Die definitiv letzte Wiederbegegnung mit Tristan und Isolde in der ursprünglich kompromißlosen, ästhetisch ungeheuer packenden Inszenierung von Heiner Müller, der 1995 verstarb, hinterließ leider einen sehr zweifelhaften Eindruck. Während Daniel Barenboim mit dem fabelhaft aufspielenden Festspielorchester zu fast unerreichbaren Höhen gelangte, denen Waltraud Meier als Isolde und Falk Struckmann als Kurwenal mit allen Kräften folgte, zerfiel der optische Teil der Produktion in völlig divergierende Extreme.
Die unverändert atmosphärischen und durch seine Konzentration auf rechteckige Räume und Lichtprojektionen – phantastisch realisiert durch die Beleuchtungskünste von Manfred Voss und seinem Team – gestalteten Bühnenräume von Erich Wonder und die stilisierten, vozüglich charakterisierenden Kostüme von Yohji Yamamoto bestimmen noch immer das Aussehen der ursprünglichen Konzeption Heiner Müllers. Die Personenführung, seit Müllers Tod durch Stephan Suschke betreut, bricht dagegen völlig daraus aus! Hatten sich Tristan und Isolde im Premierenjahr 1993 nicht ein einziges Mal berührt, liegen sie sich jetzt schon unmittelbar nach der Einnahme des Trankes im 1. Aufzug in den Armen, was in diesen Räumen – zumindest wenn man das “Original” von Heiner Müller aus dem Jahr 1993 kennt – völlig absurd, befremdend und widersinnig wirkt. Die ungemeine Spannung zwischen den Beiden wird so schon gleich am Anfang des Stückes zerstört. Das Konzept ist hin, und was übrigbleibt, paßt einfach nicht mehr zusammen. Ein Armutszeugnis von künstlerischer Kompetenz an einer der konsequentesten, ästhetischsten und spannungsvollsten Produktionen, die Bayreuth wohl je erleben durfte!
Tapfer, aber mit seinen stimmlichen Mitteln hörbar kämpfend, schlug sich Siegfried Jerusalem durch die Partie des Tristan. Dank seiner Routine und seinen darstellerischen Fähigkeiten blieb ein Debakel, wie in der letztjährigen Kölner Premiere von Tristan und Isolde glücklicherweise aus.
Die übrigen Partien waren immerhin so besetzt, daß der musikalische “Höhenflug” Daniel Barenboims mit dem Festspielorchester alles andere überstrahlte und der Partitur nichts schuldig blieb. Das Publikum feierte Barenboim, Waltraud Meier, Falk Struckmann und auch (noch) Siegfried Jerusalem zu Recht!
Rez. Aufführung: 4. August 1999