Tristan und Isolde
Tristan | Daniel Frank |
Isolde | Alexandra Petersamer |
Brangäne | Katarzyna Kuncio |
Kurwenal | Christoph Pohl |
König Marke | Hans-Peter König |
Melot | Piotr Prochera |
Ein junger Seemann | Andrés Sulbarán |
Ein Hirt | Johannes Preißinger |
Steuermann | Jake Muffett |
Diesem Tristan kann auch keine Isolde helfen
So einsam starb Tristan noch nie. Keine Isolde weit und breit, die ihn zu seinen letzten Tönen in die Arme schließen kann – das kurze Wiedersehen bleibt Vision eines Sterbenden wie überhaupt alles, was im dritten Aufzug von Tristan und Isolde geschieht. Oben auf einem hochgefahrenen Podest sieht man Kurwenal erst am Krankenbett sitzen, dann um den Verstorbenen trauern, später eine feierliche Trauerrede halten; parallel dazu erlebt man unten Tristans Fieberphantasien. Regisseur Dorian Dreher entkoppelt die Zeitebenen und lässt eine Realhandlung schemenhaft als Kommentar ablaufen (auch wird der Tod des Eltern, die Übergabe des Säuglings an Ziehvater Marke angedeutet), während die innere Handlung in Tristans Monologen im Zentrum steht. Das funktioniert überraschend gut, denn es unterstreicht den Gegensatz zwischen innerer und äußerer Sphäre. Die verlassenen Bar, an der Tristan in Gedanken seine Biographie durchlebt, wird zudem zur eingängigen und visuell überzeugenden Chiffre für Einsamkeit. Daniel Frank in der Titelrolle bewältigt mit hellem, kraftvollem und höhensicherem Tenor seine Partie beeindruckend, wobei lyrische Phrasen nicht seine Sache sind und das Timbre recht eindimensional bleibt. Den von Beginn an verlorenen, mit sich und seiner eigenen Innenwelt beschäftigten Außenseiter gibt er aber durchweg überzeugend.
Geprägt ist die Regie von den Randbedingungen: Während der Pandemie hatte die Rheinoper bei Eberhard Kloke eine Neufassung der Oper für reduzierte Orchesterbesetzung in Auftrag gegeben, die unter Wahrung von Abstandsregeln im Orchestergraben spielbar ist. Kloke hat aber nicht einfach eine ausgedünnte Version erstellt, sondern eine Bearbeitung von ganz eigenem künstlerischen Wert. Tristan ist von Beginn an das Englischhorn, das im dritten Aufzug die “alte Weise” spielt und damit von Wagner eine dramaturgisch zentrale Rolle zugeschrieben bekommt, an die Seite gestellt, Isolde ein Streichquartett. Diese Musiker spielen sichtbar auf der Bühne, und damit war schon während der Konzeption dieser Fassung (in die der Regisseur sowie Dirigent Axel Kober eingebunden waren) festgelegt, dass auch die szenische Interpretation mit diesen Brechungen umgehen muss und keinen rein narrativen Ansatz verfolgen kann. So gibt es in Drehers Inszenierung immer wieder Momente, in der vom szenischen Spiel auf die Musik überblendet wird, und das kommt der Intention des Komponisten durchaus nahe: Das Entscheidende, nicht mit Worten Auszudrückende findet in der Musik statt. Und wenn Tristan und Isolde quasi konzertant im zweiten Aufzug die Nacht der Liebe besingen, wirkt das nicht hilflos, sondern angenehm unaufgeregt. Oben sieht man derweil Kurwenal und Melot und ein Liebespaar eingefroren stehen. Auch hier gibt es verschiedene, nebeneinander herlaufende Zeitschichten.
Dieser Tristan ist ein von Geburt an Verlorener, ein Todessüchtiger, der seine Isolde eher als Katalysator für das Geschehen braucht denn als Partnerin. Da bedarf es keiner realen Verletzung (Melot mag ein unsympathischer Schnösel sein, was Dmitri Vargin gut und mit leichter, beweglicher Stimme zum Ausdruck bringt – aber eine Waffe nimmt er nicht in die Hand). Tristan stirbt, weil er es will, und er stirbt an sich und seiner Todessehnsucht. Isolde geht in ihrer Vorstellung von Liebe auf, ihr Tod ist eine Apotheose. Dazu kommt ein Teil des Orchesters zum Liebestod auf die leere Bühne, ein “Klangband” für Isolde, wie Kloke es bezeichnet. Auch hier steht die Musik auch visuell im Zentrum. Alexandra Petersamer, die hier ihr Rollendebut gibt, ist keine ganz junge Isolde, auch stimmlich nicht (was für diese Fassung doch spannend wäre). Zu Beginn bleibt ihr gedeckter Sopran recht pauschal im Ausdruck und mitunter angestrengt in der Höhe, aber sie singt sich frei und gestaltet zunehmend differenzierter und natürlicher, bliebt weich im Klang und ohne Schärfe, bei manchen Tönen noch etwas wacklig, da fehlt es wohl noch an Erfahrung mit der Partie, aber insgesamt gelingt ihr der Abend sehr überzeugend.
In der reduzierten Orchesterbesetzung – die aber keineswegs kleinformatig klingt – gestaltet Dirigent Axel Kober ganz großartig einen “sprechenden” Tristan, unterstreicht die Phrasierungen der Sänger und erzeugt große Spannung, die mehr aus dem Gesang erwächst als aus einer symphonischen Begleitung. Fabelhaft gelingt der Auftritt König Markes am Ende des zweiten Aufzugs. Der ungemein klangschöne, sehr genau und nuanciert deklamierende Hans-Peter König ist eine Wucht; ein sehr menschlicher, gutherziger und nahbarer, gleichzeitig imposanter und tief getroffener Marke. Und Kober und die insgesamt guten Duisburger Philharmoniker tragen ihn, die Musik bleibt auch in dieser oft allzu statischen Szene im Fluss, kommentiert den Text mit eben dieser unbestimmten Liebes- und Todessehnsucht, die wohl auch Marke in seinem Innersten erahnt. Das ist ganz großes Musikdrama. Und Klokes Bearbeitung erhält nicht nur hier eine Legitimation, die weit über eine “Pandemie-Notlösung” hinaus geht.
Zum ersten Mal werden jetzt alle drei Aufzüge an einem Abend gespielt – als die Hygieneregeln eine Pause untersagten, spielte man jeweils einen Aufzug an einem Abend (siehe unsere Rezension des ersten Aufzugs). Vor dem ersten und zweiten Aufzug lässt Kloke jeweils ein paar Takte vom Beginn des dritten Aufzugs spielen, was Sinn ergab, um jeden Akt als Einzelwerk zu spielen und den Bezug zum Tod Tristans hervorzuheben. Aber auch jetzt beim Tristan an einem Abend behält die Idee ihre Berechtigung, verschiebt sie doch die Perspektive hin zu Tristan und dessen nachtdunkler Weltsicht. Die “alte Weise” wird zum Klangsymbol für das Unbewusste, die Vorerfahrungen. Kirsten Kadereit-Weschta am Englischhorn spielt bravourös, wird neben Tristan und Isolde zur dritten Hauptfigur, oft auf der Bühne präsent. Sehr differenziert klingt das Streichquartett (Tonio Schnabel, Johannes Heidt, Mathias Feger und Fulbert Slenczka). Richard Sveda singt einen pointiert klaren, sehr präsenten Kurwenal, Katarzyna Kuncio eine mitunter flackernde, insgesamt recht ordentliche Brangäne. Im halb besetzten Duisburger Theater (wie schade; einen Tag später hätte man alle Plätze verkaufen dürfen) feierte das Publikum die erste große Wagner-Produktion nach den Lockdowns mit Ovationen.
FAZIT
Der Rheinoper gelingt eine sehr eigene, fesselnde und bewegende Version von Tristan und Isolde, die dem Werk näher kommt als die meisten anderen “originalen” Produktionen.
Stefan Schmöe | Premiere am 31. Oktober 2021 im Theater Duisburg
TRISTAN UND ISOLDE – ein musikalischer Sonderfall
Am letzten Oktobertag feierte Richard Wagners „Handlung in drei Aufzügen“, sein legendäres Musikdrama „Tristan und Isolde“, an der Rheinoper Duisburg Premiere. Es war in gewissem Sinne eine Premiere, denn die Entstehungsgeschichte dieser Produktion ist eine ganze Besondere. Man hatte aufgrund der Corona-bedingten Abstandsregeln, die im Mai 2020 auch für den Orchestergraben galten, der nun mal gerade bei Wagner-Werken sehr dicht besetzt ist, in Düsseldorf, dem Haupthaus der Rheinoper, nach einer Lösung gesucht, wie man das Orchester entflechten und dennoch eine ungekürzte Fassung spielen kann. Denn das war der Wunsch des Intendanten Christoph Meyer und von GMD Axel Kober: ein ungekürzter „Tristan“ sollte es sein, nicht wie die ebenfalls 2020 entstandene, massiv gekürzte Version an der Staatsoper Hannover.
Während Florian Dreher als Regisseur engagiert wurde, wandte man sich an den „erfahrenen und geschätzten Dirigenten, Komponisten, Arrangeur und Projektmacher Eberhard Kloke“, einen „etablierten Spezialisten für musikalische Bearbeitungen“, wie er in einem Interview mit der Dramaturgin Carmen Kovacs im zu den Besonderheiten des Projekts und der resultierenden Inszenierung ausführlich Stellung nehmenden Programmheft bezeichnet wird. Kloke, zur Zeit des Mauerfalls Chefdirigent der Bochumer Symphoniker, für die er schon einmal den 1. Aufzug des „Tristan“ „einrichtete“, hat schon etliche Opern-Fassungen und Arrangements gemacht und dabei Erfahrung mit verschiedenen Aufführungskonzepten mit Raum und Klang gewonnen. Es galt also offenbar, und das ist angesichts der damaligen Situation durchaus verständlich und nachvollziehbar, aus der (Corona-)Not eine Tugend zu machen, eine Fassung des „Tristan“ für kleines Orchester, eine ganz spezielle für die Rheinoper Düsseldorf/Duisburg – ein „Tristan“, „den die Welt so noch nie gehört hat“, wie ebenfalls dort zu lesen ist, was aber nicht automatisch ein Beleg für ein Gelingen ist.
Und damit ist das entsprechende Keyword gefallen – „gehört“. Denn das ist es, was diese Produktion in erster Linie verfolgt, und nicht immer zu ihrem Heil. Durch verschiedene Eingriffe in das musikalische Geflecht und vor allem die Instrumentierung sollte eine neue musikdramatische Sicht im Sinne einer Verdichtung, eine „komponierte Interpretation“ angestrebt werden. Diese sollte gleichzeitig immer wieder Bezug nehmen auf die Vorgeschichte, wobei man diese ja wie fast immer bei Wagner durch die Erzählung der Protagonisten im Stück selbst geliefert bekommt, wie hier von Isolde im Dialog mit Brangäne. Als weitere Beispiele mögen diesbezüglich dienen der Wotan-Monolog in der „Walküre“, der Prolog und die Waltraute-Erzählung in der „Götterdämmerung“, aber auch der „Holländer“-Monolog etc. So ist also auch im „Tristan“ nicht wirklich eine wie immer musikalisch besonders akzentuierte Vorgeschichte des Stücks zu erzählen, das ist bei Wagner alles in Wort (Isolde) und Musik schon enthalten und bezaubert jeden Wagner-Liebhaber bei einer guten Aufführung. Bei der ganzen Idee, eine spezielle Fassung zu entwickeln, spielte auch eine nicht unerhebliche Rolle, dass man – wiederum Corona-bedingt – in Düsseldorf im Juni/Juli 2020 nur jeweils immer einen Aufzug aufführen konnte, niemals das ganze Stück an einem Abend, weil es eben zu lang ist, was aber nun in Duisburg erstmalig möglich wurde.
Die Tugend, die Kloke also im Wesentlichen aus der (Corona-)Not zog, war die Etablierung einer „räumlich abgesetzten Klangebene“, die mit der Vorgeschichte verbunden wird und dementsprechend die innere Handlung, das Unausgesprochene erzählt. Das Hauptorchester im Graben erzählt hingegen die „Handlungs-Gegenwart, die äußere Handlung“. Das sieht dann so aus, dass ein Streichquartett als „kleinste orchestrale Basis“, zusammen mit dem berühmten Englischhorn aus dem 3. Aufzug auf der Bühne sitzt, einmal mehr im Vordergrund wie im 1. Aufzug, dann mehr im Hintergrund wie im 2., und manchmal ganz allein spielt, meist aber auch mit dem Orchester. Dass Vorspiel beginnt, ganz und gar ungewohnterweise, um es diplomatisch auszudrücken, mit dem Englischhorn und seiner Melodie aus dem 3. Aufzug. Diesem Instrument schreibt Kloke quasi eine „Tristan-Biographie“ zu, und deshalb ist es oft gemeinsam mit ihm auf der Bühne. Dann kommt das Streichquartett, im 1. Aufzug meines Empfindens mit seiner Solo-Rolle eher störend und die große Linie von Wagners so perfektem Klangfluss irritierend, der ohnehin alles an Gefühlen eingebaut hat, was hier denkbar wäre und ist. Im 2. Aufzug war es meist gar nicht zu hören und somit, de facto, integraler Teil des gesamten Orchesters. Kloke will dem Klang aber durch das Streichquartett auf der Bühne eine räumliche Dimension geben, die bis in den Zuschauerraum hineinreicht.
Das ist praktisch eine Inszenierung der Musik bzw. des Orchesters! Wer Bayreuth kennt, weiß, dass Wagner alles andere als genau das wollte und so das „unsichtbare Orchester“ schuf. Kloke hält aber in dem Interview den „verdeckten Bayreuther Orchesterklang spätestens seit der Erfindung der Mikrophonie und Lautsprecherklänge für obsolet“! Das Orchester dürfe nicht versteckt werden und man wolle es jetzt zeigen. Man muss sich angesichts solchen Kommentares schon fragen, ob Kloke jemals den legendären und durch keine Mikrophonie der Welt, die ohnehin nicht in die Opernhäuser gehört, ersetzbaren Bayreuther Mischklang selbst erlebt hat. Er ist ein wesentlicher Grund, warum immer noch so viele Wagner-Liebhaber alljährlich nach Bayreuth reisen, um den Begriff „pilgern“ zu vermeiden. Indem hier von einem permanenten Wechselbezug zwischen Vorgeschichte und gegenwärtiger Geschichte, also der Handlung stattfindet, will man durch die musikalische Optik auf der Bühne „diese Latenz nach außen kehren“ und so erst zwischenmenschliche Bezüge sichtbar machen. (Wer im Juli „Tristan und Isolde“ mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann unter Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper erlebte, der kam mit der von Wagner vorgeschriebenen Orchestrierung im Graben diesbezüglich voll auf seine Kosten). In Duisburg hebt Axel Kober dagegen den Taktstock für die Musiker im Graben erst beim Tristan-Akkord des Vorspiels, nachdem zuvor außer der melancholischen retrospektiven Weise des Englischhorns und dem Spiel des stoisch dreinblickenden Streichquartetts noch ein Entrée geboten wurde, ein gesprochener Monolog aus der Orestie von Aischylos. Mir stellte sich das Ganze eher als Verzögerung dessen dar, was man erwartete, denn das war immer gut, weil Wagner genau wusste, was er komponierte und warum… Und statt einer Verdichtung wirkte es auf mich wie eine Entflechtung.
Die Platzierung der fünf Musiker auf der Bühne hatte neben einem optisch oft befremdlichen Eindruck, zumal es niemals zu einer auch noch so dezenten Interaktion in Mimik oder Blick mit den Sängern gab – um deren ganz persönliche Empfindungen es ja genau bei diesen Musikern gehen sollte – auch noch einen räumlich beengenden Effekt. Das oft auf zwei Ebenen konzipierte Bühnenbild von Heike Scheele musste erheblichen Raum an die Musiker abgeben. So kam es nur zu wenig Bewegung in der Szene, oft gar nur zu Rampensingen oder sogar Singen aus dem Sitz an einem langen Tisch im Mittelakt. Bei Markes Monolog geht der gute Hans-Peter König, ohnehin kein allzu begabter Sängerdarsteller, im Vordergrund auf und ab wie ein Eisbär im Zoo. Absurd wird es aber erst im 3. Aufzug, wenn der Hirte ein überaus geschäftiger Chefarzt ist, der büroktasich jede Regung des Patienten Tristan im Krankenhausbett aufzeichnet und einmal sogar eine Blutkonserve einhängt und erfolgreiche Wiederbelebungsversuche macht und dann noch fragt, als Arzt, „Was hat’s mit unserm Herrn?“ Was das sollte, kann wohl nur der Regisseur erklären. Kurwenal sitzt am, de facto, leeren Krankenbett, während Tristan unten an einer langen und bestens bestückten Bartheke über sein Schicksal sinniert, vokal bekanntlich äußerst fordernd. Zu einer Verletzung durch Melot war es nicht gekommen, wie auch alle am Ende überleben und die bei Wagner eigentlich Gefallenen Tristans schwarzen Sarg hinaustragen. Isolde bekommt bei ihrer Ankunft nur noch diesen Sarg zu Gesicht – auch wenn es anders gemeint sein soll, wieder einmal eine Entemotionalisierung einer emotional so bedeutenden Szene. Tristans finales „Isolde!“ kommt nur noch aus dem fernen Off…
Interessant hingegen sind einige historische Rückblicke, die vor dem dunklen Hintergrund über der Bar kurz eingeblendet werden. Man sieht kurz Tristans junge Mutter mit seinem gleich nach Zeugung gestorbenen Vater in eben dem Bette, in dem Tristan eigentlich vermutet wird, dann seine hochschwangere Mutter, ihr Tod bei Tristans Geburt und die Übergabe des Babys an König Marke – alles szenisch sehr gute Einfälle! Von den Kostümen her waren die Männer bis auf den Arzt im weißen Kittel in schwarze Anzüge gekleidet, die Damen wechselten öfter ihre Kostüme. Nichts einzuwenden, Ronja Reinhardt. Volker Weinhardt war für das kaum variierende Licht zuständig.
Sängerisch stimmte viel mehr als szenisch und musikalisch. Daniel Frank war ein eindrucksvoller Tristan mit einem stabilen, etwas metallischen Tenor, der alle Höhen und Tiefen der so fordernden Rolle mit scheinbar großer Leichtigkeit meisterte und am Schluss noch ein wundervoll lyrisches „… Isolde! Wie schön bist du!“ singen konnte. Eine ganz große Hoffnung am immer grauer werdenden Wagner-Heldentenor-Himmel! Alexandra Petersamer gab ihr mit Spannung erwartetes Rollendebut als Isolde, und man merkte ihr beim begeisterteren Schlussapplaus an, das ihr ein großer Stein vom Herzen gefallen war. Sie hatte es auch einfach ganz großartig gemacht, sowohl durch eine intensive, offenbar auf eigenem Rollenstudium basierte Darstellung, wie auch durch einen eher tiefen Sopran – sie kommt ja vom Mezzofach – mit dem sie der Rolle die nötige Glut, Farbe und Dramatik geben konnte. Dass einige Spitzentöne leicht am Anschlag waren, fiel dabei nicht ins Gewicht, die hohen Cs hat sie alle gesungen. Petersamer gab zu jedem Zeitpunkt alles, was sie hat, und das war viel.
Der junge slowakische Bariton Richard Šveda sang einen wunderbaren lyrisch-klangvollen Kurwenal mit guter Resonanz und Diktion. Leider wurde er wegen der komischen Situation im 3. Aufzug von der Regie arg vernachlässigt. Man sollte ihn für höhere Aufgaben vormerken. Der bewährte Hans-Peter König war wieder einmal der stimmgewaltige souveräne König Marke. Wenn er nur etwas mehr aus sich heraus kommen könnte! Katarzyna Kuncio gab eine klangvolle und engagierte Brangäne auf guter Augenhöhe mit Isolde, sodass die Dialoge der beiden im 1. und 2. Aufzug zu den spannenderen Phasen der Aufführung gerieten. Herrlich klangen auch ihre Rufe in der Liebesnacht, die stehend als „philosophisches Gespräch“, laut Regisseur, vor einem Vorhang vollzogen wurde. Andrés Sulbarán sang einen lyrischen jungen Seemann. Dmitri Vargin als schmieriger Melot, Johannes Preißinger als „Hirt“ und Luvuyu Mbundu als Steuermann rundeten das sehr gute Sängerensemble ab.
Zum musikalischen Teil ist schon viel gesagt worden. Es war eben kein „Tristan“, wie man ihn gemeinhin kennt. Es war eine Fassung für die Rheinoper, auf die die Inszenierung zugeschnitten wurde. Corona-bedingt also am Ende wohl ein Sonderfall. Aber auch unter diesen besonderen Bedingenden machte Axel Kober mit den Duisburger Philharmonikern, ohnehin sehr Wagner-erfahren, das Beste. Er konnte das Orchester im Graben stets gut mit den fünf Musikern auf der Bühne koordinieren und dirigierte, auch aufgrund des kleineren Orchesters, natürlich sehr sängerfreundlich. Der bestens von Gerhard Michalski einstudierte Herrenchor der Deutschen Oper am Rhein sang ungewöhnlich kraftvoll aus dem Hintergrund.
Bei Isoldes Liebestod kommen nach und nach viele zusätzliche Musiker aller Instrumentengattungen auf die leere Bühne und spielen mit Isolde ein emotional wirklich einnehmendes Finale. Hier stimmte dann die musikalische „Einrichtung“ einmal wirklich überzeugend. Der „Tristan“ an der Rheinoper wird wohl in die Rezeptionsgeschichte als Corona-bedingtes Experiment eingehen, dem aber das große Bemühen zu bescheinigen ist, auch bei schwierigen Umständen weitgehend bei Wagners Komposition zu bleiben. Und wer weiß, wie lange das noch so bleibt?!
Klaus Billand | Premiere am 31. Oktober 2021


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A production by Dorian Dreher (2021)
Arranged Tristan version by Eberhard Kloke for reduced orchestra with a speaker (Cennet Rüya Voß) at the beginning of each act