit ihrer beeindruckenden Stimme, die sowohl kraftvolle Höhen als auch zarte Nuancen beherrscht. Ihre Darstellung zeigt die ganze Bandbreite der Figur, von der anfänglichen Walküre zur entflammten Geliebten, und verleiht der Partie eine besondere stimmliche Wärme. Sie ist keine Hochdramatische und bleibt im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Manch hoher Ton wird mit artikulatorischen Zugeständnissen erkämpft, was angesichts ihrer Gesamtleistung zu verschmerzen ist.

Die Sängerinnen Gerhild Romberger als Erda und Danae Kontora als Waldvogel verdienen ebenfalls Anerkennung für ihre herausragenden Leistungen. Romberger bringt mit ihrem warmen Alt herrliche vokale Bögen in die Darstellung von Erda ein. Kontora’s glasklare Stimme als Waldvogel verleiht der Szenerie eine zauberhafte Präsenz. Georg Nigl als Alberich gibt seiner Rolle ein scharfes Profil. Sein schlanker Bariton verleiht der Figur eine überraschende Facette, die Alberich schneidend und auch menschlich wirken lässt. Franz-Josef Selig als Fafner überzeugt mit seinem raumgreifenden tiefen Bass, während Peter Hoare als Mime mit seinem heldischen Einschlag und klaren Tenor beeindruckt. Er verzichtet auf jegliches Outrieren und gestaltet seinen Part rein musikalisch. Zuweilen kämpft er mit den Tücken des Textes, dennoch verfolgt der Zuhörer seinen Mime mit Kurzweil.

Die Leistung des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Sir Simon Rattle ist schlichtweg atemberaubend. Rattle versteht es, die innere Spannung der Musik einzufangen und sie mit orchestralem Glanz zu präsentieren. Die Klangstaffelung, Transparenz und der melodische Fluss werden nahtlos miteinander verbunden, was zu einem außergewöhnlichen musikalischen Erlebnis führt. Das Orchester zeigt eine erstaunliche Bandbreite von Ausdruck und Dynamik, und die Verbindung zwischen Orchester und Solisten ist von einer harmonischen Einheit geprägt. In allen Orchestergruppen sind Bestleistungen zu erleben, sodass diese Einspielung ein Orchesterfest ist.

Insgesamt präsentiert diese Gesamtaufnahme von „Siegfried“ eine gelungene Interpretation des Werks, die sowohl die stimmliche Exzellenz der Solisten als auch die orchestrale Pracht unterstreicht. Die künstlerische Leistung von Sir Simon Rattle und dem Bayerischen Rundfunks Symphonieorchester trägt dazu bei, dass diese Aufnahme zweifellos zu den markanten Wagner-Interpretationen gezählt werden kann. Eine musikalische Reise durch die „Wunderwelt“ Wagners, die fesselt und begeistert.

Die Aufnahme wurde im Februar in der neuen Isar-Philharmonie live aufgezeichnet und ist auch klanglich ein Erlebnis.

Dirk Schauß | Oktober 2023

klassik-begeistert.de

Sir Simon Rattles „Ring des Nibelungen“ geht in die dritte Runde

Als die Idee für dieses Ring-Projekt geboren wurde, war der Dirigent Simon Rattle noch nicht zum neuen Chefdirigenten des Münchner Orchesters ernannt, auch die Isarphilharmonie, ein provisorischer Konzertsaal, der den in Sanierung befindlichen Gasteig ersetzt, war noch Zukunftsmusik.

Nach einer von der Besetzung her suboptimalen Walküre steht Rattle in diesem Siegfried nun eine Riege von Spitzeninterpreten zur Verfügung. Michael Volle, derzeit praktisch der Wotan vom Dienst, liefert einen sonoren und stimmgewaltigen Wanderer ab, sein geschmeidiger Bass verfügt nicht nur über Biss, sondern auch über interessante Farben.

Mit schneidender Schärfe legt Peter Hoare den Mime an, sein kräftiger Tenor kann mit dem seines Ziehsohnes Siegfried in den gemeinsamen Szenen durchaus mithalten. Gemeinsam ist ihm und Simon O’Neill eine verbesserungswürdige Textverständlichkeit, leider ähneln sich die Stimmen auch ein wenig, was die Unterscheidung speziell im ersten Akt erschwert. Insgesamt gelingt O’Neill eine ausgezeichnete Leistung, sein Tenor, aber vor allem sein Vortrag haben durch die Corona-bedingte Zwangspause an Volumen und Format gewonnen. Franz Josef Selig stattet den Fafner mit kernigem Bass aus, das hat Kraft und Substanz. Bariton Georg Nigl liefert in seiner ersten Wagner-Partie eine interessante Charakterstudie des von Selbsthass zerfressenen Alberich, den man selten so facettenreich gehört hat.

Die griechische Sopranistin Danae Kontora kann mit frischem, glockenreinen Sopran als Waldvogel überzeugen und bildet einen schönen Kontrast zu den dominierenden Männerstimmen.

Eine Klasse für sich ist Gerhild Romberger als Erda. Romberger tritt fast ausschließlich als Konzertsängerin auf, ihr satter, voluminöser Alt strömt souverän und farbenreich, so wird die Erda zur zentralen Figur.

Der Joker der Besetzung ist allerdings Anja Kampes Brünnhilde. Kampe hat sich viel Zeit gelassen, ehe sie sich an die Brünnhilde wagte, inzwischen kann sie ihre reife und kontinuierlich gewachsene Stimme voll aufblühen lassen. Neben den sicher und klangschön gesetzten Spitzentönen besticht vor allem das fraulich warme Timbre ihres Soprans.

Simon Rattle steht mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ein durchaus Wagner-erfahrener Klangkörper zur Verfügung. Bereits Legende ist eine Gesamteinspielung des Ringes unter Bernard Haitink, Rattle hat also große Fußstapfen vor sich, die es zu füllen gilt. Sein Dirigat sorgt bei der gewaltigen Partitur für Transparenz, auch die Steigerungen im dritten Akt gelingen überzeugend und das Orchester kann seine hohe Qualität erneut unter Beweis stellen.

Das Provisorium Isarphilharmonie erweist sich ganz offensichtlich auch als Aufnahmestudio geeignet. Neugierig erwartet man bereits jetzt die Vollendung des Rattle-Ringes mit der Götterdämmerung. „Weißt Du, wie das wird?“

Peter Sommeregger | 21. September 2023

Rating
(6/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
642 kbit/s VBR, 44.1 kHz, 1.0 GByte (flac)
Remarks
Concert performance