Tannhäuser

Markus Stenz
Chor und Extrachor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln
Date/Location
18 April 2008
Oper Köln
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Hermann Reinhard Dorn
Tannhäuser Torsten Kerl
Wolfram von Eschenbach Miljenko Turk
Walther von der Vogelweide Musa Nkuna
Biterolf Timm de Jong
Heinrich der Schreiber Andrés Felipe Orozco Martinez
Reinmar von Zweter Wilfried Staber
Elisabeth Camilla Nylund
Venus Dalia Schaechter
Ein junger Hirt Julia Giebel
Gallery
Reviews
Online Musik Magazin

Besuch im modernen Opernmuseum

In der vergangenen Spielzeit war Klaus Maria Brandauers Lohengrin von der Mehrheit der Kritiker und auch der übrigen Zuschauer als altmodisch-hilfloser Besuch im Opernmuseum abgestraft worden. Jasmin Solfagharis Deutung des Tannhäuser im unspezifischen, unzählige Male an unzähligen Bühnen in dieser Art gesehenen Einheitsbühnenbild von Frank Philipp Schlößmann (eine Büroetage mit viel Glas, Stahl und schwarzem Holz, exclusivem Ledersofa – klar, es ist ja eine “teure Halle”! -, zahllosen Neonröhren) und in den schwarz-weiß-grauen Alltagskostümen von Mechthild Seipel (Ausnahmen sind die mondäne Venusrobe in wahnsinnig einfallsreichem Rot und Schwarz sowie der schwarze Ledermantel und die Springerstiefel für Biterolf – auch so etwas möchte man wirklich nicht mehr sehen) sah auf den ersten Blick moderner aus, war es aber bei genauerem Hinsehen keineswegs: Die längste Zeit des Abends ärgerte man sich über müde, hausbackene Rampensteherei und steife Standbilder und gähnte angesichts wirklich aus der Mode gekommener Regietheateringredienzien (dass Tannhäuser sein “Sei’s auch auf Tod und Untergehn” aufs Glas schreiben darf, mag als Beispiel dienen, der Umstand, dass wegen der ungünstigen Position kaum ein Zuschauer in der Lage gewesen sein dürfte, den Satz zu lesen, zudem für handwerkliches Ungeschick) und musste zu dem Urteil kommen, dass man einmal mehr ins Museum gelockt worden war, nur in ein anderes diesmal. Nur eines ist sicher: In einer Metropole steht dieses Opernmuseum nicht, sondern in tiefster Provinz.

Zu Beginn drücken sich Hermanns Untertanen die Nasen platt, um einen Blick in Venus’ Sündenpfuhl zu werfen. Und schon jetzt wird man die Frage nicht los, was denn hier eigentlich das Problem ist: Wer ist diese stattliche, doch ziemlich mütterlich wirkende Frau, zu der man nicht hingehen darf und die nach zornigem Gekeife durch eine Glastür verschwindet (ins Nebenbüro, in die Teeküche?)? Wie prüde sind denn diese in Straßenkleidung unserer Zeit gesteckten Menschen, was hat sich Tannhäuser denn da eigentlich zu Schulden kommen lassen, was macht die anderen Herren so neidisch, dass sie mit Stühlen auf ihn losgehen wollen, bevor sie in weiße T-Shirts mit blutrotem Kreuz schlüpfen und dann ‘mal weg sind? Bereits hier geht diese vordergründige, platte und intellektuelle Fallhöhe vermissen lassende Aktualisierung nicht auf.

Die meisten Regieeinfälle antizipierte der erfahrene Opernhausbesucher sekundenschnell: Niemand kann Zweifel daran gehabt haben, dass der rote Vorhang, mit dem Venus erotische Stimmung evoziert, bei Tannhäusers “Mein Heil ruht in Maria!” aus seiner Vorrichtung gerissen werden würde, man ahnte, dass die Chorherren die gegen Tannhäuser erhobenen Stühle in Kreuzform wieder auf die Bühne stellen würden und das Tannhäuser seinen Weg nach Rom (oder wohin auch immer) polternd durch deren Mitte nehmen würde, man hätte in der zweiten Pause Wetten darauf abschließen können, dass die Halle im dritten Aufzug zerstört präsentiert werden würde (freilich ohne so recht zu wissen, warum eigentlich) und dass Elisabeth die überall herumliegenden Scherben benutzen würde, um die Pulsadern, die sie offenbar bereits einmal nach Tannhäusers Flucht zur Konkurrenz aufgeschlitzt und verbunden bekommen hatte, erneut zu öffnen, mit Theaterblut ein Kreuz aufs T-Shirt zu malen und sich so in die Schar der Pilger einzuordnen (das Hochziehen der Neonröhren danach stand hoffentlich nicht für Elisabeths Apotheose).

Die Sängerkollegen und die Gäste (von links nach rechts: Miljenko Turk als Wolfram, Daniel Henriks als Biterolf, Martin Hombrich als Walther, Andrés Felipe Orozco Martinez als Heinrich der Schreiber, Chor der Oper Köln) mögen die Auffassung der Liebe, die Tannhäuser (Torsten Kerl, Mitte) formuliert, gar nicht und reagieren entsprechend aggressiv.

Mit Spannung hatte mancher Torsten Kerls Debüt in der Titelpartie erwartet, und angesichts des Umstandes, dass es einen in jeder Hinsicht vollkommenen Tannhäuser kaum je gab, gibt und geben wird, muss man konstatieren, dass der Gelsenkirchener gar keinen schlechten Eindruck hinterließ. Die lyrische Vergangenheit ist seinem Tenor deutlich anzuhören, sie erklärt auch, warum tiefer gelegene Passagen ihm mehr Mühe bereiten als hohe. Weniger als das leicht meckernde, schnelle Vibrato, das das Anhören seines bei Oehms Classics erschienenen Arienrecitals mitunter trübt, das aber im Theater nur selten unangenehm auffällt, stören mich die permanenten Vokalverfärbungen (man hört meistens einen Einheitslaut, den ich nicht in Buchstaben zu fassen vermag), die die Textverständlichkeit erheblich beeinträchtigen. Das kann nicht passieren, wenn Sprechgesang kein Tabu ist, und das war er in der Rom-Erzählung dann nicht mehr, was mich weniger irritierte als das Portamento. Und so erinnert man sich an einige sehr inspirierte und manche noch unfertige Momente in Kerls Tannhäuser-Interpretation, zumal der Sänger kein besonders charismatischer Darsteller ist, allenfalls ein bemühter – vieles wirkte da sehr altmodisch und zu histrionisch. Aber es wird ja vermutlich auch nicht seine letzte Beschäftigung mit dieser komplexen Rolle sein.

Publikumsliebling war wie häufig bei diesem Stück der Interpret des Wolfram, für den Milkenko Turk einen sehr lyrischen, weichen, frischen, sofort ansprechenden Bariton mitbringt (es erstaunte mich nicht zu lesen, dass er sich mit der Titelpartie in Lehárs Graf von Luxemburg bereits in Tenorregionen gewagt hat). Aber ähnlich wie beim Sänger des Heinrich muss man feststellen, dass die Stimme in der tiefen Lage deutlich an Volumen und Präsenz verliert und sicher noch einige Jahre brauchen wird, um in dramatischeren Partien keinen Schaden zu nehmen – kleine Kratzer und Nebengeräusche im Lied an den Abendstern (vom Dirigenten überflüssigerweise total zerdehnt) waren mindestens in der von mir besuchten Vorstellung nicht zu überhören, bei aller Bewunderung für die grundsätzlich herrliche Farbe der Stimme, die Sensibilität des geradezu liedhaften Vortrags, das spürbare Bemühen um textliche Nuancen und die exemplarische Phrasierung.

Camilla Nylund ist inzwischen eine feste Größe im jugendlich-dramatischen Fach, wenngleich ich persönlich immer meine Bedenken hatte angesichts der Entscheidung, auch bereits Rollen wie Salome und Leonore ins Repertoire aufzunehmen – das stete Vibrato vor allem im harten, uncharmanten Forte scheint der Preis zu sein, eine eher kühle, anonyme Färbung hatte die Stimme immer. Besser als die Hallenarie lag ihr zweifellos das Gebet, wobei sie sicher noch größeren Eindruck gemacht hätte, wenn der musikalische Leiter des Abends nicht auch hier auf ein enervierend langsames Tempo bestanden hätte, dem jegliche Spannung fehlte. Trotz der formulierten Einschränkungen war die Finnin zweifellos eine gute, vor allem auch darstellerisch sehr engagierte, präsente Landgrafennichte, zumal ihre Rolle die Regisseurin offenbar mehr interessierte als manch andere.

Dalia Schaechter konnte sich nach der Premiere nicht nur über Kammersängerinnenehren freuen, sondern sah sich auch mit deutlichen Buhs konfrontiert – das passierte in der vierten Vorstellung nicht, wenngleich auch an diesem Abend wie so oft die Leistung der Künstlerin eine problematische war, denn wie bei all diesen hohen Mezzorollen liegt ihr die Tessitura einfach nicht: Die Stimme entfaltet eine gewisse Wirkung in der fülligen Mittellage, Töne darüber indes werden ihr gewaltsam abgetrotzt, was häßlich klingt und einer akkuraten Intonation abträglich ist, Töne in der tiefen Lage durch Sprechgesang umgangen, der so nicht ins Opernhaus gehört, sondern bei Chansonabenden große Wirkung entfaltet. Wie ihr Geliebter hätte sie auch mehr Unterstützung von der Regisseurin gebraucht, vielleicht wären ihre Bemühungen um eine sinnliche Aura dann weniger vulgär und platt ausgefallen. Da wünschte man sich Doris Soffel herbei, die wegen der Katja Kabanowa-Proben doch im Haus sein müsste.

Trotz der skandalösen Leistung als Mustafa vor einigen Monaten hatte ich mich auf Reinhard Dorns Landgraf gefreut, denn die Rossini-Partie hat ihre speziellen Herausforderungen, während der Kölner ja im Wagnerfach jahrzehntelange Erfahrung und Erfolg aufzuweisen hat. Diese Jahrzehnte aber sind der in bequemer Lage immer noch imponierenden, grundsätzlich “richtigen” Stimme leider mittlerweile anzuhören, da wird mancher steife hohe Ton zur Zitterpartie, da wird außer der Reihe Luft geholt, da wird gekiekst. Man wünscht dem Sänger, dass er selbstkritisch seine Repertoireliste durchgeht und sich auf Rollen konzentriert, die ihm weniger Probleme bereiten.

Musa Nkuna gab sich viel Mühe damit, sich als Walther zu profilieren, Daniel Henriks stahl ihm aber mit bemerkenswertem Bass und damit mit vokalen Mitteln als Biterolf die Show, während die übrigen Meistersänger ähnlich blaß blieben wie in vielen Produktionen. Opernstudiomitglied Susanne Niebling war ein Gewinn als junger Hirt (trotz leicht verrutschtem G bei der Piano-Wiederholung des “Mai”), während man sich über die Leistung des Chores nicht nur freuen konnte (Synchronität ist hier keine Selbstverständlichkeit).

In Premierenkritiken konnte man lesen, der Kölner GMD Markus Stenz mache seinem Ruf als profilierter Wagner-Dirigent alle Ehre, eine Einschätzung, die ich nach dem Besuch der vierten Vorstellung nicht ansatzweise nachvollziehen konnte, denn gerade Profil war es, das dem Spiel des Gürzenich-Orchesters fehlte: Viel zu verschwommen, unkonturiert, hinsichtlich der verschiedenen Stimmen unausgewogen und wenig transparent drang meistens ein Klangbrei ans Ohr, der nicht selten empfindliche, quälende Spielfehler enthielt und auch noch durch unangenehme Lautstärke das nun schon ganz nach vorn gestellte Bühnenpersonal zudeckte, zudem schließlich auch der Kontakt nicht immer sicher war. Über eine solche Orchesterleistung hätte sich ein mit Wagner nicht vertrautes Kollektiv eines kleinen Stadttheaters nach der ersten Orchesterprobe freuen können, nicht aber das traditionsreiche Gürzenich-Orchester, das jede Menge Erfahrung mit diesem Komponisten hat und vor wenigen Jahren noch zu den ersten gerade im deutschen Fach gezählt werden konnte. Verglichen mit dieser Leistung gehört das, was Stefan Soltesz in Essen anzubieten hatte (bei allen gemachten Einschränkungen!), natürlich in eine ganz andere Kategorie!

FAZIT

Alter (aber nicht guter) Wein in neuen Schläuchen – so lässt sich das Gesehene vielleicht anschaulich zusammenfassen. Wenn man staunend manche Zuschauerreaktion auf das Gehörte beobachtete, musste man zu dem Schluss kommen, dass es doch hilft, wenn man Wagners Oper nicht gut kennt. Man kann der Oper Köln nur wünschen, dass bald ein Neuanfang möglich ist (alle warten jetzt auf Uwe Eric Laufenberg, den Noch-Intendanten des Hans-Otto-Theaters Potsdam, der unter Günter Krämer bereits als Hausregisseur im Schauspiel tätig war und der ab 2009/2010 das Haus leiten wird, auch in den drei Jahren, in denen man in ein Ausweichquartier wechseln wird) und man endlich zum Niveau früherer Jahre zurückfindet, gerade auch in vokaler und orchestraler Hinsicht. Dann blieben vielleicht nach den Pausen auch nicht so viele Plätze frei wie an diesem Freitagabend.

Thomas Tillmann | rezensierte Vorstellung: 4. April 2008

General-Anzeiger

Ein Kreuz aus Blut in der Kölner Oper

“Der Sängerkrieg auf der Wartburg” lautet der Untertitel von Richard Wagners “Tannhäuser”. Irgendwie treffend für die wohl eher zufällig fast zeitgleichen Premierentermine an der Essener Aalto-Oper und in Köln, wo man am Wochenende mit vierzehntägigem Vorsprung ins Rennen ging. Dass der stärkste Trumpf der Kölner Produktion der in der konkurrierenden Revierstadt Essen lebende Tenor Torsten Kerl in der Titelpartie ist, gibt dem “Sängerkrieg” eine weitere, besondere Würze. Tatsächlich ist Kerl einer jener Interpreten, denen es gelingt, viele Facetten einer Figur glaubwürdig und emotional bewegend auf der Bühne zu leben. Torsten Kerl beherrscht sein Handwerk, verfügt über eine kraftvolle, klar fokussierte, reine Stimme. Doch wenn es der Ausdruck verlangt, zeigt er Mut zum rauen, expressiven Gesang, dann schwingt in seiner Stimme auch Verzweiflung mit. Die Zerrissenheit der Figur des Tannhäuser durchleidet Kerl mit erschütternder Intensität. Torsten Kerl besitzt die Gabe, seine Stärken auch in einer Inszenierung ausspielen zu können, die mit dem Stück wenig anzufangen weiß. Jasmin Solfaghari findet keine geeignete Bildersprache für Wagners Drama. Die drei Akte spielen in einer Art gläsernem, von Neonlicht kalt ausgeleuchtetem Warteraum (Bühne: Frank Philipp Schlößmann). Der Hörselberg, wo Tannhäuser in den Armen der Venus dem Rausch der Sinne verfällt, ist als rot ausstaffierte Enklave ebenfalls hier angesiedelt. Doch von der Sinnlichkeit dieser Zauberwelt erfährt man nichts.

“Wagners Musik ist für mich das, was die Amerikaner ?larger than life’ nennen”, hat Kölns Generalmusikdirektor und Premierendirigent Markus Stenz in einem Interview gesagt. Jasmin Solfagharis Inszenierung aber krankt genau daran, dass sie den Alltag auf die Bühne bringt. Der Chor beim Sängerwettstreit ist gekleidet wie ein ganz normales Konzert- oder Opernpublikum (Kostüme: Mechthild Seipel). Wenn schließlich die Pilger in ihren weißen, mit roten Kreuzen bedruckten T-Shirts vorbeiziehen, werden Erinnerungen an den Weltjugendtag 2005 in Köln wach. Dass Elisabeth sich am Ende so ein Kreuz mit dem Blut ihrer aufgeschnittenen Pulsadern auf die Brust zeichnet, gehört zu den wenigen Bildern der Inszenierung, die wirklich berühren.

Im Orchestergraben entwickeln Markus Stenz und das Gürzenich Orchester nach einer zügigen und etwas zu pauschal musizierten Ouvertüre im weiteren Verlauf zunehmend Freude am Detail. Sehr schön realisiert wurde etwa der Übergang vom A-cappella-Gesang des Pilgerchores im dritten Akt zum orchesterbegleiteten Teil, der eine grandiose Steigerung erfuhr. Überhaupt zeigte der von Andrew Ollivant einstudierte Opernchor an diesem Abend eine gleichbleibend großartige Leistung. Neben Torsten Kerl gab auch die Sopranistin Camilla Nylund im Kölner “Tannhäuser” ihr Rollendebüt. Die Erwartungen, die sie auf dieser Bühne als Salome und als Elsa geweckt hatte, erfüllte sie mit ihrer Elisabeth durchaus: Sie ist ganz im Sinne Wagners eine ausgezeichnete Sängerdarstellerin. Den Wolfram sang Miljenko Turk trotz krankheitsbedingt angeschlagener Stimme mit viel baritonaler Wärme.

Der Venus gab die energische Dalia Schaechter mezzogeschärftes Profil. Gleichsam als Wiedergutmachung für ein paar vereinzelte unverdiente Buhs wurde sie am Ende der Vorstellung durch Kölns Opernintendanten Christoph Dammann zur Kammersängerin ernannt. Einig war sich das Publikum in der Ablehnung der Inszenierung Jasmin Solfagharis. Wenn man es sportlich nehmen will, ist das für Hans Neuenfels, der den “Tannhäuser” in Essen inszeniert, eine sichere Vorlage.

Bernhard Hartmann | 17. 3. 2008

opernnetz.de

Tannhäuser zwischen rot und weiss

Die Regisseurin Jasmin Solfaghari geht ihre erste Wagnerinszenierung erstaunlich locker an. Sie konzentriert sich auf den Konflikt zwischen Individuum und Gruppe, auf Ausbruchsversuche und Anpassungszwänge Tannhäusers innerhalb einer ganz heutigen Gesellschaft mit konservativ angepasstem Grundzug. Die großen ästhetischen und metaphysischen Themen des Stückes – Künstlertum und Politik, Religion und Erlösungsverlangen – bleiben ganz unbehelligt, die Inszenierung geht glatt und pathosfrei über die Bühne. Der Kölner Tannhäuser (Torsten Kerl) schwankt zwischen Orientierungslosigkeit und situativem Rebellentum, zwischen Ego-Trip und Getriebensein. Er ist ganz unbehaust und passt eigentlich nirgendwo hin. Schon im ersten Akt ist er mehr mutlos-todessüchtig, damit ganz ‚romantisch’, als rebellisch-optimistisch: „sei’s auch auf Tod und Untergehen“ schreibt er librettogetreu als Motto für seinen Aufbruch aus dem künstlichen Paradies der Venusbergwelt als Graffiti auf eine Glasscheibe.

Die Inszenierung spielt in einem nur gering variierten Einheitsbühnenbild (Frank Philipp Schlössmann) in der Jetztzeit. Die trist–klare Glas- und Stahl-Architektur kann eine Reminiszenz an das Foyer der Kölner Oper darstellen, kann aber auch beliebig jeden modernen oder postmodernen Zweckbau repräsentieren. Im ersten Akt bleibt die Inszenierung traditionell. Venus räkelt sich auf einem mit üppigem rotem Stoff überdeckten schicken schwarzen Ledersofa: die Farbe rot im Zeichen der Erotik und des Venusbergs. Die Venus der Dalia Schaechter ist vom Typ her dominant und fordernd und es kann nicht verwundern, dass Tannhäuser dem Liebesverlangen on the long run nicht genügen kann. Es wird ihm eben „Zu viel! Zu viel!“ Im zweiten Akt entsprechen die im Sängerkrieg Auftretenden dem ‚Berufsbild’ des heutigen Sängers, optisch ist es ein schmalziger Schlagerwettbewerb mit lässigen Klamotten aus dem Showbizz, doch trotzdem organisiert in Ritualen und Hierarchien, in die sich Tannhäuser nicht einpasst. Immer wieder unterbricht er die Vorträge der Konkurrenten, lässt sich provozieren, verliert Kopf und Verstand und verletzt die ihn anhimmelnde Elisabeth (Signalfarbe: weiß) mit dem Geständnis seiner in dieser Umgebung extravaganten erotischen Vorgeschichte mit Venus. Tannhäuser wird aggressiv ausgegrenzt und flieht nach Rom. Die Szene spielt in gänzlich säkularisierter Zeit, auch hat das Glas-Stahl-Ambiente keine sichtbar religiöse Funktion. Schwierig ist in diesem Kontext die Integration des Religiösen, es sei denn, man fasst die Truppe als radikalfundamentalistische Evangelikale mit offensiv missionarischem Eifer auf. Nur so macht es Sinn, das sich der Chor im normalen Straßenoutfit Kreuzritter-T-Shirts (Kostüme: Mechthild Seipel) überzieht oder sich Elisabeth nach ihrem finalen Schnitt durch die Pulsadern ein blutiges Kreuz auf ihr Shirt malt.

Trostlos dann das Ende. Elisabeth, nachdem sie offenbar schon vergebliche Selbstmordversuche hinter sich hat, gelingt der Suizid, als sie merkt, dass Tannhäuser nicht im Kollektiv der Rompilger zurückkehrt. Auch Tannhäuser bricht wenig später tot zusammen. Die edle Halle liegt zerstört in Schutt, es gibt auch keinen ergrünenden Pilgerstab, der für eine transzendente Erlösung spricht. Tot denn alle.

Gesanglich stand es mit der Aufführung nicht zum Besten, fiel doch die Hauptperson, ab dem 2. Akt indisponiert, vokal fast aus. Torsten Kerl sang die Rolle schon im ersten Akt arg eng, gepresst und forciert. Ganz beachtlich dann, dass er in der Romerzählung am Ende zu unerwarteter Form auftrumpfte – und das auch darstellerisch. Große Freude bereitet Camilla Nylund – eine wunderbare Bühnenpräsenz, intonationssicher, die Hallenarie und ihre Selbstmordszene im dritten Akt waren die Höhepunkte der Produktion. Reinhard Dorn war ein souveräner, klangvoller Hermann. Ein Extralob gilt Miljenko Turk als Wolfram. Spielfreudig in der Szene, mit klangschönem Bariton, ragte er aus der Formation der “Minnesänger” – Musa Nkuna (Walter von der Vogelweide), Andrés Felipe Orozco Martinez (Heinrich der Schreiber), Daniel Henriks (Biterolf) und Wilfried Staber (Reinmar von Zweter) – deutlich heraus. Beeindruckend auch Susanne Niebling als ‚junger Hirt’ – wie Andrés Felipe Orozco Martinez Mitglied des Kölner Opernstudios.

GMD Markus Stenz dirigierte den Tannhäuser schlank und mit zügigen Tempi, wozu die überarbeitete Dresdner Fassung von 1847 (mit Venusauftritt im dritten Aufzug) auch besonders geeignet ist. Die uninszenierten Aktvorspiele geraten Stenz zu effektvoll musizierten Konzertstücken, was nach der Eingangsouvertüre sogar zu wagnerfernem Zwischenapplaus führte. Das Gürzenich Orchester Köln, in den letzten beiden Jahrzehnten allein schon durch zwei anspruchsvolle Ringzyklen auf Wagner bestens eingestellt, meisterte auch den Tannhäuser souverän. Tadellos auch Chor und Extrachor der Oper Köln, ein wesentliches Element beim Tannhäuser, unter der Leitung von Andrew Ollivant: homogen und bestens präpariert. Bei Mängeln im Detail ist die Inszenierung nicht so schlecht, wie sie mittlerweile allenthalben gemacht wird; welche Tannhäuser-Inszenierung kommt schon ohne Widersprüche und Unzulänglichkeiten aus? Sie ist nicht tiefschürfend, eröffnet keine neuen Perspektiven, ist aber handwerklich durchaus gut gemacht und konsequent durchgehalten, gesanglich souverän bis herausragend aufgestellt. Und das Gürzenich-Orchester Köln lohnt bei Wagner ohnehin.

Als indisponiert erwies sich leider auch das Publikum in der ausverkauften Kölner Oper: je leiser die Musik, desto rücksichtsloser wurde gehustet. Am Ende großer, uneingeschränkter Beifall.

Dirk Ufermann | 6. April 2008

forumopera.com

Elisabeth vs Venus

Grande habituée des scènes allemandes, Jasmin Solfaghari ne pratique pas pour autant le « Regietheater ». Son Tannhäuser présenté depuis un mois à Cologne se déroule certes dans un décor moderne, composé de baies vitrées qui finissent par se briser et d’un carrelage chirurgical, mais la direction d’acteur ne propose rien de particulièrement sulfureux. Elle paraît même sage, ne proposant guère de pistes pour explorer en profondeur cet opéra sur l’art et les contestations auxquelles il est confronté. Tous les thèmes évoqués par Wagner (la religion, l’incompréhension, le tiraillement entre deux femmes, mais aussi entre deux idéaux) sont représentés, sans qu’aucun ne paraisse particulièrement fouillé. Seules Venus et Elisabeth bénéficient d’un traitement de faveur, et sont traitées avec une certaine originalité : la première n’est pas la maîtresse bafouée et éplorée qu’on attendait, mais une femme sure de ses charmes, qui met du temps à comprendre que Tannhäuser va réellement la quitter – sa fureur, par la suite, n’en est que plus impressionnante ; la seconde n’a rien de la jeune fille tendrement éprise et presque mièvre si souvent représentée. Elle possède une sensibilité artistique aigue, qui fait d’elle la seule à réaliser que Tannhäuser est un génie. La différence qui oppose ces deux muses n’a donc plus rien de la dichotomie entre le paganisme et la foi, ou entre la débauche et l’ordre. L’une ne comprend pas que Tannhäuser ne peut rester longtemps au même endroit, l’autre admire suffisamment l’artiste pour accepter, résignée, l’indiscipline de l’homme.

Et comme pour surenchérir tragiquement le propos de Jasmin Solfaghari, l’inégalité dramatique entre Venus et Elisabeth s’étend jusqu’au plan vocal : Camilla Nylund, voix ductile et implication sensible, présence rayonnante et registres homogènes, réussit une très belle Elisabeth tandis que Dalia Schaechter, vedette maison, est mise à mal par la tessiture de Venus. Ici, le bât blesse là où Nylund était convaincante : les registres sont inégaux, et donc les sauts d’octaves, douloureux. Reinhard Dorn est un noble Landgrave, au grave quelque peu élimé, et Miljenko Turk est un émouvant Wolfram, dont la Romance, tendre et lunaire emporte l’adhésion, comme par ailleurs l’ensemble des rôles secondaires. Dans le rôle-titre, enfin, triomphe Torsten Kerl. La voix est puissante, et le timbre, reconnaissable entre mille, incroyablement charnu. Seule l’émission, parfois quelque peu engorgée, pourrait laisser perplexe, si elle n’était pas rattrapée par une excellente technique. De ce bel instrument sortent des mots puissamment phrasés, qui résonnent dans l’espace avec une éloquence formidable, aussi rare qu’essentielle dans ce répertoire. Les « hymnes à Venus » du I s’élèvent déjà au plus haut niveau, et jamais le long « Récit de Rome », au III, n’aura passé si vite. Comme un bonheur n’arrive jamais seul, le chanteur et le diseur sont alliés à un acteur en grande forme, parfaitement possédé par la quête de beauté et d’absolu de ce personnage entier et passionné. Anthologique !

Dans la fosse, Markus Stenz dirige la version de Dresde avec une belle lisibilité. On aurait seulement pu attendre davantage de poésie, ou de force, enfin un parti-pris. Cette clarté, empreinte de prudence, laisse au moins au spectateur le loisir d’entendre (presque) toujours les chanteurs, et d’apprécier les splendeurs de l’Orchestre du Gürzenich de Cologne, à l’aise dans ce répertoire comme un poisson dans l’eau ! Les chœurs ne sont pas en reste, qui réalisent d’excellentes prestations à chacune de leur apparition.

Clément Taillia | Opéra de Cologne, le 18 avril

Rating
(5/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
256 kbit/s CBR, 44.1 kHz, 326 MByte (MP3)
Remarks
In-house recording
A production by Jasmin Solfaghari (2008)