Tristan und Isolde

Peter Schneider
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Date/Location
8 December 2013
Staatsoper Wien
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
TristanRobert Dean Smith
IsoldeVioleta Urmana
BrangäneElisabeth Kulman
KurwenalMatthias Goerne
König MarkeAlbert Dohmen
MelotClemens Unterreiner
Ein junger SeemannSebastian Kohlhepp
Ein HirtCarlos Osuna
SteuermannMarcus Pelz
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Reviews
onlinemerker.com

So soll Oper sein: Eine repertoiretauglich Inszenierung (von David Vicar), ästhetische Kostüme (von Robert Jones) und ein Ensemble für die „Oper aller Opern“ (Anm.d. Red.: Diese Bezeichnung wird auch für „Don Giovanni“ herangezogen) , die zwar auf den ersten Blick nicht ganz so glamourös aussieht, aber nach den fünf Stunden der süchtig machenden Musik von Richard Wagner den Besucher in eine Art Trance versetzt hat. Einzig die auf die Premiere in Japan ausgerichtete Choreographie (Andrew George) ist in Wien so unnötig wie der berühmte Kropf. Aber was will man meckern oder matschkern wenn ein Mann wie Peter Schneider am Pult des Wiener Staatsopernorchesters steht und diesen „alten Hasen“ immer noch etwas Neues beibringen kann, was sich in der Partitur von Tristan und Isolde versteckt. Etwa die Tatsache, dass Wagner nicht nur Crescendo-Zeichen verwendet, sondern bei ausgewählten Stellen noch das Wort Crescendo extra dazu schreibt und damit zusätzliche Effekte schuf. Auch das F-Moll-Vorspiel zum dritten Akt habe ich in dieser Klarheit und in diesem Mystizismus noch nie so gehört. Die „Philis“ wuchsen an diesem Abend richtig über sich hinaus!

Und so geht der Durchschnittswagnerianer mit einer Vielzahl von neuen Klangerlebnissen aus der Oper. Am Bühnetürl hörte ich den Satz: „Das war mein 30. Tristan, aber ich habe immer noch Neues entdeckt!“ Und im Gegensatz zu Welser-Möst nimmt Schneider bei den entscheidenden Stellen auch die Lautstärke wieder runter, was ihm nicht nur die Sänger danken, sondern der Wortdeutlichkeit auch sehr dient. Die war nämlich bei dieser Abo-Vorstellung von exzellenter Güte, wobei besonders die Sänger mit nicht-deutscher Muttersprache extrem positiv überraschten: Frau Urmana und Herr Smith! Wie überhaupt das Titelpaar in sängerischer Hinsicht keine Wünsche offen ließ. Violeta Urmana beeindruckt mich schon seit langer Zeit auf höchstem Niveau, sei es als Sopran oder Mezzo, sei es im italienischen oder im deutschen Fach. Nach so einer Karriere eine Stimme mit so wenig „Wobble“ zu haben spricht für eine gediegene Technik. Die Litauerin verdient aber nicht nur Bewunderung für ihr handwerkliches Können, sondern sie berührte auch mit einem hinreißenden Liebestod der Isolde.

Robert Dean Smith präsentierte sich in einer Bomben-Tagesform und zeigte mit seinem lyrischen Heldentenor als Tristan viel Schmelz. Auch wenn ihm der Ruf vorausgeht nicht der allermotivierteste Darsteller zu sein, die Kampfszene am Ende des zweiten Aktes und sein Sterben auf Kareol gelangen ihm diesmal wirklich gut.

Bei Elisabeth Kulman weiß man hingegen, dass sie eine tolle Sängerschauspielerin ist und jetzt klappte es in Wien endlich mit ihrem Brangäne-Debüt, nachdem vor zwei Jahren ein Probenunfall beim Bochumer Ruhrtriennale-Tristan beinahe ihr Karriere-Ende bedeutet hätte. Mit dieser Partie geht sie wieder in die oberen Sängerinnen-Regionen (die Brangäne ist eine Mezzo-Partie, die relativ hoch notiert ist) und sorgte für uneingeschränkte Begeisterung. Satte Tiefen, wunderbar „gerade“ gesungen und strahlende Höhe, wo es notwendig war, dazu eine differenzierte Rollengestaltung. Auf die Frage, ob sie nicht auch noch eine Isolde werden könnte, winkt sie aber ab: „Das ist eine Mörderpartie, ich weiß überhaupt nicht wie man das singen kann!“

Bleibt noch Matthias Goerne als Kurwenal zu nennen, der etwas Anlaufzeit brauchte, aber im Schlussakt voll punkten konnte. Sein etwas sprödes Timbre ähnelte dem von Albert Dohmen. Der viel gescholtene Bassbariton, der offenbar im Kritikerlager nicht viele Freunde hat, besitzt eine ähnliche Stimmfärbung, ideal für den König Marke. Mehr als achtbar schlug sich auch Clemens Unterreiner, der aus der kleinen Partie des Melot ein Minidrama machte und das mit erstaunlichem Volumen. Erfreulich, so einen Sänger im Ensemble zu haben. Auch Carlos Osuna (Hirt), Marcus Pelz (Steuermann) und Sebastian Kohlhepp (Stimme eines jungen Seemanns) passten sich dem hohen musikalischen Niveau an.

Enttäuschend war an dieser Vorstellung eigentlich nur die Tatsache, dass es im Zuschauerraum bereits zu Beginn eine ganze Reihe von leeren Plätzen gab, auch der Stehplatz bot reichliche Lücken. Nach der zweiten Pause hatten sich die Reihen noch mehr gelichtet! Aber die eingefleischten Fans bejubelten die Protagonisten so, als ob es eine ausverkaufte Premiere wäre. Extra-Phonestärken gab es für Kulman, Schneider und das Orchester.

Ernst Kopica | 14.12.2013

operinwien.at

Tristan vor Weihnachten

Die vierte Vorstellung dieser „Tristan und Isolde“-Serie an der Staatsoper war die zwölfte der im Juni präsentierten Neuproduktion – und zugleich die letzte der laufenden Spielzeit. Die Szene präsentierte sich freilich so, als stünde die Inszenierung schon seit vielen Jahren auf dem Spielplan, nur die asiatischen Einsprengsel dieser von Tokio nach Wien transferierten Produktion geben ihr nach wie vor einen Anstrich von Fremdheit, der fast ein wenig skurril wirkt.

Ein Tipp: Im Balkonumgang sind immer noch einige Bühnenbildentwürfe von Alfred Roller zu Verdi- und Wagneropern ausgestellt, darunter auch zu „Tristan und Isolde“ (Neuinszenierung 1903). Es lohnt, dort vor der Vorstellung oder in der Pause vorbeizuschauen, und diese Entwürfe sich vor dem inneren Auge dreidimensional und in Bühnengröße zu imaginieren. Roller stellte beispielsweise im dritten Aufzug die von Wagner in der Szenenanweisung geforderte Linde auf die Bühne, die den siechen Tristan beschattet. Daran könnten sich jetzt einige Überlegungen knüpfen: Warum war es Wagner offenbar wichtig, hier eine Linde auf die Bühne zu stellen? Handelt es sich nur um ein dekoratives Element? Welche Symbolkraft könnte darin liegen? Wie ändert sich durch die Darstellung des Baumes der „emotionale Gehalt“ des Bühnenbildes? Jedenfalls sind solche kleinen Zeitreisen in die Vergangenheit immer anregend – und die Staatsoper bietet mit ihren wechselnden Ausstellungen eine sehr gute Gelegenheit, gängige Ausstattungsprinzipien und den inzwischen außerordentlich „konzeptionellen Umgang“ mit der Kunstgattung Oper zu hinterfragen.

Der Abend begann mit einer Ansage: Violeta Urmana leide unter einer beginnenden Erkältung. Urmana hat die Isolde schon in Wien gesungen – vor vier Jahren sogar mit demselben Tristan: Robert Dean Smith. Der damals gewonnene Eindruck hat sich im Wesentlichen bestätigt: ein sehr gut durchgestaltetes Rollenporträt, in Summe aber von der Stimmsubstanz wohl zu wenig „dramatisch“. Die Spitzentöne wurden von ihr schon damals mit Vorsicht behandelt – und an diesem Abend klangen sie durchwegs scharf und angestrengt.

Robert Dean Smith sang einen für meinen Geschmack zu lyrischen und schon sehr hell timbrierten Tristan, bei dem der möglichst ökonomische Einsatz der Stimmmittel im Vordergrund zu stehen schien. Sein Tristan war deshalb mehr in den ruhigeren Passagen präsent: kein mitreißend gemaltes Heldenepos, sondern ein zwar nuanciertes, aber etwas luzid und energiearm wirkendes Tristan-„Aquarell“.

Elisabeth Kulman gab in dieser Aufführungsserie als Brangäne ihr Rollendebüt. Vielleicht ist ihre Stimme für die Partie noch um ein paar Gramm zu „leicht“, aber ihr gelangen klangschön warnende Rufe im zweiten Aufzug, und sie vermittelte im ersten Aufzug menschliche Wärme und Anteilnahme. Kulmans knappenhaft schlankes Erscheinungsbild wirkte zudem modern und würde auch in einem darstellerisch anspruchsvolleren Bühnensetting sehr gute Figur machen.

Albert Dohmen sang einen etwas trocken timbrierten Marke: mehr hintergangener „Bürger” als bassstrotzender, mythischer König. Matthias Goerne (Kurwenal) war mir von der Art seines liedbezogenen Singens aus beurteilt und wegen seines etwas hohlwangig raumgreifenden Baritons zu wenig der kernige „Recke”. Mit Clemens Unterreiner war der Melot geradezu luxuriös besetzt. Die übrige Besetzung war solide.

Ganz wesentlichen Anteil am Erfolg des Abends hatte das Orchester unter Peter Schneider, der den beständigen Strom dieser Musik in einem natürlichen, organisch seinen Mäandern folgendem Bett hielt, weder in der Dynamik noch im Tempo überspannend. Außerdem blieb dem Klang seine Wärme erhalten, der „Tristans“ Nachtwelt gleichsam von innen heraus zu erleuchten vermochte. Und im Liebestod durfte der Abend ausklingen und ausschwingen, durfte er noch einmal zu einem breiten orchestralen Seufzer aufgischten, ehe er in den letzten Takten sich sehnsüchtig ausatmend verlor in einem tonlosen „Nichts“. Es sind vor allem Dirigenten der älteren Generation, die dafür noch ein Gespür haben. Der Schlussapplaus dauerte um die zehn Minuten lang.

Dominik Troger | Wiener Staatsoper 21. Dezember 2013

Kurier

Zumindest musikalisch auf hohem Niveau

Szenisch ist David McVicars Nicht-Deutung von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ zum Vergessen. Musikalisch aber kann die Wiener Staatsoper zum Finale des Wagner-Jahres noch einmal viele Trümpfe ausspielen.

Das beginnt bei Dirigent und Orchester. Denn Peter Scheider am Pult des extrem spielfreudigen, personell top besetzten Orchesters kennt „seinen“ Wagner in- und auswendig, weiß um alle Tücken der komplexen Partitur bestens Bescheid. Das Ergebnis ist – von ein paar Wacklern abgesehen – ein aufregender, dramatischer, dabei sinnlicher, nie plakativer Wagner, der eine wunderbare Sogwirkung entfaltet. Dass Schneider die Sänger zusätzlich auf den sprichwörtlichen Händen trägt, ist ein weiteres Plus dieser Spielserie (Reprisen: 13., 17., 21. Dezember).

Dazu kommt, dass mit Violeta Urmana eine Isolde ersten Ranges zur Verfügung steht. Urmana singt diese Partie mit großer Emphase und vokaler Strahlkraft, findet aber auch zu überaus innigen Momenten. Nur an der Wortdeutlichkeit könnte Urmana noch etwas arbeiten.

Über diese wiederum verfügt Robert Dean Smith als Tristan. Smith singt diese anspruchsvolle Rolle lyrisch und kultiviert. Die Tatsache, dass Smith aber eine eher kleine Stimme hat und kein klassischer Heldentenor ist, wird im Haus am Ring dennoch mehr als deutlich.

Für ein Ereignis hingegen sorgte eine Rollendebütantin: Elisabeth Kulman gab ihre erste Brangäne und beeindruckte mit ihrem wunderschönen, perfekt geführten, farbenreichen Mezzo. Besser kann man die Brangäne wohl nicht mehr singen. Erfreulich auch das Wiener Rollendebüt von Matthias Goerne als markiger, sicherer Kurwenal. Albert Dohmen (auch ein Wiener Rollendebütant) als tadelloser König Marke reihte sich in das bejubelte Ensemble ideal ein.

Peter Jarolin | 10.12.2013

Der Standard

Klangfluten des Liebeswahns

Manchmal könnte man, so man unmittelbar hintereinander verschiedene Aufführungen an der Staatsoper besucht, meinen, es würde ein anderes Orchester im Graben sitzen. Das hat weniger mit der – zum Teil deutlichen – Fluktuation zu tun, die Dienstpläne mit sich bringen, sondern schon auch noch mit den Dirigenten. Obwohl ja das schöne Bonmot existiert, die Wiener Philharmoniker (und also auch in ihrer Existenzform als Staatsopernorchester) würden ohnehin so spielen, wie sie wollen, egal was derjenige gerade tut, der am Pult steht.

Das Körnchen Wahrheit darin hat insofern beträchtliche Folgen, als das Atmosphärische hier nach wie vor eine enorme Rolle spielt. Jüngst war jedenfalls aller Zauber wieder da, und zwar einen ganzen langen Tristan lang, der weder nach Dienst noch nach Vorschrift klang. Schon dem Vorspiel, das sonst so gerne in Langsamkeit erstarrt, hauchte Dirigent Peter Schneider Geist und Leben ein, und so blieb es vier Stunden lang: fließend, beseelt, mit viel Gespür, aber in nichts übertrieben, sondern so natürlich, als wäre es das Leichteste auf der Welt.

Wir wissen aus anderen Zusammenhängen, dass dem nicht so ist. An diesem Sonntag aber blühte es in jeder orchestralen Faser, wurden die Sänger subtil wie selten eingebunden – nur manchmal so klangvoll, dass nicht alle immer ganz durchkamen. Das hatte allerdings auch mit den verschiedenen Charakteristika der Stimmen zu tun: Violeta Urmana (Isolde) verfügt über ein derart tragfähiges Organ, dass sie sich stets durchsetzt. Auch wenn das zuweilen leider mehr hysterisch als freudejauchzend wirkte, überwogen die satten, strahlenden, im Lyrischen höchst kultivierten Passagen.

Robert Dean Smith gab seinen Tristan mit mehr heldischem Metall als Klangfülle; Matthias Goerne musste als Kurwenal seine Grenzen des Volumens ausmessen – Probleme, vor denen der sonore Albert Dohmen (Marke) und der markige, glänzende Clemens Unterreiner (Melot) gefeit waren. Das lange erwartete Debüt von Elisabeth Kulman als Brangäne allerdings war es, das den Abend vollends einzigartig machte: Sie sang so ebenmäßig und vollendet und mit derart von Wärme durchpulster Stimme, als könnte die Behauptung von Richard Strauss, der Tristan sei eine “Belcanto-Oper”, tatsächlich wahr sein.

Und die (recht neue) “Inszenierung” von David McVicar? Die wirkt ein bisschen so, als hätte es sie schon immer gegeben: auffällig unauffällig, unverbindlich bebildernd, ansonsten statisch und starr. Salome lässt grüßen.

Daniel Ender | 10.12.2013

Rating
(6/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
320 kbit/s CBR, 44.1 kHz, 532 MByte (MP3)
Remarks
In-house recording
A production by David McVicar (2013)