Die Walküre
Daniel Barenboim | ||||||
Staatskapelle Berlin | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Siegmund | Christopher Ventris |
Hunding | Michail Petrenko |
Wotan | René Pape |
Sieglinde | Waltraud Meier |
Brünnhilde | Iréne Theorin |
Fricka | Ekaterina Gubanova |
Helmwige | Susan Foster |
Gerhilde | Marie Danielle Halbwachs |
Ortlinde | Carola Christina Höhn |
Waltraute | Ivonne Fuchs |
Siegrune | Leann Sandel-Pantaleo |
Grimgerde | Anna Lapkowskaja |
Schwertleite | Anaïk Morel |
Roßweiße | Simone Schröder |
Herzstück der Tetralogie mit großartigen Stimmen
Fragt man einen Ring-Besucher, welchen Teil der Tetralogie er am schönsten finde, dürfte von den meisten Die Walküre ausgewählt werden. Dies mag zum einen dem dramaturgischen Aufbau des Werkes zu verdanken sein, in dem die Liebe des Wälsungenpaars Siegmund und Sieglinde eine Innigkeit erreicht, die keinem anderen Paar in Wagners Musikdramen zuteil wird, selbst wenn dieses inzestuöse Verhältnis illegitim ist. Auch der persönliche Schmerz und die Tragik der Figuren wird in keinem anderen Stück so spürbar wie hier, sei es mit Blick auf das Wälsungenpaar, das mit Ausnahme eines ganz kurzen Momentes des Glücks nur Leid und Verfolgung erfährt, sei es mit Blick auf den Göttervater Wotan, der am Ende nicht nur erkennen muss, dass er den Untergang der Götter nicht aufhalten kann, sondern auch noch sein liebstes Kind opfert und fortan als Wanderer die Welt durchstreift. Zum anderen übertrifft sich Wagner mit der musikalischen Umsetzung der Emotionen regelrecht selbst, was nicht nur dazu geführt hat, das zahlreiche Passagen wie der Walkürenritt und der Feuerzauber aus dem dritten Aufzug oder Siegmunds “Winterstürme wichen dem Wonnemond” aus dem ersten Aufzug Eingang in zahlreiche Galakonzerte gefunden haben, bisweilen sogar der komplette erste Aufzug konzertant zu erleben ist, so dass dieser “Erste Tag des Bühnenfestspiels” bei zahlreichen Musikliebhabern auf der Beliebtheitsskala sogar Wagners andere musikdramatischen Werke übertrifft.
Guy Cassiers bleibt in der Walküre seinem Ansatz treu, das Bühnenbild größtenteils auf Videoprojektionen zu reduzieren, wobei, anders als im Rheingold, keine Tänzer zum Einsatz kommen, um Übergänge zu schaffen oder die Gefühle der Figuren auszudrücken. Dafür räumt Cassiers den Sängerdarstellern hier wesentlich mehr Spielraum ein, als dies beim Vorabend der Fall ist. Und die Solisten nutzen diese Möglichkeit auch in vollem Maße aus. Schon beim Vorspiel wird deutlich, dass nach dem Einzug der Götter in Walhall am Ende des Rheingolds viel passiert ist. Daniel Barenboim, der im Gegensatz zu anderen Dirigenten seinen Einzug in den Orchestergraben nicht zelebriert, beginnt mit der Staatskapelle Berlin regelrecht unvermittelt mit dem packenden Vorspiel und lässt vor dem Publikum die Irrungen des gejagten Siegmund plastisch entstehen, noch bevor der Vorhang sich öffnet und Siegmund erschöpft in Hundings Hütte gelangt. Ein leicht schräg nach hinten ansteigender Kubus, auf den teilweise Mobiliar und eine Feuerstelle projiziert werden, deuten diese Behausung an. In dem Raum befindet sich nur die riesige Esche, in der das Schwert steckt, das aber selbst in den vorderen Reihen kaum erkennbar ist. Als Tisch, an dem Hunding mit dem ungebetenen Gast das Mahl teilt, fungiert lediglich eine quadratisch angestrahlte Fläche auf dem Bühnenboden.
Aber auch wenn als Requisiten nur das Schwert und die Esche eingesetzt werden, vermisst man in der Szene nichts, was vor allem dem großartigen Spiel der drei Sängerdarsteller zu verdanken ist. An erster Stelle ist hier Waltraud Meier zu nennen, die zunächst das Leid und die Furcht der gegen ihren Willen vermählten Sieglinde, und dann die mit Siegmunds Auftritt langsam aufkeimende Hoffnung mit hervorragender Mimik zu transportieren versteht. Hinzu kommt ihr großartiger Sopran, mit dem sie sowohl die leisen Stellen als auch die dramatischen Ausbrüche mit beeindruckender Textverständlichkeit präsentiert. Ihr zur Seite steht mit Christopher Ventris optisch und darstellerisch ein kongenialer Partner, der scheinbar zu keiner Zeit mit seinen tenoralen Kräften haushalten muss, sondern den ganzen ersten Aufzug tenoralen Glanz verströmt, was sowohl seine beeindruckenden “Wälse”-Rufe als auch die bereits oben erwähnten “Winterstürme” betrifft. Zu den Winterstürmen öffnet sich dann auch der Kubus und gibt den Blick auf hochragende Baumstämme frei, durch die Siegmund und Sieglinde im zweiten Aufzug irren werden. Links oben sieht man auch eine weiße Kugel aus dem Schnürboden herabhängen, die man schon aus dem Rheingold kennt. Dort tauchte die Kugel auf bergigen Höhen im Reich der Lichtalben auf. Auch wenn sie in der Walküre Symbol für den “Wonnemond” sein könnte, der die Winterstürme nun vertrieben hat, weist sie auf Wotans Walten in dieser ganzen Szene hin.
Auch im zweiten Aufzug taucht diese Kugel erneut auf. Dieses Mal hängt sie an einer riesigen Stange über Wotan und ist wie in den vorherigen Szenen in ständiger Bewegung. Während Wotans Erzählung werden Bilder auf diese Kugel projiziert, die wie Erinnerungen aus seiner Vergangenheit wirken. Erst wenn der Göttervater nach dem Streit mit Fricka Siegmund den Schutz entzieht und erkennt, dass sein Plan mit dem Wälsungenpaar nicht aufgehen wird, hört die Kugel auf sich zu drehen. Die Welt Wotans ist quasi zum Stillstand gekommen und beginnt nun, allmählich ihrem Ende zuzusteuern. Im Hintergrund dieses ersten Teils des zweiten Aufzuges befinden sich riesige schwarze Pferde, die wohl die Rösser der Walküren darstellen. Bei aller Imposanz dieses Bildes verpufft allerdings Frickas Auftritt durch diese Rösser, da ihre überschäumende Wut, die Brünnhilde besingt, dadurch gebrochen wird, dass Fricka währenddessen einfach zwischen den Statuen steht. Musikalisch lässt aber auch dieser Teil keine Wünsche offen. René Pape begeistert auch als Walküre-Wotan mit seinem großartigen Bass, der auch die Ausbrüche in die Höhen hervorragend meistert. Iréne Theorin glänzt mit stimmgewaltigen “Hojotoho”-Rufen und stattet die Partie mit großem dramatischem Sopran aus. Ekaterina Gubanova verleiht der Fricka mit ihrem kräftigen Mezzo eine Autorität, die schlussendlich ihren Gatten in die Knie zwingt und die – leider – die besseren Argumente hat.
Es kommt zum großen Showdown des zweiten Aufzugs inmitten eines Waldes aus Baumstämmen, den man bereits im Hintergrund am Ende des ersten Aufzuges gesehen hat. Auch hier begeistert erneut die Lichtregie von Enrico Bagnoli, der mit ständig scheinbar herabperlenden Lichtkugeln in unterschiedlichen Farben diesen Wald in Bewegung hält. Bewegend gelingt das Duett zwischen Theorin und Ventris, wenn Brünnhilde Siegmund zunächst den baldigen Tod verkündet, dann aber, überwältigt von seinen Gefühlen für Sieglinde, beschließt, den Wälsungen gegen Wotans ausdrückliches Gebot zu schützen. Warum ihr die Regie für den kommenden Kampf nicht wenigstens auch einen Schild und einen Speer zugesteht, mag diskutabel sein. So wirkt der Kampf szenisch etwas steif. Da hilft es auch nicht, dass Mikhail Petrenko, nachdem er als Hunding den von Wotan entwaffneten Siegmund niedergestreckt hat, noch einmal auf den am Boden liegenden Siegmund einsticht. Stimmlich gefällt Petrenko, wobei er noch ein bisschen an Schwärze in der Stimme zulegen könnte. Großartig präsentiert sich in dieser Szene erneut Waltraud Meier, die mit grandioser Mimik den bevorstehenden Zweikampf heraufziehen sieht und nur gegen ihren Willen von Brünnhilde aus der Schusslinie gebracht werden kann.
Kleinere Abstriche sind im dritten Aufzug zu machen. Die Walküren wirken im Spiel ein wenig steif, was aber auch den zahlreichen Podesten in unterschiedlicher Höhe geschuldet sein kann, auf denen sie sich bewegen müssen. Da hilft auch nicht die beeindruckende Videoprojektion auf der Rückwand, die ein weißes Pferd inmitten von Frauen und Männern zeigt. Auch ist Danielle Halbwachs’ Sopran eigentlich zu lyrisch, um ein kräftiges “Hojotoho” allein zu schmettern. Im Chor schwellen die Stimmen der acht Walküren jedoch zu einem gewaltigen Klangkörper an. Wieso in der Szene zwischen Wotan und Brünnhilde im Anschluss rote dünne Stangen aus dem Schnürboden herabgelassen werden, bleibt unklar. Der bevorstehende Feuerzauber fällt im Vergleich zu anderen Produktionen eher mickrig aus. Aus dem Schnürboden werden rote Lampen herabgelassen, die in der Form an Duschköpfe erinnern, aus denen auch noch Wasser tropft. Was soll das? Dient das Wasser dazu, den Rauch zu erzeugen, der über diesen Lampen aufsteigt, oder soll durch eine gewisse Reflektierung angedeutet werden, dass Brünnhilde nun von einem Feuerkreis eingeschlossen ist? Das Publikum lässt sich jedoch von diesem letzten etwas enttäuschenden Bild die Begeisterung nicht nehmen und feiert die Sänger und das Orchester verdienter Maßen mit frenetischem Beifall.
FAZIT
Die Inszenierung beginnt großartig und lässt zum Ende hin etwas nach. Die musikalische Gestaltung überzeugt hingegen vom Anfang bis zum Ende und wird dem Festspielcharakter (und den Eintrittspreisen) in jeder Hinsicht gerecht.
Thomas Molke | Staatsoper im Schiller Theater am 24. März 2013
A production by Guy Cassiers (2010 Milano)
This recording is part of a complete Ring cycle.