Lohengrin

Donald Runnicles
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Date/Location
15 April 2012
Deutsche Oper Berlin
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Heinrich der Vogler Albert Dohmen
Lohengrin Klaus Florian Vogt
Elsa von Brabant Ricarda Merbeth
Friedrich von Telramund Gordon Hawkins
Ortrud Petra Lang
Der Heerrufer des Königs Bastiaan Everink
Vier brabantische Edle Peter Maus
Matthew Peña
Marko Mimica
Tobias Kehrer
Gallery
Reviews
Berliner Zeitung

Der Held ist der andere

Lohengrin“ beginnt mit den zartesten Orchesterfarben, die 1848 denkbar waren. Nach dem berühmten Vorspiel wird die Oper plötzlich martialisch. Meist wird aus dem militärischen Getümmel nicht mehr gemacht als historisches Kolorit für die zerbrechliche Liebesgeschichte zwischen Elsa und dem Schwanenritter, den sie nicht nach Namen und Herkunft fragen darf. In der Fassung der Deutschen Oper Berlin, die am Sonntag vorgestellt wurde, dreht der junge dänische Regisseur Kaspar Holten die Perspektive um und nimmt die militärischen Szenen zum Ausgangspunkt seiner Deutung. Generalmusikdirektor Donald Runnicles unterstützt das durch das räumliche Arrangement von Trompeten und Trommeln, die schon mal aus allen Richtungen zur Schlacht blasen.

Statt in blauen Himmel blicken wir im Vorspiel auf ein graues Schlachtfeld gefallener Soldaten. Die Schönheit der Musik ist Ausdruck von Trauer geworden. Unter den Toten sucht Elsa nach Gottfried, ihrem verschwundenen Bruder. Elsa, zu Unrecht des Mordes angeklagt, verleiht dieser Hoffnung in ihrer Traumerzählung vom Ritter „in lichter Waffen Scheine“ Ausdruck. Da kommt er schon: Die Schwanenflügel umgeschnallt und rein in die Menge. Elsa erhofft von ihm Verteidigung im Gotteskampf gegen ihren Ankläger Friedrich von Telramund, die Menschen wünschen eine politische Perspektive.

Klaus Florian Vogt in der Titelpartie ist musikalisch ein Glücksfall: Sein heller, stets präzis intonierter und fokussierter, dazu textverständlicher Tenor ist in seiner klanglichen Eigenschaftslosigkeit eine ideale Projektionsfläche – kein Held, kaum ein Mann, sondern biegsamer Stoff. Der Gotteskampf gegen Telramund ist reines Blendwerk: Lohengrin macht Licht und Dampf, Telramund weiß nicht, wie ihm geschieht: Plötzlich ist er der Buhmann, und der mit den Flügeln wird umjubelt.

Die Umwertung des Helden

Holtens Inszenierung wagt nichts weniger als die Umwertung des Helden. Das tut er so überlegt, dass der „Lohengrin“ in seiner politischen Komplexität durchsichtig wird. Die historischen Schatten auf dem Stück beginnen sich zu regen: der Traum vom gottbegnadeten König und charismatischen Führer, die Manipulierbarkeit der Massen. Holten erweckt die prophetischen wie bedenklichen Züge des Stücks zum Leben, ohne sie platt zu illustrieren. Die Inszenierung zeigt die Bühne der Macht, bevor der Vorhang aufgeht. Wir sehen die Sehnsucht der Massen, deren Dynamik die Illusion vom unbesiegbaren Führer vollendet. Wenn Lohengrin mit Abschied droht, steigert es nur die Anhänglichkeit des Volks.

Zwei gibt es, die hinter den Zauber sehen wollen und sich um Aufklärung bemühen. Einmal Telramund, der das Pech hat, mit Ortrud eine heidnische Seherin zur Frau zu haben. Ihre Methoden taugen nicht zur Wahrheitsfindung. Ungeheuer ist der Furor, den Petra Langs Ortrud entwickelt, das Ineinander von Fanatismus und taktischer Verstellung. Dass Telramund dagegen nicht wie meistens blass wirkt, verdankt sich weniger der stimmlichen Schönheit als gestalterischen Präzision Gordon Hawkins’, der wirklich wissen will, was da geschehen ist. Bei seinem letzten Überfall auf Lohengrin erblickt Telramund die abgeschnallten Schwanenflügel und durchschaut plötzlich die Inszenierung – Lohengrin erschlägt einen Mitwisser, aus der Selbstverteidigung bei Wagner wird politischer Mord.

Die andere ist Elsa, der Ricarda Merbeth trotz gelegentlich flackernder Höhe eine seelische Leuchtkraft und innere Stärke verleiht. Als Angeklagte hat sie Lohengrins Bedingungen – „nie sollst du mich befragen“ – akzeptiert. Doch sie weiß, dass sie so nicht glücklich werden kann und fragt am Ende doch. Lohengrin löst die Verbindung aus Gründen des Machterhalts, er darf sich nicht durchschauen lassen.

Wichtigste Berliner Wagner-Inszenierung der letzten Jahre

Die Liebe als aufklärerische Kraft, auch wenn sie scheitert: Eine Pointe wie diese macht Holtens „Lohengrin“ zur wohl wichtigsten Berliner Wagner-Inszenierung der letzten Jahre, zum Muster für moderne Wagner-Regie überhaupt. Lange hatte man den Eindruck, dass es eigentlich um nichts mehr ging beim Wagner-Inszenieren. „Das Mythische“ war keine Kategorie mehr, Ideologiekritik pustete dem Wind hinterher, das Regietheater trieb seine müßig-hermetischen Spiele. Holtens „Lohengrin“ wirkt am Schluss gar zu deutlich – was dem Regisseur einige Buhs des größtenteils begeisterten Publikums eintrug. In ihren Absichten ist die Inszenierung jedoch entschlossen und originell, indem sie Wagners Zwiespältigkeit, seine modernen und seine regressiven Züge ernst nimmt, statt sie mit altkluger Geste vorzuführen – dies heißt: Wagner aufklärerisch inszenieren. Aufklärerisch ist auch die musikalische Interpretation. Das bestens aufgelegte Orchester der Deutschen Oper spielt klanglich geschmeidig, doch interessiert sich Runnicles weniger für den großen Strom als für den klaren Bau der Musik. Wagner hat die Argumentation seiner Dialoge musikalisch nachvollzogen, indem zentrale Worte den Phrasenbau bestimmen – in Abstimmung von Sängern und Orchester zeigt Runnicles, dass der Überwältigungs-rhetoriker Wagner auch mit Bachschen Rezitativen vertraut war. Ausgerechnet in ihrer intendantenlosen Zeit präsentiert die Deutsche Oper die szenisch und musikalisch interessanteste Wagner-Produktion in Berlin.

Peter Uehling | 16.04.12

nmz.de

Lohengrin kehrt nicht zum Gral zurück

Kasper Holtens zwiespältige Inszenierung von Wagners Romantischer Oper an der Deutschen Oper Berlin

Der dänische Regisseur Kasper Holten hat sich mit seiner epochalen Kopenhagener Inszenierung „Der Ring des Nibelungen“, die im Jahre 2006 auf DVD erschien (Decca 0473264), als einer der innovativsten Wagner-Regisseure bewiesen. Sein jüngst ebenfalls auf DVD erschienener Kopenhagener „Tannhäuser“, konzeptionell in Haus Wahnfried angesiedelt, mit Wagner, Gattin Cosima, dem jungen Sohn Siegfried und der späten Geliebten Judith Gautier als Protagonisten, geht allerdings nur im Venusberg-Akt voll auf (Decca 074 33990). Holtens Berlin-Debüt mit „Lohengrin“ wurde mit besonderer Spannung erwartet, erwies sich aber als weder in der Konzeption, noch in der Personenführung als ein herausragendes Ereignis.

Dies mag daran liegen, dass Holten, gemeinsam mit seinem Ausstatter Steffen Aarfing, den „Lohengrin“ auch schon in Moskau inszeniert hat – dort als einen Politkrimi zwischen altem und neuem Regime, mit Lohengrin als Putin im weißen Anzug, mit Krawatte und Pistole, der am Ende Medwedew als kleinen Gottfried präsentiert. Relikte davon sind auch noch in der Berliner Neuinszenierung zu finden, etwa wenn Lohengrin vor der Gralserzählung seine Notizkarten sortiert und überlegt, welche Geschichte er dem Volk nun auftischen könnte.

Aber in Berlin hat Lohengrin übergroße Schwanenflügel, die er sich, je nach Bedarf, anhängt oder abnimmt. Horn, Schwert und Ring, die er Elsa sonst für Gottfried als Wunderutensilien und Andenken übergibt, sind hier zu einer Umhängplakette geronnen, und auch die gibt Lohengrin dann doch lieber nicht her, denn er entschließt sich, als Führer bei den Brabantern zu bleiben. Gottfrieds Leiche wird von Elsa auf ein Podest gebettet, Lohengrin aber reckt die Faust zum kommunistischen Gruß empor – Ende. Dabei hatte es durchaus spannend begonnen, mit einem Leichenfeld beim Vorspiel, als die von rückwärts aufgespulte Geschichte eines verlorenen, sinnentleerten Krieges. Kriegerwitwen brechen lautlos oder aufschreiend über den Leichen der Krieger zusammen, bis sich dann eine Courtine mit der poppigen Aufschrift „Lohengrin“ als Verheißung herabsenkt, auf dass Alles nun von vorne beginnen kann. Die überzeitlich, aber mit Bezug zum ersten Weltkrieg gewandeten Militaristen behalten ihre blutbefleckten Uniformen und ihre tödlichen Schusswunden in Stirne und Körper.

Die Führung der Chormassen ist gekonnt, aber doch eher konventionell. Ortrud führt Elsa vor Gericht. Kurz bevor ihr Kopf unter dem Schwert des Henkers fällt, erscheint hinter einer gigantischen Jalousie Lohengrin. Er befreit Elsa von Augenbinde, Hand- und Fußfesseln, aber sein Anblick erschreckt sie mehr, als dass er sie erfreut, – doch er ist ihr Retter, der zur Überrumpelung des Gegners Telramund im Zweikampf Blendung und Nebel einsetzt.

Ein überdimensionales, begehbares Kreuz dient als Elsas Balkon und dann als allgemeine Spielfläche. Der Zug zum Münster differenziert geschickt zwischen den einzelnen Abschnitten – und wenn der Chor nicht benötigt wird, schließt Lohengrin die Öffentlichkeit aus, indem er die Rückansicht eines Wagner-Vorhangs in halber Bühnentiefe zuzieht. Das Münster ist hinter einem weiteren Theatervorhang im Goldportal zu erblicken. Als Elsa sich den vergessenen Brautstrauß von der Souffleuse abholt, hat Ortrud die zuvor von Elsas Brautjungfern entfernten polizeilichen Umrisse einer Leiche (Gottfrieds?) als Schrecknis für die Braut erneuert.

Auch eher konventionell ist die Personenführung im Brautgemach, ebenfalls für die Öffentlichkeit im Spiel durch den Wagner-Vorhang verdeckt. Lacher löst der ungeschickte Tod Telramunds aus; gesteigert unfreiwillige Heiterkeit, als Lohengrin auf das – nur in dieser Szene doch einmal verwendete – Schwert kaum wieder in seine Scheide bekommt. Elsas „Anblick trüb und bleiche“ wird auf das unbefleckte Laken des Hochzeitsbettes bezogen, als Anklage des Nichtvollzugs der Ehe, gedeutet.

Zur konzeptionellen Betonung der Kriegsebene gehört eine realistisch gemalte Ansicht mit Kriegsgräbern. Die Forderung der Mannen an Lohengrin und dessen Endsieg-Prophezeiung hätten sich also trefflich eingefügt, aber der Dirigent wählte, überaus political correct, den großen, so genannten „Luft“-Sprung, der das Ende der ersten Strophe der Gralserzählung harmonisch ungeschickt mit dem Wiedererscheinen des Schwans verbindet. (Selbst in Bayreuth erklingt in der aktuellen Inszenierung hier deutlich mehr von Wagners originaler Komposition.) Den Gesang des Gottfried hat der Komponist allerdings selbst noch gestrichen, obgleich auch dieser heute ab und zu in Aufführungen zu hören ist (so in Plauen und in Solingen). Somit fällt es dem Regisseur nicht schwer, Gottfried als Leiche auftragen zu lassen; warum Lohengrin hier Wagners originales „Zum Führer sei er euch ernannt“ umändert in „zum Schützer“, bleibt ebenso fraglich, wie die Tatsache, dass das Ende – entgegen den Intentionen des Beginns der Inszenierung – sich nicht zum Anfang hin rundet.

Zu Recht erhält der von William Spaulding einstudierte Chor und Extrachor der Deutschen Oper Berlin emphatischen Jubel, während die stimmlich nicht adäquaten Leistungen für die Interpreten von König (Albert Dohmen, guttural, mit mangelnder Höhe) und Telramund (Gordon Hawkins , grobschlächtig und ungenau) auch Buhrufe einstecken müssen. Ricarda Merbeth singt die Elsa mit wenig Ausdrucksnuancen. Um so mehr obsiegt Petra Langs runde Leistung als dramatisch stimmgewaltige Ortrud, wenn auch am Ende nicht ganz makellos in ihrer Intonation. Bastian Everink gefällt als schlanker, aber prägnant singender Heerrufer.

Auf seine Fans, auch an der Deutschen Oper Berlin (wo er jüngst eine CD mit Opernausschnitten eingespielt und veröffentlicht hat), kann der erst spät in diese Produktion eingestiegene Klaus Florian Vogt bauen, und er erntet Bravo-Stürme; Vogt hat an metallischem Glanz zugelegt, aber, um mehr Volumen zu entwickeln, forciert er nun bisweilen, was sich dann umgehend rächt. Bravos auch für Donald Runnicles’ exaktes, aber wenig differenzierendes, breites Dirigat: in seinem gepanzerten Klangbild spielt das Orchester der Deutschen Oper Berlin in Bestform. Ein besonderes Lob gebührt dabei der großartig differenzierten Bühnenmusik (abgesehen von einem Kickser im dritten Akt), gipfelnd in einer eindrucksvollen, quadrophonen Live-Beschallung aus den hohen Proszeniumslogen und im zweiten Rang, auf beiden Seiten der Zuschauer, beim Reitermarsch.

Die rasche Abfolge der Aufführungen, innerhalb von nur einem halben Monat, beweist, dass auch dieses Opernhaus inzwischen – zumindest partiell – dem Marktgesetz des Stagione-Prinzips folgt.

Peter P. Pachl | 16.04.2012

bachtrack.com

Zwielichtiges Strahlen

Wenn Klaus Florian Vogt sich mit seinem Wohnwagen der Stadt nähert, ist der Schwanenritter nicht weit: Der lyrischste Heldentenor unter Wagners Sonne kehrt für zwei Aufführungen des Lohengrin an die Deutsche Oper Berlin zurück, was sowieso großes romantisches Glück ist, in diesem Fall aber besonders, denn Kaspar Holtens Inszenierung von 2012 ist ganz auf Vogts verstörend auratische Erscheinung zugeschnitten.

Der dänische Regisseur Kasper Holten, bis 2017 Direktor des Royal Opera House London, hat die Figur des Schützers von Brabant derart einleuchtend ins Zwielicht gerückt, dass die Besetzung der Titelrolle nicht nur eine sängerische Geschmacksfrage ist. Lohengrin erscheint als Blender in einer durch und durch verheerten Kriegswelt, in der selbst dem Heerrufer des Königs das Blut durch den Stirnverband suppt. Im Moment seines Auftretens sieht man den geheimnisvollen Fremdling Schwanenflügel aufsetzen, deren leuchtendes Weiß die verwundeten Brabanter betört. Friedrich von Telramund bezwingt er im Gottesgericht mit nebelwabernden Taschenspielertricks, ehe er am Schluss des ersten Aktes die völlig neben sich stehende Elsa heimlich anherrscht, gefälligst zu spuren. Telramunds nächtlicher Überfall im dritten Akt schlägt fehl, weil delr bedauerliche Intrigant sich im Schlafzimmer auf die abgesetzten Flügel stürzt und so zur leichten Beute für des Gralsritters Schwert wird.

Zu dieser finsteren Sicht auf die große romantische Oper, der ja in der Tat der Pessimismus aus allen Poren tropft, passt es, dass der junge Herzog von Beginn an als Toter präsent ist – in Form eines Kreideumrisses der Spurensicherung, wie Fernsehkrimis sie sich vorstellen. Konsequent kehrt am Ende nicht der erlöste Gottfried wieder, sondern Elsa legt eine Knabenleiche auf eine Art Opferaltar, der sich zuvor unter dem unberührt gebliebenen Ehebett verbarg. Eine nach wie vor erschütternde, aber plausible Deutung, die jedoch auf Klaus Florian Vogts Ausnahme-Tenor angewiesen scheint: Mag Vogt auch in den letzten Jahren sein Repertoire um einige Wagnerrollen erweitert haben und seine Stimme darüber „heldischer“ geworden sein, bleibt sein Lohengrin eine exzeptionelle Erfahrung. Er ist mittlerweile in der Tiefe ungeheuer voluminös, aber erreicht mit glockenklarer Knabenstimme faszinierend schwerelos jede Höhe und überstrahlt scheinbar mühelos jedes Chor-Fortissimo. Würde Max Weber noch leben, sollte er seine Untersuchungen über Charismatische Herrschaft um ein Lohengrin-Kapitel erweitern.

In Vogts innig ersehnter Gralserzählung, ein Wunder an Differenzierung und Schönheit zugleich, ist endlich auch das Orchester der Deutschen Oper unter Axel Kober auf dem Niveau, das man von ihm erwarten darf. Im Vorspiel zum ersten Akt klangen die Flageolets der achtfach geteilten Geigen doch eher hausbacken als himmlisch. Da spielte das Orchester gemäßigt, man könnte auch sagen lau: piano, aber nicht ätherisch; fortissimo, aber nicht heldisch; deutlich, aber nicht durchhörbar. Das dumpf brütende Vorspiel zum zweiten Akt mit seiner schmerzzerrissenen Cello-Linie überzeugte mehr; das glanzvoll schmetternde Vorspiel zum dritten Akt ist sowieso ein dankbares Spektakel für ein solides Orchester. Insgesamt eine pragmatische, die Sänger unterstützende Interpretation, in der das Orchester aber doch für eine Wagneroper zu wenig eigene Kontur entwickelte. Dass die Bühnenmusik aus dem Palast zu Beginn des zweiten Akts offenbar vom Band kam, war natürlich nicht entscheidend und aus ökonomischen Gründen nachvollziehbar; schön war es trotzdem nicht.

Auch dem Chor hörte man an, dass für eine Wiederaufnahme weniger geprobt wird als für eine Premiere und man wohl mit der zweiten Aufführung besser bedient ist. Man hat diesen hervorragenden Chor jedenfalls schon erheblich präziser gehört als in den piano-Passagen des ersten Akts, wo die Schlusskonsonanten doch eine erhebliche Streuung aufwiesen. Später steigerte sich der Chor merklich, auch wenn er in manchen Passagen eine solch dröhnende Lautstärke aufwies, dass es nur Opernfreunden ganz alter Schule eine Freude sein konnte.

Sängerisch war es großteils kein Fest der Textverständlichkeit; ohne Übertitel wäre der Wagnerneuling verloren. Eine rühmenswerte Ausnahme bildete (neben Klaus Florian Vogts glasklarer Diktion) der für Albert Pesendorfer eingesprungene Günther Groissböck als Heinrich der Vogler, sonor und deutlich, eine in jeder Hinsicht famose Leistung. Markant und plastisch auch Bastiaan Everink in der kleinen Rolle des Heerrufers. Simon Neal klang als Telramund dagegen etwas verstolpert, aber überzeugte durch Kraft und Schmerz und nicht zuletzt durch eine angemessen elende, stellenweise komische Bühnenpräsenz.

Auf ungleich höherem Niveau gilt Ähnliches für Anna Smirnova als Ortrud: Man verstand kein Wort, aber sie sang mit umwerfendem Furor, eine wahre Bühnenbestie. Gleißend hell, fast schrill, dennoch ungeheuer fest in der Höhe überstrahlte sie den Chor und war das perfekte Gegenstück zu Vogts (stimmlich, nicht moralisch) reinem Lohengrin. So beherrschte sie die Bühne nach (böser) Lust und (schlechter) Laune, sei es als heidnische Ehehexe mit Haaren auf den Zähnen oder als klebrig süße Jungfrauenflüsterin. Furchteinflößend und schreiend komisch zugleich stellte sie die arme Elsa (Manuela Uhl mit leicht metallischem, keinesfalls mädchenhaftem Timbre und problematisch-unverständlicher Textdeklamation) auch sängerisch in den Schatten.

Eine Aufführung mit einigen Höhepunkten, deren größter Klaus Florian Vogt ist und bleibt.

Albrecht Selge | 06 Mai 2016

Opera News

Deutsche Oper Berlin has been without an intendant for the 2011–12 season; the company awaits the arrival this coming autumn of Dietmar Schwarz from Theater Basel. Perhaps it was this lack of leadership that caused the company’s fourth and final premiere of the season, a new production of Lohengrin by Kasper Holten (seen Apr. 15), to feel rather uninspired and rudderless. DOB has been slowly doing away with Wagner productions by legendary intendant Götz Friedrich (1930–2000), which are admittedly looking rather schleppy these days. The retirement of Friedrich’s historically accurate stagings started in 2008, when Tatjana Gürbaca presented Berlin with a strikingly modern Holländer. The trend continued with former intendant Kirsten Harms’s dazzling Tannhäuser and Graham Vick’s preposterously bad Tristan und Isolde, which was seen last season. In mid-April, Holten, the recently appointed artistic director of London’s Royal Opera House, presented Berlin with his take on the swan knight. The Danish director seemed to be playing it safe, with a production that was hardly an improvement over Friedrich’s — one of the company’s staples for more than twenty years.

For every elegant idea that Holten had, an awkward one seemed to follow. His production struggled to find the right tone in his mix of traditional elements (wings, period costumes) and more abstract ones. The result was serviceable, but it was also lacking in intent and focus. The sparse set was most effective in framing the assembly scenes of the first and last acts. In between, a huge cross that descended from the ceiling functioned as a walkway for Elsa during her nighttime talk with Ortrud; there was also a dazzling mise en abyme effect for the wedding scene, with the chapel concealed behind a stage curtain that opened onto another curtain. And speaking of curtains, the intermission curtain had “Lohengrin” scrawled across it, which might have been Holten winking at us, making us aware that the opera’s title is also its punch line. Then there was the curious choice of dangling neon green lights for the opening of Act II, which didn’t do much beyond lending a colorful air of evil to the exchange between Telramund and Ortrud. One of my favorite touches was the chalk outline at the crime scene for the Act I trial, a clever device that lent the production a small dose of irony and self-reflection that was otherwise lacking.

Berlin’s last new Lohengrin was Stefan Herheim’s excellent 2009 production at the Staatsoper — a colorful, eclectic production that managed to be analytical as well as playful. In this day and age, directors working in Germany should find ways to engage artistically and critically with the problematic elements in Wagner’s librettos. This was sadly not the case in Holten’s production. The only time Holten seemed to acknowledge Lohengrin’s ultra-nationalism was at the very end of the opera, when Lohengrin confusingly gave a fascist-looking fist salute. In general, the Holten Lohengrin felt more like a presentation case for the opera than a fully realized production.

The singing and musicianship on offer in DOB’s Lohengrin were of a more consistent quality. Klaus Florian Vogt was a late replacement for Marco Jentzsch in the title role. Vogt, who was Herheim’s Lohengrin in 2009, presented a more mature, more subtle Lohengrin at DOB than he had at the Staatsoper. Vogt’s creamy, luxuriously colored instrument is a far cry from traditional heldentenor voices, but his warm interpretation of Lohengrin has been enthusiastically received, notably at last summer’s revival of Hans Neuenfels’s Bayreuth staging. Despite the visual (and physical) burden of a silly pair of wings, Vogt scored a success: his voice rang out with incredible beauty all evening long, and he received a tremendous ovation. The first tier of singers included the ferocious Ortrud of Petra Lang, who made up in sheer, visceral force and convincing vocal acting for what she lacked in nuance. The audience seemed polarized by Albert Dohmen’s Heinrich, although this reviewer found his gravelly bass mesmerizing.

Slightly lower on the scale were Ricarda Merbeth’s Elsa and Gordon Hawkins’s Telramund. Merbeth, who was seen here two seasons ago in Die Ägyptische Helena, was in generally strong voice but sounded somewhat hard-edged and lacking in legato. Hawkins sometimes turned phrases into growls. But these were minor blemishes in an evening of impressive vocal accomplishment. The strong-voiced Bastiaan Everink made a memorable impression as the Herald. And with very few exceptions, DOB’s justly famed chorus was electrifying.

According to the latest figures, DOB is evidently the only house in the city that has seen an increase in audience attendance. One feels certain that the dynamism of music director Donald Runnicles is at least partially responsible. Runnicles led his energetic musicians with sensational attention to color and detail. The only regrettable moment came during the crescendo of the prelude to the final scene, where some horns were MIA during the otherwise exciting surround-sound trumpet-o-rama.

A. J. GOLDMANN | JULY 2012 — VOL. 77, NO. 1

Classical Voice North America

The Deutsche Oper’s new ‘Lohengrin’ gets Wings but does not take Flight

War looms largely in the background of Lohengrin, yet one wouldn’t expect to find tombstones and blood-stained uniforms. The director Kaspar Holten, in his German debut at the Deutsche Oper, takes a morbid, socially-critical approach to Wagner’s blend of fairy-tale and historic drama. As the Danish native states in the program notes, the victory column to the German-Danish war of the late nineteenth century is only a few kilometers from the opera house, something which he felt he couldn’t ignore given the work’s bellicose references to Hungary and Denmark.

Holten, recently-appointed director of opera at the Royal Opera House, opens the production (seen at its premiere on April 15) with three women searching for their loved ones in a battlefield of slain soldiers. One of the damsels lets out a scream during the overture, only to disappear like a specter. The Brabantians, Saxons and Thuringians of the opening scene have reemerged from various historical eras, some donning pseudo-medieval costumes under their green trench coats and others resembling World War One fighters against an ominously grey backdrop (sets and costumes by Steffen Aarfing).

The production casts the demi-god Lohengrin as an earthly angel who arrives fumbling with a pair of strap-on feathered wings upon his delivery by the swan, represented through blinding light that pours through the back wall of the proscenium and the subsequent outline of a flying bird. This is a notoriously difficult part of the opera to stage, and Aarfing’s acknowledgement of the artifice involved was as refreshing as it was troublesome. Holten also takes a somewhat tongue-in-cheek approach to climatic moments of the opera. The protagonist’s swordfight with Friedrich von Telramund takes place among so much fog machine-induced smoke that the rival is left swinging into thin air. At the end of the opera, Lohengrin holds up his fist in victory yet he might as well be mocking the patriotic pride of a thoroughly defunct Brabantia.

Holten treats the naïve scenes between Lohengrin and his bride Elsa with more earnest, although layers of nebulous social commentary threaten to undermine the dynamic. In the marriage scene, they walk toward the image of a cathedral framed within a mini-proscenium that is hidden behind yet another stage curtain—perhaps an attempt to point to the political instrumentalization of religion as insidiously embodied by the politico-spiritual figure of Lohengrin—yet when Elsa is left to stare at rows of painted tombstones, the concept appeared superimposed. In the end, even the young Gottfried, who had been transformed into a swan by the magical powers of Elsa’s sinister rival, Ortrud, is never revived as a viable leader but remains a dead mannequin after Lohengrin is forced to depart.

In the title role, the tenor Klaus Florian Vogt—who also helmed Hans Neuenfels’ rat-infested production in Bayreuth last summer—was the standout of the evening, with a clear ringing tenor that remained unblemished into his final aria, “Im fernen Land.” He may come across as a bit youthful for the role to some tastes, but he retained musical authority through the most ambiguous moments of Holten’s staging. He was dramatically well-complemented by the noble yet innocent presence of Ricarda Merbeth’s Elsa, but the soprano sounded slightly strained and could have brought more poignancy to her portrayal of the heroine with rounder singing, particularly in the upper register. Petra Lang was an ideally demonic Ortrud, with a metallic, slightly shrill timbre that only heightened her dramatic powers. The American baritone Gordon Hawkins disappointed as Friedrich von Telramund, his voice often drowned by the orchestra. He was booed at curtain call along with Albert Dohmen, who sang the role of King Heinrich, similarly failing to live up to standard with an often constricted vocal production. Bastiaan Everink brought a steady, warm baritone to the King’s Herald.

The chorus of the Deutsche Oper proved itself a high point of the production, singing with crystal-clear diction and a warm vocal blend as well as realizing Holten’s blocking with convincing dramaticism. The orchestra, conducted by Donald Runnicles, surprisingly did not meet the standards set by the music director in recent Wagner productions. The strings sounded uneven and slightly flat toward the end of the shimmering pianissimi in the overture, whose tempo was also a bit rushed for this listener. Although Runnicles provided powerful, unwaveringly accurate accompaniment for the singers, he did not imbue the searing, religiously evocative harmonies with the same tension and emotional impetus which he revealed in Graham Vick’s Tristan und Isolde last season and Kirsten Harm’s 2008 production of Tannhäuser. The occasionally shaky brass further underscored that this Lohengrin may not be fated for victory.

Rebecca Schmid | APRIL 16, 2012

Rating
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User Rating
(4/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
256 kbit/s CBR, 44.1 kHz, 365 MByte (MP3)
Remarks
In-house recording
A production by Kasper Holten (premiere)