Tristan und Isolde

Kent Nagano
Chor der Staatsoper Hamburg
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Date/Location
29 May 2025
Staatsoper Hamburg
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
TristanSimon O’Neill
IsoldeCatherine Foster
BrangäneKatja Pieweck
KurwenalChristoph Pohl
König MarkeRené Pape
MelotWilliam Desbiens
Ein junger SeemannAaron Godfrey-Mayes
Ein HirtAaron Godfrey-Mayes
SteuermannGrzegorz Pelutis
Gallery
Reviews
klassik-begeistert.de

Tristan und Isolde finden im Weltraum nicht zueinander

An der Hamburgischen Staatsoper wurde die 1988 premierte, mittlerweile zum Kult-Stück ausgerufene Tristan-Inszenierung von Ruth Berghaus ausgegraben. Liebesschmerz gibt es für Berghaus überall, auch im Weltraum. Isolde und Tristan befinden sich bei ihr zunächst in einem Weltraumgleiter, im zweiten Aufzug in einer großen, sich drehenden Turbine und später, zerschellt auf einem fernen Planeten.

Das aufwendige Bühnenbild von Hans-Dieter Schaal ist unverändert eindrucksvoll, nur die Regie von Frau Berghaus unterstützt die zumeist handlungsarme Oper nicht. Und nach wie vor erschließt sich mir nicht, warum Brangäne ihre Herrin Isolde im ersten Aufzug immer wieder in Segeltuch einwickeln will oder welche Funktion die ständig synchron mit Liegestühlen hantierenden, seemännisch gekleideten Statisten haben. Nur das Ende des dritten Aufzugs nähert sich einer realistischeren Darstellung an. Problem bleibt aber während der gesamten Aufführung, dass Tristan und Isolde stets jeden Körperkontakt meiden, so als ob es sich um von Gravitationskräften entfernt gehaltene Planeten handelt.

Gesungen wurde gut bis sehr gut
Catherine Foster beeindruckte als Isolde mit immer noch schönem Stimmklang und enormer Schallstärke. Besonders im Liebesduett O sink hernieder, Nacht der Liebe gelangen ihr berückende Töne. Bei den mehr erzählerischen Phasen des ersten Aufzugs machte sich allerdings ein stärker werdendes Vibrato bemerkbar, was ich so bei der Sängerin bisher nicht gehört hatte. Auch ihr Schlussmonolog Mild und leise, wie er lächelt stand unter Druck, so als ob sie damit unschöne Tonhöhenschwankungen unterdrücken wollte.

Christoph Pohl, Catherine Foster, Simon O’Neill und Katja Pieweck nach dem Ersten Aufzug (Foto: RW) Ihr Partner Simon O’Neill konnte weder von der Stimmschönheit noch von der Schallstärke her mit Catherine Foster mithalten. Dabei lag er mit seinem eher hellen Stimmklang immer sicher über dem Orchester, und das ohne störendes Vibrato. Seiner Stimme fehlte aber ein profunder Kern, um mehr Volumen zu emittieren. O’Neills Tenor wirkte daher wie von einer Oberfläche abgestrahlt mit oft schalem, farbarmen Klang, ohne wirkliche Liebesglut. Deshalb entwickelte sich beim Liebesduett mit Catherine Foster auch kein harmonisches musikalische Klangbild. Im dritten Aufzug gelang es O’Neill während seiner Fieberphantasien wesentlich besser, seine Stimmqualitäten als Heldentenor zu demonstrieren. Er hatte dabei aber auch keine stimmliche Konkurrenz.

Katja Pieweck sang eine wunderbare Brangäne, ihr Habet acht! Habet acht! Schon weicht dem Tag die Nacht im zweiten Aufzug gelang ihr zum Niederknien schön. Auch Christoph Pohl beeindruckte als Kurwenal, hier stimmte sein mehr viril-kernig, dafür wenig farbreicher Bariton mit seiner einem loyalen Ethos verpflichteten Darstellung als Tristans Vasall überein.

René Papes profunder, mächtiger Bass gab König Marke gewichtiges Profil. Die Nebenpartien waren auch mit William Desbiens als Melot und Aaron Godfrey-Mayes als junger Seemann gut besetzt. Kent Nagano leitete souverän das Philharmonische Staatsorchester Hamburg. Sein Dirigat empfand ich vom Stil her als eher weich-elegisch und weniger kraftvoll-dynamisch. Nagano wurde ebenso wie das Orchester in den lang anhaltenden Jubel des Publikums eingeschlossen.

Dr. Ralf Wegner | 30. Mai 2025

ioco.de

Erfreulich war die musikalische Seite des Abends: Das hervorragend disponierte Philharmonische Staatsorchester spielte unter der Leitung des scheidenden GMDs Kent Nagano äußerst klangsensibel, fast ätherisch, vom sehnsuchtsvollen, sanft aufblühenden, fast schon erotisierenden, sich steigernden ekstatischen Vorspiel, über die verführerischen sinnlichen Momente im zweiten Akt, bis hin zu subtil abgestuften dynamischen Steigerungen im letzten Akt.

Einem Sänger des Tristan kann man nicht genug Bewunderung zollen, wenn er diese anspruchsvolle Partie glücklich bis zum Ende durchsteht. Simon O’Neill verfügt nicht unbedingt über eine „Riesenröhre“, die Stimme klingt angenehm in der unteren Mittellage, im oberen Bereich eher wie die eines Charaktertenors mit grellen Spitzentönen, und im Fiebermonolog des dritten Aktes verlegte er sich über weite Strecken aufs Brüllen und Schreien. Man merkte ihm an, wie froh er danach war, es sich im Ruderboot gemütlich zu machen.

Catherine Foster wartete als Isolde mit hochdramatisch voluminösen Stimm-Material auf, das an Farbenreichtum ihren Tristan überragte. Sie hatte zahlreiche schöne Momente in den lyrischen Passagen. Die gewohnte Klangschönheit ihrer Spitzentöne konnte sie nicht immer entfalten. Phrasierung, Intonation, Textverständlichkeit und lyrischer Ausdruck waren nicht stets überzeugend. Ihrem Liebestod fehlte es an Intensität.

Einen hervorragenden Abend hatte dagegen Katja Pieweck mit ihrem warm strömenden Mezzosopran als Brangäne mit langen blonden Haaren, die liebevolle Freundin und Vertraute Isoldes. Darstellerisch war sie sehr gefordert, was die Regie ihr so alles an Aktionen aufbürdete. Ihr „Einsam wachend in der Nacht … Habet acht“, mit schlanker Stimme schön gestaltet, klang eindringlich und wunderbar phrasiert. Auch ihr kurzer Auftritt im dritten Akt mit „Sie wacht, sie lebt“ war ergreifend.

René Pape als bewährter König Marke von starker Bühnenpräsenz beeindruckte mit großer Stimme, sonorer Bass-Fülle und eindringlicher Tiefe in seiner langen Klage.

Mit baritonalem Wohllaut gefiel Christoph Pohl als souveräner Kurwenal. William Desbiens sang den treulosen, meuchelnden Melot mit kraftvollem lyrischen Bariton. Aaron Godfrey-Mayes lieh seine Stimme dem jungen Seemann und hatte als Hirt im dritten Akt so einiges an Klettereien über die Trümmer zu leisten. Grzegorz Pelutis in der kleinen Rolle des Steuermanns ergänzte das Ensemble.

Lang anhaltende Ovationen gab es am Ende für sämtliche Mitwirkenden, ganz besonders für Kent Nagano und das fulminant aufspielende Orchester, und es war schon erstaunlich, daß die Brangäne von Katja Pieweck, was die Intensität des Beifalls anging, den größeren Erfolg für sich verbuchen konnte als Tristan und Isolde.

Wolfgang Schmitt | 31 Mai 2025

Rating
(6/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
670 kbit/s VBR, 48.0 kHz, 900 MiB (flac)
Remarks
In-house recording
A production by Ruth Berghaus (1988)