Die Walküre
Cornelius Meister | ||||||
Orchester der Bayreuther Festspiele | ||||||
Date/Location
Recording Type
|
Siegmund | Klaus Florian Vogt |
Hunding | Georg Zeppenfeld |
Wotan | Tomasz Konieczny Michael Kupfer-Radecky [act 3] |
Sieglinde | Lise Davidsen |
Brünnhilde | Iréne Theorin |
Fricka | Christa Mayer |
Helmwige | Daniela Köhler |
Gerhilde | Kelly God |
Ortlinde | Brit-Tone Müllertz |
Waltraute | Stéphanie Müther |
Siegrune | Stephanie Houtzeel |
Grimgerde | Marie Henriette Reinhold |
Schwertleite | Christa Mayer |
Roßweiße | Katie Stevenson |
Wer schwängerte Sieglinde?
Der “Feuerzauber” besteht aus einer einzigen Kerze. Immerhin, könnte man sagen (andere äußern sich lautstark mit “buh”). Denn Regisseur Valentin Schwarz unterläuft mit dieser einsamen Kerze nicht nur ironisch die Erwartungshaltungen, sondern er verschiebt ganz bewusst den Fokus, weg von Brünnhilde in ihrem schützenden Feuerkreis und hin zum trauernden Wotan, getrennt durch eine Art Lamellenwand – Wallhall-Architektur, was auch bedeutet: Selbst Schuld! – von seiner Lieblingstochter, und krümmt sich vor Schmerz. Besagte Kerze trägt Gattin Fricka herein, nebst Versöhnungssekt, schließlich hat Gatte Wotan brav in ihrem Sinne gehandelt, hat den vermeintlichen Ehebrecher Siegmund (Spoiler: Er war`s gar nicht) eigenhändig erschossen, als Brünnhilde ihn gegen den braven, allerdings auch groben Wachmann Hunding (beeindruckend klar und zupackend: Georg Zeppenfeld) verteidigen wollte. Und hat Brünnhilde angemessen bestraft für ihr Fehlverhalten. Die bürgerlichen Werte haben obsiegt. Aber darauf anstoßen mag Wotan nicht, er nimmt lieber seinen Hut, was ganz wörtlich zu verstehen ist, der vielleicht Brünnhildes Cowgirl-Hut aus dem zweiten Aufzug ist, und zieht von dannen. Wüsste man, ob seine Trauer der Tochter oder dem Machtverlust gilt (das ist allzu unscharf inszeniert), wäre es richtig gut. So endet die Walküre ganz passabel. Man möchte wissen, wie es weitergeht, wie die Handlungsfäden aus dem Rheingold mit diesen Geschehnissen verknüpft werden: Das ist Netflix-Dramaturgie. Der Regisseur selbst hat darauf hingewiesen.
Die große Geschichte des Ring des Nibelungen rückt erst einmal in den Hintergrund, hier geht es vornehmlich ganz privat um Sex and Crime in der Wotan-Großfamilie. Hunding gehört zum Wachpersonal, eine entwurzelte Esche ist in sein Haus gerutscht, hat die Stromversorgung unterbrochen. Der vor dem Unwetter Schutz suchende Siegmund gehört offenbar zu denen, die man besser schnell und diskret liquidiert, gleichwohl gilt Gastrecht. Siegmund und Sieglinde begreifen, dass sie Zwillinge sind, die früh getrennt wurden, und passend dazu verwandelt sich die Kulisse in die Jugendzimmer der beiden. “So blühe denn, Wälsungenblut”: Wagners Aufforderung zum inzestuösen Sex ist überflüssig, denn Sieglinde (stimmlich hinreißend und beinahe schon überdimensioniert: Lise Davidsen) ist bereits hochschwanger, nur offenbar nicht vom Gatten Hunding. Aber von wem dann? Wir werden es sicher erfahren in Der Ring des Nibelungen Staffel 1 Folge 3 oder 4. So geht Netflix-Dramaturgie.
Wenn Brünnhilde dann zunächst den feschen Siegmund (everybody’s Darling Klaus Florian Vogt mit hell timbrierten, leicht baritonal grundiertem, in jedem Ton souveränen Tenor) unterstützen soll, dann aber Hausherrin Fricka (furchteinflößend präsent mit toller Stimme: Christa Mayer) ein Machtwort spricht und Wotan (schlagkräftig heldenbaritonal, aber im Dialog mit Brünnhilde mit vielen leisen Zwischentönen: Tomasz Konieczny) zurücksteuern muss, dann gelingt es Schwarz doch sehr eindrucksvoll, die Gefühlslagen und die Zerrissenheit dieser Figuren zum Ausdruck zu bringen. Brünnhilde (etwas pauschal in der Klangfarbe, aber differenziert in der Gestaltung und mit angemessen heroinenhafter Attacke: Iréne Theorin) erkennt früh ihr Dilemma, aus dem es keinen Ausweg gibt: Unterstützung für Siegmund kommt quasi ihrem eigenen Todesurteil gleich, und das schreit sie eindrucksvoll heraus. Das Familiendrama, das Schwarz hier aufstellt, geht recht gut auf.
Fragwürdiger sind in dieser Walküre die Motive, die er frei hinzufügt (wie die verfrühte Schwangerschaft Sieglindes samt Niederkunft noch vor dem dritten Aufzug). Zu Beginn des zweiten Akts betrauert man den Tod Freias, die wir noch aus dem Rheingold kennen (auch das kann man unter dem Stichwort “Netflix-Dramaturgie” verbuchen). Brünnhildes Pferd Grane tritt in Gestalt eines jungen Mannes auf, Brünnhildes Lover – oder Zuhälter? Brünnhildes Walküren-Schwestern sind Luxusweibchen in der Schönheitsklinik, was man unter dem Stichwort “Provokation” verbuchen darf, wobei das Aufregungspotential dann doch sehr gering ist. (Kostümbildner Andy Besuch setzt hier fifty shades of red auf ästhetisch brutale Weise nebeneinander.) Szenisch gibt es manchen Moment des Wiedererkennens; die Schönheitsklinik (mit Überwachungskamera) etwa entspricht der pädagogischen Anstalt “Nibelheim” aus dem Rheingold, und die rätselhafte Pyramide im Glaskubus, die offenbar Wallhall symbolisierte, taucht sowohl als konkretes Requisit wieder auf (darunter ist das Siegfried verheißene Schwert, hier eine Pistole, versteckt), aber auch als noch nicht klar identifizierbares Element des Bühnenbilds (Andrea Cozzi). Auch das hält die Spannung und Vorfreude auf die nächste Folge hoch.
Vergrößerung in neuem FensterAuf dem Walkürenfelsen, kurz nach der (zum Glück nicht näher gezeigten) Entbindung: Der Herr mit den langen Haaren, der das neugeborene Kind hält, ist Grane, Brünnhildes Ross; Sieglinde liegt erschöpft am Boden.
Luxussessel sind auch nicht mehr das, was sie hoffentlich mal waren: Einen Moment lang konnte man glauben, das zusammenbrechende Möbel im zweiten Aufzug sei ein schlecht platzierter Kalauer der Regie; tatsächlich war es ein Unfall, in dessen Folge sich Tomasz Konieczny so stark verletzte, dass er den dritten Akt nicht mehr singen konnte (im zweiten ließ er sich nichts anmerken). Kurzerhand sprang nach der zweiten Pause Michael Kupfer-Radecki ein, stimmlich ein anderer Charakter, lyrischer, eine Nummer leiser und zwei Nummern weniger heldisch als Konieczny, dabei recht geschickt in der Disposition der Partie, die er sehr achtbar zum traurigen Ende brachte.
Beim sehr guten Festspielorchester muss man sicher berücksichtigen, dass Dirigent Cornelius Meister recht kurzfristig für den erkrankten Pietari Inkinen eingesprungen ist und die Probenzeit für einen kompletten Ring ohnehin denkbar knapp ist. Den solide gespielten Feuerzauber etwa hat man in Bayreuth schon klanglich raffinierter gehört. Sehr schön gelingen viele ruhige Passagen im zweiten Aufzug. Die Ausbrüche im ersten Aufzug nimmt Meister eher entspannt, aber wenn Sieglinde sowieso schon schwanger ist, darf sich wohl auch der Testosteron-Spiegel in Grenzen halten; und auch der Walküren-Ritt erklingt eher leicht und verspielt als martialisch, passend zur szenischen Brechung. Keine ganz große, aber eine mehr als solide orchestrale Interpretation.
FAZIT
Valentin Schwarz gelingt alles in allem eine szenisch stringente Walküre, die längst nicht alle Geheimnisse preisgibt, ihren Plot aber recht spannend erzählt. Musikalisch sehr ordentlich mit manchen vokalen Glanzlichtern.
Stefan Schmöe | Premiere im Festspielhaus Bayreuth am 1. August 2022
Unfall bei Bayreuther «Walküre»: «Wotan»-Sänger verletzt sich und muss ersetzt werden
Unglücklicher Auftakt der Bayreuther «Walküre»: Bei der Premiere der «Walküre» kam es zu einem Unfall auf der Bühne, in den ausgerechnet der Hauptdarsteller Tomasz Konieczny verwickelt war.
Bei der Bayreuther Premiere der «Walküre» hat sich der «Wotan»-Sänger Tomasz Konieczny am Montagabend so schwer verletzt, dass er nicht weitersingen konnte. Für ihn sprang im dritten Akt der Richard-Wagner-Oper kurzfristig Michael Kupfer-Radecky ein. Konieczny hatte sich die Verletzung im zweiten Akt zugezogen, als er sich in einen Sessel fallen liess, dessen Rückenlehne daraufhin abbrach. Von seiner Verletzung zu merken war zunächst nichts. Er brachte den zweiten Akt professionell zu Ende.Doch nach der Pause kehrte er nicht auf die Bühne zurück. Der Pressesprecher der Bayreuther Festspiele, Hubertus Herrmann, trat vor Beginn des dritten Aufzugs vor den Vorhang und informierte die Zuschauer über die kurzfristige Umbesetzung.Die «Wotan»-Partie in der diesjährigen Neuproduktion des «Ring des Nibelungen» bringt den Festspielen kein Glück: Kupfer-Radecky ist schon der fünfte Göttervater der Produktion. Ursprünglich war Günther Groissböck dafür vorgesehen gewesen, er hatte aber schon im vergangenen Jahr abgesagt.Der Sänger John Lundgren, der ihn ersetzten sollte, sagte dann im Juni dieses Jahres ab. «Aus persönlichen Gründen» sei es Lundgren nicht möglich, «für die intensive und für die Neuproduktion notwendige Probenarbeit in Bayreuth zur Verfügung zu stehen», teilten die Festspiele damals mit. Für Lundgren sprang dann Egils Silins im ersten «Ring»-Teil, «Rheingold», ein. Für die «Walküre» und den «Siegfried» war Konieczny in der Rolle vorgesehen. Ob er am Mittwoch im «Siegfried», dem dritten der vier «Ring»-Teile, auftreten kann, war zunächst unklar.Nicht nur die «Wotan»-Umbesetzungen machen es dem «Ring»-Regisseur Valentin Schwarz in diesem Jahr personell schwer. Auch der Dirigent Pietari Inkinen musste wegen einer Corona-Erkrankung kurz vor der Premiere das Handtuch werfen. Für ihn übernahm Cornelius Meister.Der «Wotan»-Vorfall ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass eine kaputte Sitzgelegenheit bei den Bayreuther Festspielen Schlagzeilen macht: 2015 brach in der Pause ein Stuhl unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen. Berichte über einen angeblichen Schwächeanfall machten die Runde, die aber schnell dementiert wurden.
dpa | 02.08.2022
Vom Stuhl gehauen – In Bayreuth wird der Ring mit einer teils turbulenten Walküre fortgesetzt
Im Festspielhaus gab es diesmal eine szenische Zugabe, die sich niemand wünscht. Sie be- beziehungsweise traf den Göttervater. Bei Regisseur Valentin Schwarz ist der ja das Oberhaupt einer Familie, in der jeder sein Päckchen, sprich irgendein Trauma, zu tragen hat. Als sich Tomasz Konieczny in der Rolle des besagten Wotan gerade in einem Eames-Designersessel ausgestreckt und die Beine hochgelegt hatte, krachte das Ding plötzlich zusammen. Konieczny tat den Rest des Aktes so, als wär nichts – geschmerzt haben muss es schon da. (Vielleicht wollte der Hausgeist auf dem Grünen Hügel damit an den Vorgängerring erinnern und übertrieb es etwas: da war Brünnhilde nämlich auch mal mit einem Campingstuhl zusammengekracht, was Catherine Foster allerdings ohne Blessuren überstand.)
Georg Zeppenfeld, den Fricka (wieder Christa Mayer mit ausgestellter strenger Würde) als Hunding im Schlepptau hatte, als sie ihrem Mann wegen seiner Zwillinge auf die Pelle rückte, erbarmte sich und räumte die Trümmer beiseite. Diese Improvisation passte sogar zu seiner Rolle – in seiner schäbigen Kellerbehausung im ersten Akt hatte er sich auch schon – ganz hausmeisterlike – geschäftig um die kaputten Sicherungen gekümmert und sogar neue besorgt.Zu Beginn des dritten Aufzuges jedenfalls trat Pressesprecher Hubertus Hermann vor den Vorhang, informierte darüber, dass die Verletzung so schwer ist, dass Konieczny nicht weiter singen und spielen kann. Und, dass Michael Kupfer-Radetzky (der Gunther in der Götterdämmerung) den dritten Akt übernehmen wird. Der Teil der Zuschauer, denen er ein Begriff war, applaudierte schon bei der Ankündigung, der Rest schloss sich am Ende an.Jedenfalls war danach jedem, der sich ansonsten möglicherweise im „Who-is-Who?“ des Personaltableaus verheddert hatte, vollkommen klar, warum Wotan im dritten Akt plötzlich anders aussah. Und auf einmal mit mustergültiger Wortverständlichkeit und hochkultiviert sang! Er verstärkte die Protagonisten-Fraktion des wortverständlichen Gesangs (also Georg Zeppenfeld, Klaus Florian Vogt, Lise Davidsen und Christa Mayer). Dass man nun auch bei Wotans Abschied jedes gesungene Wort tatsächlich verstand, und nicht nur wie bei Iréne Theorin im Entlangschlittern am Klang erahnte, war der unerwartete Höhepunkt dieser insgesamt auch musikalisch recht packenden „Walküre“.Vor allem der erste Aufzug lieferte nämlich einen echten Bayreuthmoment. Der ist ja bei Wagner durchaus so vorgesehen, hat sich aber dank Lise Davidsen und Klaus Florian Vogt auf der Bühne und Cornelius Meister im Graben auch wirklich so ereignet. Der Jubel nach dem „Blühe denn Wälsungenblut“ war der euphorischste der bisherigen Festspiele. Wenn die junge Norwegerin als Sieglinde loslegt, denkt man sich: so ungefähr muss es hier früher immer (na ja, jedenfalls oft) geklungen haben. Bei Festpielpublikumsliebling Klaus Florian Vogt freut man sich einfach, dass er auch noch andere Partien als Lohengrin und Walther von Stolzing mustergültig draufhat. Nicht gleich vom ersten Ton an, da klang es noch wie aufgesagt, aber es dauerte nicht lange und er hatte den Drive, die Leidenschaft, gewann seiner lyrischen Stimme eine dramatische Seite ab, ohne dass es albern wirkte. Dieser Bayreuther Siegmund war eine Klasse besser, als die Erinnerung an seinen Versuch, sich diese Rolle in der Münchner Kriegenburg-Walküre vor zehn Jahren anzueignen!Imagination wird zum Raum
Szenisch hatte die „Walküre“ verhalten begonnen. In einer Kellerbehausung von Hunding und seiner bereits hochschwangeren Frau Sieglinde. In deren Chaos war auch noch der Strom ausgefallen und der Hausherr musste erst mal losziehen, um neue Sicherungen zu besorgen. Szenisch legt dieser Akt einen Gang zu, wenn die Winterstürme dem Wonnemond weichen. Da wird die Imagination der Erinnerung an die Kinder- und Jugendzeit von Siegmund und Sieglinde zum Raum. Plötzlich finden sich beide in den von oben einschwebenden noblen Kinder- und Jugendzimmern wieder, in denen sie offenbar ihre ersten Jahre gemeinsam verbracht haben. Auch die als Jugendliche, in denen sie zu einem Liebespaar wurden? Es könnte gut sein, dass die beiden schon daheim und nicht erst auf der Flucht vor Hunding ein Liebespaar waren. Steht nicht so bei Wagner und ist auch hier nicht sicher. Wäre aber in der Binnenlogik der Inszenierung plausibel. Aber es gibt noch einen anderen Verdacht und da ist selbst diese Methode nicht sicher.Während in Sieglinde – kurz vor Siegmunds Tod im zweiten Akt – traumatische Erinnerungen aufsteigen und sie phantasiert, macht sich Wotan an ihr zu schaffen. Wenn er hier nicht den Geburtshelfer geben will, könnte diese Szene auch ein Vergewaltigungsversuch sein oder die bislang verdrängte Erinnerung an einen ganz anderen Inzest, als den, den wir bisher kannten. Zutrauen, kann man hier fast jedem, fast alles. Das gehört zu den Dingen, über die sich trefflich spekulieren lässt. Auch darüber übrigens, was das Strickzeug bedeuten könnte, mit dem Sieglinde hantiert. Aufkeimender Selbsthass, der sich gegen das Kind richtet? Wenn Brünnhilde auf der Flucht mit Sieglinde bei ihren Schwestern Schutz sucht, hat sie den kleinen Siegfried schon im Arm.Der zweite Akt hatte zurück in die Wotansvilla mit der Bücherwand und der Sitzlandschaft geführt. Links ist jetzt auch ein Teil der Walhall-Pyramide sichtbar, von der man im Rheingold nur das Modell zu sehen war. Umgesetzt ist es als eine modernistische Dachkonstruktion über etwas Felsigem(?) – ganz entschlüsselt sich das Bauwerk bislang nicht. Das gleißende Walhall-Modell im Glaskasten verbirgt jedenfalls ein anderes Requisit – Nothung ist zu einer Pistole mutiert. Es wirkt zugegebenermaßen etwas unfreiwillig komisch, wenn diese Waffennovität angesungen wird. Ein szenischer Clou ist aber der Auftakt – da sieht man einen aufgebahrten Sarg. Wer den Freitod von Freia im „Rheingold“ nicht mitbekommen hatte, wird durch das aufgestellte Foto aufgeklärt: es ist Freia. Die Trauergemeinde hat Showformat – hier nutzten die Frauen des Clans (Wotan hat ja genügend Nachkommen in die Welt gesetzt) den Termin vor allem dazu, um ihre Begleiter, Kinder und vor allem die neuesten Klamotten zu präsentieren.Für den Walkürenritt dann zieht Schwarz alle Parodie-Register. Da geht die Show der Damen im Beautysalon de luxe (mit Chirurgieabteilung) weiter. Der befindet sich im gleichen Bühnenbildmodul, in dem schon die Walküren-Kita im „Rheingold“ untergebracht war. Folgt man der Binnenlogik von Schwarz, ergibt das Sinn. Jedenfalls lassen sich alle renovieren. Stirn, Nase, Busen – was man halt so macht, wenn man nix anderes zu tun hat. Dazu wird vor allem neuesten Schuhmode durchprobiert, alles mit Selfies festgehalten und bei den männlichen, recht zarten dienstbaren Geistern zugelangt. #MeToo verkehrt. So witzig war der eigentlich düstere Walkürenritt lange nicht. (Bei Christof Nel gab es vor zwanzig Jahren sogar mal Szenenapplaus für eine ähnliche Show!) Der ganze Ulk ist freilich vor allem eine Diagnose. Nur mit sich selbst beschäftigt, sind diese Frauen völlig unfähig zur Empathie mit Brünnhildes Rettungsambitionen. Grane (ihr männlicher Begleiter) hat mehr Mitgefühl in seiner Mähne als alle Walküren zusammen. Manche weisen Wotan den Weg zu der sich verbergenden Brünnhilde, andere wollen sofort die Stellung der Lieblingstochter einnehmen. Wotans halbes Dutzend Sicherheitsleute verscheuchen diese Frauen mit gezogener Waffe – tja wer weiß schon wohin.Zum Schluss schaltet die Szene auf eindrucksvollen, ja berührenden Minimalismus um. Der Zwischenvorhang schließt sich und wir erleben Wotan ganz allein und einsam, wörtlich am Boden zerstört sozusagen. Wenn Fricka am Ende nochmal auftaucht, mit ihm auf ihren Erfolg anstoßen will, wird der Feuerzauber von nur einer brennenden Kerze auf ihrem Barwagen vertreten. Aber Wotan stößt mit dieser Frau nicht an. Sie hatte ihn schließlich gezwungen Siegmund zu erschießen. Sie mag mit ihren Argumenten Recht gehabt haben, aber versteht nichts von dem, was Wotan bewegt. Er nimmt denn auch seinen (Wanderer-)Hut und geht langsam ab. Man ist gespannt wohin ihn die nächste Folge führen wird. Cornelius Meister jedenfalls ist auch mit dieser Walküre vollständig angekommen. In einem Ring, der bisher, bei aller mitunter überraschenden Sichtweise, ohne viele der gewohnten Utensilien musikalisch leuchtet.
Joachim Lange | 2.8.2022
A production by Valentin Schwarz (premiere)
After a stage accident Tomasz Konieczny, singing Wotan, had to be replaced by Michael Kupfer-Radecky for the third act.
This recording is part of a complete Ring cycle.