Das Liebesverbot

Philippe Bach
Chor des Meininger Theaters
Meininger Hofkapelle
Date/Location
10 December 2011
Theater Meiningen
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Friedrich Dae-Hee Shin
Luzio Xu Chang
Claudio Rodrigo Porras Garulo
Antonio Maximilian Argmann
Angelo Francis Bouyer/Steffen Köllner
Isabella Bettine Kampp
Mariana Camila Ribero-Souza
Brighella Roland Hartmann
Danieli Ernst Garstenauer
Dorella Sonja Freitag
Pontio Pilato Stan Meus
Gallery
Reviews
Der neue Merker

Meiningen hat sein schönes Residenztheater generalsaniert und erweitert zurückbekommen: Das 1909 vom Theater-Herzog Georg II. erbaute, mehrmals erweiterte und sanierte Gebäude wurde nun – selten genug in der Theatergeschichte! – um fünf Meter nach hinten verlängert, das Bühnenhaus dadurch nicht nur vergrößert sondern gleichsam mit modernster technischer Ausstattung versehen und dennoch „denkmalgeschützt“ im „Originalzustand“ erhalten: eine großartige Operation und eine große Freude für die südthüringische Theaterstadt, das Haus nun in altem Glanz und neuer Größe erstrahlen zu sehen. Ansgar Haag, der Intendant des Hauses entschied sich für eine interessante Doppel-Premiere zum Beginn: Shakespeare, der einst durch den Meininger Herzog in Europa überhaupt erst wieder ins Gespräch gebracht wurde, war mit „Maß für Maß“ als Eröffnungswerk vertreten, Richard Wagner, der gleich dem Meininger Herzog ein großer Shakespeare-Verehrer war, kam mit seiner zweiten vollendeten Oper, „Das Liebesverbot“, die auf eben diesem Shakespeare-Lustspiel basiert, zu Eröffnungs-Fest-Ehren. Allein diese Auswahl und die Gegenüberstellung beider Werke ist schon eine dramaturgische Tat, wie denn auch die erneute Begegnung mit der Wagner-Oper deutlich machte, dass alle Vorurteile gegen sie – die letztlich auf Wagner selbst zurückgehen, der von seiner „Jugendsünde“ sprach! – ernstlich nicht der Realität standhalten. Es handelt sich um das Werk eines 22-jährigen, der nicht nur das Opernrepertoire seiner Zeit beherrschte, sondern auch die Techniken der Komponierstile mit jugendlichem Ungestüm und beachtlicher handwerklicher Fertigkeit handhabte. Seine traumatische Erfahrung mit der missglückten Uraufführung 1836 in Magdeburg ist für ihn ein offensichtlich lebenslang anhaltender Schock gewesen, der ihn ungnädig machte für seine jugendliche Genietat. Auch hier ist Haag zu danken, dass er dieses Werk erneut zur Diskussion stellte und die Meininger Wagner-Rezeption, die ja bereits in DDR-Zeiten sprichwörtlich und in jüngster Vergangenheit außerordentlich vielseitig war, um ein weiteres Werk bereicherte.

Die konzeptionelle Absicht, beide Werke im gleichen Bühnenbild zu spielen bot sich bei diesem Doppel zwar an, war aber eben auch der Tatsache geschuldet, dass die neuen technischen Möglichkeiten optimal angewandt wurden. Bühnenbildner Helge Ullmann gesteht denn auch: „Neben allen inhaltlichen Erwägungen stellte sich schnell heraus, dass wir eine szenische Lösung unter starker Einbeziehung der neuen Technik riskieren wollten. Ins Zentrum unserer Überlegungen allerdings rückte schnell die neue zweigeteilte Drehbühne.“ Es ist durchaus legitim, bei diesem Anlass mit dem neuen „Spielzeug“ auch optimal zu spielen, unabhängig von der Frage, ob man damit die höchste Wirkung erzielt. Das Wichtigste am Theater ist der spielende oder singende Mensch – keiner wusste das besser, als der Meininger Herzog. Es bleibt zu hoffen, dass darstellerische Differenziertheit und Vielfalt der technischen Opulenz bald wieder ebenbürtig wird.

Aktivposten der Meininger Aufführung sind die Meininger Hofkapelle und der Chor des Meininger Theaters, zwei tüchtige, nicht nur verlässliche, sondern eben auch engagiert musizierende Klangkörper, die den Abend unter der engagierten Führung des GMD Philippe Bach ein solides Fundament geben. Die dem – ursprünglich als Schauspielhaus gebauten – Haus eigene, „trockene“ Akustik wurde wohl verbessert, allerdings schien mir der Orchesterklang sich nicht wesentlich freier zu entfalten als früher, was nichts mit dem ausgezeichneten Spiel der Musiker zu tun hatte. Der Chor und der Extrachor des Theaters waren von Sierd Quarré bestens vorbereitet worden.

Sängerisch hat Meiningen Gutes bis Hervorragendes zu bieten: Dae-Hee Shin war ein großartiger Statthalter Friedrich, stimmlich in bester Verfassung und als Persönlichkeit impo-nierend in seiner Zwiespältigkeit. Nächst ihm die schönste Stimme hatte ganz zweifellos Camila Ribero-Souza als Mariana, wenn auch die Partie nicht all zu viel an szenischer Präsenz zu bieten hat. Mit ausgeglichener Tongebung und großem komödiantischem Einsatz der Brighella von Roland Hartmann, überraschend die beiden gefürchteten Tenorpartien mit Xu Chang als höhensicherem Luzio und Rodrigo Porras Garulo als Claudio. Problematisch die Besetzung der Isabella mit Bettine Kampp, die in der Höhe zu deutlich an Grenzen stieß; möglicherweise ist die Besetzung dieser Partie mit einem „Wagner“-Sopran ohnehin falsch, es handelt sich hier ja um keine Elsa oder Isolde, sondern um eine italienisch-französische Belcanto-Sängerin mit Durchschlagskraft. Die kleineren Partien waren mit Sonja Freitag (Dorella), Stan Meus (Pontio Pilato), Ernst Garstenauer (Danieli) sowie Francis Bouyer (Angelo) und Maximilian Argmann (Antonio) zuverlässig und ihre Rollen sicher erfassend besetzt.

Intendant Ansgar Haag inszenierte das Stück in klaren, verständlichen Arrangements und machte die nicht sonderlich komplizierte, streckenweise aber nicht immer auf den ersten Blick zu überschauende Handlung verständlich (wozu im Übrigen auch die eingeblendeten Übertitel beitrugen, da die Textverständlichkeit der Sänger durchaus verbesserungsbedürftig wäre!) Schade, dass der Anfang dem Tempo und Drive der Inszenierung nicht standhalten konnte und der Schluss der Aufführung das Werk m. E. überfrachtete: Wenn man schon die Ouvertüre „vertanzt“, dann möchte die Ausgelassenheit des Tanzes doch wenigstens der erotischen Verve der Musik in etwa entsprechen; was der Chor hier tänzerisch vollführte, hätte kein Statthalter aus Gründen der „ausschweifenden Sitten“ verbieten müssen! Man sehnte sich nach den Zeiten zurück, in denen solche „Einlagen“ von einem gestandenen Choreographen und mit einer versierten Ballett-Kompanie zu brillantem Eröffnungsfeuerwerk gerieten. (Übrigens wird Claudio dafür bestraft, dass Julia, die er heiraten will, bereits schwanger ist, man müsste den Beischlaf also nicht unbedingt zeigen, abgesehen davon, dass der szenische Rahmen dafür denkbar ungeeignet war!) – und der Schluss? So sehr man Haag beipflichten möchte, dass die Demokratie als Staatsform zu erhalten und zu schützen sei, so sehr uns die gegenwärtige Diskussion um rechtsradikale Umtriebe beschäftigt: hätte die Militärkapelle (in Braunhemden und mit schwarzen Wimpel-Halstuch) nicht gereicht um mögliche Assoziationen herzustellen? Weshalb musste der überwiegende Teil des darstellerischen Personals auch noch rittlings abgeknallt werden? Damit wurde nicht nur der Charakter einer Spieloper überfrachtet, sondern das Finale überflüssig demoliert.

Dennoch: großer Jubel am Schluss, den Meiningern und ihren Gästen hat es gefallen – es war ein gelungener Start in einem wunderschönen Theater, um dessen Zukunft einem zum Glück nicht bange sein muss.

Werner P. Seiferth

thueringer-allgemeine.de

Meiningen ist keine Wagner-Hochburg, aber doch eine bewährte Adresse für die Werke des deutschen Großtöners. Christine Mielitz Ring an vier aufeinander folgenden Tagen ging als Leistungsnachweis für das gesamte Stadttheatersystem in die jüngere Theatergeschichte ein und wurde für den designierten Münchner Generalmusikdirektor Kiril Petrenko zu einem Karriere-Durchstarter. Meiningen. Tristan, Parsifal und Tannhäuser (in einer Variante natürlich auch gleich am Originalschauplatz Wartburg) waren in den letzten Jahren keine Hürde für die Meininger. Und nun kommen sie (bevor Leipzig und Bayreuth damit gemeinsam das Wagner-Jahr 2013 garnieren werden) zur Wiedereröffnung des glänzend herausgeputzten und technisch aufgerüsteten Hauses mit Wagners Frühwerk “Das Liebesverbot”.

Was beim vermarktungscleveren Intendanten Ansgar Haag nicht nur als Regie-Chefsache, sondern – wie schon bei Wilhelm Tell – im Doppelpack mit dem dazu passenden Schauspiel verkauft wird. In dem Falle ist es Shakespeares “Maß für Maß”, aus dem sich Wagner sein Liebesverbot-Libretto zusammengereimt und auf Oper getrimmt hat.

Bei ihm will der puritanische, deutsche Stadthalter Friedrich ausgerechnet in Palermo den Karneval, den Alkohol und die etwas freiere Liebe verbieten. Dabei hat er selbst eine verschmähte Ehefrau im Kloster entsorgt, vor allem aber seine Triebe nicht im Griff. Als die Schwester des gerade zum Tode verurteilten Claudio (Rodrigo Porras Garulo), die Novizin Isabella, um Gnade für den Bruder bitten will, brennen beim obersten Sittenwächter glatt die Sicherungen durch. Die findige Maid stellt ihn aber am Ende unter bereitwilliger Mithilfe lebenslustiger Freunde mit einer mozartgeschulten Verwechslungsintrige bloß.

Das wird auf der Drehbüh- ne mit Arena-Fassade (Helge Ullmann) samt angedeutetem Dach und reichlich genutzten Hubpodien als handfestes Wechselspiel von Massenchor und Protagonisten ungefähr bis auf die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts heran gezoomt. Was man an den Kostümen von Renate Schmitzer und der bitter bösen Pointe ablesen kann, die Haag seiner gescheiten und gut funktionierenden Inszenierung verpasst.

Da wird nämlich das Finale, bei dem eigentlich mit der Ankunft des Königs alles wieder gut ist und alle glauben, dass der alte Schlendrian wieder von vorne beginnen kann, zur Vorlage für eine in brauner Uniform aufmarschierende Kapelle (im wahren Leben die Big Band des Martin-Pollich-Gymnasiums aus Mellrichstadt), die willigen Handlanger des alten Regimes übernehmen die Macht.

Pontio Pilato (Stan Meus) schneidet dem gerade zu milder Einsicht gelangtem Friedrich die Kehle durch, und am Ende schreitet der Polizei- und Geheimdienstchef Brighella (sehr souverän: Roland Hartmann) mit der Prostituierten Dorella (Sonja Freitag) am Arm über einen Platz voller Leichen, als wäre er der große Diktator. Der Abend ist aber auch musikalisch eine Glanzleistung. Die Meininger Hofkapelle spielt so, als wollte sie sich für den vergrößerten Graben bedanken, der bei der Rekonstruktion für die Musiker abfiel.

Vor allem aber bewältigt sie unter der sicheren Führung ihres GMD Philippe Bach den geradezu unverschämt auf Jux und Dollerei versessenen Jungkomponisten, der es vom “Liebesverbot” aus betrachtet, durch- aus auch im Singspiel oder der Operette zu Lorbeer hätte bringen können, wenn er sich nach dem “Rienzi” nicht selbst begegnet wäre und mit Erfolg beschlossen hätte, den deutschen Leitkomponisten des 19. Jahrhunderts zu geben.

Natürlich wagnert es auch in diesem Wagner – vor allem von der Wartburg weht da öfter mal ein Lüftchen. Was aber ein- fach Spaß macht, ist die Lust am Wechsel der Gangart. Wen stört da schon, wenn er manchmal auf der Stelle tritt oder sich im Allerwelts-Humtata verliert. Hinter jedem Effekt wartet wieder ein überraschendes Klangschmankerl. Freilich nimmt Wagner schon bei diesem musikalischen Vorwort seines eigentlichen Lebenswerkes auf die Sänger keine Rücksicht, sondern wartet mit mörderischen Partien auf. In Meiningen ist das eine Steilvorlage für alle. Als Isabella bringt Bettine Kampp dabei (nicht ohne Augenzwinkern) ihre ganze Wagnererfahrung ein, glänzt Camila Ribero-Souza als Mariana.

Dass der deutsche Stadthalter Friedrich in Meiningen Dae-Hee Shin heißt, ändert nichts daran, dass seine Präzision und sein nobles Timbre die hervorragende Ensembleleistung dann doch noch etwas überstrahlt. Im Unterschied zum Vorabend mit Shakespeares “Maß für Maß” gab es Jubel für alle mit guten Gründen!

Joachim Lange | 13.12.11

Online Musik Magazin

Das ist nicht komisch

Es hat einen ganz besonderen Reiz, ein Schauspiel einer Oper gegenüberzustellen, zu deren Libretto das Werk die Vorlage geboten hat. Soviel Reiz es hat, soviel Herausforderung bedeutet eine solche Doppelpremiere für ein Theater, bietet sich damit aber auch ganz besonders an, die Leistungsfähigkeit eines Hauses unter Beweis zu stellen. So hat das Südthüringische Staatstheater Meiningen nach ebenso aufwändiger wie erfolgreicher Sanierung des traditionsreichen, wunderschönen Hauses zur Wiedereröffnung Shakespeares Maß für Maß und Wagners Liebesverbot auf den Spielplan gesetzt.

Wagners Frühwerk, das zwischen den Feen und Rienzi entstanden ist, wird nur selten aufgeführt. Das liegt sicher weniger an der Geschichte über einen selbstgefälligen Statthalter, der gegen sein eigenes Liebes- und Lustverbot verstößt und allerlei Verwicklungen darum herum, sondern doch wohl eher an der stilistisch uneinheitlichen, ja, fast schon zusammengewürfelt erscheinenden Komposition. Da stehen ganz exzellent geglückte witzige Spielopernszenen à la Lortzing neben unfreiwillig komischen Passagen, da finden sich dramatische, tief eindringliche Arien neben pompösen Chören und eindrucksvollen Finalszenen. Über den Text muss man hier und da schmunzeln, finden sich doch Ausdrücke und Wendungen, die der Dichterkomponist in späteren Werken wieder verwendet hat und auch ein musikalisches Thema aus der Klosterszene findet sich im Tannhäuser wieder.

Wagner nannte sein Werk „Große komische Oper“. Das könnte Anstoß zu einer geistreich-witzigen Interpretation geben, die die schwächeren Teile der Partitur mit Ironie oder anderweitigem Humor würzt und die ernsten Momente den geglückten komischen als Kontrast gegenüberstellt. Intendant Ansgar Haag hat für seine Inszenierung einen anderen Ansatz gewählt. Er betont die politischen Aspekte der Geschichte und versetzt sie in die Goldenen Zwanziger, in der außerordentlich viel Lebens- und Liebesfreiheit herrschte – die die aufkommenden Nationalsozialisten dann rigoros und brutal zerschlagen haben. Die strenge Scheitelfrisur des Statthalters spricht da eine deutliche, assoziative Sprache.

Renate Schmitzer hat ansprechende Kostüme der Epoche beigesteuert, Helge Ullmann ein eindrucksvolles Bühnenbild, das die neuen technischen Möglichkeiten des Hauses (u. a. zwei unabhängige Drehbühnen und vier Hubpodien) mit viel Einsatzfreude nutzt. Dabei dominiert ein sich auf der äußeren Drehbühne bewegendes halbrundes Bogengebäude in Sandsteinoptik die Szene, das an das römische Colosseum erinnert und ebenso vielfältig wie stimmungsvoll beleuchtet wird. Besonders beeindruckende Szenenbilder zeigen sich in der Klosterszene und zu Friedrichs großer Arie im zweiten Akt. Endlich mal wieder finden sich ein Regisseur und ein Bühnenbildner zusammen, die keinen Wohlstandsmüll auf die Bühne schmeißen, sondern eine Geschichte in ästhetischen Bildern erzählen. Dafür gebührt ihnen ein dankbares Sonderlob.

Die Übertragung in die Goldenen Zwanziger erschließt sich durchaus, nimmt der Oper aber den Reiz des Komischen und Überzogenen. Eine Änderung greift auch musikalisch ein: Der Kuppler Pontio Pilato wird im zweiten Bild nicht als Gefangener vorgeführt, sondern hat sich auf offener Bühne eine Glatze rasiert und fungiert schon hier als Helfershelfer der politisch Mächtigen. Das macht ihn stärker zum Mittäter als sein von Wagner vorgesehener Wandel zum Schließer in der Gefängnisszene des zweiten Aktes. Gnadenlos verweigert der Regisseur aber vor allem den eigentlich versöhnlichen, menschlichen Schluss: Hier wird der über seine eigene Lüsternheit und damit über sein Gesetz gefallene Statthalter nicht vom vergebenden Volk zum freiheitlichen Denken überzeugt und führt nach vollständiger Wandlung den Maskenzug an, der dem ankommenden König entgegen zieht. Hier finden auch nicht die versöhnten Paare wieder zueinander und es schreitet auch kein Trompetenzug dem König entgegen. Hier marschiert ein Blasorchester von Pimpfen über die Bühne, Friedrich und Isabella nähern sich an, Mariana wird verstoßen, Luzio verschmäht Dorella und wendet sich gleich zwei anderen Frauen zu. Schergen ermorden Kehlen durchschneidend fast alle, auch Friedrich. Nur Brighella und Dorella – die Diener – werden zu Herren und schreiten promenierend um die Leichen. Isabella, die eigentlich erlösende Frau (! – auch hier schon) bleibt einsam und allein zurück. Ein tragisches Schicksal. Aber wäre das nicht eine andere Oper?

Dae-Hee Shin ist ein großartiger Friedrich, zunächst mit schwarzen, satten Tönen, aber nie mit seiner Stimmkraft prahlend, sondern hochkultiviert und gleichzeitig ausdrucksstark gestaltend. Vom selbstgefällig-brutalen Despoten wird er zum an der Liebe (und Lust) leidenden Mann und stellt auch dies stimmlich überzeugend dar. Eigentlich nur mit einer Nebenrolle bedacht, wird Camila Ribero-Souza als Mariana musikalisch zu einer Hauptfigur: innig und unbeschreiblich klangschön, blitzsauber in beseelten Koloraturen. Als Brighella bringt Roland Hartmann nicht nur viel Spielfreude und Souveränität mit, sein satter, angenehm klingender, runder Bass ist eine echte Freude. Bettine Kampp spielt mit Leib und Seele eine hin und her gerissene Isabella. Dabei stehen neben schönen auch eher unschöne Töne, was einerseits dem Ausdruck, aber andererseits auch ihrer individuellen Art Töne anzusetzen geschuldet sein mag. Sonja Freitag ist mit flexiblem, angenehm timbriertem Sopran und ihrer Bühnenpräsenz eine ideale Dorella. Als Luzio lässt Xu Chang seinen kraftvollen, sauber intonierenden Tenor im Einheitsforte und –klang hören. Rodrigo Porras Garulo singt den Claudio mit großer Leidenschaft, aber auch mit eigenwilliger Tongebung und Artikulation. Die Meininger Hofkapelle spielt sehr sauber und konzentriert, GMD Philippe Bach bedient souverän und elanvoll die Vielfalt der musikalischen Stile in dieser Partitur. Prachtvoll klingend meistert der Chor seine anspruchvollen Aufgaben. Der kurze aber klangvolle und sauber intonierte Auftritt der Big Band des Martin-Pollich-Gymnasiums Mellrichstadt am Schluss steht auch symbolisch für die Integration der Stadt und der Umgebung in das Theatergeschehen in Meiningen.

FAZIT

Eine Inszenierung in ästhetischen Bildern, deren Regieansatz sich durchaus erklärt. Die Aufgabe der komischen Seite zugunsten einer dramatisch-politischen Darstellung ist Geschmackssache, aber gutes Regietheater. Ebenso vielfältig wie die Stile der Partitur zeigt sich die Produktion in ihren sängerischen Leistungen.

Bernd Stopka

Rating
(3/10)
User Rating
(2/5)
Media Type/Label
Premiere, PO
Technical Specifications
320 kbit/s CBR, 44.1 kHz, 445 MByte (MP3)
Remarks
A production by Ansgar Haag