Tristan und Isolde
Tristan | Heiko Börner |
Isolde | Aile Asszonyi |
Brangäne | Judith Braun |
Kurwenal | Peter Schöne |
König Marke | Hiroshi Matsui |
Melot | Stefan Rötting |
Ein junger Seemann | Sung Min Song |
Ein Hirt | Sung Min Song |
Steuermann | Ramazan Karaoğlanoğlu |
Lost in Translation
Am Ende großer, begeisterter Applaus. Nur das Regieteam erhält einige redlich verdiente Buhs. Eine starke Leistung des Hauses, die Appetit auf den im Herbst beginnenden „Ring des Nibelungen“ macht.
Richard Wagners gewaltige „Handlung in drei Aufzügen“ gilt neben seinem „Ring des Nibelungen“ als der Mount Everest für Sänger, Orchester, Regisseure. Nun hat sich auch das Saarländische Staatstheater Saarbrücken dieser Herausforderung gestellt, mit mehr als nur achtbarem Erfolg.
Mit Ausnahme des fluchbeladenen Liebespaares konnte das Haus alle Rollen aus dem Ensemble besetzen, das so Gelegenheit bekam, sein hohes gesangliches Niveau zu beweisen. Mit der Stimme des jungen Seemannes, der dann später auch den Hirten übernimmt, kann Sung Min Song seinen schönen, technisch versierten Tenor einsetzen und markiert bereits zu Beginn den hohen Level des Gesangsniveaus dieses Abends. Judith Braun gibt die Brangäne, und kann dieser fordernden Rolle durchaus Profil verleihen. Ihre Nachtgesänge fügen sich bestens in die Stimmen des Liebespaares, auch im Spiel überzeugt sie durch nachdrückliche Präsenz.
Ihr männliches Pendant, der getreue Kurwenal wird von Peter Schöne mit schlankem, agilem Bariton gesungen und jugendlich forsch gespielt. Melot, Tristans Verräter, charakterisiert Stefan Röttig mit scharf akzentuiertem, aber dramaturgisch ungemein wichtigem Einsatz. Menschliche Wärme in Form von sonorer Tiefe bringt Hiroshi Matsui für den König Marke mit, und kann durch souveräne Persönlichkeit überzeugen.
Als Tristan gibt der international erfolgreiche Burkhard Fritz sein Rollendebüt. Fast alle großen Tenorpartien Richard Wagners hat Fritz bereits gesungen, jetzt wagt er sich auch an den Tristan. Die Stimme verfügt über einen gesunden baritonalen Kern, die Höhe ist kräftig und besitzt den so begehrten tenoralen Strahl, also beste Voraussetzungen für ein gelungenes Debüt. Im dritten Akt allerdings macht sich eine temporäre Indisposition bemerkbar, die Fritz aber erfolgreich niederkämpft.
Zur Gewinnerin des Abends wird die estnische Sopranistin Aile Asszonyi, die als Isolde ebenfalls ihr Rollendebüt gibt. Ihr großer, voll tönender Sopran bringt alle Voraussetzungen für diese wohl anspruchsvollste Partie mit. Eine leuchtende, aufblühende Höhe, die nötigen tieferen Register, saubere Diktion und das erforderliche Volumen. Da wächst eine neue Hochdramatische heran, Saarbrücken hat sich die Künstlerin bereits als Brünnhilde im „Ring“ gesichert.
Generalmusikdirektor Sébastian Rouland holt aus dem Saarländischen Staatsorchester ein Optimum an Durchdringung der Partitur heraus; dass der erste Akt noch sehr verhalten klingt, ist vielleicht auch einer gewissen Scheu vor diesem monumentalen Werk geschuldet. Das Orchester kann nicht in der originalen Großbesetzung spielen, was aber nicht dem Mangel an Musikern, sondern dem begrenzten Raum im Orchestergraben geschuldet ist. Insgesamt eine musikalische Darbietung des Werkes, die Vergleiche mit größeren Häusern nicht scheuen muss.
Zum Ärgernis wird leider erneut die Inszenierung. Man hat auf das „Tandem“ der beiden ungarischen Künstlerinnen Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka gesetzt, die ein dramaturgisches Konzept entwickelten, das beim besten Willen keinerlei Entsprechung in Wagners Text findet und mit abstrusen hinzugefügten Nebenhandlungen nicht nur verwirrt, sondern auch sich selbst ad absurdum führt. Der in Endlosschleife gemeinsam von Tristan und Isolde verübte Suizid stammt keineswegs aus der Dichtung Wagners. Nicht das einzige Missverständnis des Regieteams.
Brangäne mit König Marke im Ehebett, was Erstere nicht daran hindert, im Bad anschließend mit Kurwenal zu poussieren, verstört weniger durch die Spießigkeit des Einfalls, als durch Ferne zu Wagners Ideenwelt. Man erkennt das leider heute übliche Strickmuster: man stülpt einem bestehenden Werk eine verfremdete bis unsinnige Deutung über. So beherzt auch alle Protagonisten das Konzept szenisch umzusetzen versuchen, es gibt einfach nichts Richtiges im Falschen. Aile Asszonyi und Burkhard Fritz winden sich vergiftet geradezu virtuos in Krämpfen und sterben gleich mehrere Tode. Richard Wagner hat ihnen dieses Schicksal erspart. Die Drehbühne wird permanent eingesetzt, sie ist mit einer Folge von Räumen bestückt, durch die sich die Protagonisten bewegen, um verwirrende Handlungen vorzunehmen. Stilistisch vage die Details, auch die Kostüme erschöpfen sich in trister Beliebigkeit. Am Ende versöhnt Asszonyi mit einem fulminanten Liebestod, so behält Wagner doch das letzte Wort.
Am Ende großer, begeisterter Applaus. Nur das Regieteam erhält einige redlich verdiente Buhs. Eine starke Leistung des Hauses, die Appetit auf den im Herbst beginnenden „Ring des Nibelungen“ macht.
Peter Sommeregger | 10. Mai 2022