Götterdämmerung
Ádám Fischer | ||||||
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Siegfried | Christian Franz |
Brünnhilde | Linda Watson |
Gunther | Boaz Daniel |
Gutrune | Regine Hangler |
Alberich | Jochen Schmeckenbecher |
Hagen | Eric Halfvarson |
Waltraute | Anna Larsson |
Woglinde | Andrea Carroll |
Wellgunde | Rachel Frenkel |
Floßhilde | Juliette Mars |
1. Norn | Monika Bohinec |
2. Norn | Ulrike Helzel |
3. Norn | Ildikó Raimondi |
Stage director | Sven-Eric Bechtolf (2008) |
Set designer | Rolf Glittenberg |
TV director | Ella Gallieni |
Nobel geht die Welt zugrunde – und mit famosem Orchester
Adam Fischer zelebriert die „Götterdämmerung“ als edles Finale für den „Ring des Nibelungen“, das allerdings ohne sängerische Glanzleistungen auskommen muss. Eric Halfvarson ist als Hagen sehr präsent und passend finster, Regine Hangler als Gutrune eine Lichtgestalt.
„Wandel und Wechsel liebt, wer lebt“, belehrt der junge Wotan im „Rheingold“ seine darob gar nicht erfreute Frau, Fricka: Mit ihr behaglich am eigenen Herd zu hocken ist diesem Machtpolitiker nicht genug. Dass es folgerichtig einmal eine Welt ohne ihn geben würde, dämmert ihm da noch nicht. In der „Götterdämmerung“ erzählt Waltraute – nun erstmals Anna Larsson und nicht ganz mit der wünschenswerten Prägnanz und Eindringlichkeit –, dass der alte Wotan in Walhall nur noch auf das Ende warte. In seiner „Ring“-Inszenierung gönnt Sven-Eric Bechtolf dem Gott im Ausgedinge freilich noch einen letzten Auftritt: Im Untergang zwischen Feuer und Wasser, den Lichteffekte und Filmprojektionen suggerieren, taucht Wotan, die Hälften seines von Siegfried zerschlagenen Speeres in Händen, noch einmal auf.
Wandel und Wechsel lieben auch die meisten Opernfreunde – zumindest dann, wenn die Besetzungsalternativen nicht klar zum Schlechteren führen. Davon kann bei Adam Fischer keine Rede sein: Der bereits 14. kompletten „Ring“-Aufführung in Bechtolfs 2009 fertiggestellter Deutung hat der ungarische Dirigent seinen klaren Stempel aufgedrückt. Hitziges Drängen verschmäht er, wohl auch, um ungeschlachte Ausbrüche zu vermeiden, mit denen die Sänger über Gebühr in Bedrängnis geraten würden. Stattdessen weiß er das hoch konzentrierte, bis auf vernachlässigbare Kleinigkeiten famos spielende Staatsopernorchester zu blühenden Klängen zu animieren, die Steigerungen auch der packenden Mannenchöre mit Bedacht aufzubauen und die Opulenz fein zu schattieren. Vom butterweich zarten Bassklarinettensolo, das die Basis für Hagens Tag bietet, bis zu den scharfkantigen Schlägen des Trauermarsches und den rund strömenden Des-Dur-Klängen des visionären Schlusses ist da auch in der „Götterdämmerung“ durchwegs ein Feiertag im Staatsopernrepertoire zu verzeichnen.
Auf der Bühne kann mit einer so differenzierten Lesart genau genommen niemand mithalten. Auch Linda Watson als Brünnhilde nicht, der freilich nach großer Steigerung hin zum erfolgreichen Erlösungsopfer die Publikumsherzen dankbar zufliegen. Dass es ihr im Vorspiel an triumphalem Höhenstrahl mangelt, stört weniger als der durchwegs nicht sonderlich plastische Vortrag und die eher ökonomische Darstellung. Sie punktet dafür in der sicheren Gesamtwirkung – und passt damit gut zu Christian Franz. Er mag sich als stämmiger Siegfried bisweilen ins Sprechen, Rufen und Stemmen retten, trifft jedoch auch überraschende Ausdrucksnuancen, etwa das verwunderte Erschrecken über seine eigenen Worte, wenn der Trank die fatale Erinnerung zurückkehren lässt.
Alberich kommt wie ein Migräneanfall
Eric Halfvarson ist immer noch ein Hagen von großer physischer Präsenz, dominiert die Szenerie mit passend finsterem Gebrüll, expressionistischen Gesten und subtilen Manipulationen: ein Schwarzalbe, dessen Vater, Alberich (der prägnant deklamierende Jochen Schmeckenbecher), wie eine nächtliche Migräneattacke über ihn kommt. Neben dem bewährten Boaz Daniel als schwächlichem Gunter gab Regine Hangler erstmals die missbrauchte Gutrune mit kindlich hellem Sopran: eine Lichtgestalt im guten Ensemble.
Walter Weidringer | 26.01.2016
Finale von Wagners Weltpanakustikum
Fesselnde Sänger, beknienswertes Orchester an der Wiener Staatsoper
Wie jeder talentierte Verfasser von überlangen Mehrteilern zieht Richard Wagner beim Finale seines Ring des Nibelungen noch einmal alle Register: Die Rheintöchter tauchen wieder auf, neues, paarungswilliges Personal wird eingeführt, der Held wird unter Drogen gesetzt und hinterrücks ermordet. Daraufhin sucht seine Geliebte den Flammentod, und schlussendlich säuft der ganze Laden ab. Mehr geht beim besten Willen nicht. Bei der Götterdämmerung stellt Eric Halfvarson das Nonplusultra dar: Wie der singt! Und spielt! Sein Hagen ist kein Durchschnittsintrigant, der ist komplett irre, der tanzt herum, dirigiert im Taumel seine Mannen; aber er ist auch ein ganz normaler Mensch, verletzlich, gebrochen, sich nach Liebe sehnend. Einsame Weltklasse. Wenn der US-Amerikaner auf der Bühne agiert, verliert sich auch die Lähmung des Sehsinns, die sich durch die monochrome Bühnenödnis von Rolf Glittenberg eingestellt hat, augenblicklich. Der Einzige, der Halfvarson in Sachen Intensität und Differenziertheit nahekommen kann, ist erwartungsgemäß Jochen Schmeckenbecher als Hagens Zwergenvater Alberich zu Beginn des zweiten Aufzugs. Dieser ist der dichteste, packendste des Abends. Der wiedergenesene Christian Franz und Linda Watson singen um Klassen besser als noch beim zweiten Tag des Bühnenfestspiels vor einer Woche; wenn auch Franz’ Siegfried im Sancho-Pansa-Look und Watsons Brünnhilde mit Grande-Dame-Attitüde darstellerisch nur begrenzt harmonieren. Aber Watson demonstriert im mittleren Aufzug sowohl Kampfeslust als auch ihren durchsetzungsfähigen, unverwechselbar timbrierten Sopran, und auch Franz überzeugt vokal mit Verve und heldischer Durchschlagskraft – welche ihm dann aber im letzten Aufzug ab dem eingestrichenen A peu à peu wieder abhanden kommt. Sonst: Boaz Daniel (für Markus Eiche eingesprungen) gibt einen nobel singenden Gunther, fest und hell Regine Hanglers Gutrune. Anna Larsson beweist sich mit ihrem dunklen, gedeckten Mezzo (als Waltraute) als fesselnde Erzählerin und Warnerin: Allein, ihre verliebte Schwester will nicht auf sie hören. Fein die drei Rheintöchter, intensiv die drei Nornen, wobei speziell die Zweite Norn von Ulrike Helzel einfach fantastisch gut ist: prägnant und dringlich wie kaum je gehört. Beknienswert wundervoll das Staatsopernorchester unter der Leitung von Adam Fischer, Wagners Weltpanakustikum ist aufgespannt zwischen der Intimität der Streicher und der Potenz des Blechs. Wobei man vielleicht einmal über die Platzierung der Kontrabasstuba nachdenken sollte: In ihrem akustisch überverstärkenden Eckerl klingt sie (zumindest auf den Parkettplätzen) oft so, als wenn der Riese Fasolt furzte.
Stefan Ender | 25.1.2016
Die Götterdämmerung ist das letzte Spektakel des Rings. Die mythische Wald- und Wiesenoper wird zum menschlichen Schurkenstück. Die Erbengeneration scheitert. Siegfried erleidet den Tod durch Speerwurf, Brünnhilde den Freitod durch Feuer, Hagen den Freitod durch Wasser.
Christian Franz: Franz ist als Siegfried nun einmal kein Stage animal. Sein Tenor ist von verlässlicher Kraft, offen, hell, monochrom timbriert, was zu relativ geheimnislosem Singen führt. Die Phrasierung ist ohne Anmut. Was nicht gefällt, ist die Unart, Ausrufe nicht zu singen, sondern zu sprechen.
Linda Watson (Brünnhilde): Effektvoll doch standardisiert sind ihre Bühnengesten. Die gen Himmel erhobenen Arme, die Andeutung einer verliebten Pirouette – zwischen diesen Polen bewegt sich ihr Gestenrepertoire. Am meisten liegt ihr das maßvolle Abschreiten der Bühnenkante im Stil einer Grande Dame. Die glitzernden Brustapplikationen gehen auf das Konto von Marianne Glittenberg (Kostüme). Zur opulenten Gestalt von Frau Watson passte ein Bett à la Marschallin besser als das Matratzenlager, das der Zuhörer während des Vorspiels zu sehen bekommt.
Watson ist im hochdramatischen Wagnerfach immer noch eine Bank. Nie habe ich das Gefühl, die Brünnhilde gehe über ihre Kraft. Ihre Artikulation ist gut, ihr Gespür für expressive Nuancen lobenswert, wenn es auch nicht an das von Herlitzius herankommt. Sie singt schöne Pianissimi. Ihr Material ist fern von Jugendfrische, doch immer noch vorzeigbar, wenn man bereit ist, die tremolierende Vollhöhe außer Acht zu lassen. Zu bemängeln bleibt folgerichtig, dass ihre Interpretation in keinem Bereich superb ist.
Markus Eiche (Gunther): Eiche verkörpert präzise, wie sich Richard Wagner den kraftlosen germanischen Hochadel vorstellte. Eiches Bariton ist hell, feinkörnig, kantabel. Eiche singt und agiert nobel. Im zweiten Akt bleibt Eiche expressive Kraft schuldig: „Wehe mir, dem jammervollsten Manne“ habe ich schon stärker gehört.
Eric Halfvarson (Hagen): Dieser bühnenwirksame Hagen dominiert jede Szene. Im Halbschatten dräut seine machtvolle Bismarck-Visage. Er ist ein Finsterling, dessen suggestive Mimik ebenso drohend wirkt wie sein pechschwarzes, prägnant deklamierendes Singen. Halfvarson übertrumpft mühelos das Fortissimo-Fluchmotiv des nicht gerade für schwache Lungen bekannten Wiener Blechs. Das F erreicht Halfvarson mit beträchtlicher Schallkraft.
Regine Hangler (Gutrune): ein Pummelchen mit glockenklarem Sopran. Sie füllt ihren Part nicht ganz aus. Regine Hangler zeigt dünne Ausdrucksgesten („Siegfried – mein!“).
Anna Larsson (Waltraute): gut, verhangenes Timbre, farbreicher, abgedunkelter Klang, dunkel leuchtende Höhe. Dynamische Nuancen.
Die Nornen tummeln sich in Blättergewändern vor einem Tannenforst im Bonsaiformat: Monika Bohinec (Erste Norn, beglaubigt die Vorwelt mit autoritärer Stimme, rau, eindrucksvoll), Ulrike Helzel (Zweite Norn: deutliche Registerunterschiede: Mitte kraftvoll, oben spitz, dünn, unten säuerlich), Ildikó Raimondi (Dritte Norn: kraftvoll)
Die Rheintöchter liefern betörenden Ensemblegesang (Rachel Frenkel Wellgunde, Andrea Carroll (Woglinde), Juliette Mars (Flosshilde))
Die Personenführung hat Stärken, so in der Gibichungenhalleszene des ersten Aktes. Das Bühnenbild verzichtet auf Originalität. Es begnügt sich damit, symbolische Hintergrundbilder zu liefern. Doch das schafft Freiraum für die Sängerakteure.
Ádám Fischer leitet elegant und warm. Schön sind die aufwärtsschwingenden Geigen des Brünnhildemotivs im Vorspiel, zweite Szene. Siegfrieds Rheinfahrt findet in gemütlicher Pracht statt. In Akt I, Szene 1 entzückt das kammermusikalisch ausgeleuchtete Geflecht der warmen Streicherstimmen. Die Musiker verweben Bläser- und Streicherlinien. Die Bläserstaccati des Speereides haben Tempo.
Schlatz | 24. Jan 2016
I.
Der Ring ist den Kindern des Rheines zurückgegeben, der Vorhang hat sich über den verklingenden Des-Dur-Akkorden geschlossen. Nun gilt es zuzuwarten bis zur Spielplan-Pressekonferenz für die nächste Saison, wenn ein neuer Alberich sich wiederum in den Besitz des Horts zu bringen wissen wird, ewig sich wiederholendes Spiel der Geschichte.
Unter den Wiener Opernfreunden kursiert selbstredend längst die Mär von zwei Ring-Zyklen im Frühjahr 2017. Camilla Nylund erzählte jüngst in einem Interview mit dem MerkerOnline, daß sie wieder in Wien Sieglinde singen werde. Und hinter vorgehaltener Hand wird Peter Schneider als Dirigent genannt, ein Kapellmeister im besten Sinne des Wortes und als solcher geschätzter Kollege — »esteemed colleague« nennt man das in England — von Ádám Fischer.
Dieser blieb auch in der Götterdämmerung seiner Linie der gemäßigten Tempi, dabei aber dynamisch aufgefächerten und damit sängerdienlichen Interpretation treu. Ádám Fischer lenkte die Geschicke im Graben und auf der Bühne mit sparsamen Gesten, und das Staatsopernorchester mit Rainer Küchl und Albena Danailova am Konzertmeisterpult ließ den vierten Teil von Richard Wagners großer Liebesgeschichte fein abgemischt erklingen. Pech für die Horngruppe, dass gerade an der exponierten Stelle zu Beginn des dritten Aufzugs die Konzentration ein wenig nachließ…
II.
Während für die Nornen mit Monika Bohinec, Ulrike Helzel und Ildiko Raimondi bewährte Kräfte aus dem Ensemble aufgeboten waren, feierten bei den Rheintöchtern Andrea Carroll und Rachel Frenkel gelungene Rollen-Debuts im Haus am Ring (Flosshilde: Juliette Mars). Wie sie Siegfried im Boot spielerisch umgarnten, ließ szenische Probenarbeit (oder Eigeninitiative oder beides) erahnen. — Mehr Textdeutlichkeit bei den Nornen verbuchten wohl nicht nur jene, welche Siegfried letzte Woche versäumt hatten, als willkommenes Service des Hauses.
III.
Anna Larsson, die Erda im Rheingold und im Siegfried, kehrte uns erstmals an der Staatsoper wieder als schlanke, gut aussehende, aber in ihrem Versuch, Brünnhilde zur Rückgabe des Rings an die Rheintöchter zu bewegen, glücklose Waltraute.
IV.
Der Alberich des Jochen Schmeckenbecher beschwor seinen Sohn Hagen so eindringlich, sich des Rings zu bemächtigen, daß man sich bei dem Gedanken »Gerne wieder!« ertappte. Hagen, von Eric Halfvarson stimmlich und schauspielerisch eindrucksvoll gestaltet und mit kräftigem Baß nicht nur die Mannen zum Feiern auffordernd, zog an Gibichs Strand die Fäden der Intrige gegen den »hehrsten Helden«. Was Wunder, daß der Herr der Gibichungen — Boaz Daniel ersetzte den erkrankten Markus Eiche — da chancenlos war und einen das eine oder andere Mal auch stimmlich zaudernden Gunter darstellte. Seine Schwester wurde erstmals von Regine Hangler gesungen. Die oberösterreichische Sopranistin ließ keinen Zweifel daran, daß ihr die Gutrune viel besser in der Kehle liegt als die Rosalinde. Man lauschte einer hellen, schön geführten Sopranstimme und ertappte sich bei den Gedanken an eine Daphne oder, in ein paar Jahren, eine Arabella. Vordem wäre es allerdings interessant, sie ein paarmal in Mozart-Partien zu hören, um den gestrigen, günstigen Eindruck überprüfen zu können.
V.
Neben Boaz Daniel hatte man auch Christian Franz, nach seiner Unpäßlichkeit letzte Woche wieder gesundet, als Siegfried den Einspringerbonus zuzugestehen. Christian Franz profitierte wohl am meisten an diesem Abend von Ádám Fischers umsichtiger Disposition am Pult und dankte es mit einer guten Leistung und einer Aufmerksamkeit heischenden Reminiszenz an die Waldvogel-Szenen aus dem Siegfried. Man mache sich nicht unglücklich und forsche in der Vergangenheit, ob nicht Bess’res sich finde.
VI.
Seine Brünnhilde, Christian Franz‘ Schirm und Schutz nicht nur letzte Woche, wurde von Linda Watson gesungen. Leider vermochte sie nicht an ihre großartige Leistung in der Walküre anzuschließen, aber für einen sehr guten Abend mit sparsamem Einsatz ihrer stimmlichen Mittel und den Höhepunkten im zweiten Aufzug reichte es allemal. Die einfache Handbewegung und doch großzügige Geste, mit welcher sie Gutrune die Erlaubnis erteilte, Siegfrieds Leichnam zu bedecken, das rührte. Gewiß, man mochte sich nicht nur den Schlußgesang eindrucksvoller wünschen, mitreißender, bewegender, wie man ihn — auch von ihr selbst — schon hören konnte; aber das Publikum war’s zufrieden und dankte.
Die schönsten Geschichten sind eben auch in der Oper die tragischen Liebesgeschichten.
Thomas Prochazka | 25. Jänner 2016
Premiere |
This recording is part of a complete Ring cycle.