Tristan und Isolde
Peter Schneider | ||||||
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Tristan | Robert Dean Smith |
Isolde | Iréne Theorin |
Brangäne | Michelle Breedt |
Kurwenal | Jukka Rasilainen |
König Marke | Robert Holl |
Melot | Ralf Lukas |
Ein junger Seemann | Clemens Bieber |
Ein Hirt | Arnold Bezuyen |
Steuermann | Martin Snell |
Keine Romantik unter den Neonröhren
Für ihre erotische Insuffizienz ist Christoph Marthalers und Anna Viebrocks Inszenierung von „Tristan und Isolde“ seit der Premiere im Festspieljahr 2005 ausgiebig gescholten worden. Dass sich die beiden Liebenden permanent schmachtend und verzehrend in die Arme fallen, gibt es in dieser Inszenierung freilich nicht. Es hieße auch das Werk misszuverstehen, würde man eine allzu gradlinig herunter erzählte romantische Bühnenhandlung erwarten.
Hans Mayer hat in seinen immer noch lesenswerten „Anmerkungen zu Richard Wagner“ darauf hingewiesen, dass es gerade im Tristan an einer genuin dramatischen Struktur fehle, die Handlung vielmehr von einer andauernden Unfähigkeit zur Kommunikation geprägt sei. Liest man das Libretto genau, so ist mehr vom Schweigen und Verschweigen die Rede, als dass die Protagonisten sich gegenseitig mitteilten. Wagner selbst nannte seine Kunst im „Tristan“ ja eine des „tönenden Schweigens“. Nicht primär die Worte also sprechen hier, sondern die Musik. Und diesem Ansatz folgend erscheinen die Handelnden auf der Bühne gleichsam als Monaden, zwischen denen etwas geschieht, die aber zu gegenseitiger Zuwendung nur bedingt fähig sind. Eben dies wird in dieser Inszenierung sinn- und augenfällig. Mit Skepsis und Ironie entwickeln Marthaler / Viebrock die Bilder auf der Bühne – teilweise steife, unbeholfene Gestik, scheue, schüchterne Zugeknöpftheit (Tristan), albernes Hüpfen und auf den Sesseln Sich-Ausstrecken (Isolde) weisen auf das Illusionäre, Unmögliche dieser Liebe. Bei ihrer Wiederbegegnung zu Anfang des 2. Aktes gibt es nur für einen kurzen Moment ein „echtes“, gleichklingendes Gefühl, eine sehnsuchtsvoll warmherzige Umarmung. Im langen Liebesduett danach lässt sich das Paar wie in einer Hollywoodschnulze nieder, zwar genau wie Wagner es vorschreibt „senkt sich Tristan vor ihr auf die Knie und schmiegt sein Haupt in ihren Arm“, doch das Bild gerät zur Parodie. Dann – langsam – zieht Isolde mit den Zähnen einen ihrer langen Handschuhe von den Fingern und Tristan streift ihr zögerlich den anderen ab. Diese Annäherung geschieht so vorsichtig, wie die beiden Figuren sich eigentlich fremd bleiben.
Es ist ein sehr melancholischer Blick auf die Geschichte dieser Liebe, wo die Symbole des Sternenhimmels oder des Lebenslichts nur aus flackernden Leuchtstoffröhren bestehen. Und eine tief anrührende Traurigkeit verbreitet sich zu Beginn des 3. Aktes, wenn der schlafende, sieche Tristan in seinem verstellbaren Bett schon wie aufgebahrt liegt und seine Getreuen an ihm vorbei defilieren. Eine beklemmende atmosphärische Dichte nimmt die Szene dann an.
So leuchtet diese Regiearbeit also tief in den Textsinn, jedenfalls in dem Sinne, dass die Illusion einer erfüllten Liebe hier nicht unhinterfragt gefeiert würde. Zweifellos muss man nicht in allen Einzelheiten zustimmen, vielfach mögen es auch Geschmacksfragen sein (vor allem bezüglich der Kostüme, z. B. der beiden Frauen, die sie im 1. Akt doch allzu ältlich aussehen lassen), auch hätte man sich eine noch intensivere Ausprägung der Psychologie der Figuren (insbesondere König Markes) wünschen können, aber einer Auseinandersetzung mit dem Werk ist diese antikulinarische Inszenierung nicht wenig förderlich. Auch dass die Bühnenbilder von Anna Viebrock in der tristen Spießigkeit der Fünfziger Jahre nahezu manisch inzwischen immer dem gleichen optischen Schema folgen, mag nicht jeder goutieren. Dennoch hat diese Produktion durchaus ihre Meriten.
Sie lässt der Musik breiten Raum, um tönend visionär von dieser überschwänglichen Liebe zu erzählen. Peter Schneider als Bayreuther Allrounder ( in 17 Spielzeiten hat er dort außer Tannhäuser und Parsifal alles in mehr als 120 Vorstellungen dirigiert), hatte die Tristan – Leitung schon im Premierenjahr für den damals gescheiterten Dirigenten übernommen. Unter seinen erfahrenen Händen entfaltet sich diese ungeheure Partitur durchaus emotionsgeladen, durchstrukturiert und farbenreich. Des Üppigen allerdings tut er stellenweise zu viel, zu Beginn des 2. Aktes werden, dem verdeckten Orchestergraben zum Trotz, die Sängerinnen zugedeckt, im ersten und dritten Akt dagegen ist zumeist eine gute Balance zwischen dem Orchester und den Solisten erreicht. Den magischen Beginn nimmt er recht sachlich, überraschend zügig und ohne die Atmosphäre der irrlichternden Reibungen dieser widerstrebenden musikalischen Entwicklungen dadurch voll zu entfalten. So bleibt das Dirigat passagenweise doch etwas an Inspiration schuldig. Manche Einzelstimmen allerdings erheben sich berückend schön aus dem symphonischen Geschehen. Das Englischhornsolo zu Beginn des 3. Aktes erinnert in seinem natürlichen Klang hier wirklich an die Schalmei eines Hirten.
Unverändert übernommen sind in diesem Jahr auch die Sängersolisten. Iréne Theorin und Robert Dean Smith halten die mörderischen Titelpartien im Prinzip bewundernswert standfest durch. Iréne Theorin bringt für die Bewältigung der Isoldenrolle außer guten Schuhen (laut Birgit Nilsson eine wichtigste Voraussetzung) zweifelsohne auch durchschlagendes Stimmmaterial mit. Aber im Klang ist die Stimme oft scharf und schrill, nicht sehr voll und rund. Auch schwingt sie die großen Bögen nicht so aus wie ihr Partner, der die großen Legati in kluger Disposition und klangschön auf einem Atem singt („Sink hernieder…“). Noch im 3. Akt hat er die nötigen Reserven um seine große Szene ohne Einbußen zu bewältigen. Michelle Breedt ist eine eminent präsente Brangäne und besonders den Wachgesang singt sie außergewöhnlich schön. Mächtig in Statur und mit prachtvoller Stimme gibt Robert Holl den König Marke, der aber wie gesagt darstellerisch blass bleibt. Die elegischen Solopartien des Seemanns (Clemens Bieber) und des Hirten (Arnold Bezuyen) sind exzellent besetzt und geben diesen Rollen das angemessen bedeutende Gewicht. In Gehabe und Kostüm (Keltenrock und Wolljacke) kommt Kurwenal recht grobschlächtig daher und Jukka Rasilainen kraftmeiert stimmlich entsprechend. Melot ist hier als eine Art Blockwart gezeigt, dessen intrigante Falschheit deutlich hervorsticht. Ralf Lukas füllt die Rolle tadellos aus, ebenso Martin Snell diejenige des Steuermanns.
FAZIT
In der Werkstatt Bayreuth war „Tristan und Isolde“ in diesem Jahr unter der szenischen Leitung der jungen Regisseurin Anna-Sophie Mahler weiter entwickelt worden, kam als Eröffnungsvorstellung heraus und wurde auch für die Liveübertragung im Internet als Webstream und auf dem Festplatz als „Public Viewing“-Event auf einer ca. 90 m2 großen Projektionsfläche ausersehen. Auch eine DVD- Aufzeichnung wurde hergestellt und wird etwa ab Dezember im Handel zu haben sein. Dann wird man diese nicht überragende, aber doch beachtenswerte Produktion erneut einer kritischen Prüfung unterziehen können.
Christoph Wurzel | Rezensierte Aufführung: 13. August 2009
A production by Christoph Marthaler (2005)
There is a second Tristan from the same year available