Parsifal

Ádám Fischer
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Date/Location
30 March 2016
Staatsoper Wien
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Amfortas Michael Volle
Titurel Ryan Speedo Green
Gurnemanz Falk Struckmann
Parsifal Stephen Gould
Klingsor Boaz Daniel
Kundry Violeta Urmana
Gralsritter Michael Roider
Il Hong
Stage director Christine Mielitz (2004)
Set designer Stefan Mayer
TV director Ella Gallieni
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Reviews
bachtrack.com

Österliches Wagnerfest: Parsifal an der Wiener Staatsoper

Eine spannende Woche steht dem Wiener Publikum ins Haus: Sowohl die Wiener Staatsoper als auch das Theater an der Wien werden in der nächsten Woche ihre Programme für die kommende Saison ankündigen. Was hat dies nun mit dem alljährlichen Parsifal-Reigen zum Osterfest zu tun? Gerüchte besagen, dass in der Saison 2016/17, nach 12 Jahren und nicht einmal 50 Aufführungen, die erprobte Inszenierung von Christine Mielitz in der Ausstattung von Stefan Mayer etwas Neuem weichen soll. Ob dem wirklich so ist, wird die Spielplankonferenz zeigen.

Derweil sie noch zu sehen ist, bleibt die Frage: Was zeichnet die Arbeit von Mielitz und Mayer aus? Viel Verweigerungspotenzial, daran besteht kein Zweifel. Die Bildgewalt, die Wagner seinem Bühnenweihfestspiel mitgegeben hat, wird in dieser Umsetzung wirkmächtig gebrochen, indem beispielsweise der Karfreitagszauber sich von einem unschmucken, rotglänzenden Gebirgsmassiv à la Alpenpanorama abspielt, wodurch nicht wirklich Stimmung erzeugt wird. Dennoch: die kleinen Details vermögen in dieser Inszenierung zu überzeugen, beispielsweise der fallende Zwischenvorhang während des peinlichen Bühnenabendmahls oder der sich am Ende als Metallbröselhaufen entpuppende Gral.

Dem Dirigenten Ádám Fischer und dem souverän musizierenden Staatsopernorchester gebührte zweifelsohne der Preis des Abends. Fischer ist mit allen kapellmeisterlichen Tugenden ausgestattet, die ihn eine Idealbesetzung für einen Parsifal machen. Er ergeht sich nicht in mühevollem Pathos, erzeugt keine Längen und nimmt stets Rücksicht auf der Personal auf der Bühne. Es gibt vielleicht tiefgründigere Grabendeuter oder experimentellere Umsetzungen der Partitur, aber will man auf Nummer sicher gehen, so ist und bleibt Fischer die richtige Wahl.

Ein weiterer Star des Abends ist das Kollektiv des Chores der Wiener Staatsoper in der Einstudierung von Thomas Lang. Nie zu laut und klanglich sehr ausgewogen präsentierten sich sowohl Damen als auch Herren und geben sehr wortverständlich eine ansehnliche Leistung zu Protokoll. Einzig vielleicht am Schluss machte ihnen die Bühnenakustik einen Strich durch die Rechnung: Der hinter der Bühne befindliche Damenchor wurde deutlich von den Herren auf der Bühne übersungen, was das Gesamtbild etwas eintrübte, aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Auch zeigten die Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper, dass sie ihren kleinen Einsatz während des verhüllten Abendmahles mehr als sauber zu singen vermochten. Gut, dass es diese Institution gibt!

Unter den Solisten des Abends ragte als übermenschlicher Leider Michael Volle heraus. Selten ist Amfortas mit soviel zurückgenommener Stimmbeherrschung gesungen worden wie von ihm. Man nahm ihm den gesamten Abend über den leidenden Gralskönig ab, wobei vor allem seine durchdringenden, mit viel Stimmkultur dargebotenen „Erbarmen“-Rufe zu den Höhepunkten des Abends gezählt werden dürfen. Als Rollendebütant, der – sieht man einmal von seiner kreativen Textfassung ab – durch und durch überzeugen konnte, ist Falk Struckmann zu nennen. Einst ein Amfortas begibt er sich nun in größere Basstiefen hinab und erweitert sein Repertoire, welches er stets bühnenwirksam darbietet, um neue Rollen. Sicher: Routine wird ihm noch gut tun und er wird wohl kein überväterlicher Gralsritter werden, doch hier wächst ein kräftig geführter Gurnemanz heran, der keinerlei Angst vor den Längen dieser Rolle zu haben braucht.

Als „reiner Tor“ war der wieder auf das internationale Opernparkett zurückgekehrte Stephen Gould zu erleben, dem man leider bescheinigen muss, dass es Wagnerrollen gibt, die ihm besser anstehen als der Parsifal. Ganz nahm man ihm den naiven Helden nicht ab, obwohl er ihn mit einiger Strahlkraft auszustatten vermochte. Seine großen Momente hatte er an diesem Abend vor allen Dingen im dritten Aufzug, wo er mit seinen ungeheuren Kraftreserven punkten konnte.

In etwas Abstand zu diesem exquisit besetzten Ensemble war Boaz Daniel zu stellen. Er gab seinen Klingor für meinen Geschmack mit zu viel Belcanto und zu brav, sodass es ihm nicht gelingen wollte, die Boshaftigkeit des Zauberers darzustellen. Doch eine Person, die den Abend zu einem Höhepunkt werden lies, war zweifellos Violeta Urmana als wandlungsfähige Kundry. Mag auch ihr „…und lachte!“ in der Höhe etwas geflackert haben, so gestaltete sie den Rest der Vorstellung mit viel Schauspielvermögen und ihrer fein geführten Stimme. Ob im ersten Aufzug als fremdelnde Dienerin oder im zweiten als Verführerin, diese Rolle gehört wohl, zusammen mit ihrer Isolde, zum Besten ihres Repertoires.

Fazit: Ein würdevolle Umsetzung von Wagners Parsifal, an der einzig die vorösterliche Applausordnung störte.

Simon Haasis | 29 März 2016

Der Standard

Kuss der Erkenntnis

Adam Fischer dirigiert an der Wiener Staatsoper

Mag Richard Wagners Parsifal durch seinen Charakter und seine Ausmaße den Begriff “Endlosigkeit” schönste Musikbedeutung verliehen haben – es sind potenziell sogar nur Einzelbegriffe und Sekunden, die über das mehr oder weniger Umwerfende einer Aufführung oder eines Sängers entscheiden könnten.

Wie etwa Kundry erstmals nach Parsifal ruft und der reine Tor auf dem Weg zum Kuss der Erkenntnis staunend seinen eigenen Namen zelebriert: Der im Wort enthaltene Ausdruck, die mit dem Timbre mitgelieferte Botschaft, beide vermögen das Wesen einer Oper erhellen zu verdichten. Natürlich auch jenes “Allerbarmen!”, das der geplagte Amfortas schmerzvoll hinauswuchtet, während die Ritter erschöpft der Gralsenthüllung harren.

Michael Volle legt in dieses “Allerbarmen” die ihm zur Verfügung stehende Mischung aus Intensität und kultiviertem Klang. Ganz groß. Dennoch wäre es ungerecht, ihn auf einzelne Momente und Worte festzulegen. Seine rundum packende Gestaltung hält die Qualität des Abends insgesamt fern des Alltags. Stephen Goulds (als Parsifal) Leistung an einzelne Worte festzulegen, wäre ebenfalls ungerecht. Entscheidende Stellen geraten zwar nicht über die Maßen eindringlich. Auch ist es mit der schauspielerischen Vertiefung dieser monströsen Partie nicht weit her. Aber Gould schafft über die Gesamtheit des Abends respektabel Kontinuität – mit Ausbrüchen ins Blasse wie ins Imposant-Expressive.

Violeta Urmana (als Kundry) ist ebenfalls für ihre Gesamtperformance und Kondition zu loben, für Intensität, der viel herbe Klanglichkeit zur Seite stand. Imposant daneben Falk Struckmann (als Gurnemanz) und ein bisschen zu kultiviert Boaz Daniel (als Klingsor). Dirigent Adam Fischer und das Staatsopernorchester klangzauberten, zelebrierten romantischen Überschwang (wie der passable Chor), hätten mitunter jedoch konziser intonieren dürfen.

Ljubisa Tosic | 26.3.2016

Wiener Zeitung

Die ewige klingende Wunde

Musikalisch luxuriöser Karfreitagszauber bei “Parsifal” an der Wiener Staatsoper

Die Klarheit und Präzision, zu der Adam Fischer das Orchester der Staatsoper am Gründonnerstag führte, hatte etwas surreal Perfektes. Fast zu schön, um wahr zu sein. Mit dieser klaren Absage an eine mystische Überhöhung gestaltete der Dirigent Wagners “Parsifal” als schreitend weihevolles, klarsichtiges und sängerfreundliches Bühnenweihfestspiel. Fischer nahm dem Werk damit jedoch auch ein Stück seines Zaubers.

Dass der Abend insgesamt musikalisch luxuriös war, lag jedoch auch an den Sängern. Vor allem die Herren waren herausragend besetzt. Falk Struckmann bewies bei seinem ersten Wiener Gurnemanz seine Stärken als stimmlich wie darstellerischer Charaktersänger, Michael Volle berührte und beeindruckte als ewig leidender König Amfortas. Und Stephen Gould ist ein heldnisch strahlender reiner Tor Parsifal. Einzig Violeta Urmana als Kundry ist nicht unproblematisch, in tiefen Lagen beeindruckt sie, ihre Höhe ist allzu schrill. Boaz Daniel ist ein souveräner, kaum abgründiger Klingsor. Die mit sämtlichen Illusionen aufräumende Regie von Christine Mielitz ist vom Repertoire etwas abgeschliffen. Das macht ihre antireligiöse Sicht schwächer und nicht weniger problematisch.

Judith Belfkih | 25.03.2016

der-neue-merker.eu

PARSIFAL am Gründonnerstag

Der Gründonnerstag–Parsifal ging planmäßig – ohne krankheitsbedingte Änderungen – über die Bühne und geriet zur großartigen Einstimmung auf ein hoffentlich besinnliches Osterfest.

Adam Fischer zelebrierte Richard Wagners religiöses Vermächtnis eindringlich und brachte den edlen Klang der Wiener Philharmoniker beeindruckend zur Geltung. Wir haben Parsifal schon dynamischer und strahlender erlebt – die emotional tiefgehende Interpretation von Adam Fischer erklärt jedoch ohne Worte, was unter dem Begriff „Bühnenweihfestspiel“ zu verstehen ist. Der Karfreitagszauber war – wie auch schon im Vorjahr – an Innigkeit kaum zu übertreffen. Zweite Säule des erfolgreichen Opernabends war wieder einmal der Chor der Wiener Staatsoper, der in den Massenszenen Höhepunkte der Handlung gestaltete.

Der begeisterte Schlussapplaus war für Chor und Orchester wohlverdient.

Die Besetzung der Gesangssolisten wies diesmal interessante Details auf, die rückblickend durchwegs positiv anzumerken sind:
Falk Struckmann – der „Amfortas vom Dienst“ – übernahm (für uns) erstmals den Gurnemanz und lieferte eine durchaus stimmige Interpretation des Chefs der Gralsritter ab. Er war nicht die oft dargestellte milde Vaterfigur mit warmem, samtenem Bass, sondern gab der Figur eine durchaus realistische Härte. Wie er Parsifal nach der Gralsszene vom Hof jagt, wirkte echt und wurde mit wortdeutlichem Bass überzeugend dargestellt. Falk Struckmann ist derzeit stimmlich in sehr guter Verfassung und bewältigte diese riesige Rolle problemlos – wenn es für ihn in der Höhe grenzwertig wurde, half der erfahrene, feinfühlige Kapellmeister mit einer Klangwoge, um kleine Schwächen zu überdecken.

Michael Volle war auch heuer wieder ein fulminanter Amfortas mit unendlicher Stimmkraft, mit großem Ausdruck in Stimme und Spiel – den Auftritt im dritten Akt empfanden wir als den berührendsten seit Thomas Quasthoff in der Premierenserie. Schmerzlich wurde uns bewusst, was uns im Jänner durch Volles Erkankung und Absage als Wotan entgangen ist. Aber es wird wieder ein Ring kommen…

Das gleiche gilt für unseren Stamm-Siegfried: Es freut uns besonders, dass Stephen Gould nach der „Auszeit“ wieder im Vollbesitz seiner großartigen stimmlichen Möglichkeiten zurückgekehrt ist und den wilden Knaben genauso kraftvoll wie von ihm gewohnt; den wissenden Erlöser jedoch noch lyrischer zu singen vermag. Bei „Den heil’gen Speer, ich bring in euch zurück“ erreicht er schon fast den Ausdruck eines Johan Botha – dem wir herzliche Genesungswünsche und die Kraft des Grales schicken. Wir wünschen ihm und uns, dass wir ihn schon bald als strahlenden Kalaf erleben können. Violeta Urmana kehrte nach vielen Jahren wieder als Kundry zurück und überzeugte auf allen Linien. Ihre klare, edel timbrierte Stimme erlaubt ihr alle Wandlungen dieser interessanten Frauengestalt. Zärtliches Liebeswerben, hysterische Ausbrüche, Mezzo-Passagen und höchste Höhen gelangen mit Leichtigkeit und Schönklang. Ein wunderbarer Abschnitt der Laufbahn, wenn die nötige Erfahrung schon, die stimmliche Leistungsfähigkeit aber noch vorhanden ist.

An den Klingsor in der Interpretation von Boaz Daniel haben wir uns inzwischen gewöhnt – er singt den Bösewicht schön und richtig, es fehlt aber die dämonische Bedrohlichkeit – vielleicht Geschmackssache!

Keine Geschmackssache, sondern eine Panne am Standort der „Stimme von oben“ muss Ursache des verunglückten Eindruckes gewesen sein. Sie war fast nicht hörbar – was sicher nicht am Stimmvolumen von Zoryana Kushpler lag.

Fast genauso untergegangen ist – wie immer in dieser Inszenierung – Ryan Speedo Green als Titurel. Schade um die Bemühungen der Sänger in dieser kleinen, aber gehaltvolle Rolle!

Bei den Blumenmädchen wurde eine gute Mischung aus Erfahrung und Frische gefunden.

Ileana Tonca, Regine Hangler, Margaret Plummer, Annika Gerhards, Caroline Wenborne und Zoryana Kushpler sorgten mit fein abgestimmtem Ausdruck für eine verführerische Stimmung. Die Knappen Ulrike Helzel, Hyuna Ko, Joseph Dennis und Peter Jelosits sowie die Gralsritter Michael Roider und Il Hong verdienen für die makellose Leistung Respekt – Anerkennung für das gesamte Ensemble der Wiener Staatsoper.

Maria und Johann Jahnas | Staatsoper: Parsifal am 24.03.2016

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