Die Walküre
Michael Güttler | ||||||
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Siegmund | Marco Jentzsch |
Hunding | Young Doo Park |
Wotan | Michael Volle |
Sieglinde | Betsy Horne |
Brünnhilde | Manuela Uhl |
Fricka | Katrin Wundsam |
Helmwige | Vera Ivanovic |
Gerhilde | Sharon Kempton |
Ortlinde | Britta Stallmeister |
Waltraute | Louise Fenbury |
Siegrune | Nora Kazemieh |
Grimgerde | Maria Rebekka Stöhr |
Schwertleite | Helena Köhne |
Roßweiße | Fleuranne Brockway |
Licht und Schatten
Laufenbergs Ansatz, den „Ring“ in verschiedenen Epochen anzusiedeln, beginnt mit „Das Rheingold“ in einer undefinierten Vorzeit und setzt sich nun in der Zeit des zweiten Weltkriegs fort. Dieses Konzept, das bereits von Regisseuren wie John Dew, Herbert Wernicke und Michael Leinert erprobt wurde, wirkt in Laufenbergs Umsetzung uninspiriert und wenig durchdacht. Der erste Aufzug spielt in einem Wirtshaus, dessen Decke von der gewaltigen Esche durchbrochen wird. Oberhalb dieser Szenerie erscheint Brünnhilde immer wieder und beobachtet das Geschehen – eine wenig glaubhafte Konstellation, da die Zwillinge sie unmöglich übersehen könnten. Ein weiteres Ärgernis ist das unerklärliche Auftauchen eines Rotkäppchens und zusätzlichen Personals, deren Rollen unklar bleiben und szenisch nichts beitragen, während der Lenz in den Saal lachen sollte. Besonders befremdlich ist die Szene, in der Brünnhilde das kopulierende Zwillingspaar beobachtet – eine unnötige und plumpe Inszenierungsidee. Im zweiten Aufzug befinden wir uns auf einem Schlachtfeld mit einem großen Soldatenzelt. Wotan, als Kriegsgeneral inszeniert, berät sich mit Soldaten. Einige interessante Details, wie Freias Äpfel auf Wotans Tisch, werden nicht ins Spiel integriert. Brünnhildes Todesverkündigung wird von antik gekleideten Statistenpaaren bebildert, die wie Möbelpacker aus dem „Rheingold“ wirken und den großen Verhandlungstisch neu positionieren – eine unpassende und störende Wiederholung. Am Ende des Aufzugs gibt es eine rohe Vergewaltigungsszene von Sieglinde durch Hundings Schergen, die dramaturgisch völlig deplatziert ist. Brünnhildes Schicksal endet in einer Germania-ähnlichen Statue, die in eine simple Feuerprojektion übergeht, welche schließlich in Videosequenzen der Wallstreet mündet.
Marco Jentzsch als Siegmund zeigte mit seinem lyrischen Tenor viel Musikalität und innere Beteiligung. Besonders hervorzuheben ist seine Fähigkeit, die lyrischen Qualitäten seines Timbres zu nutzen, um Siegmunds innere Zerrissenheit und Sehnsucht auszudrücken. Allerdings mangelte es in der Mittellage und Tiefe deutlich an baritonaler Substanz, wodurch die Sonorität etwas fehlte. Das Timbre tendiert eher ins Charaktertenorale und lässt auch sonst mehr an einen Tamino denken. Betsy Horne als Sieglinde wirkte sehr zurückhaltend. Ihre warme Tongebung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stimme im Volumen allzu reduziert wirkte und die Höhepunkte im ersten und dritten Aufzug gradeso bewältigt wurden. Hinzu kam ein darstellerisches Phlegma, was den fiebernden und lebensgierigen Charakter der Rolle ausschlug. Young Doo Park lieferte als Hunding eine finstere Vorstellung ab. Sein herrlicher Bass besaß die nötige Schwere und Bedrohlichkeit, um diese Rolle authentisch darzustellen. Parks stimmliche Präsenz und seine Fähigkeit, die düstere Aura Hundings zu verkörpern, waren beeindruckend. So war der leidenschaftliche erste Aufzug vor allem Park, Güttler und seinem gut reagierenden Orchester zu danken. Die Resonanz beim Publikum für diesen ersten Aufzug war entsprechend und endete ohne Enthusiasmus. Großen Jubel gab es an diesem Abend für Michael Volle als Wotan. Volles Stimme strahlte Autorität und väterliche Wärme aus, besonders in den Szenen mit Brünnhilde, wo seine subtile Dynamik und präzise Artikulation das Publikum tief bewegten. Volle gestaltete Wotans Charakter mit einer beeindruckenden Vielschichtigkeit. Seine Fähigkeit, die Zerrissenheit Wotans zwischen Machtbewusstsein und väterlicher Liebe darzustellen, war bemerkenswert. In der Auseinandersetzung mit Fricka zeigte Volle eine klare, resolute Diktion, die Wotans inneren Konflikt zwischen Pflicht und persönlichen Gefühlen eindrucksvoll verdeutlichte. Die reiche Farbpalette seiner Stimme trug dazu bei, die emotionale Komplexität der Rolle zu unterstreichen. Besonders in den langen Monologen, wie Wotans Abschied von Brünnhilde, gelang es Volle, das Publikum mit subtilen dynamischen Abstufungen und einer intensiven emotionalen Präsenz zu fesseln. Seine Fähigkeit, das Publikum in die inneren Kämpfe Wotans hineinzuziehen, war besonders und machte seine Darbietung zu einem intensiven Erlebnis. Allerdings zeigte sich in dieser Vorstellung auch, dass Volle noch deutlich Arbeit in diesen komplexen Rollencharakter investieren muss. Einige Textaussetzer, vor allem im dritten Aufzug, waren irritierend und verhindern letztlich einen freien Umgang mit der Rollengestaltung. Volle schien dies auch selbst zu bemerken, denn er winkte bei der ersten Ovation des Publikums ab, so als wolle er sagen: “Das ist zu viel“. Keine Frage, Michael Volle hat die Voraussetzungen für einen Wotan. Es bleibt ihm zu wünschen, dass er für diese komplexe Rolle zu jener Gestaltungstiefe und -freiheit findet, die seinen Hans Sachs zu einem Solitär werden ließ. Manuela Uhl, die lange als Sieglinde erfolgreich war, wagte sich nun an die Brünnhilde, obschon sie keine Hochdramatische ist. Uhls schlanke Tongebung und helle Stimmfarbe verliehen der Walküre viel Jugendlichkeit, was den Konflikt zwischen Wotan und seiner Lieblingstochter authentisch machte. Uhl bewältigte die anspruchsvolle Partie mit Ausdauer und Klarheit, wobei ihre stimmliche Sicherheit in der hohen Ausbrüchen und die Textverständlichkeit besonders im Schlussduett hervorstachen. Jauchzende Höhen wurden gut gemeistert, die Tiefen in der Todesverkündigung brachten sie hingegen in deutliche Grenzen. Katrin Wundsam war eine sehr energische Fricka, die sich von Wotan nicht einschüchtern ließ. Ihre schneidende Sopran-Stimme und ihre entschlossene Bühnenpräsenz verliehen der Rolle die nötige Autorität. Wundsam gestaltete Frickas Argumentationen mit Präzision und emotionaler Intensität, was ihre Szenen mit Wotan zu den dramatischen Höhepunkten des Abends machte. Sie erhielt von den Damen den stärksten Applaus. Das Walkürenensemble harmonierte nicht immer gut und erklang in den Sopranlagen mitunter angestrengt.
Eine große Leistung lieferten Michael Güttler und das Hessische Staatsorchester. Güttler bewies sich als sehr versierter Kapellmeister, der seine Sänger vortrefflich begleitete und eine gute Balance fand. Die orchestrale Leistung war nuancenreich. Besonders beeindruckend war die fein abgestimmte Dynamik, die von zarten kammermusikalischen Momenten bis hin zu monumentalen Klangausbrüchen reichte. Die Streicher des Hessischen Staatsorchesters musizierten mit guter Klangqualität und präzisem Zusammenspiel, was den lyrischen Passagen eine besondere Wärme verlieh. Die Bläser hingegen glänzten mit brillanten Soli und kraftvollen Tuttis, die den dramatischen Höhepunkten Nachdruck verliehen. Ausdauernd und offensiv war das viel geforderte Blech zu vernehmen. Besonders hervorzuheben sind die Holzbläser, die für viele innige Momente sorgten. Schwach und rhythmisch unpräzise war leider, wie schon beim „Rheingold“, die Pauke. Güttler verstand es bestens, den komplexen Wagner’schen Orchesterapparat transparent und detailreich zu gestalten. Kleinere Unkonzentriertheiten fielen dabei nicht ins Gewicht. Die Balance zwischen Bühne und Orchester war vorbildlich, sodass die Sänger stets klar und deutlich zu hören waren. Die kunstvolle Gestaltung der Leitmotive und die feinsinnige Phrasierung der musikalischen Themen verliehen der Aufführung eine tiefere, fast narrative Ebene. Ebenso gelang es Güttler gut, fehlende Passion auf der Bühne mit dem emotionalen Dirigat gut auszugleichen.
Die Inszenierung von „Die Walküre“ am Staatstheater Wiesbaden enttäuschte durch eine unklare und oft unlogische szenische Umsetzung. Szenische Leerläufe und sinnlose szenische Chiffren konnten nicht übersehen werden. Der musikalische Vortrag wurde ausdauernd gefeiert.
Dirk Schauß | 27. Mai 2024
Ohne Liebe gibt es keine Zukunft
Vom Nomadenzelt ins Militärzelt – so könnte man den Schritt vom „Rheingold“ zur „Walküre“ von Laufenberg im Staatstheater Wiesbaden zusammenfassen. Ging es im „Rheingold“ noch halbwegs archaisch zu, indem sich die Götter um das Lagerfeuer zur Beratung zusammenscharrten, wartete die „Walküre“ mit Militäruniformen auf und zeigte Kriegsbilder in Videoeinspielungen. Das Lagerfeuer ist zum Gewehrfeuer geworden.
Energisch dirigierte Michael Güttler sein Orchester, gleich die ersten Streicher-Passagen in der Einleitung stachen mit so viel Wut hervor, dass man fühlte, das werde ein stürmischer Abend werden. Deutlich war ihm beim Schlussapplaus ins Gesicht geschrieben, wie sehr echauffiert er gewesen sein muss. Er hatte gut damit zu tun, dass Orchester und die Sänger zusammenzuhalten. Manchmal verspielte sich das Blech, leider mitten in Sieglindes schöner Erzählung von ihrer traurigen Hochzeit. Doch insgesamt war es eine wirklich gelungene Leistung vom Orchester.
Deutlich mehr als am vorigen Abend hatte Güttler nun zu tun, die Sänger anzuleiten. Sein massives Kopfschütteln verriet selbst dem Laien, wenn die Sänger den Einsatz verpatzt hatten. Sie hatten sich im Vergleich zum „Rheingold“ allerdings deutlich gesteigert, so als ob sie für die „Walküre“ Reserven aufgehoben hatten. Abgesehen von den Rollen des Wotan und der Fricka, deren Sänger dieselben waren, waren einige andere doppelt besetzt.
Ein Highlight war für mich Betsy Horne als Sieglinde. Sie hätte am Abend zuvor die Freia singen sollen, war aber erkrankt. Vor dem dritten Aufzug der „Walküre“ wurde dementsprechend angesagt, dass sie etwas indisponiert sei. Doch davon war wenig zu hören. Sie sang eine wunderbare, ausdrucksstarke Sieglinde. Ihre Töne strahlten, ihre Hochzeits-Erzählung gelang hervorragend und ebenso im dritten Aufzug der Jubel über ihr empfangenes Kind. Schön zu sehen, wie alle Walküren die Arme dabei weit ausbreiteten. Das ist sehr passend, denn es erklingt ja nur an dieser Stelle schon einmal die Musik, mit der der ganze Ring enden wird und uns jetzt schon verheißt, dass es ohne Liebe keine Zukunft gibt.
Sehr gesteigert hat sich Simon Bailey als Wotan. Das war expressiv, stimmlich und von der Spielfreude wunderbar. Ein wirklich guter Wotan! Chapeau! Ebenso gesteigert hat sich Young Doo Park als Hunding. Vielleicht lag es auch daran, dass er hier deutlich mehr zu singen hatte und demnach mehr von sich präsentieren konnte denn als Fafner im „Rheingold“. Dort hatte er schon sehr finster gewirkt, das kam ihm jetzt als böser Ehemann zugute. Die Stimme gefällt mir in dieser Rolle wirklich außerordentlich gut. Ihn und Bailey kann ich mir gut in Bayreuth und anderen großen Bühnen vorstellen. Auch Aaran Cawley war doppelt eingesetzt: im „Rheingold“ mit der relativ kleinen Rolle des „Froh“, jetzt als tragischer Held „Siegmund“.
Manuela Uhl überzeugte als jugendliche Brünnhilde. Sie beherrschte und spielte die Partie sehr gut, viel ließ sich an ihrer Mimik ablesen. Das war auch der Fall bei ihrer Stiefmutter Freia, wie schon im „Rheingold“ wunderbar gesungen und interpretiert von Katrin Wundsam. Eine wahrhaftig souveräne Göttergattin, sie wirkte dabei auch gar nicht unsympathisch, wie das manchmal bei Fricka so ist, die ja doch zur Spielverderberin von Wotans Plänen wird.
Das Team der „Walküren“ harmonierte gesanglich, was nicht selbstverständlich ist und dementsprechend hier gewürdigt wird, es komplettierte ein gut aufgestelltes Ensemble.
Außer einem Militärzelt hatte das Bühnenbild eine Gaststätte anstelle von Hundings Wohnzimmer zu bieten, natürlich mit Baum im Raum, wie sich das gehört. Brünnhildes „Felsen“ stand im Pferdestall, leider ohne Pferde, dafür mit großem Denkmal als Felsen für Brünnhilde, in das sie prompt am Ende eingesperrt wurde und in undankbarer Pose schlafen muss, inmitten Feuerzauber mittels Feuerschalen, feurigen Bodenfontänen und loderndem Feuer und Bombardement als Videoeinspielung. Da steht sie nun, die imposante Statue der eigentlichen Heldin des Rings, und wartet auf ihren Erwecker.
Bianca Maria Gerlich | 30. März 2024
A production by Uwe Eric Laufenberg (2017, Linz 2014)
This recording is part of a complete Ring cycle.