Die Walküre

Vito Cristofaro
Oldenburgisches Staatsorchester
Date/Location
22 October 2017
Staatstheater Oldenburg
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Siegmund Zoltán Nyári
Hunding Randall Jakobsh
Wotan Renatus Mészár
Sieglinde Nadja Stefanoff
Brünnhilde Nancy Weißbach
Fricka Melanie Lang
Helmwige Sarah Tuttle
Gerhilde Martyna Cymerman
Ortlinde Sooyeon Lee
Waltraute Marija Jokovic
Siegrune Yulia Sokolik
Grimgerde Zdravka Ambric
Schwertleite Annekatrin Kupke
Roßweiße Hagar Sharvit
Gallery
Reviews
Weser Report

„Die Walküre“ ist voll von Minidramen

Freunde von Richard Wagner-Opern kommen momentan um einen Besuch des Oldenburgischen Staatstheaters nicht drumherum. Aber auch für Opern-Neulinge ist „Die Walküre“ ein berauschender Genuss für Ohren und Augen.

Auf die vielbeachtete Inszenierung von „Das Rheingold“ in der vergangenen Spielzeit folgt nun „Die Walküre“. Regisseur Paul Esterhazy bezeichnet das Stück sehr stimmig als eine „Sex and Crime Story“.

Zum Inhalt: Göttervater Wotan (in der nordischen Mythologie auch als Odin bekannt) ist mit Fricka verheiratet, hat aber jede Menge Kinder mit anderen weiblichen Wesen gezeugt. Dazu zählen auch die Zwillinge Siegmund und Sieglinde, die jedoch im Kindesalter getrennt wurden und sich deshalb beim Wiedersehen als Erwachsene nicht erkennen. Sie verlieben sich ineinander, was neben Sieglindes Ehemann Hunding auch Fricka (als göttliche Hüterin der Ehe) erzürnt.

Liebe, Lust, Gewalt

Es kommt zum Kampf zwischen Hunding und Siegmund. Fricka überredet Wotan das Siegmund aufgrund des Inzests sterben soll. Die Walküre Brünnhilde soll es richten. Doch Brünnhilde beschließt, Siegmund beizustehen, und Wotan ist gezwungen, selbst ins Geschehen einzugreifen. Siegmund stirbt, die schwangere Sieglinde flieht und Brünnhilde wird von ihrem Vater für ihren Treuebruch schwer bestraft.

Diese komplexe Geschichte fordert Wagnerneulingen einiges ab. Deshalb sollten sie sich vorab mit dem Stück beschäftigen, eine gute Unterstützung bietet auch das Programmheft. Mit diesem Wissen wird der Abend zum Genuss.

Komplexe Geschichte

Die Besetzungsliste ist bestückt mit einer Mischung aus Sängern und Sängerinnen aus dem Oldenburgischen Staatstheater, aber auch Gästen. Alle Walküren und Fricka konnten mit Sängerinnen aus dem Ensemble besetzt werden.

Doch das Publikum darf dankbar sein, dass Michael Kupfer-Radecky (im Wechsel mit Renatus Mészár) als Wotan und Nancy Weißbach als Brünnhilde verpflichtet werden konnten. Ihnen zuhören zu dürfen, ist eine wahre Freude und lässt das fast vierstündige Stück wie im Flug vergehen. Vor allem diese beiden Künstler schaffen es, die ganze Emotionalität ihrer Rollen, den Kampf und die Liebe, aber auch den Stolz zwischen Brünnhilde und Wotan mit Hilfe ihres Gesangs darzustellen.

Emotionale Rollen

Der Regisseur lenkt mit Hilfe einer Drehbühne den Blick des Publikums wie in einem Film, die verschiedenen Räume haben die Funktion von Kapiteln. Die Licht- und Nebeleffekte auf der Bühne und die tollen Kostüme sorgen für den passenden Rahmen. „Die Walküre“ ist voll von Minidramen inmitten eines größeren dramatischen Bogens.

Britta Suhren | 19 Sep, 2017

Nordwest Zeitung

„Ring des Nibelungen“ wird fortgesetzt

Das Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen“ geht weiter. Auf den Vorabend („Das Rheingold“) folgt nun mit der „Walküre“ der erste Tag. Im Staatstheater hat der zweite Teil des Opernzyklus von Richard Wagner an diesem Samstag seine Premiere im Großen Haus.

Der Inhalt des Stückes ist nicht mal eben schnell erzählt. „Wenn man es mit einem modischen Begriff versucht zusammenzufassen, dann ist es eine klassische Sex and Crime Story“, erklärt Regisseur Paul Esterhazy. Wie ein moderner Seriendrehbuchautor arbeitet Richard Wagner mit Cliffhangern, Spannungstricks und falschen Fährten. Grob zusammengefasst treffen die Zwillinge Siegmund und Sieglinde einander nach Jahren der Trennung wieder, erkennen sich jedoch zunächst nicht. Ausgerechnet Sieglindes Ehemann Hunding verbindet eine Feindschaft mit Siegmund aufgrund einer Familienfehde. Bevor es zu einem Kampf zwischen den beiden kommen kann, beschafft sich Siegmund das mächtige Schwert Notung und beginnt eine inzestuöse Beziehung zu seiner Schwester. Göttervater Wotan und seine Frau Fricka beschließen nach einem Streit, dass Siegmund aufgrund dieser Verfehlung im Kampf sterben soll, und beauftragen dazu die Walküre Brünnhilde. Doch Brünnhilde beschließt, Siegmund beizustehen, und Wotan ist gezwungen, selbst ins Geschehen einzugreifen. Regisseur Esterhazy rät dazu, vor dem Besuch des Stückes zum besseren Verständnis noch einmal eine Inhaltsangabe oder den Text selbst zu lesen. Letzterer ist sehr eindrucksvoll, da Wagner eine Art Kunstsprache für seinen „Ring“ entwickelt hat.

Die häufigen Szenenwechsel der Oper greift das Bühnenbild von Mathis Neidhardt auf. Mithilfe der Drehbühne sind ständig wechselnde Bühnenbilder möglich, die keine Langeweile aufkommen lassen. Selbst lange, fast halbstündige Monologe, etwa die berühmte Todesverkündigung der Brünnhilde, beinhalten für sich gesehen fast alles, was eine komplette Oper braucht. „Da sind Spannungsbögen gebaut, da gibt es was Lustiges, da gibt es was Tragisches, da gibt es was Schnelles und was Langsames, Lautes, Leises. Wenn man diese kleinen Szenen innerhalb der Szenen ernst nimmt, kann man dem wagnerschen Erzählduktus plötzlich ganz leicht folgen“ beschreibt Esterhazy. Und so müssen die Bühnenarbeiter allein bei der „Todesverkündigung“ die Drehbühne auf der Rückseite etwa 20 Mal neu ausstatten.

Das Stück besteht aus drei Akten. Es wird zwei halbstündige Pausen geben, so dass die Vorführung insgesamt ungefähr vier Stunden dauert. Laut Esterhazy sollte man sich davon aber nicht abhalten lassen: „Die Walküre finde ich auch für ein Anfängerwagnerpublikum sehr geeignet. Es ist von den vier Ringstücken das dichteste und das opernhafteste. Da gibt es unglaublich viele Ohrwürmer.“

Die Besetzungsliste ist bestückt mit einer Mischung aus Sängern und Sängerinnen aus dem Haus und Gästen. Alle Walküren und Fricka konnten mit Sängerinnen aus Oldenburg besetzt werden. Der Siegmund wird von Zoltán Nyári gesungen, seine Zwillingsschwester Sieglinde gibt Nadja Stefanoff. Als Göttervater Wotan sind im Wechsel Michael Kupfer-Radecky und Renatus Mészár zu sehen und zu hören, als Wotans Frau Fricka Melanie Lang. Den Hunding singt Pavel Shmulevich und die Brünnhilde wird von Nancy Weißbach verkörpert. Die musikalische Leitung hat Hendrik Vestmann.

Jennifer Zaps | 08.09.2017

deropernfreund.de

Wir bleiben im Bergdorf

Mit der „Walküre“ wurde nun der zweite Streich im Oldenburger Projekt eines kompletten „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner bewältigt. Dabei ist „bewältigt“ eigentlich ein zu schwacher Ausdruck: Dem Oldenburgischen Staatstheater ist musikalisch und szenisch eine von der ersten bis letzten Sekunde fesselnde Aufführung gelungen, deren Niveau und deren Konsequenz an größten Häusern bestehen könnte.

Regisseur Paul Esterhazy entführte bei der „Rheingold“-Premiere in die Welt eines alpinen, abgeschiedenen Bergdorfs. Auch in der „Walküre“ bleibt er in diesem Bergdorf. Man sieht auch wieder die von Mathis Neidhardt entworfenen Räume, die mittels Drehbühne naht- und pausenlos ineinander übergehen und um die in vollem Laub stehende Esche gruppiert sind – das eheliche Schlafzimmer des „Bauern“ Wotan und seiner wieder im Rollstuhl sitzenden Gattin Fricka, die Stube beim gemeinsamen Frühstück oder die Diele mit den aufgebahrten Leichen, die ständig von den Walküren angeschleppt werden und in der sie sich nach getaner Arbeit zur Brotzeit versammeln. Die Verwandlung der Räume vollzieht sich dabei immer sinnvoll und fast unmerklich, unterstützt von einer phantastischen Lichtregie (Ernst Engel), bei der die Bühne oft in geheimnisvolles Halbdunkel getaucht und von sanften Nebelschleiern eingehüllt wird. Sogar die Assoziation einer Waldlandschaft wird dadurch möglich.

Esterhazy lässt auch die im Text erwähnten Tiere auftreten. Bei der Gewitterszene zu Beginn sieht man schemenhaft ein Wolfsrudel, Sieglinde und Siegmund tragen Wolfskostüme, der Bär, den Siegfried später fangen wird, ist zu sehen, Hunding führt seinen Schäferhund an der Leine und in einem Käfig sitzt der spätere Waldvogel. Esterhazy weist in seiner Inszenierung sehr kunstvoll auf vergangene und auf zukünftige Elemente der Handlung hin. Alles greift sinnvoll ineinander über. So geistert bereits hier schon Erda über die Bühne, etwa wenn Wotan seiner Tochter Brünnhilde eröffnet, dass diese ihre Mutter ist. Grane ist ein „Begleiter“ Bünnhildes, ein Greis auf Krücken, der am Ende die Wache vor ihrer feurigen Lagerstatt übernimmt. Esterhazys Personenführung ist bis ins kleinste Detail ausgefeilt. Wann hat man den langen Monolog Wotans im zweiten Akt je so kurzweilig, geradezu spannend erlebt wie hier, bei einer „Plauderei“ am Frühstückstisch? Auch Kleinigkeiten zeugen von der Akribie, mit der Esterhazy zu Werke gegangen ist. Beim Walkürenritt sind nicht alle Walküren auf der Bühne, einige sind noch im Rang. Und die „Hojotoho“-Rufe dienen hier zur Verständigung über große Entfernungen in der Bergwelt. Es ist eine Inszenierung, die in sich stimmig ist und das im „Rheingold“ begonnene Konzept konsequent weiterentwickelt hat. Man darf auf den „Siegfried“ und die „Götterdämmerung“ mehr als gespannt sein.

Auch musikalisch erweist sich die Oldenburger Walküre als hochrangig. Hendrik Vestmann und das Oldenburgische Staatsorchester haben ein kleines Wunder bewirkt. Selten hat man die vom Gewittersturm durchtoste Eingangsszene so kraftvoll musiziert und mit solch elementarer Gewalt umgesetzt erlebt. Vestmann und das Orchester spielen durchgängig auf hohem Niveau. Allein Wotans Abschied wird mit einer berauschenden Klangpracht aufgefächert, dass man nur Staunen kann. Auch in Bezug auf Tempo und Dynamik kann man die Szene (und nicht nur diese) kaum besser machen. Beim Schlußbeifall zeigt sich das Orchester denn auch komplett und völlig zu Recht auf der Bühne.

Ohne Gäste geht eine „Walküre“ in Oldenburg natürlich nicht. So gibt Nancy Weißbach eine Brünnhilde mit Stahl in der Stimme, mit einer Leuchtkraft, die sich stets über dem Orchester behauptet. Wie Raketen feuert sie ihre Spitzentöne ab und gibt der Rolle zudem ein attraktives, glaubhaftes Profil. Als Wotan hinterlässt auch Michael Kupfer-Radecky einen denkbar besten Eindruck. Mit hervorragender Diktion, mit substanzreicher Pianokultur, aber auch mit großen Bögen voller Volumen bleibt er der Partie nichts schuldig – erschütternd sein Wunsch nach dem Ende und der schmerzvolle Abschied von Brünnhilde. Zoltán Nyári braucht ein paar Momente, um seinen höhensicheren Tenor von „lyrisch“ auf „heldisch“ umzuschalten, aber dann schmettert er kraftvoll sein „Ein Schwert verhieß mir der Vater“ mit den mühelosen Wälse-Rufen und findet in den „Winterstürmen“ zu innigem Ausdruck. Nadja Stefanoff hat sich vom belcantogeschulten Mezzo zum lyrisch-dramatischen Sopran (etwa als Tosca in Bremen) entwickelt.

Ihre Sieglinde glüht geradezu vor Leidenschaft, die von ihrer dunklen Stimmfarbe noch verstärkt wird. Großartig allein wie ihr emotionaler Ausbruch „O hehrstes Wunder“ in den Raum bricht. Der international gefragte Pavel Shmulevich (er singt u.a. am Mariinsky-Theater) gibt mit sehr metallischem Bass und erzener Wucht den Hunding als kaltherzigen Schurken. Aus dem eigenen Ensemble behauptet sich Melanie Lang als Fricka mit starker Persönlichkeit, der sich sogar Wotan beugen muss. Stimmgewaltig zeigt sich auch die Walküren-Schar mit bewährten Kräften des Hauses.

Wolfgang Denker | 11.09.2017

Rating
(4/10)
User Rating
(2/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
320 kbit/s CBR, 44.1 kHz, 513 MByte (MP3)
Remarks
In-house recording
A production by Paul Esterhazy (2017)