Tristan und Isolde
Andrea Sanguineti | ||||||
Philharmonischer Chor Essen Essener Philharmoniker | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Tristan | Bryan Register |
Isolde | Catherine Foster |
Brangäne | Bettina Ranch |
Kurwenal | Heiko Trinsinger |
König Marke | Sebastian Pilgrim |
Melot | Aljoscha Lennert |
Ein junger Seemann | Aljoscha Lennert |
Ein Hirt | Albrecht Kludszuweit |
Steuermann | Karel Martin Ludvik |
Frauen-Power: Isolde und Brangäne!
Zum Finale der Geburtstags-Feierlichkeiten zum 125-jährigen Bestehen der Essener Philharmoniker gratulierten div. Damen und Herren aus Kultur und Politik in kurzen Logos, somit verzögerte sich die WA „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner etwas. Hatte ich anno 2006 die Inszenierung von Barrie Kosky bereits nach dem ersten Aufzug erbost verlassen, galt mein Unmut damals jedoch der kreischenden Isolde und dem unbedarften Tristan. Inzwischen nach vielen unspektakulären Inszenierungen fand ich die Guckkasten-Perspektive (Klaus Grünberg) dieser Produktion gar nicht mehr so schrecklich, gewann zudem die Optik bar der eleganten Kostüme (Alfred Mayerhofer) eine ausgezeichnete Ästhetik.
Nun trieben mich meine musikalischen Begierden erneut ans Aalto-Musiktheater allein des neuen Protagonisten-Paares wegen, welches ich vor einem Jahr in Cottbus in einer traumhaften Jugendstil-Produktion erleben durfte. Bevor ich jedoch die sanglichen Leistungen hervor hebe möchte ich die vortrefflichen Essener Philharmoniker unter der Stabführung ihres einfühlsamen GMD Andrea Sanguineti würdigen. Wie bereits zum „Tannhäuser“ während der vergangenen Spielzeit sowie bei früheren Besuchen begeisterte mich erneut die hohe kultivierte Spielkultur dieses Orchesters. In bewundernswerter klangästhetischer Dichte erhoben sich die ersten Takte des Vorspiels, formierten sich allmählich von elegischer Transparenz zu dynamischen Instrumental-Couleurs gipfelnd im Rausch der Liebesekstase, ließen bereits die folgenden musikalischen Klangorgien erahnen. Von sinnlicher Atmosphäre umflort erhoben sich die dramatischen Pentimenti während des ersten Aufzugs. Fulminant, weitausschwingend ertönten die Hymnen der Nacht und der Liebe, einfach herrlich ausmusiziert wurde man der magisch überwältigenden Valeurs der der prächtig und präzise aufspielenden Instrumentalgruppen gewahr. Gewiss die Tristan-Partitur ist kein Kammerspiel und Sanguineti ließ es zuweilen an leidenschaftlichen Forteausbrüchen nicht mangeln, dennoch ließ der versierte Dirigent mit stets wachem Blick zur Bühne seine Solisten atmen. Nach der elegisch-depressiven Weise im Finalaufzug verdichtete der umsichtige Maestro während Tristans Fieberwahn erneut die orchestralen Wogen in Eruptionen und mir wurde erneut bewusst weshalb ich diese narkotische Musik so liebe und Tristan und Isolde nach wie vor zu meiner Opernfavoritin zählt. Fragte mich dereinst ein Klinik-Arzt: nehmen Sie Drogen? Ich antwortete spontan: ja – WAGNER!
Es ist immer wieder verwunderlich während der letzten Jahre sowie gegenwärtig neuen Soprantalenten hohen Standards zu begegnen, ohne jedoch die Qualitäten der aufstrebenden Damen zu schmälern, gebührt die Krone der absoluten Wagner-Strauss-Heroine einzig und allein Catherine Foster. Nach dutzendfach erlebten Aufführungen mit dieser exquisiten Ausnahme-Künstlerin halte ich trotz gelegentlicher Gegenprognosen an dieser These fest.
Selbstverständlich sind und bleiben Stimmen eine persönliche Geschmacksfrage, doch begegnete mir zumindest während der letzten zwei Jahrzehnte keine Sängerin dieses Formats und unglaublich-farbenreicher Vokal-Kunst. Für mich immer wieder frappierend zu vernehmen, welche geradezu mädchenhafte Lyrismen Foster ihrem herrlichen Soprantimbre einhaucht. Aus der substanziellen weichen Mittellage des vokalen Instruments erhob sich die Stimme mühelos als wäre es das Selbstverständlichste in Obertöne von lupenreinem rundem Goldglanz. In keinem Moment entrinnt ihrer Kehle ein scharfer Ton, man vernahm selbst während extrem-dramatischer Ausbrüche nur fraulich-warmen Wohlklang. Gleich welchen Ursprungs der Gefühlswelten während der drei Aufzüge bis zum finalen Mild und leise… so erschien es mir, ertrinkt, versinkt Catherine Fosters Isolde im unendlichen Kosmos des Erlebens, quasi in psychologischer Polyphonie zum Elektra-Zitat: Ob ich die Musik nicht höre? Sie kommt doch aus mir! Mehr kann ich dieser unvergleichlichen Interpretation nichts hinzufügen.
Sehr selten durfte ich bisher eine Brangäne auf so hohem sanglichem Niveau erleben. Neben der optisch attraktiven Erscheinung glänzte Bettina Ranch mit höhensicherem Mezzosopran, schenkte ihrem Wachgesang mit wunderschönem Timbre ein weiches, traumhaftes, ebenmäßiges Fluten des herrlichen Materials, trumpfte ebenso mächtig auf und in keiner Phase verlor die bestens fokussierte Stimme an Schönheit und klangvoller Substanz. Bravo!
Ja meine Herren so viel Frauen-Power war keiner von ihnen gewachsen. Bryan Register hörte ich vor einem Jahr in Cottbus als soliden Tristan, hoffte der Sänger gewänne mehr Sicherheit und Volumen, doch leider wurden meine Erwartungen nicht erfüllt. Zuweilen farblos, indisponiert (?), kraftlos wirkte sein Tristan, war während des Liebesduetts fast nicht zu vernehmen, verschenkte während der Fieberträume regelrecht alle Vokal- Attribute.
Mit Hingabe pflegte Kurwenal den wunden Tristan im Bade, Heiko Trinsinger wartete mit kräftigem und rauem Bariton auf. Sorry – die Gesangsleistung von Sebastian Pilgrim (König Marke) möchte ich verschweigen. Wenig ansprechend vernahm man Aljoscha Lennert (Melot/junger Seemann). Angenehmer bereicherten hingegen Sangmin Jeon (Hirte) sowie Karel Martin Ludvik (Steuermann) das Ensemble.
Ein Bravosturm brandete Frau Foster entgegen, auch Bettina Ranch erhielt Ovationen, leistungsgerecht wurden die Mitwirkenden gefeiert. Dirigent und Orchester erhielten ebenso begeisterten Zuspruch dass, jedoch eine hirnlose Claque vom Rang das auf der Bühne versammelte Orchester mit einer Buh-Salve bedachte hatte wohl reaktionäre Motive?
Da ich ungern in fremden Revieren „wildere“ besuchte ich diese Aufführung privat sowie eine weitere am 05. Mai und insbesondere Catherine Foster wegen.
Gerhard Hoffmann | 22.04.2024
Als Barrie Kosky 2006 am Essener Alto-Theater Wagners Tristan und Isolde inszenierte, war er noch nicht jedermanns Liebling, der europaweit gefragt ist, sondern ein junger Provokateur, der es liebte das Publikum auf die Palme zu bringen. Seine Inszenierungen von Der fliegende Holländer sowie Götterdämmerung endeten in Buhstürmen und sind längst abgesetzt. Tristan und Isolde von 2006 hat sich jedoch als zeitlos gültig erwiesen und wurde jetzt aus Anlass des 125-jährigen Geburtstag des Essener Philharmoniker wiederaufgenommen.
Bühnenbildner Klaus Grünberg lässt das ganze Stück in einem beengten Würfel von vielleicht 3 Meter Breite und 2 Meter Tiefe spielen, sodass man hier ein intimes Kammerspiel erlebt. Im ersten Akt befinden wir uns in Isoldes Schiffskabine, im zweiten Akt treffen sich Tristan und Isolde in einem Raum, der sich im Duett zu drehen beginnt, im letzten Akt leidet der verwundete Tristan allein in dem leeren Kubus. Spielleiterin Marijke Maltuis hat die Produktion neu einstudiert.
Bei der Essener Trauerfeier für den im Juni 2022 in München verstorbenen Stefan Soltesz hatte Aalto-Intendantin Merle Fahrholz verraten, dass dieser eigentlich für den Tristan nach Essen hätte zurückkehren sollen. Nun hat der neue GMD Andrea Sanguineti die musikalische Leitung übernommen. Das Vorspiel zum ersten Akt klingt lyrisch-pastellfarben, obwohl Sanguineti wild gestikuliert, als würde er gerade den Walkürenritt leiten.
Die Essener Philharmoniker musizieren, trotz des runden Geburtstags, nicht immer ganz auf der Höhe ihrer Möglichkeiten. Dirigent Sanguineti lässt sich vor allem durch den Gesang von Catherine Foster zu dramatischeren Klängen inspirieren. Die international gefragte Sopranistin, die auch schon am benachbarten Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen die Isolde sang, bietet erneut eine packende und mitreißende Interpretation und hat auch keine Mühe, wenn das Orchester aufdreht.
Problematischer ist da Bryan Register, der sich in Essen als Tristan vorstellt. Er ist ein eher ein lyrischer Tenor mit heller Färbung, verfügt aber nicht über den notwendigen Glanz oder die Energie, die ein Tristan benötigt. Wenn das Orchester oder Catherine Foster sich ins Fortissimo steigern, hört man zwar, dass er singt, aber nicht was. Bei seinem Auftritt im 2. Akt, der mit einem jubelnden „Isolde“ beginnt, ist das „O“ kam zu hören. Von einer Interpretation oder Gestaltung der Partie kann man erst gar nicht reden, weil der Tenor hauptsächlich mit der technischen Bewältigung der Partie beschäftigt ist.
Von den anderen Tenören des Abends ist wesentlich mehr zu hören: Aljoscha Lennert gibt einen schönen verschlagenen Melot, und Sangmin Jeon singt den Hirten sehr klar und textverständlich. Mit warmen und vollem Bass glänzt Sebastian Pilgrim als König Marke. Dramatisch legt Bettina Ranch die Brangäne an. Heiko Trinsinger, der schon in der Premiere den Kurwenal sang, gefällt erneut mit seinem stattlichen Bariton. Apropos Premiere: Jeffrey Dowd, der damals den Tristan sang und Marcel Rosca, der Premieren-Marke, die zu den prägenden Sängern der Soltesz-Ära gehörten, sind bei dieser Wiederaufnahme im Publikum dabei.
Rudolf Hermes | 26. April 2024