Parsifal

Valery Gergiev
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Date/Location
21 April 2019
Staatsoper Wien
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Amfortas Thomas Johannes Mayer
Titurel Ryan Speedo Green
Gurnemanz René Pape
Parsifal Simon O’Neill
Klingsor Boaz Daniel
Kundry Elena Zhidkova
Gralsritter Leonardo Navarro
Clemens Unterreiner
Stage director Alvis Hermanis (2017)
Set designer Alvis Hermanis
TV director Ella Gallieni
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Reviews
Der Standard

Wagners “Parsifal” an der Staatsoper

Welt im Wahn: Der “Parsival” in einer verspielten Regiearbeit, inhaltlich fehlt die Konsequenz

Touristen, die sich in Wien Sehenswertes zu Gemüte führen wollen, sparen in der Wiener Staatsoper einiges an Zeit. Besuchen sie eine Aufführung von Wagners Parsifal, genießen sie nicht nur das Haus am Ring. Die Inszenierung von Alvis Hermanis bietet auch Einblicke in die Eigenheiten des guten alten Jugendstils im Sinne von Otto Wagner. Die dahinsiechenden Ritter finden sich untergebracht in seinem kunstvoll verschnörkelten Spital auf der Baumgartner Höhe. Als Patienten harren sie des Erlösers. Allerdings wirkt auch Parsifal wie eine Art Don Quijote, der sich die Welt im Wahn erschafft und schließlich als eingebildeter König dasteht.

Eine verspielte Regiearbeit ist das und inhaltlich nicht sehr konsequent. Tenor Simon O’Neill wirkt in ihr szenisch denn auch etwas fremd. Er verfügt über ein interessantes Timbre, das an die Schellackzeit erinnert. In gewichtigen Passagen schafft er spitzentönige Intensität, die seine Performance als respektablen Kraftakt erscheinen lässt. Zusammen mit Elena Zhidkova (als Kundry) bringt er jedoch szenisch wenig; der Kuss der Erkenntnis bleibt als zentraler Augenblick behäbig gestaltet.

Narkotisch wirkende Elegie
Im Orchestergraben debütiert der Chef der Münchner Philharmoniker, der umtriebige Energetiker Valery Gergiev. Er ist an der narkotisch wirkenden elegischen Poesie der Partitur interessiert. Sensibel ausgestaltet klingt das, und es entfaltet Charme durch Noblesse. Das bis auf manche Blechpassage gut disponierte Staatsopernorchester zelebriert Intimität. Deftige Akzenten gibt es, jedoch dosiert und im Sinne des Dramas. Nur zum Schluss hin finden sich die Sänger etwas übertönt.

Besonders schade ist das bei René Pape (als grandioser Doktor Gurnemanz). Dem dunklen Charisma der Stimme von Zhidkova vermag dies gottlob nichts anzuhaben. Ergänzend: Niveauvoll Boaz Daniel (als Klingsor), szenisch packend, aber vokal doch etwas ramponiert Thomas Johannes Mayer (als kopfwunder Amfortas).

Ljubisa Tosic | 19. 4. 2019

Wiener Zeitung

Gergievs wechselhafter “Parsifal”

Wer büßen will, der hat in der Karzeit auch an der Wiener Staatsoper dazu Gelegenheit. Richard Wagners “Parsifal”, alljährlich am Gründonnerstag zu hören, steckt seit 2017 in der peinvollen Regie von Alvis Hermanis. Die schwelgt zwar im Dekor, fastet aber bei der Logik: Warum die Gralsritter im Otto-Wagner-Spital darben und die Heilige Lanze durch eine Riesenstricknadel ersetzt wurde – es sind nur zwei Mysterien dieses Bühne gewordenen Hirngespinsts.

Immerhin: Die Spitalskulissen helfen derzeit ein zusätzliches Übel zu erdulden, nämlich Langeweile. Wartezeiten sind in der Ambulanz normal, und sie stellen sich auch beim Operndebüt von Valery Gergiev am Haus ein. Der Russe dirigiert den ersten Akt dermaßen blass an den Bühnenbedürfnissen vorbei, als wäre er nicht seit 23 Jahren Intendant des St. Petersburger Mariinski-Theaters. Mögen die “Wehe!”-Rufe des Amfortas (Thomas Johannes Mayer) noch so grell scheppern: Das Orchester leiert, als würde es den zehnten Rosenkranz in Folge beten. Es grenzt an ein Osterwunder, dass Gergiev danach in die Gänge kommt, das Geschehen nicht nur aufpeitscht, sondern sogar Phrasen modelliert. Tempowechsel, Lautstärkeverläufe: Nun gibt es sie, leicht ausgedünnt auch im Schlussakt.

Auch die Sängerbilanz liest sich zwiespältig. Der Klang von Simon O’Neill (Parsifal) besitzt vor allem die Wucht eines Vorschlaghammers; Boaz Daniel gestaltet den Gegner Klingsor solide, doch ohne die nötige Schurkenschwärze, Mayer erweist sich als Garant für Drastik. Vorzüglich dagegen Elena Zhidkova (Kundry): Eine geradlinige Tongebung leistet im Kern ihres schattigen Timbres packende Dienste. Mann des Abends ist René Pape: ein Gurnemanz von noblem, textdeutlichem Volumen und (fast) endlosen Kräften, am Ende mit Ovationen gesegnet.

Christoph Irrgeher | 19.4.2019

operinwien.at

Zwischen szenischer Parodie und musikalischer Wirklichkeit

Da leuchtete es also wieder auf: das Kristallglas-Gralshirn, Markenzeichen des zwei Jahre alten Staatsopern-„Parsifals“. Und von Jugendstilengeln überwacht widmete sich Primararzt Dr. Gurnemanz erneut der Heilung seiner Patienten.

Auch die zehnte Aufführung der Inszenierung von Alvis Hermanis schwelgte in Otto-Wagner’schem-Jugendstildekor zwischen denkmalgeschützten Stadtbahnhaltestellen und der ehemaligen Krankenanstalt auf den Steinhofgründen. Die Blumenmädchen in der Prosektur, das große Plastikhirn, Parsifal in der goldenen Ritterrüstung – es empfiehlt sich nach wie vor, nur möglichst selten auf die Bühne zu schauen.

Dabei ist Dr. Gurnemanz in der Gestalt von René Pape eine medizinische Autorität ersten Ranges, trägt wortdeutlich seine Analysen vor und übt gegenüber den Kranken eine aufgeklärte, aber bestimmte Zurückhaltung, die sich ganz deren Heilung verschrieben hat. Sicher, Papé fehlte es ein wenig an der patriarchalen Derbheit jener schlachtenerprobten Gralsritter, die Parsifal nachdrücklicher zur „Gans“ wünschen. Sein Organ tönte in der tieferen Region nicht wirklich sonor, aber im weißen Kittel, von Patienten und Krankenschwestern bewundert, passte das vorzüglich.

Elena Zhidkova, an der Staatsoper in „Adriana Lecouvreur“ schon gefährliche Nebenbuhlerin Anna Netrebkos, packte auch als Kundry ihre Künste aus, mit gut fundiertem Mezzo, der schon ein bisschen etwas vom weißen Licht des Kristallglas-Gralshirns inhaliert zu haben schien. (Und man kann sich dazu die Meldungen der „Klatschspaltereien“ in den Societymedien vorstellen: „La Principessa di Bouillon hat sich in die Klinik des berühmten Neurologen und Psychoanalytikers Dr. Gurnemanz begeben”.) Für den tumben Toren Fal-parsi ist solch eine mondäne Dame natürlich eine große Gefahr, eine moderne Teufelin, die nicht mit Siedehitze männlichen Widerstand aufzuschmelzen weiß, sondern deren Unnahbarkeit eine berechnende Lüsternheit maskiert. Wenn Hermanis bei Kundry mehr an eine Hysteriestudie gedacht haben sollte, dann hat ihm Zhidkova einen wohltuenden Strich durch die Rechnung gemacht. Zugegeben, allzu große Qualen unter des Heilands Blicken zu verspüren, geziemt sich weniger für solch eine selbstbewusste Persönlichkeit.

Allerdings ist auch von einem Skandal zu berichten! Offenbar deckt Dr. Gurnemanz die Machenschaften eines Dr. Klingsor, der gerne an Leichen herumschneidet, um sie wiederzubeleben. Dr. Klingsor (in der Gestalt von Boaz Daniel) gab sich als beflissener Arbeiter vor dem Herrn Primar, und er hat stimmlich bestimmt, aber doch zu dezent seine Statements abgegeben. Dem Wundermann gelang es aber offenbar, sogenannte Blumenmädchen von den Toten zu erwecken, wahrscheinlich früh an Syphilis verstorbene Prostituierte, die, neu belebt, in dem Jüngling Fal-parsi nekrophile Gelüste erwecken sollten. Aber zum Glück ging Frau Kundry mit der Absicht dazwischen, den jungfräulichen Kerl auf ihrem eigenen Altar zu opfern. Die unterkühlte Atmosphäre weiß ausgekachelter Leichenräume hatte sich leider ein wenig auf manch blumige Stimme geschlagen.

Dass dieser Jüngling mit Pfeil und Bogen bewaffnet, plötzlich in der von Dr. Gurnemanz betreuten Krankenstation auftaucht, ist eine seltsame Geschichte. Außerdem hat er einen Schwan erlegt (oder sich nur eine verstaubte Jagdtrophäe angeeignet). Fal-parsi-Parsifal in der Gestalt von Simon O`Neill ließ einen Tenor mit einer Tendenz zur leicht nasalen Grellfärbung hören, nicht immer klangschön und mit etwas begrenztem heldentenoralem Material ausgestattet. Bleibt noch über Patienten Amfortas in der Gestalt von Thomas Johannes Mayer zu berichten, der stimmlich ein wenig müde wirkte, vielleicht vom blutigen Kopfverband und dem spastischen „Kriegszittern“ zu stark mitgenommen, das sich auch in seinen Bariton „gezogen“ hatte. Der Chor der männlichen Patienten drehte mächtig auf. Dr. Gurnemanz hat viele stimmkräftige Sänger auf der Station, mit denen sich sicher eine wunderbare Weihnachtsfeier gestalten lässt.

Was denkt sich eigentlich ein Dirigent, wenn er einen ganzen Aufzug lang ein großes weißes Plastikhirn vor sich hat, das auf der Bühne hockt? Er schaut am besten gar nicht hin. Valery Gergievs Blicke klebten bei seinem Operndebüt an der Wiener Staatsoper aber ohnehin an der Partitur, selten wandte er sich ausdrücklich der Bühne zu. Aber irgendwie schienen seine beide Hände zu genügen, die ohne große Gesten, aber mit sehr „redseligen“ Fingern, so etwas wie eine innere Motorik der „Parsifal“-Musik zu „ergreifen“ schienen: eine Bewegtheit unter dem seidigen Glanz weicher „Streicherteppiche“, wie unterirdische Strömungen unter der blankgeputzen Oberfläche blaugrün erglänzender Meeresgründe.

Das Vorspiel zum ersten Aufzug (auch wenn ihm noch ein wenig der große Bogen fehlte) ließ schon ahnen, dass ein Fest des Gehörsinns bevorstand, ausgewogen und doch gewaltig, eine Gralsburg aus Klängen und doch von einem Garten umgeben, aus dem sich dann der Karfreitagszauber ans Licht herausranken würde wie Blütenzweige strahlend weißer Lilien. Der erste Aufzug begann vom „Ruhepunkt“ des Erwachens und steigerte sich nach und nach in der Spannung, im zweiten Aufzug überzeugte vor allem der erotisierte „Psychokrieg“ zwischen Kundry und Parsifal (sowohl seitens des Orchesters als auch der beiden Darsteller), der sich in einem gewaltigen Finale entlud, und im dritten Akt drang dann diese oben beschriebene unterirdische Strömung stärker hervor, und der Abend schritt pilgerhaft dem großen Ziele zu, abseits aller szenischen Absonderlichkeiten die Erfüllung im musikalisch verströmten Gralslicht suchend.

Der starke Schlussapplaus dauerte trotzdem nur rund fünf Minuten lang. Vollmond lockte das Publikum hinaus in eine laukühle Aprilnacht.

Dominik Troger | Wiener Staatsoper 18. April 2019

forumopera.com

Créée en 2017 notamment autour de la prise de rôle de Nina Stemme en Kundry, la production de Parsifal de Alvis Hermanis retrouve chaque année à Pâques les honneurs du Wiener Staatsoper, comme le veut la tradition. Le metteur en scène letton oscille toujours entre des mises en scènes classiques ou l’audace de relectures conceptuelles ; Paris se souvient encore de cette Damnation de Faust autour de la figure de Stephen Hawking, accouplement d’escargots compris. Dans un contexte germanique, c’est ce choix qu’il opère et Vienne oblige, nous voici donc dans l’hôpital Wagner (Otto, rien à voir avec Richard) et son magnifique style Jugendstil, particulièrement bien rendu dans les décors et les costumes. Et c’est reparti pour une relecture de Wagner dans un versant psychiatrique, avec des références historiques de mauvais ton, tel Klingsor qui rappelle vaguement Josef Mengele. Outre qu’il n’y a rien de neuf là-dedans (on peut penser à la proposition antérieure et convaincante de Claus Guth à Zurich) Amfortas ne souffre pas au flanc mais est régulièrement trépané, tout comme Kundry. Gurnemanz en médecin chef voit tout ce beau monde s’agiter et baver ; sans sourciller quand Parsifal revient en armure médiévale des pieds à la tête dans un hôpital du XIXe siècle. Bref, ils sont tous fous à lier et ils ont fait fi de tout élément matériel du livret. Ça frotte, ça grince et ça irrite en permanence puisqu’aucune situation ne fait sens avec ce qui est dit par les personnages. Surtout, le texte de Wagner déjà protéiforme et offrant nombre d’aspérités pour s’extraire de la simple mise en image se trouve noyé dans un fatras ridicule (le Cerveau Géant) où le Graal est devenu un cerveau lumineux qui semble sorti du dernier spin-off d’Indiana Jones.

Malheureusement la direction d’orchestre ne vient pas relever le cadre scénique. Rien à reprocher à l’orchestre du Wiener Staatsoper et à l’hédonisme de ce son qu’aucune scorie ne vient entacher pendant 4 heures. Valery Gergiev en revanche déçoit tout à fait. Le début du premier acte est englué dans un tempo qui cherche à battre des records de lenteur, avant que, piqué par on ne sait qu’elle mouche, le chef se fouette les sangs pendant les transitions qui mènent à la cérémonie du Graal. Les cloches de Parsifal n’ont plus rien de solennel et ressemblent presque au carillon du réveille-matin. Surpris, fosse et plateau accusent de nombreux décalages cinq minutes durant. Le reste de l’œuvre sera menée tambour battant : le deuxième acte est bombardé en 45 minutes, avec il faut l’admettre un certain souffle dramatique, avant que le troisième acte ne soit que déliquescence. Les crescendo s’y confondent avec accelerando et inversement, la battue reste problématique et emmène l’orchestre s’échouer dans un final prosaïque où tout est mis sur le plan sans aucune clarté.

Heureusement le plateau offre quelques satisfactions à commencer par le Gurnemanz chevronné de René Pape. La basse allemande cisèle ses phrases avec un art consommé et habite l’espace de cette silhouette droite et austère. Mais si sa musicalité est avérée, comme l’an passé à Munich, il accuse une baisse de régime au troisième acte et ne peut plus passer l’orchestre pendant l’onction et l’enchantement du Vendredi Saint. Thomas Johannes Mayer lui rend la pareille. Voilà un Amfortas un rien effacé vocalement mais qui vit et rend la souffrance du roi par l’intelligence du chant . Aucun problème pour Boaz Daniel qui avale le rôle de Klingsor avec une belle aisance mais à qui il manque ce chouïa de noirceur qui donne tout son poids au personnage. Dommage d’avoir placé Ryan Speedo Green en coulisses et de sonoriser les interventions de Titurel. Simon O’Neill, handicapé par un timbre vinaigré, compose un Parsifal bourru, à peine adouci au deuxième âge pendant le duo avec Kundry, mais particulièrement vaillant au dernier acte. Elena Zhidkova possède tous les atouts pour interpréter Kundry. Mezzo au timbre charnu, voix ample dans le médium, aux graves solides et a l’aigu sonore et précis, il ne lui reste plus qu’à approfondir le portrait de la sauvageonne pour dépasser la simple présence scénique (elle fait penser à Helena Bonham Carter en Beatrix Lestrange dans l’adaptation d’Harry Potter) et être à la fois railleuse, séductrice et vengeresse.

Enfin, la force du Wiener Staatsoper, outre son orchestre, vient de sa troupe et des chœurs, stakhanovistes des lever de rideaux, mais dont la qualité ne se dément pas soir après soir. Ainsi, les chevaliers du Graal nous gratifient d’interventions aussi brèves qu’elles sont justes et les filles fleurs délicieuses – fruités des soprano, charbons des mezzo– se marient dans une langoureuse scène de séduction vocale (pour le scénique on repassera). Enfin, les chœurs délivrent une leçon de beau chant et d’harmonie entre ses différents pupitres.

Yannick Boussaert | 21 Avril 2019

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Technical Specifications
1920×1080, 7.8 Mbit/s, 12.8 GByte (MPEG-4)
Remarks
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