Tristan und Isolde

Christian Thielemann
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele
Date/Location
1 August 2019
Festspielhaus Bayreuth
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
TristanStephen Gould
IsoldePetra Lang
BrangäneChrista Mayer
KurwenalGreer Grimsley
König MarkeGeorg Zeppenfeld
MelotArmin Kolarczyk
Ein junger SeemannTansel Akzeybek
Ein HirtTansel Akzeybek
SteuermannKay Stiefermann
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Reviews
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Finsternis, traumlos, und ohne Ausgang

Urgroßopa Richard hat einfach zu viele Worte gebraucht. Und Töne. Jedenfalls kommt Urenkelein In Bayreuth wird noch einmal Katharina Wagners Inszenierung von „Tristan und Isolde“ gezeigt. Christian Thielemanns Dirigat sorgt dabei für eine Art Lebensversicherung.

Was genau Christian Thielemanns Titel „Musikdirektor“ der Bayreuther Festspiele bedeutet, darüber darf nach wie vor gerätselt werden. Den persönlichen Parkplatz am Festspielhaus, der die Wichtigkeit des Amtes untermauern soll, hat sich Thielemann aber schon allein durch sein Dirigieren verdient. Er ist der unangefochtene Primus unter den Orchesterleitern in dieser Premierenwoche. Er ist allerdings auch der Erfahrenste: Seit nunmehr neunzehn Jahren dirigiert Thielemann in Bayreuth, die speziellen akustischen Verhältnisse des verdeckten Orchestergrabens machen solche Erfahrung offenbar zum wichtigen Faktor. Keiner, der das Festspielorchester so zart und zugleich präsent spielen lässt, keiner, der dem Klang des Orchesters eine ähnliche Griffigkeit verleiht. Der dämpfenden und mischenden Wirkung des Bayreuther Grabens auf den Orchesterklang muss das erst einmal abgetrotzt werden.

Womit Thielemann auch einem Irrtum entgegentritt: dass bei Wagner sich nicht nur die Hörer zurücklehnen dürfen, sondern auch die Musiker. Weil ja sowieso alles irgendwie gut klingen wird, dem Meister sei Dank, der den Instrumenten stets aus der Seele schrieb. Thielemann bringt in Erinnerung, dass es bei Wagner derselben Mühe bedarf, wie sie für die Erarbeitung von Musik früherer Epochen selbstverständlich ist: die Pflege einer klaren Artikulation, einer durchdachten Phrasierung und eines transparenten Klangbildes. Wagner verzichtete ja nicht auf Strukturen, um die berauschende Wirkung seiner Musik hervorzurufen. Wie sich etwa beim „Tristan“ – Thielemann dirigierte ihn nun in der Inszenierung von Katharina Wagner – die Vorspiele zu den drei Aufzügen jeweils aus einem Dreischritt entwickeln – zwei Anläufe, denen eine dritte, weiter ausgreifende Phrase folgt –, ist hier in schönster Klarheit zu hören. Es bleibt nicht bei der bloßen Überwältigung, wie sie die Wagner’sche Musik auf den Hörer ausübt. Thielemann öffnet den Blick in die Werkstatt des Komponisten und räumt damit zugleich eine Chance auf Distanz ein.

So veredelte er den märchenartigen „Lohengrin“ in der Ausstattung von Neo Rauch und Rosa Loy. Bei Katharina Wagners düsterem „Tristan“ – nächstes Jahr wird er dem neuen „Ring“ weichen – ist Thielemanns Dirigieren gar die Lebensversicherung. Die Sänger jedenfalls bieten kein allzu ausgeprägtes Profil. Stephen Gould ist ein Tristan, der seiner Rolle, was das Durchhaltevermögen angeht, gewachsen ist. Wenn er aber nicht zum Forte gezwungen ist, wo er dann zu kernigem Klang findet, hängt seine Stimme seltsam durch. In der Erschlaffung verschwimmt nicht nur die Charakterzeichnung der Rolle (vor allem Goulds Tapsigkeit bleibt in Erinnerung), auch die Intonation zieht es nach unten, bis zu einem Viertelton.

Petra Lang singt intonationssicher, doch ihre Isolde bleibt vage. Der offene Klang ihrer Stimme legt sich mühelos auch über ein vollzählig spielendes Orchester, bei intimeren Passagen wirkt die Offenheit ihrer Stimme aber zu wenig eingefasst. Es entsteht ein beliebiger Eindruck, auch die Textverständlichkeit leidet. Zu Lautstärke und darstellerischer Blässe tendieren auch die Sänger der Nebenrollen: Christa Mayer als Brangäne, die es an reiner Stimmkraft mit ihrer Herrin aufnehmen kann und ihr auch in der Undefiniertheit der Rolle ähnlich ist; Greer Grimsley als Kurwenal, der zum Bellen neigt. Deutlich hebt sich Georg Zeppenfeld ab als König Marke: Markig und doch elegant singt er, dabei so sprechend, dass sich auch der Text gut verstehen lässt. Ebenso Tansel Akzeybek, dessen Steuermann zu Beginn der feine Hohn seines Gesangs deutlich anzuhören ist.

Dass so unklar ist, was mit den Rollen anzufangen sei, deutet auf grundlegende Probleme in Katharina Wagners Inszenierung hin. Den „Tristan“ versetzt sie in ein mechanisch-geometrisches Umfeld, das der Liebe zwischen den beiden Hauptfiguren keinen Raum lassen möchte. Im Treppengewirr des ersten Aktes (Bühne: Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert) steigen Tristan und Isolde aneinander vorbei, im zweiten Akt sehen sie sich in einem Zwinger eingeschlossen, von dessen Begrenzung herunter die Suchscheinwerfer das Tête-à-tête ganz unromantisch ausleuchten, der dritte Akt ist ganz in Dunkelheit getaucht, wobei ein paar rote Grablichter Trost spenden und später hell leuchtende Dreiecke, in denen Isolde als Traumbild erscheint.

Wie sich die Figuren des Stückes zu dieser Umgebung verhalten, bleibt unklar. Fühlen sich Isolde und Tristan eingeengt? An der gemächlichen, nahezu gemütlichen Art, mit der sich Stephen Gould und Petra Lang über die Bühne bewegen, lässt sich das schwer ablesen. Und auch die symbolischen Handgriffe, die beide vornehmen, helfen beim Verständnis nicht viel weiter: etwa wenn sie leicht gelangweilt mit den Rippen eines Eisenthorax spielen, der Isolde im zweiten Akt umschließt wie das Drehkreuz eines Freibadausgangs. Es bleibt vor allem der Eindruck deprimierender Düsternis. So finster ist sie, dass auch das Vorhandensein einer Traumwelt geleugnet scheint, in der Tristan und Isolde sich begegnen könnten. Ihr Lebensraum, den Wagners Musik noch vielfarbig ausmalt, ist ihnen auf der Bühne entzogen. Punkte für die Musik zum Andocken hält die Bühne in ihrer geometrischen Härte nicht bereit.

Auch Christian Thielemanns farbreiches Dirigieren kann da nicht richtig helfen. In der Kraft und Durchdachtheit ihrer Gestaltung gerät die Musik eher zum Vorwurf für eine Bühne, die nicht mithalten kann.

CLEMENS HAUSTEIN | 05.08.2019

Wiener Zeitung

Christian Thielemanns Bayreuther “Tristan” – eine Chefsache

In Bayreuth sind jetzt auch alle Wiederaufnahmen durch. Katharina Wagners “Tristan und Isolde” war die letzte. Wie der “Parsifal” von Uwe Eric Laufenberg (mit Andreas Schager als Power-Parsifal) dreht sie in diesem Jahr ihre Abschlussrunde auf dem Grünen Hügel. Wenn im kommenden Jahr der junge Österreicher Valentin Schwarz die Chance seines Lebens bekommt und den “Ring” neu inszeniert, dann bleibt nur Platz für die Wiederaufnahmen des neuen “Tannhäuser”, “Lohengrin” und die “Meistersinger”.

Der “Tristan” war auch im verdeckten Graben wieder Chefsache: Katharina Wagners Musikdirektor Christian Thielemann demonstriert der Gemeinde auch bei Wagners musikalischem Rauschgift ziemlich nahe kommenden Ausnahmewerk, was man aus dem wunderbaren Orchester und der Akustik des Festspielhauses umgeht. Er vermag es wie derzeit kein anderer, die Feinheiten und das innere Leuchten der Musik zu zelebrieren, dabei Spannung zu erzeugen und gleichsam szenisch zu musizieren. Etwa, wenn er bei der ersten Begegnung von Tristan und Isolde plastisch hörbar macht, dass hier Anziehungskräfte wirken, die gar keiner Wunderdroge bedürfen.

Treppen und Scheinwerfer
In dem Stiegen- und Hebebühnen-Labyrinth, mit dem Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert die Bühne im ersten Aufzug zugebaut haben, müssen sich Kurwenal und Brangäne mit allen Kräften den offenkundig wirkenden Anziehungskräften, die zwischen Tristan und Isolde wirken, entgegenzustemmen. Und auf den Wegen, die aufeinander zu führen, die Treppen wegkippen lassen. Die Schrecksekunde für die beiden am Ende des ersten Aktes überträgt sich förmlich in den Saal, der zögert kurz, aber vernehmbar mit dem Beifall.

Der zweite Aufzug führt in die beklemmende Enge der mit Suchscheinwerfern und Wachen bestückten Gefängnismauern. Wie hier etwa die Bläser die ins Weite davoneilende Jagd imaginieren, ist grandios. Ebenso der Entrückung der Liebenden, für die die Beobachter nicht zu existieren scheinen.

Strahlender Tristan
Diese herniedersinkende Nacht der Liebe entfaltet natürlich auch deshalb ihre Wirkung, weil Stephen Gould und Petra Lang in atemberaubender Hochform sind. Strahlend und beispielhaft deutlich. Vor allem Gould beweist an diesem Abend seine Weltklasse. Einen Eröffnungs-Tannhäuser von Format als Einstimmung für einen exquisiten Tristan – das können nicht viele! Zudem hat er auch für die Fieberfantasien im dritten Aufzug, bei dem ihm Isolde über ein dutzend Mal als Gestalt vor einem leuchtenden Dreieck (oder Segel?) in der Dunkelheit erscheint, keinerlei Konditionsprobleme, wirkt frisch und völlig sicher strahlend.

Aber auch Petra Lang hat schnell zu sich gefunden, kann ihre Stimme bald auch in der Höhe wunderbar fließen lassen. Bis hin zum Liebestod.

Mit müheloser Kraft und ihrem warmen Timbre ist Christa Meyer wieder die erstklassige Brangäne an der Seite von Isolde. Greer Grimley überzeugt als betont viriler Kurwenal.

Georg Zeppenfeld ist eh ein Sänger von bewährt hohem Niveau. Diesmal wirkt sein Marke extrem ausgeruht und frisch! Ein Genuss, auch wenn er als Figur in Katharinas Deutung nicht die besten Karten hat, sondern ziemlich rabiat agiert und seinen angeblichen Verzicht, nach Tristans Tod selbst konterkariert. Er zerrt Isolde vom Leichnam des Geliebten weg, und Brangäne bleibt allein zurück. Alles in allem: ein beeindruckendes Adieu für diese Produktion!

Joachim Lange | 02.08.2019

Online Musik Magazin

Liebestod ohne Tod

“O sink hernieder, Nacht der Liebe”. Dieser Anfang des berühmten Duetts aus Wagners Tristan und Isolde mag wohl als Konzept über der Deutung durch Wagners Urenkelin Katharina, der Geschäftsführerin der Bayreuther Festspiele, gestanden haben. Denn so dunkel und düster hat man Wagners “Handlung in drei Aufzügen” wohl selten gesehen. Dabei mag schon der Begriff “Handlung”, den Wagner für sein Meisterwerk verwendet, verwundern, denn allzu viel passiert in dieser Oper trotz ihrer Länge von fast vier Stunden reiner Spielzeit eigentlich nicht. Der Hauptteil der Aktion, die Unterwerfung Irlands durch König Markes Ziehsohn Tristan mit der Ermordung des Bräutigams der Isolde, Morold, und die Heilung des verwundeten Tristan durch Isolde, hat bereits stattgefunden, wenn sich der Vorhang hebt, und Tristan ist mit Isolde auf dem Weg zu König Marke, um diesem Isolde als Gattin zuzuführen. Danach erlebt man ein wort- und klanggewaltiges Drama über einen der traurigsten Ehebrüche der Operngeschichte, ohne dass viel geschieht, und auch im fünften und letzten Jahr von Katharina Wagners Inszenierung lässt sich ergänzen, dass man zusätzlich auch nicht viel sieht.

Schon das Schiff, mit dem Tristan die zukünftige Gattin seines Königs nach Cornwall bringt, ist in der Inszenierung als solches kaum zu erkennen. Das riesige Konstrukt, das die beiden Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert, auf die Bühne gestellt haben, erinnert mit seinen labyrinthartigen Treppen und Wegen an ein Bild von Escher, bei dem sich weder Anfang noch Ende ausmachen lässt. Angelehnt ist es an ein Gemälde von Giovanni Battista Peranesi, “Carceri d’Invenzione” (Die Zugbrücke), einer düsteren Vision eines Höllenkerkers. Tristan und Isolde scheinen sich also schon direkt zu Beginn in einer Art Gefängnis zu befinden, aus dem es kein Entkommen gibt. Die Kostüme von Thomas Kaiser sind zeitlos gehalten und arbeiten mit Farbsymbolik. Tristan und Isolde tragen blau, um sie als zwei Wesen zu beschreiben, die verbotene Grenzen überschreiten. Brangäne und Kurwenal sind grün kostümiert, womit sie als bodenständige Figuren gezeichnet werden sollen. Marke und Melot treten später in gelb-beige auf, was ihren neidvollen und missgünstigen Charakter unterstreichen soll. Katharina Wagner sieht Marke nämlich keineswegs als gutmütigen alten Mann, der am Ende sogar Verständnis für die verbotene Liebe zeigt, sondern als eine Art Mafia-Boss, der Tristan und Isolde mit voller Absicht in die Falle tappen lässt.

Für die Liebe zwischen Tristan und Isolde bedarf es folglich auch keines Trankes. Die starke Bindung zwischen den beiden ist bereits von Anfang an da. Schließlich hat Isolde den Mörder ihres Bräutigams gerettet, weil sie sich beim ersten Blick unsterblich in ihn verliebt hat. Wenn die beiden im ersten Aufzug aufeinander treffen, begrüßt sie ihn direkt mit einem leidenschaftlichen Kuss. Der Todestrank, den sie zuvor bei Brangäne eingefordert hat, braucht nicht durch einen Liebestrank ausgetauscht werden, da die beiden ihn sowieso nicht trinken. Stattdessen steigern sie sich auf einer Art Zugbrücke in Ekstase und schütten den Trank über ihre Hände aus. Kurwenal und Brangäne müssen von unten hilflos zusehen, wie die beiden unweigerlich ins Verderben laufen. Direkt bei der Ankunft werden Tristan und Isolde gewissermaßen in flagranti ertappt und abgeführt.

Im zweiten Aufzug befinden sich Isolde und Brangäne in einem schwarzen Kerker mit metallenen Foltergeräten an den Wänden und auf dem Bühnenboden. Von oben werden sie mit Scheinwerfern von Marke und seinen Männern überwacht. Hier bleibt kein Schritt unbeobachtet. Mit Tristan wird auch Kurwenal in dieses Verlies geführt. Während Brangäne und Kurwenal einen Ausweg aus diesem Gefängnis suchen und dabei mit den diversen Folterinstrumenten an den Wänden in Berührung kommen, versuchen Tristan und Isolde, sich mit einem dunklen Tuch eine Art Höhle zu bauen, unter der sie von den Scheinwerfern ungesehen bleiben. Mit kleinen LED-Lämpchen gestalten sie sich in diesem Versteck einen Sternenhimmel, erkennen aber die Ausweglosigkeit ihrer Handlung, reißen das Tuch herab und stellen sich den gnadenlosen Scheinwerfern. Im berühmten Duett “O sink hernieder, Nacht der Liebe” schreiten sie dann mit dem Rücken zum Publikum auf zwei fahle Lichttunnel zu, in denen man jeweils den Schatten eines Menschen sieht, der sich auf dem Weg immer mehr verjüngt, bis er sich schließlich in ein Kind verwandelt hat. Dieses Licht soll wohl an ein Nahtoderlebnis erinnern. Eine riesige Spirale, die zuvor auf dem Boden vor Tristan und Isolde gelegen hat, hat sich währenddessen zu einem weiteren Folterinstrument aufgerichtet, an dem Tristan und Isolde im Anschluss versuchen, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Wenn die beiden im Tod Vereinigung suchen, taucht Marke mit Melot auf und gibt sich überrascht, obwohl er das Treiben die ganze Zeit von oben durch die Scheinwerfer beobachtet hat. Isolde und Brangäne werden abgeführt, während Tristan mit einer schwarzen Augenbinde zur Hinrichtung vorbereitet wird und Melot ihm ein Messer in den Rücken rammt.

Wie Kurwenal mit dem schwer verwundeten Tristan überhaupt aus diesem Gefängnis nach Kareol entkommen sein soll, erschließt sich nicht. Der dritte Aufzug stellt bezüglich des düsteren Bühnenlichts von Reinhard Traub noch eine Steigerung dar. Auf der rechten Bühnenseite rahmt in fahl schimmerndem Licht Kurwenal mit dem Steuermann, dem Hirten und aus Symmetriegründen einem Statisten den auf dem Boden liegenden sterbenden Tristan ein. Im Folgenden hat dann Tristan immer wieder Visionen von Isolde, deren Ankunft er sehnsüchtig erwartet. Dazu leuchten an verschiedenen Stellen auf der in totale Finsternis getauchten Bühne Tetraeder auf, in denen sich jeweils ein Phantom von Isolde befindet. Mal verschwindet das Phantom im Bühnenboden, wenn Tristan es zu greifen versucht, dann zerfällt es plötzlich in einen bloßen Umhang oder agiert in solcher Höhe auf der Bühne, dass Tristan es nicht erreichen kann. In diesem Teil geht das düstere Konzept der Inszenierung am besten auf. Wenn Isolde dann schließlich wirklich ankommt, schimmern Gestalten auf der rechten Bühnenseite, die wie Geister wirken. Diese entpuppen sich aber kurz darauf als Marke und seine Männer, die das ganze Szenario scheinbar wieder geplant haben. Tristan hat sein letztes “Isolde” ausgehaucht und wird aufgebahrt. Kurwenal, Melot, der Hirt, der Steuermann und der Statist werden im Kampf getötet, und Marke legt mit seinen Männern inmitten der Leichen eine schwarze Schärpe zum Zeichen der Staatstrauer an.

Isolde begreift nicht, dass ihr geliebter Tristan tot ist. Den abschließenden “Liebestod” verweigert ihr Katharina Wagner in ihrer Inszenierung jedoch. Stattdessen zerrt Marke sie von der Bahre, auf der sie neben dem toten Tristan Platz genommen hat, in den Bühnenhintergrund, nachdem sie ihren letzten Satz gesungen hat. Brangäne bleibt allein beim toten Tristan zurück. Musikalisch gibt es im letzten Jahr nicht nur Altbewährtes sondern auch einige Neuerungen. Neben Stephen Gould übernimmt für ein paar Aufführungen Stefan Vinke die Partie des Tristan, da Gould in diesem Jahr auch als Tannhäuser zu erleben ist und es selbst für einen Heldentenor zu viel sein dürfte, diese beiden Rollen an zwei aufeinander folgenden Tagen zu singen. Vinke verfügt über strahlende Höhen und im dritten Aufzug über scheinbar unendliche Kraftreserven. Wie er das lange Warten auf Isolde stimmlich und darstellerisch umsetzt, gehört zu den ganz großen Momenten des Abends. Auch mit dem Rücken zum Publikum vermag er im berühmten Duett “O sink hernieder, Nacht der Liebe” mit wunderbarer Textverständlichkeit zu begeistern. Neu ist auch Greer Grimsley als sein Gefährte Kurwenal, der die Partie mit markantem Bassbariton und einer hervorragenden Diktion gestaltet. Petra Lang hat die Isolde bereits in den vergangenen Jahren in Bayreuth interpretiert. Sie gestaltet die Partie mit dunklem, dramatischem Sopran. Ihr stellenweise recht starkes Vibrato geht allerdings vor allem im ersten Aufzug zu Lasten der Textverständlichkeit. Im oben genannten Duett findet sie mit Vinke zu einer wunderbaren Innigkeit und lässt diesen Augenblick neben ihrem “Liebestod” am Schluss zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends avancieren.

Christian Thielemann erweist sich am Pult des Festspielorchesters als absoluter Meister und lässt das Publikum in einen regelrechten Klangrausch versinken. Wie differenziert er die Tempi ansetzt, um die unterschiedlichen Stimmungen der Partitur einzufangen, ist wirklich großartig. Den Saal zum Toben bringen auch Christa Mayer als Brangäne und Georg Zeppenfeld als König Marke. Mayer glänzt mit dunklem Timbre und einer hervorragenden Textverständlichkeit. Zeppenfeld begeistert mit unendlich scheinenden Tiefen und autoritärem Bass. Da verzeiht man der Regie sogar, dass sie ihn als derartigen Bösewicht darstellt. Raimund Nolte gestaltet den intriganten Melot mit kräftigem Bassbariton. Tansel Akzeybek und Kay Stiefermann haben als Hirt (bzw. junger Seemann im ersten Aufzug) und Steuermann zwar nicht allzu viel zu singen, dafür aber um so mehr zu spielen, da sie mit Kurwenal bis zu ihrer Ermordung am Bett Tristans wachen. Akzeybek verfügt über einen jugendlichen Tenor mit großer Textverständlichkeit, und Stiefermann überzeugt mit dunklem Bariton. So gibt es zumindest für die musikalische Leistung des Abends großen Beifall im Publikum. Ob die Zuschauer mit Katharina Wagners düsterer Deutung einverstanden sind, lässt sich nicht sagen, da sich Frau Wagner, obwohl es sich um eine Aufführung handelt, in der zahlreiche Stipendiatinnen und Stipendiaten der Wagner-Verbände anwesend sind, nicht dem Publikum stellt.

FAZIT

So dunkel und düster hat man Tristan und Isolde wohl selten gesehen. Den beiden Liebenden die Vereinigung im Tod zu versagen, dürfte bei einem Großteil der Zuschauer keine Zustimmung finden.

Thomas Molke | Festspielhaus Bayreuth am 16. August 2019

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Media Type/Label
Technical Specifications
320 kbit/s CBR, 48.0 kHz, 566 MByte (MP3)
Remarks
Broadcast from the Bayreuth festival
A production by Katharina Wagner (2015)