Die Meistersinger von Nürnberg

Asher Fisch
Chor und Extrachor der Wiener Volksoper
Wiener Konzertchor, Wiener Hochschulchor
Orchester der Wiener Volksoper
Date/Location
13 December 1998
Volksoper Wien
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Hans Sachs Falk Struckmann
Veit Pogner Bjarni Thor Kristinnson
Kunz Vogelgesang Michael Kurz
Konrad Nachtigall Fritz Wächter
Sixtus Beckmesser Wicus Slabbert
Fritz Kothner Wolfgang Bankl
Balthasar Zorn Roland Winkler
Ulrich Eißlinger Michael Roider
Augustin Moser Christian Bauer
Hermann Ortel Alejandro Gallo
Hans Schwartz Gerhard Brack
Hans Foltz Reinhard Meier
Walther von Stolzing Johan Botha
David Mathias Zachariessen
Eva Fionnuala McCarthy
Magdalene Chariklia Mavropoulou
Ein Nachtwächter Janusz Monarcha
Gallery
Reviews
ConcertoNet.com

A Success on All Fronts

The Vienna Volksoper had posed itself quite a challenge by celebrating its 100th anniversary with Wagner’s only comic opera, Die Meistersinger von Nürnberg, but the production proved to be one of the finest things offered on the Viennese opera scene in the recent past. Not only was it strongly cast, but also imaginatively and intelligently staged.

Director Christine Mielitz focused on the human dimensions of the story and the personal relationships between the different characters, rather than on the political aspects of the piece. Her very detailed direction of the characters was simply masterful. Countless gestures gave each character, also the smaller ones, individual life, and she was equally adept at making humorous and dramatic points. Eva was portrayed as a very emotional, spontaneous, yet determined young girl, Walther as a sort of revolutionary who breaks into the inflexible traditional world of the Mastersingers (this aspect was also emphasized optically by Walther being clad in a long leather coat and sporting a long, flowing mane of wavy blond hair, as opposed to the rather conventionally dressed Mastersingers), and Sachs as a relatively young, attractive man who finds it difficult to give up his secret love of Eva. Mielitz was also careful not to reduce Beckmesser to a grotesque caricature but brought out the more tragic aspects of the character. A touching moment occurred at the end of the opera, when Sachs led Beckmesser who had just been defeated at the prize singing back to the group of Mastersingers.

Visually, there was only one basic set consisting of the bare walls of a turn-of-the-century drawing room which were encircled by a sort of catwalk ascending towards the back and then descending again. The set was mounted on a revolving stage and was rotated, so that different angles of it effectively provided the different locations of the opera. The costumes were in the style of the interwar period.

The soloists, almost all of whom were cast from the Volksoper’s own company, were excellent throughout. Falk Struckmann was a sympathetic, fresh, virile Sachs and gave a very convincing and moving portrayal of Sachs’ complex emotions. The peak of his performance was certainly the grippingly intense “Wahn” monologue. The true surprise of the evening, however, was Johan Botha who sang a magnificent Walther von Stolzing, with youthful ardour and clear ringing top notes. Fionnuala McCarthy was an attractive, temperamental Eva but sounded a bit forced occasionally. David was beautifully sung and strongly portrayed by Mathias Zachariassen, and Wicus Slabbert turned in a fine, uncaricatured portrayal of the pedantic, vain Beckmesser, with just the right touch of irony but never over the top. The smaller roles were also well cast, both vocally and dramatically. Chariklia Mavropoulou was a lush sounding, dominant Magdalena, Bjarni Thor Kristinsson a sympathetic, resonant Pogner and Wolfgang Bankl an authoritative Kothner. The chorus sounded meticulously rehearsed and produced a magnificent volume of sound, especially in “Wach auf!”.

The Orchestra of the Volksoper, which had not performed any Wagner in more than 50 years, at first sounded a bit unbalanced but improved as the evening went on and turned in a very acceptable overall performance under the baton of Asher Fisch. All in all, an immensely enjoyable production and a worthy 100th!

Bettina Maani

Die Welt

“Kunst ist Eingreifen ins Leben”

Oberlehrer am Gymnasium: Meiningens neue Intendantin Christine Mielitz inszeniert Wagners “Meistersinger”

Während der Generalprobe sprang Christine Mielitz auf, riß ihren Kopf herum und fauchte den Perückenmeister an: “Das Haar sieht ja grauenvoll aus!” Auf der Bühne der Wiener Volksoper stand der Tenor Johan Botha, mächtig und prall. Mielitz verpaßte dem südafrikanischen Sänger eine Lockenpracht, die jeden Metall-Rocker vor Neid erblassen ließe. Er ist Stolzing, der Wilde aus dem Wald. Das begnadete Naturtalent, das den prüden Meistersingern den Finger zeigt. Was also sollen da die blöden Stirnfransen in seinem Gesicht?Christine Mielitz inszenierte Richard Wagners “Die Meistersinger von Nürnberg”. Es ist die erste Oper, die sie seit ihrem Weggang aus der Berliner Komischen Oper ans Meininger Staatstheater auf eine Bühne stellt. Und es ist das Präsent, das sich das verehrungswürdige Wiener Haus zu seinem 100. Geburtstag selbst schenkt. Stolz zeigt Intendant Klaus Bachler, was er hat. Nur Falk Struckmann (Hans Sachs), Fionnuala McCarthy (Eva) und Johan Botha wurden als Gäste engagiert; der große wichtige Rest ist Stammpersonal.Wie aber dies: Ein Stück als Glückwunsch-Inszenierung, mit dem Hitler seinen Herrschaftsanspruch feierte? “Die Rezeptionsgeschichte dieser Oper ist ein absolutes Mißverständnis”, wischt Mielitz alle Bedenken beiseite. “Es heißt nun einmal: ,Ehret eure deutschen Meister’ und nicht: ,Ehret euren deutschen Führer’.” Nicht etwa, daß die Mielitz unpolitisch wäre. “Kunst ist Eingreifen ins Leben”, hält sie unverdrossen an ihrem Grundsatz fest; die beiden Begriffe Politik und Kunst seien nur Synonyme. Und was soll daran schlecht sein, wenn Hans Sachs die Nürnberger zu Kultur und Toleranz aufruft, nachdem sie den unglücklichen Sixtus Beckmesser halb tot geschlagen haben?Christine Mielitz gestaltet Nürnberg als überdimensionales Gymnasium, in dem die Meistersinger wie Oberlehrer herrschen. In der Johannisnacht bricht sich der Wahn seine Bahn, und aus den zivilisierten Bürgern werden dampfende Schläger: “Kristallnacht”, so Mielitz, deren Kostümbildnerin Caritas de Wit allerdings auf Springerstiefel und Hakenkreuz verzichtet. “Wir wollen schon zeigen, wie deutsche Gründlichkeit eine irrationale Gewaltbereitschaft anfachen kann.”Es ist Hans Sachs, der erkennt, wie dünn die Decke der Kultur ist. Ganz anders als Harry Kupfer sieht Mielitz ihn nicht als abgeklärten Alten, sondern als “Mann in den mittleren Jahren und in der Krise”. Charakterzeichnung ist die eigentliche Stärke der Mielitz, stets sucht sie das Widersprüchliche in all ihren Bühnencharakteren. Ästhetisch bewegt sie sich im weiten Land zwischen Regietheater und Tradition: Nichts an dieser Wiener Inszenierung ist modern, aber auch nichts verstaubt. Diesen Mittelweg will das Ziehkind von Kupfer (“Wir haben uns künstlerisch voneinander entfernt”) auch in Meiningen gehen. “Die Meininger werden ihren Mozart und Strauss bekommen, aber dazwischen auch die Moderne vorfinden.” Im Klartext: Bereits die Spielzeit 1999/2000 will sie mit Schostakowitschs “Lady Macbeth von Mzensk” eröffnen. Doch auch die Mielitz weiß: Dicken Lorbeer erhält man mit Großprojekten – im Jahr 2001 schenkt sie der 24 000-Einwohner Stadt einen neuen “Ring”. Nicht häppchenweise, sondern am Stück. Vier Abende hintereinander “Rheingold”, “Walküre”, “Siegfried” und “Götterdämmerung”, ganz wie der Meister es sich wünschte. Das Meininger Hauspersonal reagierte nicht nur mit Begeisterung: Die Generalmusikdirektorin Marie-Jeanne Dufour kündigte ihre Dienste. Das Projekt sei mit diesem Haus nicht machbar, erklärte sie knapp.Im Gespräch mit der WELT hält Mielitz erstmals öffentlich dagegen: Schon lange bevor vom “Ring”-Projekt die Rede gewesen sei, habe das Orchester die Kündigung von Frau Dufour verlangt. Nachfolger wird der 26jährige Dirigent Kirill Petrenko, zur Zeit im Engagement an der Wiener Volksoper.Die dortige “Meistersinger”-Premiere leitete allerdings nicht Petrenko, sondern Chefdirigent Asher Fisch. Über weite Strecken fehlte dem Volksopern-Orchester Eleganz und Leichtigkeit, das Quintett im dritten Akt war zu laut, die Ouvertüre hingeklotzt. Erst das monumentale Finale wurde zum Triumph. Star des Abends war der 33jährige Johan Botha, der als Stolzing debütierte. Seine Stimme ist in allen Lagen mächtig. Alle spielten überzeugend: Wicus Slabbert zeichnete einen schleimigen Beckmesser, die hinreißende Fionnuala McCarthy eine zerbrechlich-tapfere Eva. Falk Struckmann war indisponiert; erst im dritten Akt ließ er spüren, was für ein tiefgründiger Sachs er ist.Vom schwächeren zweiten Akt abgesehen war der Abend sehr bemerkenswert: Die Mielitz hat Gespür für Effekte, Stimmungen, Intimität, sie präsentierte die “Meistersinger” nicht als völkische Oper, sondern als lebenspralle, mitreißende, aber auch Fragen stellende, nachdenkliche Volksoper.

Peter Schneeberger | 15.12.98

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Media Type/Label
Technical Specifications
581 kbit/s VBR, 32.0 kHz, 1.0 GByte (flac)
Remarks
Broadcast
A production by Christine Mielitz (premiere)