Das Rheingold

Simone Young
Philharmoniker Hamburg
Date/Location
16 March 2008
Staatsoper Hamburg
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Wotan Falk Struckmann
Donner Jan Buchwald
Froh Ladislav Elgr
Loge Peter Galliard
Fasolt Tigran Martirossian
Fafner Alexander Tsymbalyuk
Alberich Wolfgang Koch
Mime Jürgen Sacher
Fricka Katja Pieweck
Freia Hellen Kwon
Erda Deborah Humble
Woglinde Hayoung Lee
Wellgunde Gabriele Rossmanith
Floßhilde Ann-Beth Solvang
Gallery
Reviews
MusicalCriticism.com

This Rheingold rather bucks the trend of recent Ring recordings. The first instalment of a new cycle, it was taped in March 2008 at the Staatsoper Hamburg; Die Walküre was unveiled in October and will, along with the subsequent operas, be released on Oehms in due course. Whereas most recent Rings have appeared on DVD or SACD, though, Oehms have plumped for good old CD.

A lavishly illustrated booklet therfore is all we have to give us an idea of Claus Guth’s production – inversion of scale seems to be a feature, the bottom of the Rhine represented by an outsized bed with a lamp to the left, for example – but otherwise we are left to concentrate on the performance’s musical values.

Thankfully, in Simone Young we have experienced Wagnerian at the helm. I saw her first Ring in Vienna in 1999 – with Simon Estes as Wotan it rather contradicted the city’s reputation for backwardness in terms of racial and sexual politics – and in the interim her interpretation, as shown by this Rheingold at least, has developed into an impressive achievement. She paces the score with expert control, allows the drama to unfold naturally and there’s the right balance between the stage action and what’s going on in the pit. The orchestra could have been asked to whip up more of a storm for Donner at his ‘Heda! Heda! Hedo!’ but otherwise Young hardly puts a foot wrong. The Philharmoniker Hamburg play extremely well for her, even if they inevitably can’t match the sheer quality of sound achieved by some other orchestras in this work.

In her own introductory note, Young points out that apart from Falk Struckmann as Wotan and Wolfgang Koch as Alberich, all other members of the cast are taken from the Hamburg ensemble. The intimacy and understanding between the singers that is so necessary, first among the three Rhine Maidens (sung here by Ha Young Lee, Gabriele Rossmanith and Ann-Beth Solvang) and then in the divine extended family lounging around in Valhalla, is here in abundance. Taken in isolation, most of these roles have undoubtedly been better sung several times elsewhere: Peter Galliard’s Loge can sound strained in the higher tessitura and at times the giants come across as underpowered (Tigran Martirossian’s Fasolt more so than Alexander Tsymbalyuk’s Fafner). But dramatic verisimilitude counts for a great deal in Rheingold and these singers gel together excellently.

Struckmann is a singer whose vibrato can broaden and whose technique sometimes makes for some strangely varied vowel sounds, but it is a voice full of humanity and warmth; he is an authoritative Wotan and an imposing actor. And despite a recent Amfortas and Telramund in this Spring’s revival of Lohengrin at the Royal Opera, he is a singer heard far too seldom in the UK. In Koch with have an Alberich who sings the role without resorting to caricature yet still conveys all the darkness in the character’s nature. He is helped no doubt by Young’s chilling way with the Nibelheim music and powerful evocation of the curse.

Others in the cast include Deborah Humble as a noble and rich-voiced Erda and a youthful Fricka from Katja Pieweck. I felt Jürgen Sacher as Mime could have used Wagner’s language more to spice up an interpretation that came across as a little bland. Jan Buchwald as Donner, Ladislav Elgr as Froh and Hellen Kwon as Freia make up the rest of the ensemble in Valhalla with solid if unremarkable performances.

Oehms’s engineers manage to catch the performance in sound that is remarkably natural, even if it lacks the brilliance we are used to in studio performances of this work. There are the inevitable stage noises but most seem to be generated by various special effects, rather than the singers moving around, and there is nothing that is unduly off-putting.

This is a very respectable achievement, then, and one which presents Wagner’s masterful score with admirable integrity. It will be interesting to see how the cycle develops.

Hugo Shirley | 20 January 2009

kultura-extra.de

Ich mag so gern Metaphern!

Zappenduster beginnt das Ring-Ding-Es in Hamburg. Ganz Duster? Nein, da ist neben dem Stabrotlicht der Hausmutter zugleich noch etliches Notausgangsbeschild angeblieben. Lampen der Sicherheit, die als Detail aussagen, dass die von Adorno unterhoffte Werkwirkung Wagners „Ohne Angst Leben“ bis auf weiteres nicht erfüllt ist. Offenkundig bleibt es wichtig die Ängste der Menschen, in diesem Fall der Menschheit, auszusprechen? Denn Angst herrscht ja auch universal im Nibelungen-Ring wie überhaupt im Mythos: Alberichs Raub, Wotans Vertragsbruch, Loge’s List, der Riesen Entführung … alles angstbestimmt.

Und die Musik Wagners mit ihrem Hang zum Absichern, zum Stützen, zum unendlichen Übergang, zur genauen Wiederholung – ist es nicht eine Musik, die ganz ohne Angst sein will und dennoch alles über Gefühle sagen? In der orchestralen Aufrüstung, in dem Motiv-Orientierungsfahrplan, in der Wortgebundenheit – schlummert darin nicht überall der Zwang, alles aber auch alles richtig machen zu wollen? Aber es liegt doch noch weit mehr in ihr, in dem Liebesentsagungsmotiv, zittert uns da nicht der Verlust einer Epoche entgegen? Die Loge-Chromatik, durchzieht sie das Ganze nicht wie der falsche Wind durch U-Bahnschächte und künstliche Gebäude? Und Walhall, bedeutet das nicht eine versuchte Reise zu etwas Großem? Wagners Musik ist aber vor allem etwas für die Anregung des Geistes deutscher Männer. Wer, der Seele hat, möchte nicht sie musizieren, sie dirigieren, über sie schreiben, sich zu ihr ins Verhältnis setzen? Und wie viele, besser wie wenige können das wirklich?

Nun gibt es aber unter den Wenigen auch einige Frauen. Nike Wagner ist so eine. Die Kathi sicher `net. Und Generalmusikdirektorin Simone Young ist auch so eine. Sie hat nun nach freilich etlichen, stets schöpferischen Wagnerdarbietungen gemeinsam mit ihren Philharmonikern eindrucksvoll gezeigt, dass sie in dieser vierten und letzten Saisonpremiere, nebenbei bemerkt einer halben Liebermann-Spielzeit, Gustav Mahler-Maßstäbe voll zu erfüllen weiß. Sie bringt uns ein „Rheingold“ zu Gehör, wie es, verbotenes Wort, phantastischer aus dem Graben kaum erklingen kann, sei es in sanft sich entspinnenden Klangteppichen, in der vereindeuteigenen Pose bei gleichzeitig einfließender Rückkehr auf die kleine Stimme, wie überhaupt ihrer obwaltenden Geduld gegenüber den Gesangsstimmen – sie dürfen verklingen, ein Gedicht ist die Mischung der Blechfüllstimmen, die voller parsivalesker integraler Leuchtsendung sind. Solisten wie Harfe oder Violine oder Trompete sind überdies ebenso unschätzbar wie leidenschaftlich. Ein Wagner nach Meisterinnen Art.

Wagner-Gesang ist schwer und doppelt schwer zu realisieren: Nahezu ein Solo-Konzert, eine Demonstration des Echten, gibt da der Tenormagier Christian Franz als Seiten-Loge für den indisponiert spielenden Peter Galliard. Keine Silbe, kein Konsonant bleibt da unausgeschöpft und all das untermalt mit reichsten Farben vom listigen „helfen will ich Dir, (Päuschen) Mime“ bis zu heftigeren Steigerungen. Falk Struckmann ist ein knarzig-wackerer Wotan, wie gewohnt, mit etwas mehr Hang zum Stemmen als zum Legato. Gegenüber seinem bereits mehr als anständigen Kurwenal hat Wolfgang Koch als chemophiler Alberich noch deutlich zuzusetzen und vermittelt mit seinem nussknackigen Bariton ein durchweg respektables Porträt. Die Riesen, Martirossian und Tsymbalyuk, sind gesanglich keineswegs die dargestellten Prollposen. Alexander Tsymbalyuk steigert sich von Partie zu Partie. Bis wohin? Hoffentlich erleben wir ihn mit seiner noblen runden Tongebung eines Tages noch als Boris. Artikulatorisch versiert kommen Jürgen Sacher (ein vortrefflicher Mime), Jan Buchwald (ein bisschen Donnerchen, aber so soll es ja wohl sein) und Ladislav Elgr (ein charaktervoller Froh) daher. Katja Pieweck als Fricka ist mit ihrem metallisch-satten Gesang glaubwürdig, aber frei von Zauber. Dafür gefällt Hellen Kwon als Freia (und, wir sind gespannt, demnächst als Salome). Eine ordentliche Erda gibt Deborah Humble. Die Rheintöchter Ha Young Lee, Gabriele Rossmanith und Ann-Beth Solvang singen um ein Vieles schöner als sie spielen und aussehen dürfen.

Claus Guth (Regie) und Christian Schmidt (Bühne) hatten, als Günter Krämer seinen letzten Ring auf die Hamburger Bretter schickte, ihre ersten Gehversuche in der Stabile gerade hinter sich. Und nun dürfen sie schon lange selbst sagen, wo es lang, mehr noch, wo es nicht lang geht. Rhein nix da: So fällt das durchgerottete Bett aus dem Betonrahmen schon etwas deutlicher heraus, wie aber sonst in dieser Inszenierung eigentlich nur sehr wenig aus dem Rahmen fällt. Ordentlich geht es zu. Und gesittet. Schritt für Schritt. Oder auch mal ohne Schritt. Hin zur Vermeidung der großen Aussage und zur Sonder-Ausstellung der gewollt großen Geste, der langen Weile. Das leitmotivische Pocket-Format zeigt sich da mal als Energiespar-Schatulle um die Märklinlandschaft, aus der ein Eschchen entspringt. Warum? Man weiß es nicht. Gold? Ist irgendwie mal da. Figuren? Haben wohl irgendwelche Konflikte. Man weiß wenig genau und erfährt es auch nicht. Man fühlt sich ein bisschen, als wäre man versehentlich in einer Claus Spahn-Rezension gelandet. Nun hat, was auch nicht zu erwarten stand, Guth weder die geistig-poetische Tiefe des Lübecker Pilavachi-Rheingolds erreicht, noch ist er an ihm vollends gescheitert: Er blendet einfach. Vor allem aus. Wagner hätte all das wohl schaummünderisch verachtet. Wir tun’s nicht, nicht wirklich.

Wolfgang Hoops | 24. März 2008

Hamburger Abendblatt

Tanz am Rande des Abgrunds

Der mit Spannung erwartete Auftakt des neuen Hamburger “Rings” wurde ebenso heftig bejubelt wie ausgebuht.

Im Schlussbild, in dem Götter siegestrunken am Rande des Abgrunds tänzeln und das Blech selbstberauscht zu dröhnen hat, kann man schon eine vielsagende Geste Richtung Götterdämmerung entdecken. Donner (Jan Buchwald) pflanzt noch schnell ein Bäumchen in einen Topf. Als ob das Unterbewusstsein angesichts des mit Vertragsbruch ertricksten Einzugs in Walhall bereits heftige Bedenken bezüglich des eigenen Überlebens anmeldet. Doch dann, wenn es spannend wird: Vorhang zu vorm Cliffhanger-Panorama. Wiedersehen, Fortsetzung folgt im Herbst, bei der “Walküre”.

Mit einer ansehnlichen “Rheingold”-Inszenierung, vom Premierenpublikum in der Staatsoper lustvoll niedergebuht wie gefeiert, legen Regisseur Claus Guth, Bühnenbildner Christian Schmidt und Generalmusikdirektorin Simone Young ein Fundament für die drei Hauptteile des Hamburger “Rings”, auf dem man getrost einen kapitalen Weltuntergang aufbauen können sollte. Ihr “Rheingold” ist aber nicht so frontal komisch, so temporeich und ironisiert wie die vor wenigen Monaten gezeigte Lübecker Variante.

Guth zeigt vielmehr eine klar aufgestellte, streng geteilte Welt, in der düstere Dramatik und handfest servierter Humor nah beieinanderliegen dürfen. Eine mythische Welt, in der auf die zeitlosen Themen Machthunger und Geldgier mit Alu-Geldkoffern Marke Liechtenstein aktuell, aber nicht platt Bezug genommen wird. Ein erhellendes Vorspiel mit deutlich sich verdunkelnden Wolken am Horizont. Das Rad wird in dieser Interpretation beileibe nicht neu erfunden, doch es dreht sich ohne größere Reibungsverluste.

Besonders angenehm: Endlich wird das Ensemble in einer Neuinszenierung aus dem Hause Young nicht mehr nur frontal an der Rampe geparkt, wenn’s ums Singen geht. Endlich wird auch wieder dargestellt, beobachtet, austariert. Es gibt wieder Musiktheater statt nur arrangierte Bilderbuch-Optiken zu sehen. Und es gibt ein spielfreudiges Ensemble zu besichtigen, das bis auf zwei Ausnahmen (Falk Struckmann als markig dröhnender Wotan mit Bayreuth-Referenz und Jürgen Sacher als Mime) erstmals mit diesen Rollen konfrontiert war. Ein kleiner Part, aber charismatisch besetzt: Deborah Humble als orakelnde Erda. Hellen Kwon wurde für ihre wackere Freia am Ende unverdient ausgebuht.

Youngs sehniges Dirigat, das als rotes Taktstock-Lämpchen in totaler Finsternis begann, musste zu Beginn auch mal deutlich nachjustieren, das Es-Dur-Wogen des Rheins zu Beginn stand den Hörnern bis zum Hals. Im Laufe des Abends entwickelten sich die Philharmoniker aber prächtig; ihre Chefin ließ ihnen sehr wenig durchgehen, blieb sehr nah bei den Sängern und mit Vehemenz bei der Sache.

Die Rheintöchter – von Ha Young Lee, Gabriele Rossmanith und Ann-Beth Solvang hinreißend gesungen und niedlich gespielt – bringt Guth mit einer Überdosis Witz-Absicht als Nachthemd tragendes Teenie-Trio in einem riesigen Fluss-Bett; die beiden Riesen Fafner und Fasolt stapfen als steroidbetankte Kiezgrößen mit Vokuhila-Matte und Goldkettchen über das Miniatur-Wunderland, aus dem ein Mini-Walhall ragt. Tigran Martirossian und Alexander Tsymbalyuk klotzten hier mächtig ran. Loge – ein Part, mit dem sich Peter Galliards konturenarme Stimme am Premierenabend so gar nicht vertragen wollte – scharwenzelt als halbseidener Variete-Zauberer ins Geschehen, nervt damit aber mehr, als dass er Sachdienliches beiträgt. Und Wotans Sippe selbst? Ein spießbürgerlicher Familienclan, dessen Oberhaupt mit Strickjacke den Irish-Moos-Charme eines drögen Sachbearbeiters verströmt, während Gattin Fricka (Katja Pieweck) keifend den Kaffee serviert.

Gegenentwurf dazu ist das schurkische Souterrain. Nibelheim, ein verranzter Heizungskeller, mittendrin Alberich, der dort seinen Allmachtswahn ausbrütet. Zur Verwandlung in den Riesenwurm verschwindet der Alb mal eben hinter Öltank und Trockennebel, auch die von ihm geknechteten Nibelungen muss man sich denken. Macht aber beides nichts, denn Wolfgang Kochs darstellerische Leistung beeindruckte auch ohne Griff in die Bühnenzauber-Trickkiste und wächst weit über das von Regisseuren so gern wörtlich genommene Zwergenformat hinaus. Sängerisch steigerte Koch sich sogar noch, als er den von Wotan gestohlenen Ring verfluchte. Hier entwickelte die Inszenierung ihre packendsten Momente, Gott Wotan und Zwerg Alberich waren auf Augenhöhe. Struckmann und Koch singen sich in todernste Rage. Ein Duell zweier finsterer Charaktere. Der noch Bösere gewann. Diese Runde zumindest. Aber man weiß ja, wie das Elend weitergeht, und wie es endet. Leider erst 2010.

Joachim Mischke | 18.03.08

Rating
(5/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Oehms
Technical Specifications
320 kbit/s CBR, 44.1 kHz, 343 MByte (MP3)
Remarks
Broadcast (NDR Kultur)
A production by Claus Guth (premiere)
This recording is part of a complete Ring cycle.